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FORSCHUNGSWELT

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IN KÜRZE

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Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) ist ein beliebtes Modell für die Erforschung von Pflanzen.

Das Immunsystem der Pflanzen

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Wie Pflanzen Angriffe abwehren

Wie wir Menschen schützen sich auch Pflanzen gegen Krankheitserreger. Ein internationales Konsortium unter der Leitung von Professor Cyril Zipfel der Universität Zürich hat nun einen lang gesuchten Faktor dieses pflanzlichen Immunsystems identifiziert: Bei Kontakt mit Mikroben veranlasst ein Kalziumkanal, dass sich die winzigen Poren auf der Blattoberfläche schliessen. Dieser Abwehrmechanismus könnte helfen, gegen Krankheitserreger resistente Nutzpflanzen zu entwickeln.

Jedes Pflanzenblatt besitzt Hunderte von winzigen Poren, die den Austausch von Gasen mit der Umwelt ermöglichen – die Aufnahme von CO2 und die Freisetzung von Sauerstoff und Wasserdampf. Diese sogenannten Spaltöffnungen (Stomata) sind essenziell für die Photosynthese, das Überleben der Pflanzen und letztlich jedes Leben auf diesem Planeten. Die Grösse der Öffnungen ist dynamisch geregelt, so dass sich die Pflanzen an wechselnde Bedingungen wie Sonnenlicht, Dürre und Regen anpassen können. Das Öffnen und Schliessen geschieht durch das Anschwellen und Schrumpfen von zwei Schliesszellen, die den Rand der Pore ringförmig umschliessen.

Pflanzen können sich verteidigen

In der Pflanzenforschung weiss man schon seit längerem, dass Blätter diese Schotten dicht machen, wenn sie potenziell pathogenen Mikroben ausgesetzt sind. Die Reaktion ist Teil des unspezifischen Immunsystems von Pflanzen: Rezeptoren an der Oberfläche von Pflanzenzellen erkennen typische Strukturen von Mikroben, etwa Bakteriengeisseln. Dies führt zu einer Reihe von Reaktionen, die das Eindringen und die Vermehrung der Mikroben blockieren. Eine dieser Reaktionen ist der Verschluss der Spaltöffnungen.

Lange Suche nach fehlendem Bindeglied

Der Mechanismus hinter diesem Verschluss blieb jedoch weitgehend ungeklärt. Klar war, dass die Reaktion durch einen raschen Einstrom von Kalzium-Ionen in die Schliesszellen induziert wird. «Die Identität der Kanäle, die diese schnelle Bewegung von Kalzium bewirken, war aber noch immer unbekannt», sagt Cyril Zipfel, Professor für Molekulare und Zelluläre Pflanzenphysiologie an der Universität Zürich und Senior Group Leader am The Sainsbury Laboratory in Norwich, Grossbritannien. Nach sechs Jahren Forschung hat er nun eine Studie veröffentlicht, die diese Lücke schliesst und den wichtigen Kalziumkanal in der Modellpflanze Arabidopsis identifiziert. Neben Zipfels Team haben mehrere internationale Forschungsgruppen zu den Ergebnissen beigetragen.

Mikroben lösen das Öffnen der Kanäle aus

Der entscheidende Hinweis war, dass das identifizierte Kanalprotein «Osca1.3» – dessen Funktion bisher unbekannt war – durch eine wichtige Komponente des pflanzlichen Immunsystems modifiziert wird: Diese Modifikation führt zur Öffnung des Osca1.3-Kanals, zum Einströmen von Kalzium-Ionen in die Schliesszellen und zum Schliessen der Spaltöffnungen. Zipfels Team konnte zeigen, dass diese Reaktion gezielt ausgelöst wurde, wenn Ara-

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bidopsis-Pflanzen in Kontakt mit Teilen von Bakteriengeisseln kamen, einem der mikrobiellen Auslöser des pflanzlichen Immunsystems.

