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Zwischen Euphorie und Exzentrik – Die Zeit der Filmdiven
Filmgeschichte Teil 5
Zwischen Euphorie und Exzentrik
Text: Christina Rücker
Der Begriff »Filmdiva« wird im Duden als »gefeierte Filmschauspielerin, die durch exzentrische Allüren von sich reden macht«, definiert.
Eine zweigeteilte Definition, die in ihrer Bedeutung das Spannungsverhältnis zwischen Frauen und Film versinnbildlicht. Denn: Das klassische Hollywood war eine rein männliche Domäne. Dieses starre Missverhältnis sehen wir heute dank der feministischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts zwar deutlich aufgeweicht, jedoch zeigt uns die #METOO-Debatte, dass bestimmte Verhaltensmuster und Machtgefüge noch immer so vorherrschen wie zu Beginn des Films und der ersten Welle der FILMDIVEN.
Die Position, Bedeutung und Einfluss von Frauen auf den Film und die Filmindustrie ist eng verknüpft mit der Geschichte der Emanzipationsbewegungen des 20. Jahrhunderts. Bis in die späten 1960er und frühen 1970er Jahre standen auch die großen Filmstars vor der Diskrepanz zwischen Leinwandverehrung und schier nicht vorhandener Gestaltungsgewalt. Auch die wirklich großen Filmdiven waren hiervon nicht ausgenommen. Denn in Hollywood gab es nur zwei mögliche Rollenentwürfe für Frauen: die Gute oder die Böse. Der Inhalt dieser beiden Konzepte wurde im Laufe der Jahre angepasst.
Der Madonna/ Huren-Komplex
Der klassische Narrativ in Hollywood sah bis zur 68er-Bewegung den Mann als aktiven und zentralen Part des Films vor. WEIBLICHE ROLLEN WAREN HINGEGEN PASSIV UND EHER EINE NEBENFIGUR. Schaut man sich die Verteilung der Entscheidungspositionen in der damaligen Filmindustrie an, überrascht dies wenig:Männer saßen in den Regiestühlen, führten die Studios, schrieben die Drehbücher, finanzierten und produzierten alles. Frauen waren hierbei als Unterstützer mit sog. »milden« Aufgaben involviert, d.h. als Sekretärinnen, Scriptgirls und in kleineren Assistentenfunktionen. Als Schauspielerin am Set zu sein, hatte hierbei schon das Privileg, mehr Aufmerksamkeit und das Pampering-Programm (Make-up, Haarund Kostümstyling) zu erhalten. Doch waren weiblichen Stars dieser Zeit, wie MARY PICKFORD, festgelegt, sexuell unschuldige und schutzbedürftige Charaktere zu spielen: Als Jungfrau in Nöten oder als fürsorgliche Hausfrau erwarteten sie Ankunft und Erretten durch den männlichen Star. Das gegensätzliche zweite Rollenbild sah eine sog. »gefallene« Frau vor. Eine Frau, die aufgrund sexueller Aktivitäten VOR der Ehe am Rande der Gesellschaft gestrandet war und durch und durch als böse dargestellt wurde. Eine solche Definierung der Frau auf Basis ihrer sexuellen Aktivität wird in der Psychoanalyse seit Sigmund Freud als »MADONNA/ HUREN-KOMPLEX« bezeichnet. In der Popkultur hat sich der Begriff durch die anfänglichen Eheschwierigkeiten der Charaktere CHARLOTTE und TREY MACDOU- GAL in der Hitserie »Sex and theCity« verewigt.
1915 schafft THEDA BARA durch ihre Darstellung der Rolle der »GEFALLENEN« den Begriff des Vamps: eine Frau, die durch ihre Schönheit und Exotik Männer in ihren Bann zieht und zugrunde richtet, ohne ein Anzeichen von Reue. THEDA BARA wurde so eines der ersten Sexsymbole des Films, doch blieb gleichzeitig auf diesen Charakter begrenzt. Auch ist der Vamp ein Ausdruck von Rassismus in Hollywood: Denn der Vamp ist stets eine Frau exotischer, d.h. nicht-weißer Herkunft. Die weiße Frau wird somit in ihrer Darstellung als moralisch unfehlbar auf den Thron der Begehrbarkeit erhoben und bleibt noch für viele Jahrzehnte auf diesem.
