Spielräume zurück erobern

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Interdisziplin채res Seminar

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Konstruieren ist: Planen, Organisieren, Ordnen, Vergleichen und Kontrollieren.

In einem Wort: es umfasst alle Mittel, die Unordnung und Zufall entgegenstehen. Deshalb entspricht es einem menschlichen Bed端rfnis und qualifiziert des Menschen Denken und Tun.

Josef Albers


Einführung

Klaus-Peter Gust »Der Worte sind genug gewechselt. Lasst mich auch endlich Taten sehn! Indes ihr Komplimente drechselt, kann etwas nützliches geschehn.« [aus Goethes Faust Teil 1, 1808] Gewiss, es ist nicht neu, dass man sich mit der Frage von Freiem Spiel im Freien Raum beschäftigt. Vieles ist darüber schon gesagt und geschrieben, einiges ausprobiert und standardisiert. Allein, es fehlt an Kontinuität, dem politischen Willen, an Einigkeit der beteiligten Fachbereiche oder einfach nur am geringen Budget zur Umsetzung von Projekten in den Kommunen. Dabei geht es neben Hungersnot in Entwicklungsländern, Umweltzerstörung und religiösen Fanatismus um eine sehr wichtige Frage: Wie können wir die soziale, körperliche und psychische Entwicklung von Kindern positiv beeinflussen? Ich meine, dass Erziehen, Behüten und soziale Medien nicht die richtigen Mittel sind, um Kinder auf ihre zukünftige Verantwortung für sich, ihr Umfeld und die Gesellschaft vorzubereiten. Vielmehr lernen Kinder durch aktives Spiel im Freien mit anderen zu kommunizieren, selbständig zu entscheiden, zu handeln und sich zu bewegen. Im Freien Spiel gibt es keine Grenze zwischen geistiger und körperlicher Aktivität. Freies Spiel ist hoch emotional. Psychische Rezeption und physische Reaktion bilden eine hochkomplexe psychomotorische Einheit. Spaß und Bewegung fördern die Gesundheit, leichtes Lernen und die soziale Kompetenz. »SPIELRÄUME ZURÜCK EROBERN« ist eine interdisziplinäre Seminarreihe, die wir in unserem Berliner Büro für Spielraumplanung 2014/15 unter Moderation von Gerburg Fuchs und Gregor Mews in vier Veranstaltungen entwickelt haben. Nur, wenn wir die durch Urbanisierung und Industrialisierung verlorene Spielräume für unsere Kinder zurück erobern können, werden wir wirklich mehr Spielraum und Verständnis für eine echte familienfreundliche Stadt- und Spielraumgestaltung entwickeln können, die sich von Shopping Malls, Computerspielen und organisierter Kinderbelustigung unterscheiden. Probieren Sie es aus! Man muss Menschen nicht permanent unterhalten oder bespaßen. Sie werden sehen, dass Langeweile eine solide Ausgangsbasis für Kreativität sein kann. Man braucht nur einen entsprechenden Raum und Zeit. Dann finden sich auch schnell Spielfreunde – gemeinsames Spielen macht Spaß, glücklich und gesund!

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Intension

Spielen benötigt Raum, Zeit und Vertrauen. Spielräume zurück erobern ist eine Herausforderung für diejenigen, die wissen, dass Kinder ein Recht auf Spiel haben, Artikel 31 UN-Kinderrechtskonvention. Warum wird das freie Spiel im öffentlichen Raum und auf Spielplätzen noch zu wenig in der Planung, Gestaltung und Umsetzung berücksichtigt? Die Internationale Play Association (IPA) engagiert sich seit 1958 weltweit für das Recht der Kinder auf Spiel. Auf der IPA Konferenz, 2014 in Istanbul, wurde in vielen unterschiedlichen Beiträgen deutlich, dass das freie Spiel und die Beteiligung am künstlerischen Leben kaum Aufmerksamkeit bekommt. Gerburg Fuchs hat dort den Workshop »Understanding Childhood Differently« gegeben und den Film »Let me play« gezeigt. Gregor Mews hat daran teilgenommen. Im Austausch und in der Reflexion, kam ihnen die Frage auf: Warum das freie Spiel so wenig Wertschätzung und Anerkennung findet? Liegt es daran, dass das Verständnis und damit der Begriff ›Spiel‹ im Deutschen schnell mit angeleitetem und vorstrukturiertem Spiel vermischt werden?

