Solidarität 1/2017

Ausgabe Februar 1/2017

THEMA Jugendliche wollen Arbeit AKTUELL Barbie gegen Ausbeutung

Das Magazin von

2 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser Das kleine zentralamerikanische Land ist halb so gross wie die • Eine echte Alternative ist Bildung, Ausbildung und existenz­ Schweiz und hat fast gleich viele EinwohnerInnen. 34 Prozent sichernde Arbeit. Arbeitslose Jugendliche sind leichte Beute leben unter der Armutsgrenze. Tag für Tag werden im Durch­ für Drogenbarone und rivalisierende Banden: In Letzteren fühlen schnitt 18 Menschen ermordet – weshalb der Kleinstaat sich perspektivlose Jugendliche wenigstens dazugehörig und ­weltweit den berüchtigten und traurigen ersten Platz punkto davor geschützt, zwischen die Fronten zu geraten. Aber dieser ­Gewaltrate belegt: Die Rede ist von El ­Salvador, seit 1999 Bandenschutz taugt nicht als Zukunftsperspektive – und das Schwerpunktland von Solidar Suisse. wissen viele Betroffene auch.

Und wir fragen uns: Wie lebt es sich in Dieses Jahr werde ich nach El Salvador einem solchen Land? Wie meistern die reisen und unter anderem der Frage Menschen ihren Alltag? Wie schafft man nachgehen, ob unsere Berufsbildungs­ Perspektiven für Jugendliche, Männer ­ projekte mit all ihren Schwierigkeiten und Frauen, die sich dieser Gewaltspirale und Herausforderungen, aber eben auch entziehen möchten? Die arbeiten wollen, mit den unverkennbar positiven Resulta­ lachen und unbeschwert mit FreundIn­ ten, allenfalls auch in andern Regionen nen ausgehen, diskutieren, die Welt ge­ mit überdurchschnittlich grossen Gewalt­ stalten? Ist Entwicklungszusammenar­ problemen Perspektiven für junge Leute beit in diesem Kontext nur der oft zitierte schaffen können. Nur im kontinuierlichen Tropfen auf den heissen Stein, oder ver­ Esther Maurer Dialog mit Jugendlichen können wir er­ mag sie tatsächlich dauerhafte Verände­ Direktorin Solidar Suisse fahren, wie IHRE Rezepte für ein Leben rungen anzuregen? ohne Gewalt aussehen. Ich werde mich Gerade auch im gewaltgeprägten Umfeld von El Salvador mit jenen austauschen, denen die Arbeit von Solidar Suisse ­werden grundsätzliche Erkenntnisse unserer Arbeit deutlich: neue Wege eröffnete, und für die Entwicklungszusammenarbeit • Junge Leute wollen ihre Gesellschaft aktiv mitgestalten. deutlich mehr ist als nur ein Tropfen auf das heisse Vulkan­ Niemand fühlt sich wohl in einer von Gewalt geprägten, gestein von El Salvador: Sie erkennen echte Chancen – und ­ ­ausgrenzenden Gesellschaft – aber es braucht Alternativen nutzen sie! und Perspektiven!

Esther Maurer

MEDIENSCHAU

24.1.2017 Zürich hilft im Libanon Mit dem Projekt «Erst-Flucht-Stadt» unterstützt die Stadt Zürich lokale Be­ hörden im Libanon, um die Situation für die Flüchtlinge und explizit auch für die lokale Bevölkerung zu verbessern.

In einer ersten Phase wird bis im kom­ menden April in drei Direkthilfeprojekten eine Schule renoviert, ein Gesundheits­ zentrum instand gesetzt und ausgestat­ tet und ein Brunnen für sauberes Trink­ wasser gebaut. Die drei Projekte werden in Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk Solidar Suisse umgesetzt und kosten je rund 35 000 Franken.

10.12.2016 Horgen schneidet schlecht ab Die Grünen wollten wissen, ob der Ge­ meinderat bereit sei, bei der Beschaf­ fung von Produkten aus Entwicklungs­ ländern «soziale Kriterien stärker zu ge­ wichten». Wie etwa die Wahrung der Menschenrechte und die Einhaltung von fairen Arbeitsbedingungen. Mit der Anfrage reagierten die Grünen auf ein Ranking des Hilfswerks Solidar Suisse, das 88 grössere Schweizer Gemeinden auf ihre sozial-globale Verantwortung hin untersucht hatte und bei dem Horgen «sehr schlecht abgeschnitten» habe. (…)

15.11.2016 Barbie hackt den Galaxus-Shop Solidar Suisse prangert Spielzeugher­ steller an: mit lebender Barbie. «Für die Geschenke schuften Arbeiter elf Stunden am Fliessband, sieben Tage pro Woche.

Trotz Überstunden reicht der Lohn nur knapp zum Überleben», sagt Simone Was­ mann, Kampagnen-Verantwortliche bei Solidar Suisse. (…) Seit gestern Nacht kursieren in sozialen Medien zwei Links, die dem User vorgeben, auf Amazon.de und Galaxus.ch zu surfen. Dann taucht eine Barbie aus Fleisch und Blut auf und fordert dazu auf, die Petition «Fair Toys Now» zu unterschreiben.

INHALT 3 THEMA Jugendliche und Arbeit

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Arbeitslosigkeit und Armut hindern Jugendliche daran, ihr Potenzial auszuschöpfen 6 In El Salvador setzen sich Jugendliche für Perspektiven jenseits von Gewalt ein

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In der Minenstadt Llallagua entwickeln Jugend­liche Visionen zur Veränderung ihrer Situation 10 Berufsbildung und Selbständigkeit hilft gegen Jugendarbeitslosigkeit in Burkina Faso 11 STANDPUNKT Malaika Wa Azania setzt sich in Südafrika gegen die Diskriminierung von schwarzen Jugendlichen ein 13

THEMA

Mehr Jugendliche als Erwachsene sind arbeitslos oder arm trotz Erwerbstätigkeit. Damit sie ihr Recht auf Entwicklung verwirklichen können, müssen ihnen Chancen geboten werden.

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AKTUELL Die Fifa reagiert zögerlich auf die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte rund um die WM 15 Barbie und Ken protestierten in Zürich und Lausanne gegen Ausbeutung in chinesischen Spielzeugfabriken 17 EINBLICK Nikola Zdrakovic verwirklicht im von Arbeitslosigkeit betroffenen Kragujevac seine Zukunftsträume 18

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KOLUMNE 9

AKTUELL

NOTIZEN PINGPONG

12 & 16 14

Fair Toys Now! Vor Weihnachten hat Solidar mit einer lebensgrossen Barbie gegen die miserablen Arbeitsbedingungen in der chinesischen Spielzeug­ industrie protestiert.

IMPRESSUM

Herausgeber: Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E-Mail: kontakt@solidar.ch, www.solidar.ch, Postkonto 80-188-1 Mitglied des europäischen Netzwerks Solidar Redaktion: Katja Schurter (verantwortliche Redaktorin), Marco Eichenberger, Lionel Frei, Eva Geel, Cyrill Rogger

Layout: Binkert Partner, www.binkertpartner.ch / Spinas Civil Voices Übersetzungen: Milena Hrdina und Jean-François Zurbriggen Korrektorat: Jeannine Horni, Catherine Vallat Druck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 Schaffhausen Erscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000

Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 70.–, Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr). Gedruckt auf umwelt­ freundlichem Recycling-Papier.

Titelbild: Ein bolivianischer Jugendlicher an einer Theater­­aufführung des Solidar-Projekts Lanzarte. Foto: Vassil Anastasov.

Rückseite: Unterstützen Sie die Überlebenden der Fabrikexplosion in Bangladesh! Foto: Mohammad Ponir Hossain.