Erste Schritte
Nachdem der Erste Weltkrieg Frauen in aktivere (ehem. männliche) Positionen auf dem Arbeitsmarkt erhob und ihnen somit eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit verschaffte, musste auch das Bild der Frau in der Öffentlichkeit nachziehen. Zusammen mit den langen Zöpfen wurden auch die verstaubten viktorianischen Wertvorstellungen zur Seite geschoben. Die Flapper wurden die neuen Vorbilder der modernen Frauen. CLARA BOW war Hollywoods Personifizierung dieses Konzepts, doch sah ihr Rollenbild einen Kompromiss der Realität vor: Während sie in ihren Rollen zwar ausgeht, raucht, tanzt und auch ohne Trauschein sexuell aktiv ist, ist es das unterliegende Ziel des (guten) Flapper Girls, einen Ehemann und somit finales Glück in der Ehe zu finden. Die Schreiber Hollywoods skizzieren einen schmalen moralischen Grad, entlang dessen sich das Schicksal der Flapper in den Filmen entscheidet: Wer moralisch und tugendhaft im Herzen ist, erreicht den Traualtar, für alle anderen entfalten sich Tragödie oder gar der Tod.
Der Aufstieg der Diven
In den 30er Jahren sehen wir das Zeitalter der großen Diven. Marlene Dietrich, Greta Garbo, Katherine Hepburn und und MAE WEST vereinen Talent, Glamour, Schönheit und ausverkaufte Kinovorstellungen in sich. Nach dem Zusammenbruch des Weltwirtschaftssystems, der wiederum mehr Frauen in die Arbeitswelt trieb, sehnt sich ebendieses Publikum nach starken Rollenvorbildern.
Und bis 1934 erhält es diese auch: MARLENE DIETRICH spielt mit den optischen Gendergrenzen, indem sie Anzug und Frack tragend Männer verführt (»MAROCCO« 1930), Greta Garbo erklärt in »QUEENCHRISTINA« (1933), sie sterbe lieber alleinstehend, als zu heiraten, und MAE WEST schrieb sogar ihre eigenen Dialoge. Ein Quantensprung! Die Diven dieser Zeit sind nicht nur starke Frauen, sie sind sexuell aktive Frauen: Mit cineastischen Mitteln werden sie als göttinnengleiche Geschöpfe inszeniert, die gekonnt ihre sexuellen Reize ausspielen und somit von der normalen Alltagsfrau meilenweit entfernt sind. Sie sind Vorbilder für ebendiese und Sehnsuchtsobjekte für ihre männlichen Zuschauer. Dies ist aber nicht nur ihren schauspielerischen Talenten zuzusprechen.
Diven werden erschaffen
Zentrale Aspekte der Inszenierung einer Diva sind die Positionierung der Kamera und der Lichttechnik.Bereits in den 1920ER Jahren entwickelte man in Hollywood die »DREI-PUNKTE AUSLEUCHTUNG«. Mit ihrer Hilfe konnte der jeweilige Charakter strahlend in Szene gesetzt werden. Präferiert wurde dieser »NIMBUS-EFFEKT« eingesetzt, um weibliche Darstellerinnen strahlender und somit attraktiver (auf den männlichen Charakter und Zuschauer) wirken zu lassen. Noch höher auf die Objektisierungsleiter ging es mit dem sog. »männlichen Blick«, bei dem die Kamera zum Auge des männlichen Darstellers wird und wir durch diesen die Frau betrachten. Beiden Techniken unterliegt eine Fetischisierung und kulturelle Überhöhung des weiblichen, (wohlgemerkt) weißen Erscheinungsbilds. Diesem zuträglich sind sicherlich die glamourösen Roben und Stylings der Diven. Der Film »GILDA« mit Rita Hayworth in der Hauptrolle ist ein Paradebeispiel dieser Techniken.
Doch – und das ist wohl die Tragik und gleichzeitig Spiegel der damaligen Gesellschaft – waren Diven durch diese cineastische Überhöhung und Perfektionismus als auch ihre sexuelle Überpräsenz so sehr dem Alltagsleben entrückt, d.h. als »exzentrisch« abgestempelt, dass ihnen die Rückkehr in ein »normales« Dasein nicht möglich war, weder auf der Leinwand noch im realen Leben. Ein Paradox, das erst im Zuge der Frauenbewegung abgemildert, doch auch heute noch nicht vollends abgeschafft werden konnte.