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In einem interdisziplinären Fachaustausch, um Antworten auf diese Frage zu finden, haben wir eine Seminarreihe vom Herbst 2014 bis zum Frühjahr 2015 durchgeführt. Vier Bausteine bildeten die Inhalte: ++ Das Recht des Kindes auf Spiel: Wo liegen die Herausforderungen? ++ Risiko als Chance: Wo sind Hindernisse? ++ Spielräume zurück erobern: Spielgeräte und freies Spiel – ein Widerspruch? ++ Kinder mitgestalten lassen: Welches Potential steckt dahinter?

Das besondere Format war: ++ ++ ++ ++

Warming-Up Impulsvortrag Workshop Reflexion und Austausch

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Impuls

Spielen ist viel,

»Das freie Spiel der Kinder« Lothar Krappmann Prof. Dr. Lothar Krappmann skizzierte in seinem Impulsvortrag zum Recht des Kindes auf Spiel die Vorgeschichte des UN-Ausschusses, wie es zu diesem Recht gekommen ist.

viel mehr

Das Spielen gehört zum Leben der Kinder. Es ist nicht das verzweckte Spiel gemeint, sondern das freie Spiel.

Das zufällige Zusammenkommen vieler verschiedener Fachleute gestaltet hier den Raum, indem sie in ein Zusammenspiel kommen und den schöpferischen Moment des TätigSeins nutzen. Gemeinsam wollen wir Lücken aufdecken, was Spielen für Kinder und ihre natürlichen Bedürfnisse im Kern bedeutet.

Es ist als ein Signal des UN-Kinderrechtsausschusses zu verstehen, als bekräftigt wird, dass Kinder ein Recht auf freies, spontanes, selbstorganisiertes Spiel und auf andere bestimmte Tätigkeiten im Bereich Kunst und Kultur haben. In dem Kommentar wird die Stärkung eines wesentlichen Bereiches des Kinderlebens verteidigt und gefordert, den Kinder benötigen, um sich selber zu finden, ihre konstruktiven Kräfte zu entdecken und sich mit Belastungen und Entbehrungen auseinanderzusetzen. Kinderrechte sind Schutzrechte und vor allem Gestaltungsrechte von jungen Menschen, die zum gemeinsamen Handeln auffordern.

Warming-Up

Spiel ist ein Menschenrecht der Kinder! Eine Botschaft, die alle wissen sollten. Das Recht auf Spiel steht in wechselseitiger Verbindung mit vielen anderen Rechten der Kinder – mit dem Recht auf Entwicklung, Bildung, Gesundheit, Rehabilitation, Wohnen, Sicherheit, Beteiligung (Teil III, V und VI Kommentar).

In der Regel dient das »Warming-Up« der Aufwärmung, dem Ankommen, dem Suchen und Finden einer gemeinsamen Aufmerksamkeit und Beweglichkeit. Kurz gesagt, es macht einfach Spaß.

Der Ausschuss fordert, dass das Verständnis und die Bewusstheit der Öffentlichkeit für die Bedeutung des freien Spiels der Kinder ans Licht kommen müssen. Im und durch das Spiel und die Bewegung entfalten Kinder ihre Potenziale. 04


Fazit

Das freie Spiel und eigener Ausdruck bestimmen das Lebensgefühl, sich als Teil einer Gesellschaft wohl zu fühlen. Das ist kein Widerspruch zum Spiel nach Regeln, denn auch Regeln müssen frei vereinbart und den Interessen angepasst werden können. Beide sind Ausdruck von menschlichen Grundbedürfnissen nach Autonomie und Zugehörigkeit. Insbesondere wenn Kinder auf Spielplätzen, auf Wiesen, in der Natur spielen, müssen sie Vereinbarungen treffen wo und was sie spielen wollen. Freies Spiel ist ein Ort der Verständigung. Das Spiel ›draußen‹ mit Freunden und Freundinnen ist eine große, unersetzbare Herausforderung. Bezugsquellen: Die allgemeinen Bemerkungen Nr. 17 (General Comment) zum Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention in Englisch findet man unter www.ohchr.org/EN/HRBodies/CRC/Pages/CRCIndex.aspx Informationen zur IPA findet man unter www.ipaworld.org