4 Jugendliche beim Unterricht im Chemielabor einer Berufsschule in Peja, Kosovo.

THEMA

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JUGENDLICHE Jugendliche haben ein Recht auf Entwicklung – kaum jemand würde dies bestreiten. Und trotzdem sieht die Realität anders aus: Jugendliche sind häufiger arbeitslos als Erwachsene und werden in Krisenzeiten als Erste entlassen. Speziell schlimm ist die Situation für junge Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts oft noch weniger Chancen haben, eine Arbeit zu finden. Auf den nächsten Seiten erfahren Sie mehr über die konkrete Situation von Jugendlichen in El Salvador, Burkina Faso, Serbien, Südafrika und Bolivien – und wie Solidar sie dabei unterstützt, Perspektiven zu entwickeln.

Foto: Vedat Xhymshiti

6 POTENZIAL NICHT VERGEUDEN Damit Jugendliche die Zukunft sein können, müssen sie die Chance erhalten, diese zu gestalten.

Niaonne Maïmouna aus Burkina Faso hat es dank Berufsausbildung geschafft, ein eigenes Nähatelier zu gründen.

Text: Cyrill Rogger, Grafiken: Internationale Arbeitsorganisation ILO, Foto: Jürg Gasser

Noch nie gab es so viele junge Menschen sinkt der Anteil der Working Poor leicht. wie heute: 1,8 Milliarden der Weltbevölke­ Doch nicht nur von Armut, sondern auch rung sind ­zwischen 10 und 24 Jahre alt. von Arbeitslosigkeit sind Jugendliche Dass sie Perspektiven erhalten, ist zentral deutlich stärker betroffen: In den meisten für ihre und die globale Entwicklung.

Staaten ist die Arbeitslosenrate bei Jun­ Doch es sieht gen doppelt bis nicht gut aus: dreimal so hoch Die Arbeitslosenrate Millionen junger wie bei über Frauen und Män­ 25-Jährigen. All­ bei Jungen ist doppelt ner zwischen 15 bis dreimal so hoch wie zu oft werden und 24 Jahren Jugendliche vom bei über 25-Jährigen. leben in Armut, Bildungssystem obwohl sie einer nur unzulänglich Erwerbsarbeit nachgehen. Weltweit sind auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes beinahe vier von zehn jugendlichen Er­ vorbereitet. Überdies sind junge Arbeits­ werbstätigen arm, das zeigt eine Statistik kräfte den wirtschaftlichen Schwankungen der Internationalen Arbeitsorganisation besonders stark ausgesetzt. In Krisen­ ILO. Besser präsentiert sich die Situation zeiten verlieren sie als Erste die Stelle erst für die über 25-Jährigen, bei ihnen oder werden gar nicht erst eingestellt.

So gestaltet sich für viele der Eintritt in die Arbeitswelt denkbar schwierig.

Hohe Jugendarbeitslosigkeit und informelle Beschäftigung Die grössten Schwierigkeiten, eine Er­ werbsarbeit zu finden, haben Jugendli­ che in Süd- und Südosteuropa, im arabi­ schen Raum und im südlichen Afrika (siehe Grafik 1). Weltweit an der unrühm­ lichen Spitze liegt Bosnien und Herzego­ wina mit einer Jugendarbeitslosigkeits­ rate von satten 65 Prozent: Die Wirt­ schaftslage ist schlecht und das Bildungs­ system veraltet, weshalb rund zwei Drittel der Jungen eine Arbeit suchen und keine finden.

Es mag erstaunen, dass die am wenigs­ ten entwickelten Länder zum Teil deutlich

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tiefere Jugendarbeitslosigkeitsraten auf­ weisen als Industrieländer wie Frank­ reich (24 Prozent), Italien (39 Prozent) oder Spanien (47 Prozent). So ist bei­ spielsweise die Jugendarbeitslosigkeit in Burkina Faso mit 5 Prozent noch tiefer als in der Schweiz (7 Prozent). Es gehen in den Entwicklungsländern also anteils­ mässig mehr junge Menschen einer Erwerbsarbeit nach als in den Ländern ­Europas. Nur reicht dort das Einkommen kaum zum Leben. So leben beispiels­ weise in Burkina Faso zwei von fünf er­ werbstätigen jungen Menschen in Armut (siehe Grafik 2). Ausserdem werden die tiefen Jugendarbeitslosigkeitsraten in Entwicklungsländern dadurch relativiert, dass viele Junge nicht als arbeitslos er­ fasst werden, obschon sie keiner gere­ gelten Arbeit nachgehen. Sie gehören zu den 80 Prozent der jungen Erwerbsbe­ völkerung, die informell beschäftigt sind.

Nie dagewesene Krise Kein Wunder, konstatiert die ILO eine noch nie dagewesene Krise der Jugend­ beschäftigung. Nachdem die Zahl der jungen Arbeitslosen zwischen 2012 und 2015 um drei Millionen gefallen ist, wird erwartet, dass sie 2016 um eine halbe Million auf 71 Millionen steigt und dieses Jahr auf dieser Höhe verharren wird.

Gemeinsam mit zahlreichen Entwick­ lungs­organisa­tionen fordert die ILO des­ halb dringend eine Wirtschaftspolitik, die Arbeitsplätze für Junge schafft, eine Bildungspolitik, die Jugendliche auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, und eine Arbeitsmarktpolitik, die benachteiligte Jugend­liche und junge selbst­ständig Er­ werbende unter­stützt. Ausserdem müs­ sen die Chancen­gleichheit gefördert und die Arbeitsrechte durchgesetzt werden.

Auswege Diesen Ansatz unterstützt auch Solidar Suisse. Seit vielen Jahren engagieren wir uns für die junge Generation. Sei es mit

Projekten für die Mitbestimmung von ­Jugendlichen, gegen Gewalt an Mädchen und jungen Frauen oder zur Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt, damit sie in sozialer Sicherheit leben können. So wird in Südosteuropa die ­berufliche Orientierung und der Ausbau des Angebots an Berufspraktika ge­ fördert (Seite 18). In Burkina Faso erhal­ ten SchulabgängerInnen die Möglichkeit,

eine Berufsausbildung zu absolvieren (Seite 11). Im von Gewalt geprägten El Salvador werden berufliche Perspektiven für Jugendliche geschaffen (Seite 8), und in Bolivien engagieren sich Jugendliche mit Theater für Veränderungen (Seite 10).

Cyrill Rogger ist Programmleiter Südosteuropa bei Solidar Suisse.

Grafik 1: Prozentualer Anteil Arbeitssuchender bei Jugendlichen von 15 bis 24 Jahren

unter 7 % 7–13 % 13–20 % 20–28 % 28–35 % über 35 %

Grafik 2: Anteil extrem armer junger ArbeiterInnen in Entwicklungs- und Schwellenländern

0–25 % 25–50 % 50–75 % 75–100 % Extreme Armut trotz Erwerbstätigkeit (1.90 $ Einkommen pro Kopf und Tag)

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Wendy Gómez erzählt in ihrem Haus, wie ihre Aktivitäten zur Prävention von Gewalt beitragen.

JUNG SEIN IST (K)EIN VERBRECHEN Jugendliche in El Salvador organisieren sich, um der Perspektivlosigkeit und Gewalt etwas entgegenzusetzen.

Text: Christof Hotz, Foto: Eva Casutt Die Strasse nach Tecoluca, etwa einein­ halb Stunden östlich von San Salvador ge­ legen, ist gesäumt von einer eigenartigen Mischung aus Strassenmärkten, Feldern, bewaffneten Polizisten und vermummten Soldaten. Vermummt aus Angst vor den immer zahlreicheren Mara-Banden, wel­ che die Landbevölkerung terrorisieren. Über staubige Feldwege geht es weiter nach San Francisco Angulo. Dort wurde im Bürgerkrieg der 1980er Jahre ein schreckliches Massaker verübt, das die Menschen noch immer prägt.

