SPECIAL
Aufbereitung implantatprothetischer Bauteile: Hygiene und Verfahrensweise
KONTRA KONTAMINATION
Carsten Fischer, Frankfurt am Main, und Dr. Peter Gehrke, Ludwigshafen, beide Deutschland Die Kontamination von prothetischen Bauteilen, die vom Robert Koch Institut als semikritisch oder gar kritisch eingestuft wurden, ist ein großes Thema. Im nachfolgenden Beitrag fassen die Autoren die aktuelle Sachlage zusammen und zeigen mit dem FCS-System ein Reinigungsprotokoll auf, mit dem sich verarbeitungsbedingte Rückstände und Verunreinigungen entfernen lassen.
KONTAKT ■ Carsten Fischer
INDIZES ■ Dr. Peter Gehrke
• Abutmenthygiene
sirius ceramics
Praxis Prof. Dr. Dhom & Kollegen
• Abutments
Lyoner Straße 44–48
Bismarckstraße 27
• Implantatprothetische Bauteile
60528 Frankfurt
und Berliner Platz 1
• Medizinproduktegesetz
fischer@sirius-ceramics.com
67059 Ludwigshafen
• Reinigungsverfahren
www.sirius-ceramics.com
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• Ultraschallreinigung
SPECIAL
01 Übersichtsdarstellung zur qualitativen sowie quantitativen Bewertung von Verunreinigungen an der Oberfläche von Abutments (REM: D. Duddeck, mmmri.berlin)
Implantataufbaustrukturen weisen herstel-
Implantataufbauten stehen im direkten Kon-
lungsbedingte Verunreinigungen auf. Die
takt mit dem periimplantären Gewebe. Ober-
■ Mechanische Einschränkung (Mikrogap)
Kontamination kann in das Objekt eingela-
fläche, Biokompatibilität, Materialbeschaf-
gert oder an der Oberfläche aufgelagert sein
fenheit, Oberflächentopografie und Form
und ist organischen und anorganischen Ur-
beeinflussen die Weichgewebesituation um
sprungs. In Folge der händischen Weiterver-
das Implantat ebenfalls auf direkte Weise.
arbeitung aller Aufbaustrukturen sind nicht
Somit kann auch ein negativer biologischer
Die Aufbereitung und Reinigung von Implan-
nur CAD/CAM-Strukturen, sondern sämtliche
und mechanischer Einfluss der Kontami-
tataufbauten unterliegt nicht nur adminis-
konfektionierten Katalogteile dieser Konta-
nationen nicht ausgeschlossen werden [5].
trativen Regularien des Medizinprodukte-
mination ausgesetzt (Abb. 1).
Als biologische Folgen kann es zu einer Be-
gesetzes, sondern ist initial für die Patien-
des Implantat-Abutment-Interface
Implantataufbaustrukturen sind Medizinprodukte
hinderung der Weichgewebeheilung und
tensicherheit im klinisch therapeutischen
Herstellungsbedingte
des Attachments kommen, was zu einer
Behandlungsablauf zwischen Praxis und
Verunreinigungen
entzündlichen Reaktion des Hartgewebes
Labor verantwortlich (Abb. 2).
■ Fräsrückstände maschineller Bearbeitung
mit gesteigerter Osteoklastenaktivität und
Laut Hygieneleitfaden des DAHZ obliegt die
somit zu einem erhöhten Knochenabbau und
Beurteilung des hygienisch einwandfreien
letztlich zu einer Lockerung des Implantats
Zustandes dem Zahnarzt. Das heißt, der
führt [7]. Aus mechanischer Sicht können
Zahnarzt ist generell verantwortlich. Da die
■ Rückstände aus Transportverpackungen
Verunreinigungen auf der Basalfläche des
Aufbaustruktur von der Fertigung über die
■ Rückstände nach laborseitiger Verklebung
Abutments die Stabilität des Implantat-Ab-
Weiterverarbeitung im zahntechnischen La-
utment-Interface beeinträchtigen und den
bor bis hin zur Anwendung in der Zahnarzt-
Mikrospalt vergrößern [6].
