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VALI GADIENT
Es ist für mich wie eine grosse Familie
Vor 40 Jahren begann er mit der Arbeit in der Skischule Flumserberg, seit 31 Jahren ist er deren Leiter: Das Leben von Vali Gadient (59) ist eng mit dem Skischulwesen verbunden – und mit Swiss Snowsports.
TEXT: ANDY MASCHEK, FOTOS: MARIO CURTI, ZVG
Die Anfänge sind wie bei vielen anderen und nicht wirklich speziell. Vali Gadient fuhr in jungen Jahren Skirennen, der Durchbruch blieb ihm aber verwehrt. Die Leidenschaft für den Winter, zur Natur und schlussendlich auch zum Skifahren führten dazu, dass der Flumserberger auf dieser Schiene weiterfuhr, die Ausbildung zum Skilehrer begann, 1984 Ski-Instruktor wurde und ein Jahr später das Skilehrerpatent VOSS erwarb. «Ich bin immer gerne Ski gefahren, gerne draussen an der frischen Luft, mit Gästen und ‹jungen Talenten› unterwegs und wollte ihnen etwas bieten, mit auf den Weg geben», sagt er rückblickend über den Beginn einer langen Karriere, einer intensiven Liebesbeziehung, die bis heute anhält. Es folgte Aus- und Weiterbildung auf Aus- und Weiterbildung, zum Skilehrerexperten (1986), Skischulleiter (1991), J+S-Experten (1992), Verbandstrainer (1994), Skilehrer Stufe III (1995), Schneesportlehrer mit eidg. Fachausweis (2004) und zuletzt zum Sportartenschulleiter mit eidg. Diplom (2017). Entsprechend breit gefächert waren auch die Tätigkeiten Gadients in diesen Jahrzehnten, es gibt kaum einen Bereich im Skischulwesen, in dem er nicht aktiv war.
Wachsende Neugier 1986 begann er, als Experte für die Skilehrerausbildung zu arbeiten, blieb immer dabei und kam auf allen Stufen in über 120 Ausbildungskursen sowie ungezählten Fortbildungskursen zum Einsatz. Mit dem wachsenden Knowhow sei auch die Neugier immer weiter gestiegen. «Ich kam mit sehr interessanten Persönlichkeiten im Skilehrerwesen zusammen und nahm immer wieder Erfahrungen und Wissen mit», so Gadient. 1993 wurde er Teil des Swiss Snow Demo Teams und war in verschiedenen Facetten unterwegs, «einerseits zur Aufnahme von Trends, z.B. Carving, und der Entwicklung von Inhalten für die nationale Ausbildungs- und Fortbildung, andererseits zur Repräsentation des Skilehrwesens Schweiz an internationalen Kongressen, wie auch für Filmprojekte und PR-Aktionen». 2007 wollte Vali Gadient in diesem Bereich altershalber etwas kürzertreten und nahm eine neue Aufgabe an, er wurde bei Swiss Snowsports Nachfolger von Mauro Terribilini als Disziplinenchef Ski und blieb bis 2012 im Amt. Die Jahre im Demo Team und später als Disziplinenchef Ski waren sehr intensiv, interessant und lehrreich. Letzteres unter anderem auch wegen der Erarbeitung von Lehrmitteln und Lehrplänen. Vali Gadient sagt: «Ich durfte bei der Entwicklung der Lehrmittel ‹Schneesport Schweiz› und ‹Speziallehrmittel Ski› von Anfang an dabei sein, das dauerte von 1997 bis 2000. Es waren absolute Lehrjahre, welche sich dank der Zusammenarbeit mit Professoren, Sportwissenschaftlern sowie der Gilde der Skilehrerausbildung präsentierte. Auch die sprachliche-kulturelle ‹Horizonterweiterung› im Austausch mit den Regionen und Sprachgruppen, den verschiedenen Schneesportdisziplinen und Verbänden will erwähnt sein. Das waren betreffend Anforderungen die interessantesten Jahre, ich denke, da habe ich persönlich am meisten gelernt.» Beim Verfassen des Speziallehrmittels «Ski Schweiz» von 2007 bis 2010 war Gadient dann als Chef der Disziplin Ski als Hauptautor im Lead engagiert.