Hier, inmitten einer Landschaft aus Pal­ men, Bananenpflanzen und Zuckerrohr, lebt Wendy Gómez mit ihren Eltern und ihrer Schwester. Die junge Frau hat an der nahegelegenen Universität San Vicente Soziale Arbeit studiert und schliesst ge­ rade ihr Lizenziat ab. Zurzeit sorgt sie sich weniger um die Gewalt als um ihre berufli­ che Zukunft. Wird sie eine Stelle finden?

Wendy Gómez zuckt die Schultern und meint etwas resigniert: «Die Gemeinden

schreiben immer wieder Stellen aus, aber sie verlangen mindestens zwei Jahre ­Berufserfahrung.»

Perspektiven verhindern Gewalt Dabei engagiert sie sich seit fünf Jahren im lokalen Jugendkomitee. Nach einer achtmonatigen Ausbildung zur Leitung von Aktivitäten bei der Solidar-Partner­ organisation Cripdes wurde sie Vizeprä­ sidentin der lokalen Jugendkommission.

Die 23-Jährige hat schon diverse Anlässe mit Jugendlichen und der ganzen Gemein­ de organisiert. Sie ist überzeugt, dass der Zusammenhalt in ihrem Dorf – vor allem auch unter den jungen Menschen – dafür verantwortlich ist, dass es hier keine Bandengewalt gibt. «Wer keine Perspektive hat, wählt eher den vermeintlich leichten Weg in die Delinquenz», meint sie. Denn die Perspektiven für Jugendliche im länd­ lichen El Salvador sind gering. «Die meis­ ten arbeiten auf dem Feld oder bemühen sich um einen Marktstand. Wenn das

nicht geht, versuchen sie es als fliegende Händlerinnen.»

Um Perspektiven zu schaffen, arbeitet Cripdes am Aufbau eines Netzwerks von Jugendlichen, die sich gegenseitig ver­ trauen können – überlebenswichtig in einer von Banden dominierten Region.

Dazu gehört auch die Verbesserung der Berufschancen: Mittels Berufsmes­ sen, Praktika und Lehrgängen sollen Ju­ gendliche aus armen Familien Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.

Erfolgserlebnis und besseres Image Einer, der davon profitieren könnte, ist Alex Díaz aus Santa Mónica. Der 21-Jäh­ rige trägt ein martialisches Death-MetalT-Shirt. Er hat keinen Beruf gelernt und lebt bei seiner Mutter. Um seinen Lebens­ unterhalt zu verdienen, arbeitet er als Tagelöhner in der Landwirtschaft. Bis an­ hin hing er nach der Arbeit herum und hörte seine Musik. Doch seit der Ausbil­ dung von Cripdes, die er zusammen mit Wendy Gómez absolviert hat, organisiert er die Jugendlichen in seiner Gemeinde.

Sein Komitee veranstaltet Fussballtur­ niere, Tanzanlässe, Filmabende für Kinder und Jugendliche, und serviert beim alljähr­ lichen Heiligenfest Kaffee, Schokolade und Weissbrot für die Erwachsenen.

Dabei ist auch eine Perkussionsgruppe entstanden. Zunächst übten die Jugend­ lichen ihre Samba-Rhythmen auf alten

Ihre Spende wirkt Mit Ihrem Beitrag von 100 Franken kann eine Jugendliche oder ein Ju­ gendlicher in El Salvador eine zehn­ tägige Ausbildung besuchen, die sie zur Organisierung und Leitung von Aktivitäten in ihrer Gemeinde befä­ higt. Mit 50 Franken erhält eine Ju­ gendband eine Trommel. www.solidar.ch/gewaltprävention

KOLUMNE

THEMA 9

An der WM sollen Strassenhändle­ rInnen ihre Waren rund um die Stadien nicht verkaufen dürfen.

Blumentöpfen. Dies zog andere an, und nach einer Weile erhielten sie vom SolidarProjekt richtige Perkussionsinstrumente.

Nun trommeln zehn Jugendliche aus drei Gemeinden zusammen. Sie proben zwei­ mal wöchentlich und treten regelmässig auf. So vernetzen sie sich, können sich ausdrücken und erleben Anerkennung.

Alex Díaz und seine FreundInnen bieten mittlerweile auch Workshops für Kinder und Jugendliche an, die auf Begeiste­ rung stossen. «Nur weil wir jung sind und uns kleiden, wie wir wollen, sind wir noch lange keine Verbrecherinnen und Ver­ brecher – obwohl uns viele Erwachsene so sehen. Die Anlässe, die wir organisie­ ren, korrigieren dieses Bild in unseren Gemeinden etwas.»

Ein Nein kann tödlich sein Ein Dorf weiter – in El Puente – lebt Heidy Mijango in einer Wellblechhütte zusammen mit ihren Eltern, Geschwistern und der 92-jährigen Grossmutter. Die 16-Jährige hat ebenfalls die Cripdes-Ausbildung ge­ macht und arbeitet am Aufbau einer Ju­ gendkommission in El Puente. Ihr ältester

Cartoon von Alecus, El Salvador

Bruder wohnt nicht mehr hier. Er sei in die USA geflüchtet, erzählt uns die sonst so lebhafte junge Frau nachdenklich: «Er hatte Angst, in eine Bande gezwungen zu werden, und lebt nun illegal in den USA.» Denn eine Anfrage zur Mitgliedschaft in einer Bande kann man nicht ablehnen: Bei einem Nein wird man entweder sofort getötet oder erhält eine Bedenkzeit, wäh­ rend der andere Fami­lien­mitglieder schi­ kaniert werden. Heidy Mijango möchte Juristin werden, um für die Einhaltung der Gesetze sorgen zu können.

Als wir die Hütte verlassen, ruft uns ­Heidys Grossmutter nach, wir sollten ihre Enkelin beschützen. Uns wird schmerz­ lich bewusst, dass wir das nicht können.

Umso wichtiger ist das Engagement dieser drei jungen Menschen, die sich in einem von gegenseitigem Misstrauen ge­ prägten Um­feld unterstützen – und so ein Zeichen setzen gegen Gewalt und Hoff­ nungslosigkeit.

Christof Hotz ist Fundraiser bei Solidar Suisse.

Hans-Jürg Fehr Präsident Solidar Suisse

Früher wie heute Man stelle sich das vor: ein Land im Herzen des Kontinents. Massenhafte Auswanderung von Menschen ohne Auskommen und Zukunft (Wirtschafts­ flüchtlinge!), organisiert von einem un­ ternehmerischen Schleppertum (Aus­ wanderungsagenturen), tausende von Toten während der Fahrt übers Meer ins versprochene Paradies. Im Land selbst weitverbreitete Kinderarbeit.

Nein, die Rede ist nicht von einem heutigen afrikanischen Staat, sondern von der Schweiz des 19. Jahrhunderts.

Sie gehörte zu den Armenhäusern Europas. Den Auftakt zur allmählichen Beseitigung des grassierenden Elends bildete das Fabrikgesetz von 1875.

Es verbot die Kinderarbeit. Leider nur in den Fabriken und nicht auch in der Landwirtschaft, aber immerhin. Verbun­ den mit der vom jungen Bundesstaat eingeführten obligatorischen Volks­ schule wurde so das Fundament ge­ legt für eine Verbesserung der Lebens­ verhältnisse der arbeitenden Bevölke­ rung. Das Rezept «Volksschule statt Kinderarbeit» ist heute noch das ein­ fachste und beste im Kampf gegen Ar­ mut und Ausbeutung. Es muss zwar – wie damals in der Schweiz – oft gegen die Eltern durchgesetzt werden, weil diese befürchten, ohne das Ein­kommen der Kinder die Familie nicht durchzu­ bringen. Doch dies ist unabdingbar, denn die Abschaffung der Kinderarbeit und die Einführung der Volksschule waren und sind Schlüsselfaktoren für den Einstieg in die nachhaltige Ver­ besserung der Lebens­qualität. Das galt für die Schweiz des 19. Jahrhunderts, und es gilt für die ­Armenhäuser in der heutigen Welt.