Spezifisch für die Immunantwort

Die Forscher bestätigten dieses Ergebnis, indem sie mehrere genetische Mutationen einführten, die die Funktion des Kalziumkanals Osca1.3 aufhoben. Bei diesen mutierten Pflanzen führte der mikrobielle Auslöser nicht zum Schliessen der Poren. Weitere Experimente zeigten, dass der Kanal nicht durch Trockenheit und hohen Salzgehalt – andere Umweltfaktoren, die das Schliessen der Spaltöffnungen auslösen – aktiviert wird. «Diese Ergebnisse identifizieren den ersten pflanzlichen Kalziumkanal, der eine Rolle beim Verschluss der Spaltöffnungen spielt», sagt Zipfel. «Interessanterweise scheint dieser Kanal spezifisch für die pflanzliche Immunität zu sein.» Er vermutet daher, dass weitere pflanzliche Kalziumkanäle aus derselben Familie spezifisch auf andere Stressfaktoren wie Dürre reagieren könnten. Dies ist Gegenstand von zukünftiger Forschung. «Offensichtlich ist dieser Kanal an einer wichtigen Immunantwort bei Pflanzen beteiligt», sagt Zipfel. «Unsere Erkenntnisse haben daher das Potenzial, bei der Entwicklung von resistenten Nutzpflanzen zu helfen.» Bei realer und erheblicher Bedrohung durch Krankheitserreger könnten die Pflanzen dann die Eingangspforten schliessen, die gefährlichen Mikroben normalerweise das Eindringen in ihr Gewebe ermöglichen.

Originalpublikation Kathrin Thor, Shushu Jiang, Erwan Michard, Jeoffrey George, Sönke Scherzer, Shouguang Huang, Julian Dindas, Paul Derbyshire, Nuno Leitão, Thomas A. DeFalco, Philipp Köster, Kerri Hunter, Sachie Kimura, Julien Gronnier, Lena Stransfeld, Yasuhiro Kadota, Christoph A. Bücherl, Myriam Charpentier, Michael Wrzaczek, Daniel MacLean, Giles E. D. Oldroyd, Frank L. H. Menke, M. Rob G. Roelfsema, Rainer Hedrich, José Feijó, Cyril Zipfel, «The calcium-permeable channel OSCA1.3 regulates plant stomatal immunity», Nature (2020); DOI: 10.1038/s41586-020-2702-1

Kontakt Prof. Dr. Cyril Zipfel Universität Zürich Rämistrasse 71 CH-8006 Zürich +41 44 634 82 22 cyril.zipfel@botinst.uzh.ch www.uzh.ch EXCELLENCE IN AUTOCLAVES

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Das Strömungsverhalten des Wassers an der Mittelmeerküste lässt einen erahnen, wie komplex die Beschreibung von Strömungsmuster und Turbulenzen sind.

Turbulenzmodell übertrifft alle bekannten Ansätze

Forschende berechnen Turbulenzen mit KI

Beschreibungen von Strömungen und Turbulenzen sind anspruchsvoll. Forschende der ETH Zürich verwenden Künstliche Intelligenz, um ein möglichst genaues Turbulenzmodell zu entwickeln. Dabei wird die Modellierung der Turbulenzen vollkommen automatisiert. Ihr Projekt verbindet sogenannte «Reinforcement Learning»Algorithmen mit turbulenten Strömungssimulationen auf einem Schweizer Supercomputer.

Simone Ulmer ¹

Für das Design eines Autos oder einer Herzklappe, für die Vorhersage des Wetters der nächsten Tage, oder um die Geburt einer Galaxie zurückzuverfolgen, ist die Modellierung und Simulation turbulenter Strömungen entscheidend. Die Strömungsmechanik beschäftigte bereits den griechischen Mathematiker, Physiker und Ingenieur Archimedes. Heute, rund 2000 Jahre danach, ist die Komplexität des Strömungsverhaltens noch immer nicht vollständig verstanden. Der Physiker Richard Feynman zählte Turbulenzen zu den wichtigsten ungelösten Problemen der klassischen Physik. Bis heute sind sie ein aktives Forschungsthema für Ingenieurinnen und Mathematiker.