praxis jedoch eine Hygienekette durchläuft,
(Fräserspan) ■ Chemische Rückstände industrieller Waschprotokolle
(Hybridabutments, Hybridkronen) ■ Inhaltsstoffe rotierender Instrumente ■ Handfett, Öl, et cetera
die zudem von unterschiedlichen Personen Mögliche Risiken mangelnder
vollzogen wird, empfiehlt es sich, auch im
Verunreinigungen aus der
und/oder fehlerhafter Reinigung
zahntechnischen Labor ein Hygieneproto-
vorangegangenen Anwendungen
von Implantataufbaustrukturen
koll anzulegen. In diesem sind die einzelnen
■ Blutbestandteile, Sekrete, Exkrete und
■ Reduzierte oder ausbleibende Weichge-
Schritte zu dokumentieren, sodass es als
andere Körperbestandteile, Arzneimittel
websanhaftung
Laufzettel dem Medizinprodukt beigefügt
■ Kontamination aus Reinigungs-, Desinfek-
■ Entzündliche Reaktionen des Hartgewebes
werden kann [2].
tions-, Sterilisationsmitteln und andere
■ Erhöhte Osteoklastenaktivität und nach-
Auf die Reinigung der Implantataufbaustruk-
Substanzen, einschließlich deren Reaktionsprodukte
folgender Knochenabbau
turen im implantatprothetischen Protokoll
■ Lockerung des Implantats
sollte somit großer Wert gelegt werden. Denn
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SPECIAL
02 Übersichtsdarstellung zur hygienischen Behandlung von Abutments gemäß der Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten [RKI 2012])
eine sicher wirksame Desinfektion und gege-
Sterilisation
ACHTUNG: Wasserdampf hat keine rei-
benenfalls nachfolgende Sterilisation ist nur
Mithilfe der Sterilisation werden lebende
nigende Wirkung!
bei sauberen Medizinprodukten gegeben [3].
Mikroorganismen einschließlich ihrer Dau-
Um eine richtige Bewertung der Verfahrens-
erstadien (zum Beispiel Sporen) und Viren
aufbereitung treffen zu können, müssen
zerstört. In der Praxis gelingt eine vollständige
folgende Prozesse genau definiert werden.
Sterilisation nicht mit 100 %iger Sicherheit [8].
Autoklavieren kann die Oberflächeneigen-
An dieser Stelle sei gesagt, dass die EADT im
schaften und damit die Langzeitstabilität
Reinigung
Jahr 2017 eine hervorragende Standortbe-
(Degradation) von Werkstoffen negativ
Unter Reinigung wird ein Prozess zur Entfer
stimmung zu den einzelnen Reinigungsver-
beeinflussen und beseitigt keine mechani
nung von Verunreinigungen (zum Beispiel
fahren zusammengestellt und auf Basis der
schen Rückstände. Das Autoklavieren ist
Staub, chemische Substanzen, Mikroorganis-
aktuellen Literatur klare Handlungsempfeh-
somit nur für einteilige Titanaufbauten
men, organische Substanzen) verstanden
lungen für den Anwender definiert hat [4].
mit eingeschränkter Reinigungsleistung
[11].
Folgende Reinigungsverfahren stehen grund-
geeignet.
■ Autoklavieren
sätzlich zur Verfügung, können jedoch nur Desinfektion
sehr eingeschränkt für Implantataufbau-
Die Desinfektion ist ein Prozess, durch den
strukturen angewendet werden.
die Anzahl vermehrungsfähiger Mikroor
■ Sterilisation mit Ethylenoxid Die Begasung mit Ethylenoxid ist ein Sterilisationsverfahren, das im zahntechnischen
ganismen infolge Abtötung/Inaktivierung
■ Abdampfen mit heißem Wasserdampf
unter Angabe eines standardisierten, quanti-
Abdampfen ist laut RKI keine validierte
fizierbaren Wirkungsnachweises reduziert
Maßnahme zur Reinigung von Abutments.
wird. Sie hat das Ziel, einen Gegenstand/
Validierte Maßnahmen beinhalten immer
Diese Methode ist nicht für die Sterilisation
Bereich in einen Zustand zu versetzen, von
die Reinigung sowie die Desinfektion (DIN
von Abutments im zahntechnischen Labor
dem keine Infektionsgefährdung mehr aus-
EN ISO 14937: 2010-03).
zu empfehlen.
gehen kann [12].