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Ein Jahr harte Minenarbeit ist nicht spurlos am 18-jährigen Brayan Colque vorbeigegangen.

acht bis zehn Stunden arbeiten – unter den schlimmsten Bedin­gungen.»

JUGENDLICHE ALS BILLIGE ARBEITSKRAFT In der bolivianischen Minenstadt Llallagua beginnen Jugendliche, sich für würdige Arbeit zu engagieren.

Text und Foto: Cecilia Campos Tage sind Nächte für den 18-jährigen Zwischen Boom und Elend Brayan Colque. Um 5 Uhr, vor Sonnen­ Die Geschichte der Minenstadt Llalla­ aufgang, steigt er in den Stollen, klopft gua, 300 Kilometer von der Hauptstadt stundenlang Steine nach Zinn ab und La Paz entfernt, ist von Auf- und Ab­ transportiert das freigelegte Mineral schwüngen geprägt. Aus diversen Minen ab. Gegen fünf Uhr abends verlässt er wurden während des Zinnbooms ab die Mine La Salvadora in Llallagua wie­ 1900 grosse Reichtümer geschöpft. der. Bald darauf geht die Sonne unter.

Doch davon blieb der lokalen Bevöl­ Brayan Colque hat La Salvadora vor kerung wenig; über Generationen über­ ­einem Jahr zum ersten Mal betreten, lebten die Armen, indem sie unter Tag und er war nicht der Jüngste: «Andere die gefährlichsten Arbeiten verrichteten. beginnen bereits mit 15», weiss er, Und wenn beim Verfall der Weltmarkt­ dessen Gesicht durch die Minenarbeit preise die Produktion sank, waren sie um Jahre gealtert scheint. Bereits sein wiederum die Ersten, die darunter litten.

Vater und Grossvater waren Mineros. Heute ist die Arbeitslosigkeit in Llalla­ Doch er möchte gua hoch; des­ nicht wie sie sein halb baggert Ál­ «Jugendliche arbeiten ganzes Leben un­ varo Copa in der unter den schlimmsten ter Tag verbringen.

Nacht Kies aus Bedingungen.»

Um das Gymnasi­ dem Fluss, um um abzuschliessen, sein Studium der lernt er nachts. Er will Ingenieur werden: sozialen Kommunikation zu finanzieren, «In der Mine bin ich nicht sicher, ein das er tagsüber absolviert. «Es ist schwie­ Unfall könnte meinem Leben jederzeit rig, Arbeit zu finden, und der Lohn ist tief», ein Ende setzen», sagt er. «Als Ingenieur erzählt der 22-Jährige. «Es gibt Jugendli­ hingegen kann ich draussen arbeiten.» che, die für 300 Bolivianos (43 Franken)

Kaum Arbeitsstellen für Frauen Junge Frauen wie Arleydi Arancibia ha­ ben es noch schwerer, Arbeit zu finden.

«Du kannst einzig als Küchenhilfe arbei­ ten, doch die Stellen sind rar», erzählt die 21-Jährige. «Die Mutigsten arbeiten als Palliri, das heisst sie sammeln verwertba­ re Gesteinsreste aus dem liegen gelas­ senen Schutt vor den Minen. Aber auch um Palliri zu sein, muss eine Frau mit ei­ nem verstorbenen Minero verwandt sein.

Die Arbeit ist hart und bringt wenig ein.»

Mit 18 wurde Arleydi als Konditoreiverkäu­ ferin massiv ausgebeutet: «Mein Arbeits­ tag begann um 7 Uhr morgens und ende­ te um 22 Uhr, am Ende des Monats be­ zahlten sie nur die Hälfte des versproche­ nen Lohns», erzählt sie. «Damals wusste ich nicht, dass ich Rechte habe.» Jugend­ liche müssten über ihre Rechte aufgeklärt werden, damit sie sich nicht alles gefallen lassen, ist die Studentin der Kommunika­ tionswissenschaften überzeugt. «Und die Arbeitgebenden müssen sich bewusst werden, dass die Jugendlichen gute Ar­ beit leisten und dafür einen gerechten Lohn verdienen», meint Alvaro.

Und es gibt einen Lichtblick, einen Reich­ tum, den es in der Minenstadt noch zu entdecken gilt: die Jugend und ihre Lust, sich zu engagieren und die Realität zu verändern. Dafür sind die Film- und Theater-Workshops des Solidar-Projekts Lanzarte eine erste Dialogplattform ge­ worden. Hier tauschen sich Jugendliche wie Arleydi Arancibia, Álvaro Copa und Brayan Colque über ihre Probleme aus, organisieren sich und entwickeln Visionen für eine Veränderung ihrer Situation. www.solidar.ch/lanzarte

Cecilia Campos ist Mitarbeiterin des Solidar-Koordinationsbüros in Bolivien.

THEMA 11 Nathalie Some in ihrem eigenen Coiffeursalon in der burkinischen Stadt Bobo-Dioulasso.

UNTERNEHMEN FÜR DIE ZUKUNFT Solidar fördert Ausbildung und Unternehmensgründungen von Jugendlichen in Burkina Faso, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Text: Lionel Frei, Foto: Solidar

«Um die Arbeitslosigkeit in Burkina Faso zu verstehen, müssen wir Abstand neh­ men von den Vorstellungen, die wir in den Industrieländern haben», meint Sandrine Rosenberger, Solidar-Programmverant­ wortliche für Burkina Faso. «Hier arbeitet die Mehrheit der Bevölkerung die Hälfte des Jahres auf dem Feld. Die restlichen sechs Monate hat sie keine Erwerbs­ möglichkeit. Es handelt sich also eher um Unterbeschäftigung als um Arbeitslosig­ keit.» Und da es keine Arbeitslosenver­ sicherung gibt, müssen sich die Leute ohne Arbeitsstelle irgendwie selbst durchschlagen.

Umso dringender brauchen Jugendliche Bildung, um eine Chance auf Entwick­ lung und ökonomische Sicherheit zu ­haben. Die Einschulungsrate in Burkina Faso hat sich zwar in den letzten 15 Jah­ ren laut Unesco von 45 auf 87 Prozent erhöht. Doch nach wie vor schliessen viele Kinder die Primarschule nicht ab.

Damit sie ihre Grundbildung nachholen können, wurden mit Begleitung von Solidar seit 1998 mehrere hundert non-

formelle Bildungszentren gegründet, in denen über 10 000 Kinder und Jugend­ liche fünfjährige Lehrgänge absolviert haben. Inzwischen werden die meisten Zentren von zivilgesellschaftlichen Organi­ sationen geführt und über einen halb­ staatlichen Fonds finanziert. «Dies ent­ spricht dem Traumziel jedes Entwick­ lungsprojekts – dass sich internationale NGOs zurückziehen und die Aktivitäten nach­haltig von lokalen AkteurInnen reali­ siert werden», sagt Sandrine Rosenberger.

Realitätsnahe Berufsbildung Damit diese Erfolgsgeschichte sich in Form von Arbeitsperspektiven für Jugend­ liche fort­setzt, engagiert sich Solidar für die Verbesserung der Berufsbildung. Denn 75 Prozent der Jugendlichen in Burkina Faso absolvieren nach der Schule gar keine Berufsausbildung. Und wenn doch, finden viele wegen der Kluft zwischen dem theoretischen Bildungsangebot und den Bedürfnissen der Wirtschaft trotz­ dem keine Stelle. Nach dem Besuch eines non-formellen Bildungszentrums

können die Jugendlichen eine dreijährige Berufsausbildung absolvieren. Die Aus­ bildungsgänge entsprechen realen wirt­ schaftlichen Bedürfnissen: Landwirtschaft und Viehzucht, Klempnerei, Schneiderei etc. Der 20-jährige Etienne Nikiema lässt sich zum V ­iehzüchter ausbilden.

