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Patientenprozessorientierte Lernaufgaben: Mit Lernprodukten Lernprozesse steuern und Learning Outcomes sichtbar

machen

Oliver Gabriel, Heiko König, Carolin Schneider und Henrik Bender

2.1 Erklärungsprodukte

„Erklären“ steht für „[…] deutlich machen; [in allen Einzelheiten] auseinandersetzen; so erläutern, dass der bzw. die andere die Zusammenhänge versteht“ (Duden-Redaktion o. J.b). So gesehen steht ein Erklärungsprodukt für ein Werk, das irgendetwas deutlich macht. Dies stellt jedoch lediglich eine vage Definition für den äußeren Rahmen her, eine inhaltliche Auseinandersetzung steht noch aus. Thommen (2018) beschreibt eine „Erklärung“ als

„[…] den Versuch, in der Realität zu beobachtende Tatbestände oder Vorgänge auf ihre Ursachen zurückzuführen […]. Benötigt werden Gesetzesaussagen (wenn p, dann q), die eine logische Beziehung zwischen Ursache p und Wirkung q herstellen.“

Soll mit dem Werk außerdem ein wissenschaftlicher Sachverhalt erklärt werden, so ist es notwendig, dass zusätzlich die entsprechenden Gesetzesaussagen und die zugehörigen Anwendungsbedingungen eingebracht werden (z. B. Hempel-Oppenheim-Schema). Als Anwendungsgebiet dient das Erklärungsprodukt dazu, „konditionales Warum-Wissen und dessen Wirkungsmechanismen sichtbar [zu] machen“ (Forstner-Ebhart et al. 2014, S. 75).

Um Erklärungsprodukte ein- und gegen andere Produkte abgrenzen zu können, ist eine gemeinsame Definition hilfreich, die im Folgenden aus den obigen Verständnissen abgeleitet wird:

Ein Erklärungsprodukt erläutert basierend auf logischen Beziehungen und in für den Adressaten verständlicher Form reale Zusammenhänge oder Vorgänge und führt diese auf ihre Ursachen und Wirkmechanismen zurück.

Aus dieser Definition ergeben sich die Anforderungen an ein Erklärungsprodukt:

• Es enthält logische Beziehungen (z. B. Wenn-Dann).

• Es muss für den Adressaten verständlich sein.

• Es enthält eine sinnvolle Art der Visualisierung.

• Es enthält die Ursache, das Warum.

Beachtenswertes ergibt sich, wenn man die Haltbarkeit eines Erklärungsproduktes betrachtet: Ein Rollenspiel ist geprägt von einer kurzen Haltbarkeit entsprechend seiner Dauer. Erst eine Aufzeichnung desselben macht das Erklärungsprodukt für spätere Zwecke verfügbar. Diesem Umstand muss in der Vorplanung durch die Lehrkraft in dem jeweiligen Arbeitsauftrag Rechnung getragen werden. Vor der Konzeption und der Erstellung eines Erklärungsproduktes müssen sich die Lehrkräfte die Frage nach der Zielgruppe stellen, das heißt, wer es erarbeitet und wem damit etwas erklärt wird. Weitere Anforderungen stellen die Erstellungsökonomie und der klare Arbeitsauftrag dar. Die Grenze zu einem Beschreibungsprodukt ist fließend. Folgendes Beispiel soll die genannten Aspekte verdeutlichen:

Als Beispiel dient das Erstellen eines Erklärvideos durch die Schüler zum Thema Hygiene bei einem Infektionstransport. Dabei muss sich die Lehrkraft vorab Gedanken machen, inwieweit der Auftrag thematisch eingegrenzt wird und welche Kompetenzen bei den Lernenden gefördert werden sollen. Es besteht sonst die Gefahr, dass die technische Umsetzung zwar den Infektionstransport mit seinen Kernbotschaften in einer fünf Minuten-Sequenz bedient, das Scripting, der Dreh und der Videoschnitt jedoch eine Woche in Anspruch nehmen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass zwar die Durchführung gezeigt (beschrieben) wird, jedoch nicht, warum etwas so und nicht anderes gemacht werden soll (logische Beziehungen fehlen).