Bewegung und Spielen benötigt Raum und Zeit. Die Gefahr besteht, dass in vielen Regionen und Städten öffentliche urbane Räume dafür schwinden. Studien belegen zum Beispiel, dass eines der Hindernisse der hohe Anteil an Autos in der Stadt ist. Der Fahrzeugbestand in Deutschland liegt gegenwärtig auf einem Stand von 61,5 Millionen Einheiten. Das sind im Vergleich zur Zahl von Kindern 4,7 mal so viele und ist damit fast fünf Mal so hoch. Grundbegriffe wie ›vorstrukturierte‹, ›angeleitete‹ Spielräume und ›Spielwert‹, im Sinne des freien Spiels, sollen deutlich definiert werden, als auch Unterschiede aufzeigen. Wo liegen Herausforderungen: ++ Mangelnde Anerkennung des Rechts auf Spiel ++ Widerstand gegen die Nutzung öffentlicher Räume ++ Wenig Balance zwischen Risiko, Herausforderung und Sicherheit ++ Traditionelle Kinderkultur wird überholt von der Kommerzialisierung des Spiels

Workshop

Offene Fragen: Kennen wir Bedürfnisse von Kindern? Wie können Kinder von Anfang bis Ende bei der Gestaltung und Umsetzung von Spielplätzen beteiligt werden?

Aus Nichts kann Vieles entstehen Der Workshop bietet einen Rahmen, in dem alle die Möglichkeit haben ihr kreatives Potenzial zu entfalten. Es gibt in diesem Sinne keine Regeln, auch keine Gebrauchsanweisungen im Umgang mit Materialien, sondern sie dienen als Anstoß zur Entfaltung von Kreativität. Das Anliegen ist durch konkretes Tun und Erleben eine Brücke zwischen dem Verständnis von ›vorstrukturierten Spielplätzen‹ und ›freiem Spiel‹ zu bauen. Spielen kann auch für Erwachsene ein wohltuendes Atemschöpfen sein. 05


Risiko als Chance

Warming-Up

Impuls

Gefahrlos und in eigener Regie in Pfützen und im Sand spielen können, auf Bäume klettern sind Träume aus einer Kindheit die mehr und mehr für viele Kinder in der Stadt in Vergessenheit geraten. Warum ist es heute für Kinder schwierig, ihr naheliegendes Wohnumfeld eigenständig zu erkunden? Ein Spannungsfeld zwischen Planung und Nachbarschaft entsteht, als auch die damit verbundene Lebensqualität aller. Eine Stadt lebt von und mit Menschen und durch eine gesundheitsfreundliche Verkehrs- und Stadtentwicklung.

»Warum Kinder freies Spiel im Freien brauchen« Dr. Christiane Richard-Elsner

Viele Eltern und auch andere Erwachsene trauen Kindern heute weniger zu. Ein Risiko ist ein Vorgang mit einem unbestimmten Ausgang. Die Fähigkeit, mit Risiken umzugehen, ist eine entscheidende Kompetenz für das Gelingen des Alltags. Leben bedeutet Umgang mit Ungewissheiten. Zum Erwerb von Risikokompetenz benötigen Kinder sichere Freiräume und keine lückenlose Kontrolle. Spiel, sowie das Bewältigen von Alltagssituationen, hilft Kindern Risiken einzuschätzen und zu bewältigen. Durch Ermutigung von Eltern und Pädagogen der Ganztagseinrichtungen sollte erreicht werden, dass Kinder diese Freiräume erhalten. Die Anlage von verkehrsberuhigten Bereichen, naturnahen Spielflächen, die Schaffung von Naturerfahrungsräumen oder die Durchführung einer Spielleitplanung in einer Kommune sind Möglichkeiten, um sichere Räume für Bewegung und Spiel zu erhalten.

Alles im Blick zu haben, erfordert Aufmerksamkeit und Konzentration, wenn sich blitzschnell fremde Menschen miteinander verbinden. Spiel: 1-2-3 – Ochs vorm Berg

Kinder suchen physische Risiken im Spiel und im Alltag. Diese Freiräume sollten wir ihnen zur Verfügung stellen.

Der Reiz bei diesem Spiel ist: jeder verspürt ein ›Kitzeln‹, jeder kann die Grenze ausloten, wie weit er gehen kann, ohne vom ›Ochs‹ gesehen zu werden.