Der riesige Supercomputer «Piz Daint» wurde nach dem beinahe 3000 Meter hohen Bünder Berg benannt.

Seit über sechzig Jahren

Die Auswirkungen von turbulenten Strömen müssen Ingenieure berücksichtigen, wenn sie ein Flugzeug oder eine künstliche Herzklappe bauen. Meteorologinnen müssen sie berücksichtigen, wenn sie das Wetter vorhersagen, ebenso Astrophysiker, wenn sie Galaxien simulieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Disziplinen modellieren seit über 60 Jahren Turbulenzen und führen Strömungssimulationen durch. Turbulente Strömungen sind durch Strömungsstrukturen charakterisiert, die sich über einen grossen Bereich räumlicher

und zeitlicher Grössenmassstäbe erstrecken. Für die Simulationen dieser komplexen Strömungsstrukturen gibt es zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Die eine ist die direkte numerische Simulation (DNS), die andere die Large-Eddy-Simulation (LES).

Die Grenzen von Supercomputern

Die DNS lösen die für die Beschreibung von Strömungen zentralen Navier-Stokes-Gleichungen, mit einer Auflösung von Milliarden und manchmal Billionen von Gitterpunkten. Die DNS ist die genaueste Methode zur Berechnung des Strömungsverhaltens, aber leider ist sie für die meisten Anwendungen in der realen Welt nicht praktikabel. Denn um alle Details der turbulenten Strömungen zu erfassen, benötigen sie weit mehr Gitterpunkte, als in absehbarer Zukunft von irgendeinem Computer verarbeitet werden können. Aus diesem Grund verwenden die Forscher in ihren Simulationen Modelle, um nicht jedes Detail berechnen zu müssen und trotzdem hohe Genauigkeit zu erreichen. Beim LES-Ansatz werden die grossen Strömungsstrukturen aufgelöst, während sogenannte «Closure Models» die feineren Strömungsskalen und deren Wechselwirkungen mit den grossen Skalen berücksichtigen. Die richtige Wahl des «Closure Model» ist entscheidend für die Genauigkeit der Ergebnisse.

Eher Kunst als Wissenschaft

«Die Modellierung dieser turbulenten ‹Closure Models› ist in den vergangenen 60 Jahren weitgehend einem empirischen Prozess gefolgt und ist nach wie vor eher eine Kunst als eine Wissenschaft», sagt Petros Koumoutsakos, Professor am Labor für Computational Science and Engineering der ETH Zürich. Koumoutsakos und sein Doktorand Guido Novati sowie sein ehemaliger Masterstudent (nun Doktorand an der Universität Zürich) Hugues Lascombes de Larousilhe schlagen deshalb eine neue Strategie zur Automatisierung des Prozesses vor: Künstliche Intelligenz (KI) nutzen, um aus dem DNS die besten turbulenten «Closure Models» zu lernen und sie dann auf die LES anzuwenden. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Wissenschaftsmagazin «Nature Machine Intelligence».

Neuronale Netzwerke sind ungeeignet

Konkret entwickelten die Forscher neue Reinforcement Learning (RL) Algorithmen und kombinierten sie mit physikalischen Erkenntnissen, um Turbulenzen zu modellieren. «Vor 25 Jahren leisteten wir Pionierarbeit bei der Kopplung von KI und turbulenten Strömungen», sagt Koumoutsakos. Aber damals waren die Computer noch nicht leistungsfähig genug, um viele dieser Ideen zu testen. «In jüngerer Zeit haben wir auch erkannt, dass die gängigen neuronale Netzwerke zur Lösung solcher Probleme nicht geeignet sind, da das Modell die Strömung, die es ergänzen soll, aktiv beeinflusst», sagt der Professor. Die Forscher mussten deshalb auf einen anderen Lernansatz zurückgreifen, bei dem der Algorithmus lernt, auf bestimmte Muster im turbulenten Strömungsfeld zu reagieren.