Theorie und Praxis «Bei der Entwicklung der Kernlehrmittel stand die Frage, wo in den verschiedenen Disziplinen der gemeinsame Nenner bezüglich pädagogischen, methodi-
Fahnenträger Gadient
Vali Gadient im Jahr 2004 im Swiss Snow Demo Team.

schen und technischen Inhalten liegt. Bei den spezifischen Lehrmitteln für Ski, Snowboard, Langlauf und Telemark ging es darum, die ‹DNA› der Disziplinen in ihren uneingeschränkten und selbständigen Eigenheiten marktgerecht und auch attraktiv abzubilden», so Gadient. «Das war für mich die Lehrstube, und so konnten wir etwas entwickeln, was für alle brauchbar war, auch seitens Jugend + Sport und Swiss-Ski. Im Jahr 2000 waren wir so weit, dass die grossen Schneesportverbände und -institutionen der Schweiz gemeinsame Lehrmittel mit gemeinsam abgeglichener Terminologie und heute auch gemeinsame Lehrpläne mit durchlässigen Ausbildungsstrukturen haben. Das ist auch ein Verdienst des damaligen Swiss SnowsportsDirektors Riet R. Campell», erklärt er rückblickend. Er persönlich habe immer den Vorteil gehabt, in der Tätigkeit die Brücke von der Theorie in die Praxis und umgekehrt zu schlagen. «Nur zu behaupten, dass etwas richtig ist, heisst nicht, dass etwas wirklich richtig ist, und was richtig ist, basiert nicht auf demokratischer Mehrheit», so Gadient, der jeweils so viel Knowhow wie möglich zusammenbringen wollte und auch auf die wissenschaftliche Unterstützung in biomechanischen Fragen und Abklärungen durch Dr. Jörg Spörri zählen konnte. «Es ging auch darum, Inhalte so weit herunterzubrechen, dass diese sowohl verständlich und nahvollziehbar als auch vollständig und richtig waren und am Ende dem Gast, Schüler:innen oder Athlet:innen auf der Piste von Nutzen sind. Lehrmittel müssen umfassend und praktisch sein, verständlich geschrieben und inhaltlich leben.» Die Kombination von Theorie und Praxis passt zu Vali Gadient, der die Wichtigkeit betont, Inhalte adressatengerecht umzusetzen. Er selber hatte immer den Hang dazu, in Archiven zu stöbern, Dingen auf den Grund zu gehen. Der ausgebildete

Berufstrainer hatte immer auch den Rennsport im Hinterkopf, war und ist in der Jugendförderung engagiert («ich habe in meinem Leben zusammengezählt etliche Jahre auf den Gletschern in Saas-Fee und Zermatt, auf dem Stelvio und im Kaunertal mit Kinder- und Jugendrenngruppen verbracht»), führte Tagebücher und eignete sich so ein enormes Wissen an. Auf die Frage, was die Motivation war, diese Werke zu schreiben, diese Zeit zu investieren, antwortet er: «Die Leidenschaft entwickelt sich in der gelebten Tätigkeit. Je mehr man weiss, realisiert man, eigentlich wenig zu wissen. Daher will man den Dingen immer tiefer auf den Grund gehen. Wenn ein Lehrmittel gedruckt wird, ist das eine Bestandesaufnahme einer Entwicklung und diese geht weiter. Deshalb ist es wichtig, dass die Abstände von Überarbeitungen nicht zu gross sind, zumal heute mit dem E-Learning neu auch digitale Formate eingesetzt werden.» Nun steht bald wieder eine Überarbeitung der Lehrmittel an, doch da wird Gadient nur am Rande involviert sein und seine Ansichten dann abgeben, wenn er danach gefragt wird.
Mitbegründer der Swiss Snow League Vali Gadient war auch in der Entwicklung vom Übergang des «veralteten Testwesens» zur Swiss Snow League involviert oder wie er sagt: «Ich war unter den Mitbegründern und Mitgestaltern bei der Strukturierung, Gestaltung und Umsetzung dieses Konzepts. Aber generell entstand immer sehr viel Kreatives in Arbeitsgruppen aus guten Gesprächen und Diskussionen im Teamwork.» Somit wurden mit der Einführung der Swiss Snow League sowie heute auch mit der Swiss Snow Academy die Vehikel für die praktische Anwendung der Lehrmittel im Unterricht geschaffen. Die Swiss Snow League ist gemeinsam ein sehr erfolgreiches Produkt von Swiss Snowsports und der Skischulen geworden. «Es ist der Lehrplan mit klar strukturierten Programmen für Kinder und Jugendliche und auch eine Art Kundenbindungsprogramm», erklärt der Flumserberger, der zuerst Mitautor der Ideensammlung Swiss Ski League und dann der Hauptautor der Version «Ideen für den Skiunterricht» aus dem Jahr 2006 war und bei zahlreichen weiteren Publikationen als Autor mitwirkte. Mit der Entwicklung des Schneesports veränderten sich auch Gadients Aufgaben als Skischulleiter. Mittlerweile ist es für den 59-Jährigen ein Ganzjahresjob und auch im Sommer wird er durch eine Mitarbeiterin unterstützt. Da kümmere er sich um die Nach- und Vorbearbeitung der Saison, die Buchhaltung, Verkauf und Marketing, Personal, Kommunikation, Partnerpflege, Einrichtungen, Infrastruktur und so weiter. Dazu wurden in den verschiedensten Bereichen im Mandat Spezialisten hinzugezogen, beispielsweise für IT, Treuhand, Versicherungen oder Rechtsberatung. «Vor 30 Jahren hat man mit einem Drittel des Aufwandes im Verhältnis gleichviel Ertrag erwirtschaftet wie heute. Obwohl heute der Aufwand um Vieles grösser ist, bleibt das Geschäft mit neuen Chancen in der Digitalisierung interessant», sagt Vali Gadient. Seit 20 Jahren gibt es nun Swiss Snowsports und in dieser ganzen Zeit war Vali Gadient eng mit dem Verband liiert. «Es ist für mich wie eine grosse Familie mit Leuten verschiedenster Herkunft und Couleur, auch verschiedenen Ansichten und Meinungen. Es ist nach wie vor super interessant», sagt er über die Beziehung. In seiner Karriere hat er viel erlebt und nach seinen Höhenpunkten gefragt, antwortet er: «Da gibt es viele, in erster Linie sind es die unzähligen bereichernden Begegnungen und Erinnerungen und die vielen alten und neuen Freunde, welche ihre Aufgaben mit grossem Knowhow, Freude und Leidenschaft ausüben. Natürlich sind auch die internationalen Kongresse und Reisen in die Skiwelt sowie die sportlichen Erfolge mit dem Demo Team der Skischule Flumserberg bleibend. 2003 durfte ich an der Eröffnungsfeier in Crans-Montana die Schweizer Flagge
Nachtshow der Skischule Flumserberg im Jahr 2018. Foto: Hans Peter Jost