Bezugsquellen: BUK (2005): GUV-SI 8074 – Bewegung und Kinderunfälle. Bonn Richard-Elsner, Christiane (2013): Risikokompetenz ohne Risikoerfahrung? In: Unsere Jugend 65 (10), S. 436-445

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Broschüre »Mehr Frei Raum für Kinder«. Worauf Kinder reagieren, ist für uns Erwachsene nicht vorherseh- oder nachahmbar. Sie wollen auf den Wegen in der Stadt etwas erleben können. Spielgeräte können für Kinder ›Wegbegleiter‹ – definitionsoffen sein. Mehr Informationen zur Kampagne unter www.mehr-freiraum-fuer-kinder.de. ›Grün macht Schule‹ – ökologische und kindgerechte Schulhöfe in Berlin. Statt großflächiger, übersichtlich, aber erlebnisarmer Schulhöfe entstanden in den letzten Jahren mit Unterstützung von ›Grün macht Schule‹ immer mehr kleinräumige, mit phantasievollen künstlerischen Objekten sowie Spiel-, Bewegungs- und Kommunikationsangeboten, angereicherte Schulhöfe, die teilweise auch außerhalb der Schulzeit genutzt werden können. Mehr Informationen gibt es unter www.gruen-macht-schule.de

Workshop

Film: »Risiko und Prävention – ein Widerspruch?« Gerburg Fuchs Der Film »Risiko und Prävention – ein Widerspruch?« ist ein Kurzfilm, (8 Min.) der im Auftrag der Unfallkasse Nord in Kooperation mit der DAKGesundheit, von Gerburg Fuchs 2014 realisiert wurde. Kinder wollen sich mit Risiken auseinandersetzen, das wissen auch die Unfallkasse Nord und die DAK Gesundheit trotz unterschiedlicher Ansätze in ihrer Prävention. Bewegung ist für Kinder lebensnotwendig. Sind Risiko und Prävention tatsächlich ein Widerspruch oder zwei Seiten derselben Medaille? Darüber sprechen Regina Schulz, DAK-Gesundheit, Jan Holger Stock, Geschäftsführer der UK Nord und der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther. Bezugsquellen: Der Film kann als DVD für einen Unkostenbeitrag von 5 € + Porto auf www.uk-nord.de bestellt werden. Er steht auch als Download zur Verfügung.

Fazit

Beispiele

Otto-Spielplatz, ein pädagogisch betreuter Spielplatz direkt im Zentrum von Moabit, Berlin. Er ist ein besonderer Ort der Wert auf freies Spiel, Bewegung und kreative Gestaltung legt. Kinder übernehmen direkt Verantwortung. Mehr Informationen findet man unter www.moabiter-ratschlag.de/ Otto-Spielplatz

Schlagwörter wie ›Aufsichtspflicht‹ und ›Angst der Eltern‹ stehen in Beziehung zum Risiko. In der Öffentlichkeit entsteht dadurch eine verzerrte Wahrnehmung (es wird die Darstellung in den Medien vermutet). Folgendes wurde herausgestellt: ++ Es besteht Aufklärungsbedarf bezüglich der Rechtslage und Normen. Hindernisse innerhalb bestehender Strukturen können dann überwunden werden und eine neue Richtung finden. ++ Wo findet man gelungene Projekte die Mut machen und Weiterbildungsmöglichkeiten gezielt zu den Themen freies Spiel, Risikokompetenz, kinderfreundliche und gesunde Stadt im Blick haben. ++ Filmbeiträge sind hilfreich für die Aufklärung und Information zum Thema Risiko. 07


räume zurück erobern

Warming-Up

Spiel -

Übung: »Sekunden Architektur«. Die Bewegung beginnt mit dem Stift auf einem Papier und sie hört auf durch die begrenzte Zeit. Zeit läuft, Zeit rinnt, wie Sand durch die Finger, Zeit zieht sich – wie Gummi, Zeit rast, Zeit scheint still zu stehen. Kann man Zeit sichtbar machen? Zeit wird sichtbar in der Handlung wie beim Spiel. Zeit kann man nicht anfassen und auch nicht festhalten. Sie hinterlässt Spuren der Erinnerung. Alle haben »ein Herz, um die Zeit wahrzunehmen. Zeit ist Leben und Leben wohnt im Herz.« [aus Momo, 1973]

Impuls

Wo beginnt der Spielraum und wo hört er auf?

Spielräume sollten sowohl mit passenden Ausstattungselementen als auch mit natürlichen Elementen für ein entdeckendes Lernen gestaltet sein. Eine Raumgliederung für verschiedene Nutzergruppen wird empfohlen. Diese Räume sollten eine hohe Nutzungsvielfalt bieten, Bewegung, Sinne und soziale Kontakte fördern und je nach Möglichkeit auch veränderbar sein.