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Die Idee hinter Novatis und Koumoutsakos neuartigen RL-Algorithmus für Large-EddySimulationen ist, die Gitterpunkte, die das Strömungsfeld auflösen, als KI-Agenten zu verwenden. Agenten sind technische Einheiten, die bestimmte Ziele verfolgen, indem sie mit Informationen und anderen Agenten interagieren. Die hier verwendeten KI-Agenten lernen «Closure Models» durch die Beobachtung von Tausenden von Strömungssimulationen. «Um solche Simulationen in grossem Massstab durchführen zu können, war es entscheidend, Zugang zum Supercomputer ‹Piz Daint› am Centro Svizzero di Calcolo Scientifico (CSCS) zu haben», betont Koumoutsakos. Nach dem Training sind die Agenten frei, in der Simulation von Strömungen zu agieren, in denen sie vorher nicht trainiert wurden. Das Turbulenzmodell lernt, während es mit der Strömung «spielt». «Die Maschine ‹gewinnt›, wenn die Ergebnisse von LES identisch mit denen von DNS sind, ähnlich wie wenn Maschinen lernen eine Schachpartie oder das Spiel GO zu spielen», sagt Koumoutsakos. «Während der LES führt die KI die Aktionen der ungelösten Skalen durch, indem sie nur die Dynamik der aufgelösten grossen Skalen beobachtet.» Die neue Methode übertrifft laut den Forschern nicht nur gut etablierte Modellierungsansätze, sondern kann auch über Gittergrössen und Strömungsbedingungen verallgemeinert werden.

Eine vernünftige Nutzung von KI

Der entscheidende Teil der Methode ist ein neuartiger, von Novati entwickelter Algorithmus, der identifiziert, welche der vorhergehenden Simulationen für jeden Strömungszustand relevant sind. Der Merken-und-Vergessen-Erfahrung-Wiederholung-Algorithmus («Remember and Forget Experience Replay»-Algorithmus) übertrifft den Forschern zufolge die grosse Mehrheit der vorhandenen RL-Algorithmen bei mehreren Benchmark-Problemen, die über die Strömungsmechanik hinausgehen. Das Team geht davon aus, dass ihre neu entwickelte Methode nicht nur beim Bau von Autos und bei der Wettervorhersage von Bedeutung sein wird. «Für die meisten anspruchsvollen Probleme in Wissenschaft und Technik können wir nur die ‹grossen Massstäbe› lösen und die ‹feinen› modellieren», sagt Koumoutsakos. «Die neu entwickelte Methodik bietet einen neuen und leistungsfähigen Weg zur Automatisierung der Multiskalenmodellierung und zum Fortschritt der Wissenschaft durch eine vernünftige Nutzung der KI.»

Originalpublikation G. Novati et al., «Automating turbulence modelling by multi-agent reinforcement learning, Nature Machine Intelligence (2021); DOI: 10.1038/s42256-020-00272-0

ETH News www.ethz.ch/news

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Folgen für die Ökosysteme

Klimawandel und Schweizer Seen

Eine neue Modellstudie zeigt, dass der Klimawandel Wassertemperatur, Eisbedeckung und Durchmischung vieler Schweizer Seen erheblich verändern kann. Seen in mittleren Höhenlagen sind besonders unter Druck. Sie sind gefährdet, ihre Eisbedeckung vollständig zu verlieren und sich nicht mehr zweimal im Jahr vollständig zu durchmischen. Ein solche Veränderung hätte grundlegende Folgen für das Funktionieren der Seeökosysteme.