Was motiviert ihn dazu? «Ich habe reiche Bauern gesehen, die ihre Familie ernäh­ ren können», erklärt er. «Ich möchte sein wie sie.» Um ihr ­Berufszertifikat zu er­ halten, müssen die TeilnehmerInnen ein Praktikum absol­ vieren. Solidar hilft bei der Vermittlung von Praktikumsstellen, denn es gibt nur wenige private Unter­ nehmen, die solche anbieten könnten.

«Mein eigenes Unternehmen» Danach gehen die Ambitioniertesten noch weiter: Sie wollen ihr eigenes kleines Unternehmen gründen. Eigentlich eine unvorstellbare Laufbahn für diese jungen Erwachsenen aus armen Ver­ hältnissen.

Von 100 AbsolventInnen mit ­Zertifikat er­ halten 40 die Möglichkeit, sich in Unter­ nehmensführung – inklusive Buchhal­ tung und Marketing – weiterzubilden, und sie werden individuell begleitet. Schluss­ endlich geben die zukünftigen Unterneh­ merInnen ihren Businessplan beim staat­ lich geführten Fonds für die Unterstüt­ zung von jungen Initiativen ein. Im Gegen­ satz zu einem Bankkredit ist dafür kein eigenes Kapital erforderlich. Dank eines solchen Kredits von 1300 Fran­ken konnte Nathalie Some ihren eige­nen Coiffeursa­ lon eröffnen. Nach vier Monaten begann sie den Kredit bereits ­zurück­zuzahlen: «In zehn Jahren bin ich eine renommierte Coiffeuse», sagt sie ­lächelnd.

Lionel Frei ist für die Kommuni­kation von Solidar Suisse in der Romandie zuständig.

12 NOTIZEN Filme für eine Welt Die 20. Ausgabe der Filmtage21 läuft ab 8. März in St. Gallen, Chur, Zürich, Luzern, Fribourg, Brig, Basel und Bern. Es geht um erneuerbare Energie in Dänemark, Mali und Spanien, globale Klimagerech­ tigkeit und um eine indigene Dorfgemein­ schaft, die in Kolumbien einer gigan­ tischen Kohlemine weichen muss. Am Beispiel von Palmöl, das in fast allen

­ebensmitteln vorkommt, wird unser L Konsum in einen Zusammenhang mit der Abholzung von Regenwald in Indonesien gestellt. Ein Fokus ist auf Filme aus ­Kinderperspektive gerichtet, und der letz­ te Filmblock widmet sich den Chancen und Herausforderungen des Tourismus.

Programm und Termine: www.education21.ch/filmtage

El Salvador: Klage wegen entgangener Gewinne abgewiesen

Fabrikexplosion in Bangladesch Am 10. September 2016 explodierte die Verpackungsfabrik Tempaco Foils in Dhaka, der Hauptstadt von Bangla­ desch. 42 Menschen verloren bei die­ sem Unglück ihr Leben, 40 ArbeiterInnen wurden schwer verletzt. In der Fabrik, die auch globale Konzerne wie Nestlé und British American Tobacco belieferte, wurden die Sicherheitsstandards nicht eingehalten.

Trotzdem erhalten die Verwundeten und ihre Familien keine Unterstützung von Tempaco Foils Ltd. Die Behörden über­ wiesen jeder Familie 10 000 Taka (125 Franken). Dies reicht jedoch nicht, um die Spitalkosten und die täglichen Ausgaben für die Familien der Verletzten zu decken.

Deshalb unterstützt Solidar Suisse in Zusammenarbeit mit der Bangladesh Occupational Safety, Health and Environ­ ment Foundation (OSHE) die Opfer des Fabrikbrandes. Die Verletzten erhalten Beiträge für die Spitalkosten, die Fami­ lien der Überlebenden Lebensmittel­ pakete. Wir freuen uns über Ihre Hilfe dabei (siehe Rückseite dieser Solidarität).

2008 klagte das Bergbauunternehmen Pacific Rim – das inzwischen OceanaGold gehört – gegen den Staat El Salvador wegen entgangener zukünftiger Gewinne in der Höhe von mehreren Hundert Millio­ nen US-Dollar (siehe Solidarität 2/2015).

Denn die Regierung hatte die Genehmi­ gung zum Betrieb einer Goldmine wegen drohender Wasserverunreinigungen ver­ weigert. Mitte Oktober 2016 wurde die Klage von einem bei der Weltbank an­ gesiedelten Schiedsgericht zurückge­ wiesen und El Salvador 8 Millionen Dollar für die entstandenen Kosten zugestan­ den. Doch der Sieg hat einen bitteren Beigeschmack: Einerseits hat der lang­ jährige Rechtstreit viele Opfer gefordert

Pakistan: Tag der Kinderrechte Am 20. November, dem Tag der Kinder­ rechte, hat das pakistanische Ministerium für Menschenrechte die Solidar-Partner­ organisation Group Development einge­ laden. Zusammen mit beteiligten Kindern

– JournalistInnen wurden eingeschüch­ tert und sechs AktivistInnen ermordet –, andererseits beliefen sich die Kosten für die Verteidigung auf 13 Millionen Dollar.

Ausserdem hat OceanaGold angekün­ digt, das Urteil genau zu prüfen; es ist also nicht auszuschliessen, dass der Konzern El Salvador auch in Zukunft mit langwierigen und teuren Verfahren über­ ziehen wird.

besuchte Geschäftsleiterin Valerie Khan das Ministerium und stellte dort das Solidar-Projekt in einem Slum von Lahore vor – eine Schule für arbeitende Kinder, die häufig als billige Arbeitskräfte zum Lebensunterhalt der Familie beitragen müssen. Die Kinder erhalten auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Unterricht, und Eltern, Arbeitgebende und Behörden werden für die Gefahren von Kinder­ arbeit und die Wichtigkeit des Schul­ besuchs sensibilisiert. Mit dem Auftritt im Ministerium für Menschenrechte konnte Solidar auf nationaler Ebene zur Umset­ zung des Rechts der Kinder auf Bildung und Schutz beitragen. www.solidar.ch/kinderarbeit

STANDPUNKT 13

KEINE STELLEN FÜR SCHWARZE UND FRAUEN Die 1991 in Soweto geborene Malaika Wa Azania weiss, warum viele schwarze und weibliche Jugendliche arbeitslos sind und was dagegen getan werden sollte.

Text: Malaika Wa Azania, Studentin, Aktivistin und Autorin

Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch in Südafrika, vor allem bei der schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Während 2016 gerade jede zehnte weisse Jugendliche arbeitslos war, waren es bei den schwar­ zen Jugendlichen 40 Prozent. Besonders schlimm trifft es die schwarzen Frauen.

Sie stellen mit 49 Prozent mit Abstand die grösste Gruppe der Arbeitslosen, ­gefolgt von coloured Frauen mit 39 Pro­ zent.

Rassismus und tiefe Frauenlöhne Dies ist eine Folge der Apartheid, die Gesellschaft und Arbeitsmarkt entlang ­ von Hautfarbe, Klasse und Geschlecht aufgeteilt und die weisse Minderheit bevorzugt hatte. Strukturelle Barrieren ­ existieren bis heute und erschweren schwarzen – und speziell weiblichen – Jugendlichen den Zugang zum Arbeits­ markt. Dazu gehören die immensen Lohn­ unterschiede: In «Frauenbereichen» wie der Pflege oder Sozialarbeit sind die Löh­ ne viel tiefer als in «Männerbranchen» wie dem Bau, der verarbeitenden Industrie oder dem Bergbau. Auch investieren viele ­Unternehmen lieber in junge männliche Arbeiter als in weibliche, die Schwanger­ schaftsurlaub nehmen könnten. Schaffen es junge schwarze Frauen trotz aller

­ indernisse, eine Stelle zu bekommen, H verdienen sie bei gleicher Arbeit w ­ eniger als ihre weissen Kolleginnen und werden seltener befördert. Obwohl die Verfas­ sung und das Arbeitsgesetz diskriminie­ rende Praktiken auf dem ­Arbeitsmarkt verbieten, unternimmt die Regierung zu wenig, um diese wirkungsvoll zu unter­ binden.