»Nachhaltige Spielräume gestalten« Claudia Gust »Der junge Mensch braucht seinesgleichen, auch Tiere, überhaupt alles Elementare, wie Wasser, Dreck, Gebüsch, Spielraum. Man kann ihn auch ohne alles aufwachsen lassen, mit Stofftieren oder auf asphaltierten Straßen und Höfen. Er überlebt es. Doch man soll sich dann nicht wundern, wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen nie mehr lernt.«

Ziel jeder Planung sollte es jedoch sein, ein Höchstmaß an Angeboten entsprechend den Erfordernissen des sozialen Umfeldes und der urbanen Struktur zu gewährleisten. Angebote dürfen hier nicht immer mit Spielplatzgeräten gleich gesetzt werden. Spielplatzgeräte sind Hilfsmittel. Diese sind in der DIN EN 1176:2008 beschrieben und müssen von Betreibern öffentlicher Spielplätze eingehalten werden. Flexible Geräte werden in der Norm nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

Dieser Satz des Sozialpsychologen Alexander Mitscherlich aus dem Jahr 1965 begründet die Notwendigkeit von Spielplätzen und Spielräumen. Sie sind im Laufe der Zeit erforderlich geworden, weil durch den Fortschritt der Technik der Mensch immer mehr den ›natürlichen Spielraum‹ verloren hat.

Aus diesem Grund lassen Spielplatzgeräte nur bedingt veränderbare Spiele zu. Das Für und Wider von Spielplatzgeräten steht deshalb immer wieder zur Diskussion. Vor dem Hintergrund knapper kommunaler Kassen wird mancherorts auch die ›Entmöbilisierung‹ gefordert. Man sollte sich dann aber bewusst sein, dass eine reine naturnahe Gestaltung nicht für alle Spiele entsprechende Vorrichtungen bereithalten kann.

Spielplätze in einer Stadt müssen heute Knotenpunkte sein, die durch Streifräume verbunden sind und die Stadt als ganzheitlichen Spielraum erfahrbar machen. Die Anwendung der DIN 18034:2012 – Spielplätze und Freiflächen zum Spielen – zur Planung von Spielplätzen ist freiwillig.

Der Spielplatz hat eine hohe soziale Funktion. Seine Erweiterung und Vernetzung innerhalb einer urbanen Struktur, sowie die Teilhabe der Nutzer an seiner Gestaltung sind wichtige Aspekte für eine gesunde Entwicklung künftiger Generationen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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Workshop

Die FEZitti basiert auf der Idee Mini München als Spielstadt aus dem Jahr 1979. Ein besonders komplexer Spielraum für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren. Die Offenheit des Konzepts einer Spielstadt stellt einen pädagogischen Paradigmenwechsel dar. Es wird von Künstlern und Pädagogen didaktisch entworfen, wie in diesem Fall von Martin Schneider und Rainer Soida, und als ästhetische Inszenierung von Erwachsenen vorgegeben. Die Kinder entscheiden selbstbestimmt über die Entwicklung der Stadt. Sie können Regeln nach demokratischen Beschlüssen auch verändern. Dadurch ist die pädagogische Anleitung nicht planbar, aber wird als notwendig angesehen, um eine soziale Verantwortung zu entwickeln. Also das Leben in der Stadt und im Moment steht im Mittelpunkt. Das kann manchmal chaotisch, schöpferisch oder sehr selbstständig sein. Mehr Informationen unter www.ferienfez.fez-berlin.de

Fazit

Beispiele

PRAXISBEISPIEL: »FEZitti – Hauptstadt der Kinder« Martin Schneider, Rainer Soida

Alle sind eingeladen mit unterschiedlichen ausgewählten Materialien zu experimentieren. Im Prozess der Gestaltung wird nicht gleich die Richtung erkennbar, doch am Ende kann man stauen über das, was entstanden ist.

