Carta a la embajada de México en Berlin Alemania por IGBCE 2011-02-14

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Michael Vassiliadis Vorsitzender

VB 1 Gesamtleitung/ Globalisierung/Industrie

IG BCE, Postfach 3047, 30030 Hannover

Abteilung Globalisierung/Europapolitik

Seiner Exzellenz dem Botschafter der Vereinigten Mexikanischen Staaten Klingelhöferstrasse 3

Hauptverwaltung Königsworther Platz 6 30167 Hannover Telefon (0511)7631-0 Durchw. 0511-7631-444 Fax 0511-7631-738 g-ep@igbce.de

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Seine Exzellenz, sehr geehrter Herr Botschafter, mit großer Sorge beobachtet die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) die Verletzung von Arbeitnehmerrechten und die Verfolgung unabhängiger Gewerkschaften in Ihrem Heimatland. Mehrere Vorkommnisse der vergangenen Jahre sind leider bis heute immer noch nicht aufgeklärt. Ferner befinden sich angeklagte Gewerkschafter widerrechtlich in Haft. Im Einzelnen beziehe ich mich auf folgende Ereignisse: •

Am 19. Februar 2006 führte eine Grubengasexplosion in dem Bergwerk Pasta de Conchos der Grupo México zum Tode von 65 Bergleuten. Trotz vorheriger Warnungen über die unhaltbaren Sicherheitsmängel unter Tage seitens der Gewerkschaft SNTMMSRM wurde bis heute keine unabhängige Untersuchung über die Ursachen des Unglücks seitens der mexikanischen Regierung veranlasst und dies trotz eindringlicher Aufforderungen u.a. eines Untersuchungsausschusses des mexikanischen Parlamentes sowie der IAO.

Stattdessen wurde dem Vorsitzenden der SNTMMSRM Herrn Napoleon Gomez Urrutia mit dem Entzug der „toma de nota“ der Vorsitz entzogen und bis heute vorenthalten, trotz seiner mehrmaligen Wiederwahl auf den nachfolgenden Gewerkschaftskongressen der Gewerkschaft. Dies stellt einen unzulässigen staatlichen Eingriff in die unabhängige, demokratische Entscheidungskompetenz einer Gewerkschaft gemäß den IAOKernarbeitsnormen dar.

Techniker und Facharbeiter des staatlichen Mineralölkonzerns PEMEX gründeten 2007 ihre eigene Gewerkschaft, die UNTyPP. Sie wollten einen Tarifvertrag verhandeln und nicht länger dem Zwang eines arbeitgeberdominierten „Schutzvertrags“ unterliegen. Bewaffnete Einheiten entfernten daraufhin am 14. November 2009 diese Beschäftigten gewaltsam von ihren Arbeitsplätzen. Anschließend entließ PEMEX die Führung der UNTyPP und deren Unterstützer.

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Das unverhältnismäßig harte Vorgehen der staatlichen Sicherheitskräfte gegen die streikenden Gewerkschaftsmitglieder der SNTMMSRM bei der Räumung der Grupo MéxicoKupfermine in Cananea am 6. Juni 2010, die mit ihrem Streik lediglich auf die großen Sicherheitsmängel unter Tage hingewiesen haben und deren Abstellung forderten.

Die durch ein Dekret des Präsidenten angeordnete Auflösung des zweitgrößten Stromversorgers Mexikos Luz y Fuerza del Centro am 10. Oktober 2009 sowie die nachfolgende Massenentlassung von 60.000 Beschäftigten, darunter 44.000 Mitglieder der SME, hat nicht die hohe Verschuldung des Unternehmens gelöst, gleichwohl aber die Existenzgrundlage vieler Arbeitnehmer bedroht und der unabhängigen SME ihre Geschäftsgrundlage sowie die Tarifzuständigkeit entzogen.

Seit 2008 sitzt Juan Linares, Vorstandsmitglied der SNTMMSRM, und seit 2010 Miguel Marquez Rios, Vorsitzender der SME, unschuldig im Gefängnis. Alle bislang gegen sie erhobenen Vorwürfe wurden gerichtlich als falsch zurückgewiesen, dennoch warten beide bis heute auf ihre Freilassung.

Die Ermordung folgender Gewerkschaftsmitglieder ist bis heute weder aufgeklärt noch gibt es Anzeichen einer aktiven Verfolgung der Täter: o

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Hector Alvarez Gomez und Mario Alberto Castillo Rodriguez wurden im April 2006 bei der Erstürmung des Sicartsa Stahlwerkes während eines Streikes ihrer Gewerkschaft SNTMMSRM durch 900 Bundes- und Landespolizisten ermordet, weitere 50 Gewerkschafter erlitten Schussverletzungen. Santiago Rafael Cruz wurde im April 2007 in dem Büro seiner Gewerkschaft FLOC in Monterrey gefesselt und zu Tode geprügelt. Reynaldo Hernandez Gonzalez wurde im August 2007 ermordet als er mit 90 weiteren Gewerkschaftsmitgliedern auf dem Weg zur Kupfermine „La Caridad“ der Grupo México war, um seine Wiedereinstellung zu verlangen. 20 seiner Kollegen, die vor Gericht ihre Wiedereinstellung erfolgreich eingeklagt hatten, wurden geschlagen und gefoltert. Juventino Flores Salas erlag im Juni 2009 seinen Verletzungen infolge eines Angriffes auf die SNTMMSRM in Zacatecas.

Deshalb möchte ich Sie auffordern sich umgehend einzusetzen für: 1. eine unabhängige und vollständige Aufklärung der Gründe, die zum Bergwerksunglück in Pasta de Conchos geführt haben. Die Verantwortlichen für diese Katastrophe müssen zur Verantwortung gezogen werden. 2. ein Verbot der systematischen Verletzung der Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer gemäß der IAO-Kernarbeitsnorm 87, insbesondere die Abschaffung der sogenannten „Schutzverträge“ und den Ausschluss staatlicher Eingriffe in Wahlentscheidungen von Gewerkschaftskongressen. 3. ein Ende gewaltsamer Unterdrückung berechtigter Anliegen der Arbeitnehmer für bessere Arbeitsbedingungen, Arbeitssicherheit und höhere Löhne, sei es durch staatliche Kräfte oder privater Sicherheitskräfte. Dies beinhaltet auch die Aufklärung der Morde an den genannten Gewerkschaftern.

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4. ein sofortiges Ende der politischen Verfolgung der SNTMMSRM und der SME, Anerkennung deren gewählter Vorstände, Freigabe der eingefrorenen Gelder der SNTMMSRM sowie die Freilassung der unschuldig Inhaftierten. Ich bin davon überzeugt, dass eine rechtsstaatliche Aufklärung der erwähnten Ereignisse und die Einhaltung internationaler Standards im Bereich der Arbeitnehmerrechte gerade auch im Interesse der Vereinigten Mexikanischen Staaten liegen. Mit freundlichen Grüßen

Michael Vassiliadis


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