Zweiklassenbildungssystem Die zweite Ursache der Jugendarbeits­ losigkeit ist das Bildungssystem. Histo­ risch bedingt haben auch hier Schwarze und Coloured das Nachsehen – bis heute.

So haben nur 13,1 Prozent der schwarzen und 10,5 Prozent der coloured ­Jugendlichen eine qualifizierte Arbeit gegenüber 50 Prozent der weissen. D ­ eshalb kämp­ fen wir StudentInnen für eine kostenlose Bildung. Die Regierung betont gerne, dass die Zahl junger schwarzer – und weiblicher – SüdafrikanerInnen, die eine höhere Bildung absolvieren, massiv ge­ stiegen ist. Doch 47,9 Prozent der Stu­ dentInnen machen keinen Abschluss, die grosse Mehrheit von ihnen ist schwarz.

Die meisten brechen ihr S ­ tudium aus finanziellen Gründen ab. Auch ich wur­ de von der Rhodes Universität ausge­ schlossen, weil ich die Ge­bühren nicht

mehr bezahlen konnte. Erst nachdem ich ein Jahr bei einer NGO Geld ver­ dient hatte, konnte ich mein Studium wieder aufnehmen.

Notwendige Massnahmen Um die Ungerechtigkeit zu beseitigen, muss die südafrikanische Regierung ers­ tens Gesetze erlassen, die zur Umvertei­ lung des Wohlstands an die schwarze Bevölkerungsmehrheit führen. Zweitens muss das Bildungssystem verbessert werden. Viele öffentliche Schulen, vor al­ lem in Townships in ländlichen Regionen, haben weder die Infrastruktur noch die Ressourcen, um eine qualitativ hochste­ hende Bildung zu bieten. So gehen vor allem Jugendliche, die Privatschulen be­ sucht haben, an die Uni – die meisten sind weiss, ein paar wenige stammen aus der schwarzen oberen Mittelklasse. Die­ ser Kreislauf der Ungleichheit kann nur durchbrochen werden, wenn Regierung und Privatwirtschaft zusammenarbeiten, um eine kostenlose Hochschulbildung zu finanzieren. Und drittens muss die Regierung die Umsetzung der Verfas­ sung und des Arbeitsgesetzes kontrol­ lieren und forcieren, damit Unternehmen, die junge schwarze Frauen benachteili­ gen, sanktioniert werden.

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Lösungswort

Einladung

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Spielregeln Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3x3Blöcke nur einmal vorkommen.

Das Lösungswort ergibt sich aus den grauen Feldern waagrecht fortlaufend, nach folgendem Schlüssel: 1=S, 2=U, 3=B, 4=N, 5=D, 6=A, 7=G, 8=L, 9=I

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Schicken Sie das Lösungswort an Solidar Suisse – mit einer Post­ karte oder per E-Mail an: kontakt@solidar.ch, Betreff «Rätsel».

1. Preis 2. Preis 3. Preis

Umhängetasche aus El Salvador Notizbuch aus El Salvador Spiegeletui aus Nicaragua

Einsendeschluss ist der 10. März 2017. Die Namen der GewinnerInnen werden in der Solidarität 2/2017 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende von Solidar Suisse.

Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 4/2016 lautete «Kauft fair ein».

Carole Murcott aus Diemtigen hat Kaffee aus Nicaragua, Olivier Péter aus Sion getrocknete Mangos aus Burkina Faso und Verena Specker aus Zürich Reis aus Kerala gewonnen. Wir danken den Mitspielenden für die Teilnahme.

DANKE!

Generalversammlung Solidar Suisse 2017 Am Mittwoch, 17. Mai um 16 Uhr im Volkshaus, Blauer Saal, Stauffacherstr. 60, 8004 Zürich Programm 16 Uhr: Statutarische Geschäfte Eingeladen sind die Mitglieder von Solidar Suisse. Bitte melden Sie sich per E-Mail (kontakt@solidar.ch) oder Telefon (044 444 19 19) bis zum 2. Mai an.

18 Uhr: Öffentliche Veranstaltung zum Thema faire Arbeit Details dazu finden Sie unter: www.solidar.ch/agenda Anschliessend Apéro

Viele Menschen konnten letztes Jahr ihr Leben dauerhaft verbessern.

Ein wichtiger Beitrag dazu waren Nachlässe von Menschen, die neben ihren Verwandten und Freun­dInnen auch Solidar Suisse einen Teil ihres Vermögens vererbten. Ihnen allen möchten wir hier ganz herzlich danken.

Wenn auch Sie erwägen, uns in Ihrem Testament zu berücksichtigen, helfen wir gerne mit einer Auskunft oder unseren Merk­blättern.

Wenden Sie sich bitte an christof.hotz@solidar.ch, 044 444 19 45.

Solidar Suisse, Postfach 2228, 8031 Zürich, PC 80-188-1

AKTUELL 15 Arbeiter auf einer Stadionbaustelle für die Fussball-WM 2018 im russischen Nischni Novgorod.

BEWEGT SICH DIE FIFA? Solidar fordert konkrete Massnahmen gegen Menschen- und Arbeitsrechts­ verletzungen auf den Baustellen für die WM in Russland 2018 und in Qatar 2022.

Text: Fabienne Widmer, Foto: Maxim Shemetov Unter Blatter lavierte die Fifa, unter Infan­ tino schweigt sie nur noch: Vor genau einem Jahr forderte Solidar Suisse vom brandneu gewählten Fifa-Präsidenten in einem Brief, dass er die Verträge mit WMAustragungsstaaten um soziale Kriterien ergänzt, die Einhaltung der Arbeitsrechte überprüft und Kontroll- und Sanktions­ mechanismen einführt. Es kam wie nicht anders erwartet: Die Fifa antwortete be­ dächtige zwei Monate später – mit lauen Absichtserklärungen und ohne konkrete Angaben zu allfälligen Massnahmen.

Solidar hakte nach und wollte wissen, wie die Fifa die Einhaltung der Arbeitsund Menschenrechte auf den Baustellen für die Fussball-WM in Russland und Qatar überwache und welche Kontrollund Sanktionsmechanismen existierten.

Jetzt kam gar nichts mehr. Die Fifa schwieg, verkündete aber in der Öffent­ lichkeit, wie wichtig ihr die Menschen­ rechte seien und wie sehr sie den Dialog

Novgorod erreichen nur die Hälfte des ausserhalb Moskaus geltenden russi­ schen Durchschnittslohns, und sie werden häufig nicht oder nur mit Verzögerung bezahlt. Auch die Arbeitssicherheit lässt zu wünschen übrig: Wegen chaotischen Baustellenmanagements behindern sich Maschinen und Arbeiter der verschiede­ nen Subunternehmen gegenseitig. Das führt immer wieder zu lebensgefährlichen Situationen für die Arbeiter. Arbeitsmig­ ranten aus der Ukraine, aus Usbekistan und Tadschikistan verfügen ausserdem häufig nicht über die erforderliche Ar­ beits- und Aufenthaltserlaubnis.

Dialogbereitschaft der Fifa Die Fifa wurde im Oktober über diese Ergebnisse informiert. In ihrer Antwort ­ weist Generalsekretärin Fatma Samoura auf die Bemühungen der Fifa im vergan­ genen Jahr hin: Ein Menschenrechtsspe­ zialist sei eingestellt worden, und ein Hu­ man Rights Advisory Board mit unabhän­ gigen ExpertInnen im Bereich Menschenund Arbeitsrechte werde einberufen.