Seen unterliegen starken saisonalen Zyklen. In vielen Schweizer Seen in mittleren und hohen Lagen durchmischt sich das Wasser im Frühling und Herbst von der Oberfläche bis zum Grund. Dieser vertikale Austausch beeinflusst viele chemische und ökologische Prozesse. Sauerstoffreiches und nährstoffarmes Oberflächenwasser mischt sich mit dem sauerstoffarmen und nährstoffreichen Wasser vom Seegrund. Gleichzeitig wird die Seetemperatur über die gesamte Tiefe ausgeglichen. Im Winter und Sommer hingegen ist das Tiefenwasser durch eine stabile Schichtung von den Prozessen an der Oberfläche getrennt. Seeökosysteme und das gesamte Nahrungsnetz vom Plankton bis zum Fisch sind an diese saisonalen Schwankungen angepasst.

Klimawandel verändert saisonale Zyklen

Wie eine neue Computermodell-Studie des Wasserforschungsinstituts Eawag zeigt, greift der Klimawandel tief in diese Zyklen der Schweizer Seen ein. «Wie stark die Zirkulation der Seen auf den Klimawandel reagiert, hängt insbesondere von deren Höhenlage und Grösse ab. Vor allem Seen in mittleren Höhenlagen sind sehr empfindlich», sagt Love Råman Vinnå von der Forschungsabteilung Oberflächengewässer. Ein Forscherteam rund um Råman Vinnå hat für diese Studie 29 Schweizer Seen entlang eines Höhengradienten von 193 m bis 1797 m über Meeresspiegel untersucht. Mit dem eindimensionalen physikalischen Seemodell Simstrat simulierten sie die dynamischen Prozesse der Seen. Erstmals konnten Vinnå und sein Team zudem die neuen Schweizer Klimaszenarien (CH2018) nutzen, welche die komplexe

Das Forscherteam hat neben dem Vierwaldstättersee 28 weitere Schweizer Seen untersucht.

Topographie der Alpen berücksichtigen und dadurch das lokale Klima detaillierter darstellen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Seedynamik können damit genauer als in früheren Studien simuliert werden. Drei Zukunftsszenarien wurden verwendet: Das Worst-Case-Szenario geht von kontinuierlich steigenden Treibhausgasemissionen aus, in einem mittleren Szenario erreichen die Emissionen um 2050 ihren Höhenpunkt und das strengste Szenario begrenzt die globale Erwärmung auf 2 °C.

Die Durchmischung von Seen

Die Simulationsergebnisse zeichnen ein klares Bild: Erwärmt sich das Klima um mehr als 2 °C, drohen viele Seen in mittleren Höhenlagen im Lauf des 21. Jahrhunderts ihre Eisbedeckung zu verlieren, etwa der Lac de Joux oder der Klöntalersee. Weniger Eis bedeutet einen erhöhten vertikalen Austausch zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser. Das wirkt dem Aufbau einer stabilen Schichtung im Winter entgegen und verkürzt daher ihre Dauer. Im Sommer hingegen verlängert sich die Dauer der stabilen Schichtung, wodurch das Risiko eines Sauerstoffmangels in tiefen Gewässern steigt. Die längere Schichtung im Sommer begünstigt zudem das Algenwachstum von giftigen Cyanobakterien. In mittleren Höhenlagen könnten daher viele Seen von einem dimiktischen Mischungsregime mit zweimaliger Durchmischung des Bodenwassers pro Jahr zu einem monomiktischen Regime mit nur noch einer Durchmischung pro Jahr wechseln. Solche Verschiebungen des Regimes haben grundlegende Folgen für die Wärmespeicherung der Seen und für die Sauerstoff- und Nährstoffverteilung. Die Lebensräume vieler Wasserbewohner könnten sich beträchtlich verändern, da sich das Wasser von oben her erwärmt und Sauerstoff weiter unten knapp wird. Hoch gelegene Seen wie etwa der St. Moritzersee auf 1768 Meter bleiben hingegen gemäss Modellstudie unter allen Klimaszenarien dimiktisch, zumindest im 21. Jahrhundert. Interessanterweise erwärmt sich dort das Seewasser zwar stärker und verkürzt sich die Dauer der Eisbedeckung und der stabilen Schichtung im Winter schneller als in tieferen Lagen. Dennoch kommt es im aktuellen Jahrhundert wahrscheinlich zu keinem Kippen der Seen. Auf hochgelegenen Seen wird sich im Winter weiterhin eine Eisschicht ausbilden, so dass eine halbjährliche vertikale Durchmischung erhalten bleibt. Die grossen Seen im Schweizer Mittelland, etwa der Zürichsee oder der Genfersee, die schon heute ein monomiktisches Regime aufweisen, werden gemäss der Modellstudie ihre Durchmischungszyklen voraussichtlich behalten.