2.1.1 Ursache-Wirkungs-Diagramm (Ishikawa-Modell)

Eine Möglichkeit, Wirkungsmechanismen verständlich zu machen, besteht in der Erstellung eines Ursache-Wirkungs-Diagramms. Kaoru Ishikawa hat ein Ursache-WirkungsDiagramm entwickelt, um Qualitätsproblemen beizukommen. Es dient dazu „Probleme zu erkennen sowie deren Ursachen herauszuarbeiten“ (Syska 2006, S. 63). Seine grafische Form erinnert an eine Fischgräte, daher wird auch der Name „Fischgrätendiagramm“ synonym verwendet. Entlang der Gräten kann der Prozess einer Problemlösung dargestellt werden (vgl. Steven 2007, S. 176).

Nach Pluntke (2017, S. 56) eignet sich dieses Diagramm im Bereich „Lernen durch Einsicht“. Dabei „[wird] eine Lösung […] gefunden, indem man einen Sachverhalt versteht, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge erkennt oder die Bedeutung einer Situation erfasst.“

Das Lernprodukt stützt sich dabei idealerweise auf die Analyse einer Fallvignette oder kann zur Reflexion einer eigenen oder fremden Handlung dienen.

Die in Abbildung IV.2 unter „Personen“ beschriebene „fehlende Kompetenz“ könnte ebenfalls wieder ein Problem darstellen, dass mit einem Ursache-Wirkungs-Diagramm analysiert werden kann. Die Kompetenzen könnten im Einzelnen aufgeschlüsselt und als Überbegriffe verwendet werden. Das bedeutet, dass das Diagramm hier noch nicht beendet sein muss, sondern jede Ursache für sich nochmals analysiert werden kann.

Ein Ursache-Wirkungs-Diagramm könnte auch zur eigenen Reflexion von Fehlern nach einem Fallbeispiel verwendet werden. Hier sind den Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt, eigene Fehler im Lernprozess begrifflich zu beschreiben. Möglich wäre beispielsweise die Betrachtung der Analysedimensionen wie Fachkompetenz („Hatte ich das nötige Wissen und Fertigkeiten?“), Methodenkompetenz, Sozialkompetenz (Kommunikation), persönliche Kompetenz (Einstellung und Haltung, „Wollte ich das Beispiel ernsthaft bearbeiten?“).

Auf diese Weise haben Lernende Gelegenheit, eigene Fehler zu analysieren und zu visualisieren. Die Lernenden sollten dann sogleich Möglichkeiten der Verbesserung schriftlich fixieren. Beides sollte nachbesprochen werden. So kann das Diagramm auch zum Einstieg in den fachpraktischen Unterricht genutzt werden.

Ein Ursache-Wirkungs-Diagramm muss jedoch nicht zur Problemlösung angewandt werden. Statt eines „Problems“ kann ein beliebiger Zustand/eine beliebige Wirkung definiert werden. Das Diagramm erklärt dann die Möglichkeiten, wie es zu diesem Zustand gekommen sein kann oder gekommen ist. Es kann auch analysiert und erklärt werden, warum ein bestimmtes Vorgehen erfolgreich war und welche Faktoren dafür gegeben waren.

Stress kein Vier-Augen-Prinzip Beleuchtungsmöglichkeit

Neigung zur Selbstüberschätzung/Fehlerfreiheit

Vertrauen fehlende Kompetenz nicht beschriftete Spritze keine Reevaluation vor Applikation

Uhrzeit lärmende Aggregate der Feuerwehr Kommunikation ähnlich aussehende Medikamente Dunkelheit gleich aussehende Medikamente nebeneinander gelagert

Abb. IV.2 ▶ Erklärungsprodukt: Ursache-Wirkungs-Diagramm

2.1.2 Schaubild der Einflussbeziehungen

wurde verwechselt und appliziert allergisches Asthma bronchiale

Nach Stracke (2004, S. 17) sind „Concept Maps […] Netzwerke aus Begriffen (dargestellt in Form von Knoten) und beschrifteten Relationen (dargestellt durch Pfeile mit bestimmtem Label) zur Darstellung von Wissensstrukturen.“ Der kleinste Baustein einer ConceptMap, auch Proposition genannt, besteht aus zwei Begriffen, die miteinander in Relation gebracht werden, ohne jedoch zwangsläufig ein hierarchisches Verhältnis abzubilden. Die Relation wird durch einen Richtungspfeil und eine Beschreibung, wie die Begriffe zueinanderstehen, dargestellt (Abb. IV.3, vgl. Stracke 2004, S. 18).