tragen. Auch die Erarbeitung der Lehrmittel und Lehrpläne waren für mich grosse, intensive Würfe. Im Speziellen richte ich meinen grossen Dank an meine damaligen Chefs, Riet R. Campell, Mauro Terribilini und Stephan Müller, sowie an all meine Kollegen und Wegbegleiter für die gemeinsame Zeit und das geschenkte Vertrauen.»

Demut und Authentizität Rückblickend würde er nicht viel anders machen, er spricht von einer enorm bereichernden Zeit: «Wir durften auch unsere Fehler machen und dafür hinstehen. Ich würde diesen Weg wieder gehen, habe mich gefordert, konnte mich in den Aufgaben entwickeln und wurde gefördert. Einst war ich ein wortkarger Bergler, dem man jedes Wort aus der Nase ziehen musste», sagt er schmunzelnd. Er würde Jungen weiterhin empfehlen, Schneesportlehrperson zu werden, es seien Lebensmuster und -philosophien. «Man muss offen sein, bereit Neues anzunehmen und sich auch in Frage zu stellen. Es ist höchst anspruchsvoll, Menschen mit ihren Bedürfnissen ganzheitlich abzuholen und damit bleibende Erinnerungen für einen Wiederbesuch zu schaffen – man lernt nie aus. Wichtig sind bei dieser Arbeit aber auch Demut und Bodenständigkeit.» Solange er fit und gesund bleibt und Freude an der Arbeit hat, will der 59-Jährige an der Spitze der Skischule Flumserberg bleiben. Doch für eine einst fliessende Übergabe gelte es, die Fühler zeitig auszustrecken. Seine Nachfolger werden wie er viele Aufgaben zu lösen haben, denn auch in den nächsten 20 Jahren werden sich die Anforderungen zu den Schneesportdienstleistungen weiterentwickeln. Oder wie Vali Gadient sagt: «Die aufkommenden Krisen und raschen Veränderungen verursachen Unsicherheiten und machen uns immer mehr zu schaffen. Swiss Snowsports und die Skischulen konzentrieren sich bereits vermehrt auf den Sommer, um die Gäste mit Angeboten in die Berge zu locken.» Auch neben «Bike» müsse man kreativ und kooperativ sein, damit die Entwicklung zu Ganzjahresjobs mit guter Auslastung gelinge. Und zu guter Letzt sagt er: «Happy Birthday, Swiss Snowsports! Herzlichen Dank!» •

Vali Gadient mit Riet R. Campell am Swiss Snowsports Forum 2007.
Aspirantenkurs 2004 mit den Ski-Assen Michael von Grünigen und Steve Locher sowie Jörg Roten, dem heutigen Trainer von Henrik Kristoffersen.