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5 Fragen an Iris Berben
5 Fragen an ...Iris Berben
Interview: Christina Rücker
Fotos: Lale Tütüncübasi
Iris Berben – Grand Dame des deutschen Films, Hörbuchinterpretin, eine Frau mit hohem sozialem und politischem Engagement, gesucht und umworben, Mitwirkende in unzähligen Filmen (weit über 100 Stück) gestattet sisterMAG erneut ein Interview. Bereits im letzten Jahr durften wir sie im Rahmen der Berlinale treffen. Ihre inspirierenden Antworten ließen uns nicht mehr los. Umso mehr freuen wir uns, auch 2018 »tolle Fragen« (wie sie selbst anmerkte) stellen zu dürfen. Im Gespräch über mögliche Rollen, Vorbilder und die unausweichliche „Me Too“ Debatte gewinnen wir tiefe Einblicke in ihre Persönlichkeit.
WELCHER IST IHR PERSÖNLICHER LIEBLINGSFILM?
Das kann ich nicht sagen, denn mit dem Alter ändert sich der Geschmack: Es gibt Filme, bei denen man mal gesagt hat, »das ist DER Film aller Filme«. Und dann bekommst du neue Eindrücke.
MAGNOLIA habe ich wahnsinnig gerne gesehen. FIGHT CLUB fand ich einen tollen Film. Der letzte TANGO VON PARIS war damals der Film, wo wir dachten »whoa, was wird sich da getraut«. Wenn man das heute sagt, kommt man da in eine total andere Diskussion. Das tolle in unserer Branche ist dieser Wechsel der Generationen und damit verbunden, ein Wechsel des Blicks auf die Welt und auf ein Thema. Das finde ich toll.
GIBT ES EINE FILM-DIVA ODER EINE WEIBLICHE PERSON EINER ROLLE, DIE SIE HEUTE NOCH INSPIRIERT?
Es gibt heute immer noch eine Frau, die ich für eine wahnsinnig spannende Frau halte: SUSAN SARANDON. Ich selbst schätze Frauen, die ihre Möglichkeiten ausnutzen und sie ist ein sehr politischer Mensch. Die Filme, die sie macht und ihr ganzes Wirken machen sie zu etwas, das man »unbequem« nennt. Was ich überhaupt nicht unbequem finde, sondern wo ich einfach denke, dass es sehr erfrischend ist für die Branche. Liz Taylor war ebenfalls jemand, die ich immer geschätzt habe. Wenn ich so an »KATZE AUF DEM HEISSEN BLECHDACH« denke ... ooooh das sind so Filme, die hätte ich auch gerne gespielt. Ich finde für die Zeit, in der sie war – in den 70er, 60er, 50er Jahren – war sie auch schon so weit in ihrer Kraft. Das sind so zwei Frauenikonen, die mir sofort einfallen. Aber mir würden später wahrscheinlich noch ganz viele mehr einfallen, [...] aber das ist ja immer so. Dann hört das Interview auf und man denkt sich so »Hm warum ist mir DIE nicht noch eingefallen?«.
UND WENN SIE SICH IHREN EIGENEN FILMCHARAKTER ERSCHAFFEN KÖNNTEN, WIE WÜRDE DIESER ANGE- LEGT SEIN? WÄRE ES AUCH EINE FRAU ODER WÜRDEN SIE AUCH EINEN MANN SPIELEN?
Ja, also ich habe ja bereits in der Comedy Serie »SKETCHUP« auch Männer gespielt und zwar so überzeugend, dass selbst meine Mutter mich nicht erkannt hat. [lacht] Das ist schon eine Herausforderung und natürlich ist es auch immer eine Neugierde, die wir haben, »Wie ist das andere Geschlecht?«. Ich finde es gut, dass es ein anderes(!) Geschlecht ist und gibt. Denn ich bin nicht dafür, dass wir uns zu einer Gleichheit immer wieder vermischen, sondern dass unterschiedliche Charaktere in der Welt existieren.
Nichtsdestotrotz gibt es ein paar Strukturen, die wir dringend ändern sollten! Strukturen, die sich über die Jahrhunderte und Jahrtausende so eingebracht haben, dass sie schwer aufzubrechen sind. Das merken wir gerade in den Me too-Diskussionen im Hinblick auf den Machtmissbrauch. Wobei ich auch sagen muss: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob nicht auch Frauen, die die Möglichkeit haben, ebenfalls so einen Machtmissbrauch ausüben können. Denn ich glaube: Das ist eine Charakterfrage. Schließlich kennen wir doch auch alle unendlich viele Männer in Machtpositionen, die diese Position eben nicht ausnutzen.
