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7 Vor- und nachbereitende Maßnahmen
Viele Gruppenführer sind außerhalb ihrer taktischen Funktion als technische oder taktische Leiter oder Referenten für den Einsatzdienst oder Katastrophenschutz in ihrer jeweiligen Wasserrettungsorganisation tätig. In dieser Funktion spielen die einsatzvorbereitenden und einsatznachbereitenden Maßnahmen eine Rolle. Daher sollen diese nachfolgend in dem Umfang skizziert werden, in dem sie taktische Aspekte der Einsatzführung beeinflussen bzw. rechtlich relevant sind.
Die vorbereitenden Maßnahmen unterteilen sich in
• Aufstellung,
• Alarmierung,
• Anfahrt und Bereitstellung taktischer Einheiten.
Die nachbereitenden Maßnahmen umfassen
• die Dokumentation und
• die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit.
7.1 Aufstellung
Taktische Einheiten können geschlossen oder disloziert aufgestellt werden. Geschlossen bedeutet, dass alle Einsatzmittel an einem Stützpunkt für den Einsatz bereitstehen (Abb. 29). Dies ist bei Trupps der Regelfall, bei Gruppen eine häufige Variante.
Disloziert bedeutet, dass die Einsatzmittel getrennt auf mehreren Stützpunkten für den Einsatz bereitstehen (Abb. 30). Dies ist der Regelfall bei Zügen und eine ebenfalls bei Gruppen vorkommende Variante.
Abb. 29 ▶ Aufstellung geschlossen, Anfahrt geschlossen, Einsatz geschlossen
7.2 Alarmierung
Im rettungsdienstlichen Einsatz ist die Alarmierung von Trupps oder Gruppen über analoge oder digitale Fernmeldeempfänger der Standardfall. Je nach örtlicher Alarm und Ausrückeordnung und landesrechtlich festgelegter Hilfsfrist (DIN 13050) kann die Anfahrt zum Einsatz binnen 10 bis 30 Minuten nach Alarm beginnen. Hieraus ergibt sich je nach Tageszeit, Wochentag und Jahreszeit eine taktisch relevante Schwankung in der Ausrückstärke; die in Kapitel 3.3 genannten Mindeststärken der Einheiten sollen jedoch nicht unterschritten werden, um überhaupt einen einsatztaktischen Wert zu haben. Eine Lösung stellen Einsatzmittelketten dar, bei der die erstalarmierten Einheiten schnell, aber ggf. unvollständig ausrücken. Parallel dazu werden weitere Einsatzkräfte und Einheiten über Funkmeldeempfänger, SMS, EMail, Telefon oder Social Media alarmiert, die dann – mit deutlich längeren Ausrückzeiten – als Verstärkungskräfte nachfolgen.
Im Katastrophenschutzeinsatz werden konzeptionell Vorlaufzeiten von 24 Stunden oder mehr in der Alarmierungsplanung berücksichtigt. Je nach Bundesland gibt es Alarmierungsstufen wie Vorinformation, Voralarm und Alarm, die meist per Fax, EMail oder Telefon ausgelöst werden. Diese Alarmierungsstufen dienen dazu, die Züge mit Einsatzkräften zu besetzen und alle Einsatzmittel vorzubereiten, damit sie gemäß Konzeption (Kap. 3.1) in den (über)örtlichen Einsatz gesendet werden können. Daran hängt für die aufnehmenden Einsatzbereiche die Planung von Bereitstellungsräumen (Kap. 5.4.2) sowie von Logistik und Taktik der meist länger andauernden Einsatzlagen. Dennoch können auch Züge oder deren Teileinheiten, soweit entsprechend geplant, als AdhocZüge oder SEG WR über Fernmeldeempfänger alarmiert und binnen Minuten in Marsch gesetzt werden – die Einsatzzeiten solcher AdhocEinheiten betragen oft jedoch nur 24 Stunden, danach werden sie im Sinne einer Einsatzmittelkette von regulären Einheiten abgelöst.
7.3 Anfahrt
Die Anfahrt von alarmierten Einheiten kann getrennt oder geschlossen erfolgen. Bei einer dislozierten Aufstellung oder beim getrennten Einsatz ist die getrennte Anfahrt (Abb. 30) der Regelfall, in der jedes Fahrzeug nach den Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) –soweit zutreffend mit Sonder (§ 35 StVO) und Wegerechten (§38 StVO) – eigenständig die Einsatzstelle anfährt.
Die geschlossene Anfahrt (Abb. 29) kann erfolgen, wenn Einheiten geschlossen aufgestellt und geschlossen in den Einsatz alarmiert werden oder nachdem disloziert aufgestellte Einheiten sich in einem Sammelraum (DIN 13050) getroffen haben (RendezvousSystem) (Bräutigam und Cimolino 2010, S. 160 ff.). Zwei Fahrzeuge (auch mit Anhängern) gelten dabei straßenverkehrsrechtlich noch als Einzelfahrzeuge, ab drei Fahrzeugen kann die Anfahrt als Marschkolonne (Verband nach § 27 StVO) erfolgen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. In diesem Fall sollte ein (schriftlicher) Marschbefehl erstellt werden (FwDV 100 1999, S. 56 f.).
MERKE:
Drei (bis 30) Fahrzeuge ergeben einen verkehrsrechtlichen Verband. Dazu müssen alle Fahrzeuge einheitlich gekennzeichnet sein:
• „Corporate Design“ der Wasserrettungsorganisation,
• Abblendlicht, auch am Tag,
• Blaulicht (mind. erstes und letztes Fahrzeug), ohne Frontblitzer und Sirene,
• Beflaggung/Beschilderung: alle Fahrzeuge blau, letztes Fahrzeug grün,
• letztes Fahrzeug mit Warntafel am Heck („Achtung Kolonne bzw. Ende der Kolonne“).
Ein Verband gilt verkehrsrechtlich als ein Fahrzeug. Wenn also das erste Fahrzeug bei Grün über die Ampel fährt, fahren alle Fahrzeuge des Verbandes über die Ampel.
Im Rettungsdiensteinsatz, in dem es mehr auf Geschwindigkeit als auf gleichzeitiges Eintreffen ankommt, wird der Verband auch bei drei oder mehr Fahrzeugen die Ausnahme sein; im Katastrophenschutzeinsatz ist er der Regelfall.
7.4 Bereitstellung
Die Bereitstellung von alarmierten Einheiten kann als primäre oder sekundäre Bereitstellung erfolgen (Bräutigam und Cimolino 2010, S. 171 ff.). Primäre Bereitstellung bedeutet, dass rettungsdienstlich alarmierte Einheiten, vor allem nachrückende Einheiten, nicht direkt die Einsatzstelle anfahren. Sie halten mit einigem Abstand zu dieser (außerhalb der Cold Zone, d. h. mindestens 50 m und so, dass ohne Rangieren auch eine andere Einsatzstelle angefahren werden kann) und nehmen Kontakt zum Einsatzleiter oder der alarmierenden Leitstelle auf, die dann den Einsatzauftrag erteilt oder an einen Bereitstellungsraum verweist.
Sekundäre Bereitstellung ist die Bereitstellung von Einheiten in einem Bereitstellungsraum, der durch die Einsatzleitung festgelegt und je nach Anzahl bereitgestellter Einheiten und Dauer der Bereitstellung eingerichtet und betrieben wird (Mitschke et al. 2002).
Sekundäre Bereitstellung ist der Regelfall im Katastrophenschutzeinsatz, wird aber auch bei größeren rettungsdienstlichen Lagen notwendig.