Es braucht Raum, Zeit und Vertrauen. Auf verschiedenen Ebenen im urbanen Raum oder in Institutionen, wie Kindertagesstätten und Schulen, sollten folgende Hinweise berücksichtigt werden: ++ Durchführung der Spielleitplanung als Pflichtinstrument in jeder Kommune ++ Die Beachtung der Planungsgrundsätze und relevanter Richtlinien wie der DIN 18034:2012 ++ Wenn Spielplätze langfristig sauber und sicher sein sollen, können Spielplatzpaten eine wichtige Rolle spielen 09


Impuls

Kinder mit -

Ein bewusster Grenzgang zwischen ›gebauter Stadt‹ und ›lebenden Menschen‹ ist die Philosophie von stadt.menschen.berlin. Meine individuellen Erfahrungen mit der Akzeptanz von Beteiligung liegen auf der Strecke, von »Obwohl wir die Bürger beteiligt haben, ist es besser geworden« bis »Weil wir die Bürger beteiligt haben, ist es besser geworden«.

gestalten lassen

Wenn Kinder mitgestalten, wächst die Kompetenz und Dynamik aller Beteiligten.

Warming-Up

»Stadt im Wandel – Kinder und Jugendliche gestalten mit« Clemens Kilkar

Bezogen auf Kinder und Jugendliche lassen sich einige Dinge feststellen und beschreiben: Das unmittelbare Wohnumfeld stellt den zentralen Baustein für außenräumliche Aktivitäten dar. Es wird das benutzt, was da ist und sich irgendwie eignet. Kinder haben bei der Umdeutung von Vorhandenem ein nahezu unbegrenztes Phantasiepotential. Gebaute Umwelt dient auch zum Ausprobieren und um Abenteuer zu erleben. Es gilt die Frage »Was geht?«. Als wichtig erkannt werden Rückzugsräume und Bereiche für Naturerfahrungen. Deren Existenz ist in vielen Städten gefährdet. Ein spezielles Kapitel in der Stadtentwicklung sind Jugendliche. Die Frage, wie mit ihren Interessen umgegangen werden soll, ist oft unklar. Mit Kindern arbeiten wir gern, die sind klar und kreativ. Kinder berichten immer von Stress mit Jugendlichen, wenn es um ihre Lieblingsorte geht. Dem Neuschaffen von informellen Orten für Jugendliche kommt daher eine hohe Bedeutung zu. Auch Jugendliche wollen Orte für Bewegung und Abenteuer. Diese Orte dürfen ruhig etwas robuster sein.

Übung: Eine Pfauenfeder möglichst lange auf der Hand balancieren.

Ein Traum aller Kommunen, Planer und wahrscheinlich auch der Familie, ist das berühmte ›familienfreundliche Wohnumfeld‹. Die Realität ist aus Sicht von Kindern vielerorts auch heute noch weit davon entfernt. Das bunte Bild der Stadt ist und bleibt eine Sehnsucht.

Das Balancieren wird als ›lauschendes Tun‹ (Fuchs, 2004) verstanden. Man kommt innerlich zur Ruhe bei gleichzeitigem Tun. Es mobilisiert Kräfte und erfordert Geduld, Frustrationstoleranz und Geschicklichkeit. Beteiligung ist ein lebendiger Prozess, bei dem alle voneinander und miteinander lernen.

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Wichtig ist, dass die Dinge im Zusammenhang verstanden und gedacht werden. Laotse formulierte vor ca. 2.615 Jahren: »Was du mir sagst, behalte ich einen Tag. Was Du mir zeigst, behalte ich eine Woche. Was du mich mitgestalten lässt, behalte ich ein ganzes Leben!« Das gilt heute noch. ++ Erwachsene hören Kindern und Jugendlichen (meistens) nicht richtig zu! ++ Wir sehen das gleiche, nehmen aber etwas anderes wahr! ++ Bloß keine Konjunktive! Gerade Jugendliche wollen ›machen‹ und das etwas passiert!

Fazit

Workshop

Beispielsweise stellen Streifzüge mit Kindern ein wesentliches Instrument dar. Sie zeigen was gut und schlecht ist, auch ›spezielle, geheime Orte‹. Für die Quartiersentwicklung wird eine kreative und themenorientierte Methode angewandt, die aus der Methode ›Stadtspieler‹ entwickelt wurde. Mehr Informationen findet man unter www.stadt-menschen-berlin.de/stadtspieler.html

Es wurde miteinander reflektiert, wie gemeinsame Wege der Beteiligung möglich werden können.