Antigen-Antikörper-Reaktion hat als Ursache

Damit eine Concept-Map zu einem Erklärungsprodukt wird, müssen als Relationen Ursache-Wirkungs-Beziehungen genannt werden. Geschieht dies nicht, so handelt es sich nicht um eine Concept-Map, sondern um ein Beschreibungsprodukt (s. Kap. 2.3.5).

Am Beispiel des Asthma bronchiale soll verdeutlicht werden, wie die Propositionen gewählt werden können, damit sich gemäß Definition ein Erklärungsprodukt ergibt (Abb. IV.4). Die Lernenden haben dafür den Auftrag, als Lernprodukt eine Concept-Map zum Thema Asthma bronchiale zu entwerfen. Recherchiert werden sollen zusätzlich die Virchow-Trias und die allergische Reaktion. Ursachen und Wirkungen sind hier in den Relationen dargestellt und es kann damit die Pathophysiologie des Asthmas bronchiale erklärt werden.

In einer weiteren Lernsituation kann dieses Erklärungsprodukt erneut aufgegriffen und mit einem weiteren Arbeitsauftrag versehen werden. An dieser Stelle geht es um die rein medikamentöse Behandlung des allergischen Asthmas bronchiale sowie die Erklärung der verfolgten Therapieziele. Nach Pfeifer (2009, S. 98) liegt dabei „die elementare didaktische Funktion des Concept-Mapping […] im Aufbau einer organisierten, klar strukturierten und stabilen kognitiven Struktur“, wie die Abbildung IV.5 verdeutlichen soll.

Concept-Maps eignen sich prinzipiell sehr gut, um komplexe Prozesse, voneinander abhängige Abläufe, Steuerungsmechanismen usw. auf das Wesentliche zu reduzieren. Bei der Reduktion gehen inhaltliche Zusammenhänge nicht verloren, sondern werden selbsterklärend und übersichtlich darstellbar. Den Fachinhalten einer Concept-Map lässt sich

Asthma-Trias nach Virchow enthält enthält enthält

Bronchialwandödem Bronchospasmus

Hyper- und Dyskrinie führt zu

Atemnot hat als Ursache hat als Ursache hat als Ursache bronchiale Obstruktion führt zu allergische Reaktion (Histaminausschüttung) führt zu ist ein Symptom von allergisches Asthma bronchiale hat als Ursache führt zu

Antigen-AntikörperReaktion (IgE)

Abb. IV.4 ▶ Erklärungsprodukt: Concept-Map zum Asthma bronchiale

2.2.4 Checklisten

Der Ausdruck „Checkliste“ hat sich als Anglizismus in der deutschen Sprache etabliert. Deutsche Übersetzungen des englischen Ausdrucks „checklist“ lauten „Kontrollliste“, „Prüfliste“ oder „Vergleichsliste“. In der Brockhaus-Enzyklopädie (o. J.b) wird zwar nicht das Wort „Checkliste“ definiert, dafür ist jedoch das Verb „checken“ aufgeführt, was mit „überprüfen oder kontrollieren anhand von Prüf- oder Kontrolllisten (Checkliste), auf denen durch Abhaken die Vollständigkeit z. B. von Warenbeständen oder das Funktionieren technischer Geräte überprüft (gecheckt) wird.“

Checklisten werden in der Berufsausübung von Notfallsanitätern täglich gebraucht; so wird bei Dienstantritt das Dienstfahrzeug anhand einer Checkliste überprüft, ebenso die Geräte und Notfalltaschen bzw. Rucksäcke. Auch halten viele Rettungsdienstschulen Checklisten für die dort vorgehaltenen Materialien vor. Von daher müssen Checklisten als

Abb. IV.9 ▶ Checkliste zur Kontrolle der korrekten Vorgehensweise beim Kleben der 12-Kanal-EKG-Elektroden durch eine Schülerin im Rahmen einer PPOLA erstellt (mit freundlicher Genehmigung von Katharina Schwarzwälder)

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