Was das konkret heisst, bleibt allerdings offen. Erfreulich ist immerhin, dass sich

mit der Zivilgesellschaft pflegen wolle.

Solidar Suisse gehört offenbar nicht zu jenem Teil der Zivilgesellschaft, mit dem die Fifa reden will. So führte Solidar letz­ ten Sommer auf den Stadionbaustellen eigene Recherchen durch: in Nischni Novgorod 400 Kilome­ Vier Stunden nach Ende ter östlich, und in Wolgograd 1000 Kilometer südöstlich von der 24-Stunden-Schicht Moskau. Ein Dutzend Arbeiter werden die Arbeiter bereits unterschiedlicher Herkunft be­ wieder aufgeboten. richteten von besorgniserregen­ den Zuständen. die Fifa endlich wieder gesprächsbereit Ausbeutung auf russischen zeigt. So sagte sie zu, an einem von Baustellen Solidar Suisse und terre des hommes ­ So dauern die Schichten in Wolgograd schweiz organisierten Panel zum Thema 24 Stunden. Und obwohl den Arbeitern Fifa und die Rolle der Schweiz teilzuneh­ nach 24 Stunden Durcharbeiten zwei men. Wir sind gespannt.

Tage Ruhezeit zugesichert sind, werden sie zuweilen bereits vier Stunden nach Fabienne Widmer ist bei Solidar Schichtende wieder einberufen. Die Suisse für Online-Kampagnen Löhne der Arbeitsmigranten in Nischni zuständig.

16 NOTIZEN Solidar-Projekt im Vatikan vorgestellt Papst Franziskus sieht die Städte Europas als entscheidende Akteurinnen, um die Herausforderungen der Flüchtlingspro­ blematik zu bewältigen. Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften hat im vergangenen Dezember 70 Bürgermeis­ terInnen zu einer Konferenz zur anhal­ tenden Flüchtlingskrise eingeladen. Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch stellte ihren euro­päischen KollegInnen

insbesondere die «Community Support Projects» im Libanon vor. Diese unter­ stützen Gemeinden, die durch die Integ­ ration von Flüchtlingen aus Syrien stark belastet sind. Konkret geht es um die Wasserversorgung einer Gemeinde mit­ tels Bohrung eines Tiefbrunnens, die Re­ novation und Ausstattung einer Schule und die Instandstellung einer Klinik. Die Umsetzung dieser Projekte geschieht in Zusammenarbeit mit Solidar Suisse.

Moçambique: Berufs­bildung für Jugendliche

Internationales Netzwerk für mehrsprachige Bildung

Die Arbeitslosenquote unter Jugendli­ chen in Moçambique liegt bei 40 Pro­ zent. Da die informelle Beschäftigung vorherrscht, ist es sehr schwierig, eine formelle Arbeit zu finden. Deshalb hat Solidar Suisse im September 2016 ein Pilotprojekt gestartet, das Jugendlichen aus prekären Verhältnissen oder mit spe­ ziellen Heraus­forderungen die Integra­ tion in den Arbeitsmarkt erleichtern soll.

In Zusammenarbeit mit der Land­ wirt­ schafts­schule in Marera und dem Beira Institute für Sehgeschädigte wird ins­ gesamt 170 Jugendlichen der Besuch von Kursen in Computeranwendung oder zur Gründung von Kleinbetrieben er­ möglicht. 20 Jugend­liche erhalten zudem ­finanzielle Unterstützung für die Gebüh­ ren einer anschlies­ senden Ausbildung.

Da Moçambique in den letzten zwei Jah­ ren unter einer schweren Dürre litt, die zu Ernteverlusten und Hunger führte, wurde vorübergehend auch Nahrungsmittelhilfe für die Schule in Marera geleistet.

Anfang November 2016 trafen sich in Lausanne Expertinnen und Praktiker aus Marokko, Griechenland, Tschechien, Burkina Faso und der Schweiz, um ein internationales Netzwerk für mehrspra­ chige und interkulturelle Bildung zu grün­ den. Verschiedene Delegationen hoben den grossen Beitrag für die mehrsprachi­ ge Bildung von Solidar Suisse in Burkina Faso und die zehnjährige Zusammenar­ beit mit der Hochschule für Pädagogik in Lausanne hervor. Yamba Nikiema und Pascal Zaongo, Mitarbeiter von Solidar Suisse in Burkina Faso, berichteten von der wachsenden Verbreitung der mehr­ sprachigen Bildung im Land, wo letztes Jahr 38 neue Schulen eröffnet wurden.

Pakistan: Ein Neuanfang für Säureopfer In Pakistan werden jährlich hunderte Frauen Opfer von Angriffen mit ätzenden Säuren. Die mehrheitlich ungebildeten Frauen stammen aus ländlichen Ge­gen­ den, die Täter sind oft Angehörige. Für die Opfer bedeutet so ein Angriff neben ge­ sundheitlichen und psycholo­gischen Be­ einträchtigungen häufig die totale gesell­ schaftliche Ausgrenzung und damit ein­ hergehend eine wirtschaftliche Notlage.

Ein neues Projekt bietet ihnen medizi­ nische, psychologische und juristische Unterstützung. Es wird von der lokalen Solidar-Partnerorganisation Acid Survi­ vors durchgeführt und durch Beiträge von UBS-Mitarbeitenden gefördert, die von der UBS verdoppelt werden. Solidar Suisse erarbeitet gemeinsam mit den betroffenen Frauen Lösungen zur wirt­ schaftlichen Wiedereingliederung. Sie werden individuell beraten und gemäss ihren Fähigkeiten gefördert, um ein ei­ genes kleingewerbliches Unternehmen gründen zu können – von der Schneide­ rei bis zum Beautysalon. www.solidar.ch/säureopfer

AKTUELL 17 Barbie und Ken forderten in Zürich und Lausanne fair produzierte Spielsachen.

FAIR TOYS NOW!

Mitte November protestierte in Zürich eine lebensgrosse Barbie gegen Ausbeutung in chinesischen Spielzeugfabriken.

Text: Simone Wasmann, Fotos: Susanne Hefti und Mathilda Olmi An Weihnachten klingeln in der Spiel­ zeugbranche die Kassen. Ein Dauerver­ kaufsschlager sind die Barbie-Puppen des US-Konzerns Mattel. Wie die Barbies stammen mehr als die Hälfte aller Spiel­ waren unter Schweizer Christbäumen aus China – viele wurden unter men­ schenunwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt, wie der zweite investigative Bericht von China Labor Watch und ­Solidar Suisse zeigt. Überstunden und Ausbeutung Für unsere Geschenke schuften chine­ sische ArbeiterInnen elf Stunden täglich und sieben Tage die Woche am Fliess­ band. Unterbrochen meist nur durch eine halbstündige Pause, in der sich die An­ gestellten mit ungesundem Kantinen­ essen verpflegen müssen. Weil der Min­ destlohn nicht zum Leben reicht, sind sie zu exzessiven Überstunden gezwungen.

Eine unserer Kernforderungen sind des­ halb existenzsichernde Löhne.

Noch schockierender ist die Gefährdung der Gesundheit: Die ArbeiterInnen han­ tieren zum Teil mit Benzol – ein giftiges, hochgradig krebserregendes Lösungs­ mittel, das in Farben, Leim und Putzmit­

teln enthalten ist. Benzol ist in Europa längst verboten und wäre ohne grosse Kosten ersetzbar.

Schuld an diesen Zuständen ist das Out­ sourcing: Grosse Konzerne lagern die Pro­ duktion aus und maximieren durch Preis- und Zeitdruck ihre Profite. Kurzfris­ tige Aufträge und Bestellfristen bedeuten Produktionsstress, maximale Flexibilität und grosse Unsicherheit für die chinesi­ schen Fabriken, die sie in Form von tiefen Löhnen und überlangen Arbeitszeiten auf die ArbeiterInnen abwälzen.

