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Stephan Richter – s

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Fennobed – s

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LUST AUF GUT TRIFFT STEPHAN RICHTER

LAG Dein Leben hat dich von Ludwigsburg nach Wien geführt. Wie kam es dazu?

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SR Es war sogar noch eine Station mehr: Ich bin in Dresden geboren und nach einer komplizierten Fluchtgeschichte als Einjähriger nach Ludwigsburg gekommen. Tja, und warum Wien? Mein Opa kommt aus Wien. Außerdem kam ich der Liebe wegen und wollte an die Hochschule für angewandte Kunst. Die Liebe verging, die Kunst blieb.

LAG Mit Ludwigsburg verbindet dich dennoch viel, oder? Immerhin lehrst du dort an der Filmakademie Baden-Württemberg.

SR Das stimmt. Seit 2018 unterrichte ich als Dozent im Grundstudium »Regie 1«. Also komme ich ein paar Mal im Jahr ins Ländle; natürlich auch, um meine Freunde zu sehen.

LAG Was begeistert Dich an der Nachwuchsarbeit?

SR Das muss man sich so vorstellen: In meinem quartalsweisen Kurs sind rund 15 Studierende aus vielen Disziplinen wie Cutting, Animation etc. Sie lernen bei mir die Basics zu Regie und Kameraführung. Am Anfang war das sehr aufregend, ich habe sogar davon geträumt und stand ziemlich unter Druck. Das hat sich mittlerweile gelegt und ich empfi nde es als äußerst angenehm, mit den jungen Menschen zu arbeiten. Ich erkenne mich häufi g selbst in den Studierenden, sehe, mit welchem Ernst sie an die Sache rangehen und welchen Stress sie sich machen. Und das wiederum macht mich selbst ruhiger. Es ist seltsamerweise gar kein Unterschied, ob es sich um eine kleine Produktion oder ein 1,5 Mio. Filmprojekt handelt. Es geht um Kreativprozesse, die mitunter einfach anstrengend sind.

LAG Und was lernen die Filmschaff enden bei dir konkret?

SR Grundsätzlich geht es in der Filmregie um zwei Fragen: Wo stelle ich die Kamera hin und was sage ich dem Darsteller oder der Darstellerin. Alles was dabei hilft, diese Fragen zu beantworten, wird von mir gelehrt. Das ist das Handwerk. Die Herausforderung besteht darin, was man darüber hinaus noch vermitteln kann. Denn Filmemachen hat viel mit Intuition und Erfahrung zu tun. Die Methodiken von Regisseur:innen wie Katie Mitchell, David Mamet oder Sydney Lumet helfen mir dabei, meine didaktischen Fähigkeiten zu verbessern. Beim Unterrichten lerne ich selbst viel, überprüfe noch einmal, was ich weiß. Die Fragen der Studierenden sind sehr fordernd, man muss seine Basics parat haben.

LAG Um den Nachwuchs machst du dir also keine Sorgen?

SR Nein, es gibt immer wieder begabte Leute, die infi ziert sind mit dem Thema Film, trotz des hohen Arbeitspensums und der enormen Herausforderungen. SR Schwer zu sagen, denn die Ideen sind so unterschiedlich. Der rote Faden ist vielleicht, dass mich Räume und deren Einfluss auf die Geschichte faszinieren. Und so spielen sie in meinen Filmen eine große Rolle, wie z. B. der Supermarkt in »Einer von uns«. Gut wird es meistens dann, wenn ich von Anfang an ein klares Bild im Kopf habe. An diesem Bild kann ich mich ausrichten, auch wenn es sich nicht sofort entschlüsseln lässt. Schließlich treiben einen ja Fragen und die eigene Neugierde an, einem kreativen Impuls zu folgen.

AWARDED WITH

> / MAX-OPHÜLS-PREIS > / ROMY AKADEMIE PREIS _ Beste Regie > / ÖSTERREICHISCHER FILMPREIS

> / EUROPÄISCHER FILMPREIS _ Shortlist

> / FILMFEST LÜNEN _ Bestes Musikkonzept > / ZAGREB INT. FILMFESTIVAL _ Bester Jugendfi lm > / FESTIVAL NUOVO CINEMA GENUA _ Bester Film

LAG Dein Debüt-Spielfi lm » Einer von uns « (2014) hat international für Aufsehen gesorgt und dir zahlreiche renommierte Filmpreise eingebracht, unter anderem den MAX-OPHÜLS-PREIS. Wie bist du mit dem Erfolg umgegangen?

SR Ganz unterschiedlich – es gab Momente, die ich genießen konnte, z. B. die Premiere in San Sebastian. Da waren so viele Menschen. Ich selbst habe mir den Film nicht angeschaut, ich ging währenddessen lieber am Strand spazieren. Das war faszinierend und zugleich emotional tief bewegend. Der ganze Stress und die Anstrengungen fi elen plötzlich von mir ab. Aber je mehr Erfolg ich hatte, desto mehr musste ich reisen. Ich war ungeheuer beschäftigt, ohne etwas zu verdienen. Es lag einfach nicht mehr in meiner Hand. Für mich jedoch war das Projekt schon lange abgeschlossen – und dann hallte es doch ewig nach.

LAG Hattest du deshalb kurz danach eine Lebenskrise?

SR Ja, das kann man so sagen. Wo andere noch etwas in der Schublade hatten, kam ich nicht zum Arbeiten und war ein Newcomer. Das hat mich ausgebremst. Der Erfolg hatte meine künstlerische Arbeit blockiert – und das frustrierte mich sehr.

LAG Wie kommen dir die Ideen zu deinen Drehbüchern? Was inspiriert Dich? LAG Ist das bei deinem neuesten Projekt auch so?

SR Bei meinem aktuellen Projekt über die Fotografi n TRUDE FLEISCHMANN bin ich im laufenden Prozess dazu gestoßen. Ich habe das Drehbuch umgeschrieben, um den künstlerischen Prozess der Protagonist:innen in den Vordergrund zu rücken. Er bildet den dramaturgischen Bogen des Films. Da gibt es einige Parallelen zu meiner eigenen Arbeit: Die Krisen und verzweifelten Momente während der schöpferischen Phase spielen eine große Rolle...

LAG Hast du immer präzise Vorstellungen vom Drehablauf?

SR Zum Dreh gehe ich schon mit einer sehr soliden Grundlage, wie beispielsweise einem genauen Storyboard, Setdesign etc. Die Charaktere brauchen klare Ziele, damit die Schauspieler:innen sie zum Leben erwecken können. Und dafür dürfen sie dann auch gern ein wenig improvisieren. Änderungen und Risiken muss man zulassen können, das ist ja ein großer Teil des Spaßes.

LAG Hatten bestimmte Regisseur:innen für dich Vorbildfunktion?

SR Ja, Sebastian Meise, ein Freund und Kollege, den ich sehr schätze. Er überrascht und inspiriert mich immer wieder. Zum Beispiel sein aktueller Film »Die große Freiheit«.

LAG Wen aus der Filmbranche würdest du gerne zum Abendessen einladen?

SR Mike Leigh! Ihn würde ich gnadenlos bei einem 18 Gänge Menü ausfragen.

Stephan Richter

Regisseur & Drehbuchautor

stephanrichter.info

E office@stephanrichter.info

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