Medienmitteilung Eawag www.eawag.ch

Ein Loch schliesst sich selbst

Vom Tintenfisch zum schnell heilenden Material

Ein weiches Material, das sich augenblicklich selbst heilt, ist keine Fiktion mehr, sondern Realität. Ein Team von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme und der Pennsylvania State University verändert die Nanostruktur eines neuen dehnbaren Materials so lange, bis es seine Struktur und Eigenschaften wieder vollständig zurückerhalten kann, nachdem es zerschnitten oder durchstochen wurde.

Das von Tintenfischen inspirierte Material könnte das Forschungsgebiet der Soft-Robotik revolutionieren. Da es jeden Schaden rückgängig machen kann, ermöglicht es viele Anwendungen in einer Welt, in der Roboter mit dynamischen und unvorhersehbaren Umgebungen zurechtkommen müssen. Wissenschaftler des MaxPlanck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) in Stuttgart und der Pennsylvania State University (PSU) in den USA haben ein weiches Material entwickelt, das sich nach einer Beschädigung innerhalb einer Sekunde selbst heilen kann. Die Moleküle bisheriger verformbarer selbstheilender Materialien brauchen mehrere Stunden oder sogar Tage, um sich wieder miteinan- Ein Material schliesst das Loch selbst. der zu verbinden – oft mit geringer Festigkeit an der Stelle, an der sie durchstochen seine Struktur und Eigenschaften im Handoder zerschnitten wurden. Das neu ent- umdrehen vollständig wieder her – immer wickelte dehnbare Material stellt jedoch und immer wieder.TOSOH_Ins_58x90_4c_Layout 1 20.12.12 07:47 Seite 1 «Wir haben ein neues Material entwickelt, das viel schneller heilen kann, ohne seine D I S C O V E R N E W S O L U T I O N S F O R L I Q U I D C H R O M A T O G R A P H Y Festigkeit zu verlieren. Wir haben es auf verschiedenste Weise beschädigt und jedes Mal hat es sich innerhalb von Sekunden repariert», sagt Dr. Abdon Pena-Francesch, Erstautor der Publikation «Biosynthetic selfhealing materials for soft machines», die in «Nature Materials» veröffentlicht wurde. Anwendungen in der Robotik