Deshalb denke ich immer, dass es ein sehr fragiles Thema ist, dass man nicht so aufgeheizt führen sollte, wie es gerade von allen Seiten befeuert wird. Um aber zur ursprünglichen Frage zurückzukehren: Ich wäre auch gerne mal ein Tier. Ich habe einen Hund und dieser Hund wird 17 und er ist jetzt blind und taub und er gehört zur Familie. Ich bin alles andere als ein esoterischer Mensch, aber ich denke mir dann immer, »Du hast ihn so eingenommen in deine Familie. Was geht dann in so einem Tier vor?«
Ich wäre gerne einmal ein Tier, gerne einmal ein Mann. Gern auch einmal ein alter verknorpelter Baum, das wäre auch mal schön. Ein Baum, der schon so lange steht und an dem sich schon so viele abgearbeitet haben. [...] Der aber stehen bleibt!
ZURÜCKBLICKEND BE- TRACHTET, MIT WELCHER ROLLE SETZEN SIE SICH NOCH AM HÄUFIGSTEN AUSEINANDER? Im letzten Jahr habe ich für vier Monate eine Frau gespielt: »DIE PROTOKOLLANTIN«. Das war eine Frau, die von allen übersehen wird, eine graue Maus.
Als Schauspielerin ist das so eine gute Fläche auf der man spielen kann, auch äußerlich. Wirklich, die guckt niemand an. Sie geht komplett unter. Und doch hört sie aber den ganzen Tag per Kopfhörer mit. Sitzt dabei und protokolliert, wenn Verbrecher ihre Verbrechen gestehen oder sie rechtfertigen oder sie lügen. Das hat mich dadurch, dass es vier Monate waren, unendlich mitgenommen, weil ich mir darüber Gedanken gemacht habe. Was macht das, wenn du über solche Dinge viel hörst? Und das ist eine Geschichte, die macht etwas mit dieser Frau. Es gab einen anderen Film den ich gemacht habe. Es ging im Grunde um das Thema der 68er. Eine Frau, die in den Untergrund gegangen ist und deren Tochter, die im Alter von 30 diese Frau wieder ausfindig macht. Eine Frau, die sich schuldig gemacht hat. Es ist ein Stück deutscher Geschichte. Das ist eine Rolle, über die ich oft nachdenke, weil wir uns ja auch immer beschäftigen mit unserem Alltag, mit dem was Politik macht, was Politik hinterlassen hat oder hinterlassen könnte. Über sowas denke ich schon gerne nach.
WAS DENKEN SIE ZUR PERSPEKTIVE DES DEUTSCHEN FILMS? WOHIN GEHT DER DEUTSCHE FILM?
Wir haben so ein großes Potential von wirklich kraftvollen Autoren, Regisseuren, Kameramännern, Schauspielern und Schauspielerinnen und ich rede jetzt mal
nicht von diesem Hype vieler, den schon bekannten. Unser Problem ist, es werden zu viele Filme gedreht, die aber dann nicht die Möglichkeiten haben, im Kino gezeigt zu werden. Dafür müssen wir ein System finden. Das ist das Schwierigste, was es gibt, wie soll man das sondieren? Das ist das, womit wir uns schon lange auseinandersetzen. Die Zuschauerzahl ist gleichgeblieben und das Geld ist gleichgeblieben, aber es wird immer mehr, mit immer weniger Geld gemacht. Die Filme haben so, gar keine Chance mehr, gesehen zu werden. Ich habe schon vor vielen Jahren in der FFA [Filmförderungsanstalt, Anm. d. Red.] in der Vergabekommission gesessen, wo man beobachtet und beurteilt. Da hat man schon gemerkt, wenn jemand sog. Potential hatte »Oh, das ist ein Pflänzchen das sollte man gießen, das wird was.« Und das war auch so. Aber du musst diesen Freiraum eben auch haben! Wir leben heute alle unter diesem Druck: »Das Talent muss da sein und wenn der Erste [Versuch, Anm. d. Red.] nichts ist, dann will man den Zweiten nicht, und wenn der Erste der Große war, dann muss der Zweite noch größer sein. ...Das ist keine Kreativität und keine Kunst! Da wünsche ich mir, dass wir da eine gute Hand und gute Ausgangsmöglichkeiten entwickeln, sodass der deutsche Film weiterhin besteht und als Kulturgut sichtbar ist. Wir dürfen nichts verschwenden.
»Ich bin in Sehnsucht eingehüllt« Iris Berben liest am 22.07.2018 auf Schloss Ribbeck. Die Veranstaltung beginnt um 15 Uhr.