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Labor nicht zu empfehlen ist. ■ Gamma-Bestrahlung
SPECIAL
03 Bei dem Finevo Cleaning System (FCS) handelt es sich um ein geprüftes, dreistufiges Reinigungsverfahren im Ultraschallgerät, das in den vergangenen Jahren aufgrund seiner Praktikabilität und der überschaubaren Kosten Beliebtheit erlangt hat.
■ Ultraviolettes Licht
das in den letzten Jahren aufgrund seiner
Bearbeitung mit den Panther Abutment
UV Licht wird auch als Oberflächensterilisa
praktikablen, preiswerten und sicheren
Surface Instrumenten wurde in diesem
tionsmethode eingesetzt, und ist im zahn-
Reinigung beliebt geworden ist. In diesem
Zusammenhang geprüft.
technischen Labor nicht zu empfehlen.
Verfahren werden verarbeitungsbedingte
c) Reinigungsprotokoll; Die zuvor aufgeführ-
Rückstände und Verunreinigungen auf Titan-,
ten Schritte 1 bis 3 werden in separatem
Zirkonoxid- oder Hybridkeramik-Oberflächen
Behälter im Ultraschallgerät bei 30 °C
sicher entfernt (Abb. 3).
durchgeführt.
■ Argonplasma Zur Plasmavorbehandlung als neuartige
d) Die Bauteile sind nun gereinigt, keimfrei
Reinigungsmethode für Implantataufbaustrukturen existieren bislang einige, teils
Das Verfahren funktioniert in
und konserviert. Die Implantataufbauten
vielversprechende In vitro- und In vivo-Un-
definierter Abfolge:
werden eingeschweißt (Abb. 4).
tersuchungen. Argon Plasma könnte eine
■ Schritt 1: Finevo 01, 5 Minuten im Ultra-
Lösung sein, ist aber nach heutigem Stand keine validierte Reinigungsmethode für Implantataufbaustrukturen [1]. ■ Ultraschall Die Reinigung mit Ultraschall (dreistufiges
schall bei 30 °C ■ Schritt 2: Ethylalkohol, 80 %, 5 Minu ten im Ultraschall bei 30 °C
Wichtiger Hinweis: Die gereinigten Bauteile dürfen nicht mit Druckluft aus dem Laborkompressor son-
■ Schritt 3: Spülvorgang mit medizinisch
dern nur mit reiner Druckluft aus der Dose
reinem Wasser, 5 Minuten im Ultraschall
von möglicher anhaftender Flüssigkeit be-
bei 30 °C
freit werden.
Reinigungsprotokoll FCS nach Gehrke/Fi-
Die Anwendung des dreistufigen Reinigungs-
scher) führt zu vielversprechenden, saube-
Der laborseitige Ablauf zur richtigen
protokolls ist praktikabel, reproduzierbar und
ren Oberflächen und wirkt antibakteriell
Verfahrensweise:
führt zu reinen und desinfizierten Abutments.
sowie konservierend.
a) Zweiteilige Abutments werden zunächst
Das Verfahren erfüllt gemäß der Richtlinie
nach Herstellerangaben verklebt.
der DGKH die Anforderungen an aufbereitete
Das FCS (Finevo Cleaning System) ist ein ge-
b) Entfernung der Überschüsse durch ent-
Instrumente und eignet sich als praxisnahe,
prüftes, dreistufiges Ultraschallverfahren,
sprechende Oberflächenbearbeitung. Die
zuverlässige und standardisierbare Methode
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SPECIAL
04 Laborseitiger Ablauf FCS: Zweiteilige Abutments werden nach Herstellerangaben verklebt, Kleberüberschüsse durch entsprechende Oberflächenbearbeitung (Panther rough, Panther smooth) entfernt, das Reinigungsprotokoll in separatem Behälter im Ultraschallgerät bei 30 °C durchgeführt und die gereinigten und keimfreien Bauteile eingeschweißt.
cleaning procedures. A qualita-
zur routinemäßigen Reinigung und Desinfektion von vorgefertigten und individualisierten,
LITERATUR
ein- oder zweiteiligen Abutments aus Titan
[1] Canullo et al. 2013a, Canullo et al.
und Keramik (Abb. 5).