Nur von Kindern und Jugendlichen, die von Anfang bis Ende beteiligt sind, können Erwachsene erfahren, wie sie Spielräume nutzen. Es wurde in der Diskussion deutlich, wie unterschiedlich Beteiligungsformen gegenüber stehen. Wann spricht man von wirklicher Partizipation und wann von scheinbarer? Zum Beispiel bietet das Orientierungsmodell von Harry Shiers, 2001 einen Überblick. Aufgabe sollte sein, Kinder und Jugendliche mehr zuzuhören. Eine Lösungsformel gibt es in diesem Sinne nicht. Es ist wünschenswert mehr Sensibilität, Aufmerksamkeit und Bewusstheit im öffentlichen Denken zu erreichen um einen Prozess voneinander und miteinander lernen in Bewegung zu bringen.

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Über die Referenten

Lothar Krappmann Prof. Dr. Lothar Krappmann ist einer der bekanntesten Fürsprecher des ›Rechts auf Spiel‹ in Deutschland. Er war Vorsitzender der Sachverständigenkommission zur Erarbeitung des 10. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung und ist ein international anerkannter Forscher im Bereich Kindheit und Kinderpolitik. Im Februar 2003 wurde er als eines von 13 Mitgliedern in den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes gewählt. Krappmann ist Jurymitglied des deutschen Kinderpreises von World Vision. 2011 erhielt er das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland und 2012 die Theodor-Heuss-Medaille für sein Engagement für Kinderrechte.

Claudia Gust Claudia Gust ist Marketingleiterin und Produktentwicklerin bei der Firma SIK-Holz®. Sie ist Mitglied im Normausschuss Bauwesen (NaBau) ›Spielplätze‹. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit dem Thema ›Spielen‹ und ›Recht auf Spiel‹. Sie begleitete mehrmals Beteiligungen von Schülern an Spielplatzprojekten. Zudem hält sie Vorträge zum Thema in landschaftsplanerischen Studiengängen. Sie ist Mitautorin des Buches »Holzspielplätze – Planung, Konstruktion, Schäden, Instandhaltung« und schreibt regelmäßig Beiträge für Fachmagazine im Bereich Spielraum.

Christiane Richard-Elsner Dr.-Ing. Christiane Richard-Elsner, M.A., koordiniert im ABA Fachverband, Dortmund, die Aktivitäten zum Thema Draußenspiel und das freie Spiel im Freien. Sie ist regelmäßig Dozentin auf themenspezifischen Foren und Beiratsmitglied im vom Deutschen Kinderhilfswerk initiierten Bündnis Recht auf Spiel.


Warming-Up + Workshop

Clemens ist langjähriger kommunaler Stadtplaner mit einem breiten Erfahrungsspektrum das von Dorferneuerung bis zur gesamtstädtischen Rahmenplanung reicht. Seine Erfahrungen speziell im Berliner Raum durch die Steuerung partizipativer und komplexer Verfahren sowie Moderation im Rahmen der Spielleitplanung machen aus ihm einen wichtigen Akteur, wenn es um bessere Spielräume geht.

Gerburg Fuchs Gerburg Fuchs ist als freischaffende Dozentin mit dem Schwerpunkt ›Spiel- und Bewegung‹ im Inund Ausland tätig. Sie gründete und leitete das einmalige Projekt ›Aktive Kinderwerkstatt‹ in Nürnberg, die 2001 als integrative Bildungseinrichtung staatlich anerkannt wurde. Sie ist bekannt für ihre künstlerischen Projekte sowie für verschiedene Filme. Sie ist aktives Mitglied der International Play Association (IPA).

Leitung und Moderation

Clemens Klikar

Gregor H. Mews Gregor Mews ist ein international anerkannter Stadtplaner und Urban Designer. Er unterstützt das mittelständische Unternehmen SIK-Holz® und ist Mitglied der International Play Association sowie des Council on Environment and Physical Activity. Davor beriet er fast 7 Jahre die australische Regierung und die Hauptstadt Canberra zum Thema ›gesunde Stadtentwicklung‹. Er übt Dozententätigkeit an der Universitätvon Kassel, University of Canberra und University of NSW aus. Für seine Arbeit zu gesunden und kinderfreundlichen Lebensräumen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen vom Planning Institute of Australia und präsentiert auf Konferenzen weltweit.

Stand: 09/15 Satz: Kathleen Gust © SIK-Holz®


SIK-Holzgestaltungs GmbH Langenlipsdorf 54a D-14913 Niedergörsdorf tel.: + 49 (0)33742.799 0 fax: + 49 (0)33742.799 20 mail: info@sik-holz.de web: www.sik-holz.de © 2015


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