Medienwirksame Protest-Barbie Deshalb prangerte Mitte November eine Barbie – das Aushängeschild von Mattel – auf der Strasse und auf den Online-Shops Galaxus und Amazon die men­schen­un­ würdigen Arbeitsbedingungen an.

Die lebensgrosse Barbie-Box sorgte zu­ erst auf dem Zürcher Paradeplatz für Furore. Ihr Protest schaffte es auf die Titel­ seite von «Blick am Abend». Eine Woche später mischte Ken am Bahnhof Lau­ sanne die internationale Medienlandschaft auf. Die Forderung nach fair produzierten Spielwaren erreichte Frankreich, Belgien, Hongkong, Kanada und sogar Tahiti.

Mit Unterstützung der NGO Action Aid France sammelten wir über 18 000 Unter­ schriften für eine Petition und übergaben sie am 15. Dezember Mattel am europäischen Hauptsitz in Amsterdam, stellvertretend für die ganze Branche.

Simone Wasmann ist Kampagnen­ verantwortliche Faire Arbeit in Asien bei Solidar Suisse.

Zwei Rappen würden Fabriklohn verdoppeln Simone Wasmann 80 Prozent der KonsumentInnen wä­ istren xxxx.gemäss einer repräsentativen Um­ frage von Solidar Suisse bereit, für Spielwaren mit Fair-Trade-Label mehr zu bezahlen. Und es braucht nicht viel: Bereits eine Erhöhung des Verkaufspreises um 0,05 Prozent er­ möglicht die Verdoppelung des Loh­ nes in chinesischen Fabriken. Bei ei­ ner Barbie-Puppe von 30 Franken wären das nicht einmal zwei Rappen. www.solidar.ch/fairtoys

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«ICH MÖCHTE SO VIEL WIE MÖGLICH LERNEN» Dank eines Sommerpraktikums hat Nikola Zdrakovic direkt nach der Schule eine Arbeitsstelle gefunden.

Keine Selbstverständlichkeit in Serbien.

Text: Cyrill Rogger, Foto: Milos Milivojevic

EINBLICK 19

Nikola Zdrakovic ist fasziniert von der computergesteuerten Werkzeugmaschine und bedient sie mit Begeisterung.

«Mir gefällt vor allem, wie die Arbeit or­ ganisiert ist, es erinnert mich an einen Kreisverkehr», erzählt Nikola Zdravkovic begeistert von seinem Praktikum in der Metallfabrik Unior Components. «Alles ist synchronisiert, es fliesst ohne Unter­ bruch, weil ganz klar definiert ist, wer was wann macht.» Die reibungslose Organi­ sation der Abläufe ist das A und O der Produktion mit CNC-Werkzeugmaschi­ nen (Computerized Numerical Control), die unter Einsatz von Computer-Steue­ rungstechnik komplexe Werkzeugformen präzis automatisch herstellen.

Nikola Zdravkovic war einer von 38 Schü­ Das Glück, vom Praktikums-Unterneh­ lerInnen der Polytechnischen Schule in men fest angestellt zu werden, hatten nur Kragujevac, die diesen Sommer bei einem sieben der 33 jungen Männer und fünf lokalen Unternehmen einen Einblick in die jungen Frauen, die ein Sommerpraktikum Arbeitswelt erhielten und ihre Kompe­ absolvierten. Die anderen haben wertvolle tenzen erweitern konnten. Das Pilotpro­ praktische Erfahrung für die Arbeitssu­ jekt von Solidar che gesammelt.

Suisse will eine «Ich habe nichts «Du musst deine Arbeit Brücke schla­ Spezielles ge­ gen zwischen lieben und Verantwortung macht», meint den Bedürfnis­ Nikola Zdravko­ übernehmen.» sen des Arbeits­ vic. «Ich erledig­ markts und dem te, was mir auf­ serbischen Bildungs­system. Denn abge­ getragen wurde, und wollte so viel wie sehen davon, dass es zu wenig Stellen möglich lernen.» Für den Erfolg im Beruf für BerufseinsteigerInnen gibt – die Ju­ findet er vier Dinge entscheidend: «Du gendarbeitslosigkeit liegt in Serbien bei musst es wirklich wollen, Verantwortung über 43 Prozent –, werden den Absol­ übernehmen und auf die Erfahreneren ventInnen der Berufsschule häufig nicht hören. Und natürlich musst du deine Ar­ die nötigen Fähig­ keiten ­ vermittelt, um beit lieben.» All dies ist bei Nicola Zdrav­ den Anforderungen des A ­ rbeitsmarkts kovic offensichtlich der Fall. Betreut von zu entsprechen. einem Mentor, hat er gelernt, wie die Pro­ duktion mit der CNC-Werkzeugmaschi­ Weg in die Unabhängigkeit ne funktioniert, und ist begeistert von Beim Eintritt in die Polytechnische Schule seiner Arbeit. Es sei nicht alles so streng, machte sich Nikola Zdravkovic keine wie es scheine. «Wir machen auch Witze grossen Gedanken, was er nach dem und lachen zusammen. Ich kann sogar Abschluss tun würde. «Ich nahm am manchmal mein Imita­ tionstalent unter Schwimmtraining teil, gewann ein paar Beweis stellen», meint er lachend, er, der Medaillen, las Geschichtsbücher und ging ursprünglich mal Schauspieler werden aus.» Ausserdem war er Präsident des wollte. «Denn du bist nicht produktiv, wenn StudentInnenparlaments, wo er kurz vor du unter Spannung stehst. Deshalb singe Ende des Schuljahrs vom zweiwöchigen ich auch manchmal bei der Arbeit.»

Sommerpraktikum erfuhr – und sich ­sogleich bewarb. Denn er sah nur zwei Optionen für seine berufliche Karriere: Fit für den Arbeitsmarkt mit der finanziellen Unterstützung der ­Eltern studieren oder selbst etwas pro­ In Zusammenarbeit mit Unternehmen bieren. «Ich beschloss, meinen Weg zu und der Polytechnischen Schule in gehen, statt von meinen Eltern abhängig Kragujevac organisiert die von Solidar zu bleiben. Eigentlich wollte ich ein eige­ unterstützte NGO Business Develop­ nes Geschäft aufbauen, doch ich hatte ment Center Sommerpraktika, um die nicht das nötige Startkapital. Deshalb Vermittel­bar­keit von Schulabgängehabe ich diese Idee aufgegeben», er­ r­ Innen zu verbessern. Die Praktika klärt der 19-Jährige. wurden 2016 in der Metall- und Holz­ verarbeitung sowie im Bereich der In­ Hart arbeiten und Spass haben formations- und Kommunikations­ Nach Abschluss des Praktikums bei Unior technologie durch­ geführt. In diesen Components wurde Nikola Zdravkovic Branchen gibt es zurzeit am meisten fest angestellt – und konnte so direkt offene Stellen. von der Schulbank zu einem festen Job www.solidar.ch/serbien wechseln. Eine Seltenheit in Serbien.

HILFE FÜR DIE ÜBERLEBENDEN DER FABRIKEXPLOSION Die Bilanz war verheerend: 42 Menschen starben, 40 Personen wurden verletzt bei einer Fabrikexplosion in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch.

Vom Unternehmen gibt es keine Hilfe für die Verletzten und Angehörigen.

Solidar Suisse versorgt deshalb die Familien der Todesopfer für drei Monate mit Lebensmitteln und übernimmt die Behandlungskosten für die Verletzten.

Helfen Sie mit! Jeder bis Ende März gespendete Franken wird von Solidar verdoppelt: www.100-days.net/fabrikexplosion