Abkürzungsverzeichnis ■ DAHZ; Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin dahz.org/ Der DAHZ ist ein Expertengremium, das seit 1979
2015, Canullo et al. 2013c, Canullo et
tive analysis. J Adv Prosthodont 2015;7:151-159. [6] Micarelli C, Canullo L, Baldissara P,
al. 2017c, Canullo et al. 2016c, Duske
Clementini M. Implant abutment
et al. 2015, Duske et al. 2012, Garcia
screw reverse torque values before
et al. 2017, Micarelli et al. 2013
and after plasma cleaning. Int J
[2] DAHZ 2018 [3] Diab-Elschahawi et al. 2010, RKI 2012, Roth et al. 2010
Prosthodont 2013;26:331-333 [7] Mishra PK, Wu W, Rozo C, Hallab NJ, Benevenia J, Gause WC. Micro-
Stellungnahmen und Empfehlungen zur
[4] E ADT. Zahntechnische Aufberei
meter-sized titanium particles can
Hygiene und Medizinprodukteaufbereitung
tungs- und Reinigungsverfahren
induce potent Th2-type responses
in der Zahnmedizin gibt.
von Implantat-Aufbauten.
through TLR4-independent
■ RKI: Robert Koch-Institut
EADT-Empfehlungen auf Basis von
pathways. J Immunol 2011;
■ MPG: Medizinproduktegesetz
zahntechnisch relevanten Fragestel-
■ EADT: European Associations of Dental
lungen https://eadt.de/downloads/
[8] MPBetreibV 2017, RKI 2012
[03.07.2018].2017;
[9] MPBetreibV 2017, RKI 2012
Technology ■ KRINKO: Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention [9]
[5] Gehrke P, Tabellion A, Fischer C.
[10] MPBetreibV 2017, RKI 2012
Microscopical and chemical sur-
[11] RKI 2004
face characterization of CAD CAM
[12] RKI 2004
zircona abutments after different
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187:6491-6498.
SPECIAL
05 Das FCS-Verfahren wurde hinsichtlich seiner Wirksamkeit auf Originalabutments untersucht. Weitere Informationen sind über info@sirius-ceramics.com und auf der IDS 2019, am Stand von bredent erhältlich (Halle 11.1, Stand B010/C019).
WERDEGANG Carsten Fischer ist seit 1996 selbstständiger Zahntechniker mit seinem Fachbetrieb in Frankfurt am Main und seit 1994 als internationaler Referent tätig. Er unterstreicht diese Tätigkeit durch Publikationen in vielen Ländern (Brasilien, Argentinien, Japan, Australien, Europa). Carsten Fischer ist Mitglied in verschiedenen Fachbeiräten und langjähriger Berater namhafter Dental-Unternehmen. Zu den Schwerpunkten gehören CAD/CAM-Technologien, die keramische Doppelkrone, individuelle Abutments und vollkeramische Werkstoffe. Während der Jahre 2012 bis 2014 war er nebenberuflich Mitarbeiter der Goethe-Universität Frankfurt und pflegt seither eine enge Zusammenarbeit. Im Jahr 2013 wurde sein Beitrag zum besten Vortrag der Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologien (ADT) gekürt. Besonders die prämierten Publikationen mit Dr. Peter Gehrke finden aktuell in der Fachpresse eine hohe Beachtung und gelten als Gradmesser für die zeitgemäße Bewertung individueller Abutments. Carsten Fischer ist Dozent der Steinbeis-Universität, Berlin, sowie Referent für verschiedene Organisationen (DGI) und Vizepräsident der EADT. Dr. Peter Gehrke absolvierte das Studium der Zahnmedizin (1986 bis 1991) an der Freien Universität Berlin. Nach einem Promotionsstipendium der Schering AG, Berlin, ließ er sich zunächst als Zahnarzt in privater Praxis in Hamburg nieder. Er ging im Jahre 1994 in die USA und postgraduierte an der New York University College of Dentistry in zahnärztlicher Prothetik und Implantologie. 1996 kam Dr. Gehrke nach Mannheim und arbeitete für ein Implantatunternehmen in Fortbildung und Forschung. Seit dem Jahr 2005 ist er in der Praxis Prof. Dohm & Kollegen in Ludwigshafen tätig. Dr. Gehrke hat den Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie erworben und arbeitet nebenberuflich als Lehrkraft an der Steinbeis-Hochschule Berlin, im Studiengang Master of Science in Oral Implantology.
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