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Geissbrunnenweg 14 · CH-4452 ItingenGewerbestrasse 10 • CH-4450 Sissach BL Tel. 061 971 83 44 · Fax 061 971 83 45Tel. +41 61 971 83 44 • Fax +41 61 971 83 45 E-Mail: info@sebio.ch · www.sebio.chE-Mail: info@sebio.ch • www.sebio.ch Selbstheilende weiche Materialien stossen bei Wissenschaftlern auf zunehmendes Interesse, insbesondere in der Robotik. Dort könnte nämlich ein solch einzigartiges Material den Ausschlag dafür geben, ob Roboter im Alltag tatsächlich eingesetzt werden können. Denn wenn Roboter eines Tages Menschen in sehr dynamischen und unvorhersehbaren Umgebungen unterstützen, sollten sie aus einem weichen und biegbaren Material sein. Doch je weicher, desto schneller geht das Material kaputt. Das schränkt die Langlebigkeit und Leistung und somit die praktische Anwendung von Robotern ein. Sekundenschnelle Selbstheilungskräfte könnten dieses Manko ausgleichen. In Zukunft könnten solche Roboter in vielen Bereichen eingesetzt werden, zum Beispiel in gefährlichen Situationen wie der Erdbebenbergung. Oder das Material kommt bei Schutzkleidung zum Einsatz, bei Handschuhen z.B., die sich nach einem Schnitt sofort selbst reparieren können. Dr. Pena-Francesch und seine Co-Autoren Dr. Huihun Jung und Prof. Melik C. Demirel von der PSU und Prof. Metin Sitti, Direktor der Abteilung für Physische Intelligenz am MPI-IS, liessen sich von der Natur und den zahlreichen Wundern der Erde inspirieren. Sie suchten nach einer Vorlage, wie ein solch intelligentes Material gebaut werden könnte. «Unser Ziel war es, mithilfe der Synthetischen Biologie ein selbstheilendes, programmierbares Material zu kreieren,

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Material ist vom Tintenfisch inspiriert.

dessen physikalische Eigenschaften wir kontrollieren können», sagt Prof. Demirel.

Protein-Engineering gibt den Ton an

Das Team untersuchte daraufhin die Molekülstruktur und die Aminosäuresequenzen von Tintenfischproteinen. Darauf aufbauend entwickelten sie mithilfe des Protein-Engineering das flexible, gummiartige Material. «Wir veränderten die molekulare Struktur so, dass wir die Selbstheilungskräfte des Materials auf die Spitze treiben konnten», fügt er hinzu. «Wir konnten eine 24-Stunden dauernde Heilungsphase auf eine Sekunde verkürzen. SoftRoboter, die aus diesem Material gebaut wären, könnten sich nun sofort selbst reparieren. In der Natur dauert die Selbstheilung sehr lange. Unsere Technologie stellt damit die Natur in den Schatten.» Ein Tintenfisch braucht länger, um zu heilen, da die Protein-Moleküle in seinen Tentakeln nur lückenhaft miteinander verwoben sind. Bei dem im Labor entwickelten Material veränderten die Wissenschaftler die Nanostruktur der Moleküle so, dass sie alle miteinander verbunden sind. «Ein Netzwerk, in dem nur wenige Punkte miteinander verbunden sind, birgt Schwachstellen. Wir aber haben alle Punkte miteinander vernetzt und das Material so verbessert», erklärt Pena-Francesch. Hinzu kommt: während die Moleküle bisheriger flexibler Materialien permanente Verbindungen haben, die einmal getrennt nicht wieder zusammengefügt werden können,

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verhält es sich bei dem neuen Material anders. Jede physikalische Verbindung ist reversibel. Verbindungen, die an einer Stelle getrennt wurden, klicken wieder in die richtige Position zurück. Ein supramolekulares Netzwerk mit beispiellosen Selbstheilungseigenschaften eröffnet ein grosses unerforschtes Gebiet möglicher Anwendungen in der Robotik. «Selbstreparierende physikalisch intelligente weiche Materialien sind für den Bau robuster und fehlertoleranter Soft-Roboter in naher Zukunft unerlässlich», sagt Prof. Metin Sitti. Seine Vision ist es, solch selbstreparierende weiche Materialien einzusetzen bei der Erforschung medizinischer Soft-Roboter oder um Robotergreifarme noch besser zu machen. Tests dazu gab es bereits, zum Beispiel wurden verschiedene Objekte damit angehoben. Wenn ein Objekt dann beim Herumtragen den Greifarm beTT-DW160_9kW_render_1-2 schädigt, könnte er sich leicht selbst heilen.

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Originalpublikation Abdon Pena-Francesch et al., «Biosynthetic self-healing materials for soft machines», Nature Materials (2020); DOI: 10.1038/ s41563-020-0736-2

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