Solidarität 3/2015

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Ausgabe August 3/2015

THEMA Moçambique NEPAL Hilfe für die Erdbebenopfer

Das Magazin von


2 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Ein Ausdruck, den ich in Moçambique gelernt habe, war nicht Menschen vertrieben und umgesiedelt, weil sie auf Gebieten portugiesisch wie die Landessprache. Er hiess: «Chinese Take mit reichem Mineralvorkommen ihre karge Landwirtschaft zum Away». Gemeint waren damit nicht kleine Imbissbuden mit Chop Überleben betreiben. Wirtschaftswachstum und menschliche Suey, vielmehr benannte er die Tatsache, dass multinationale Entwicklung klaffen auseinander und vergrössern unaufhaltFirmen die reichen Bodenschätze und das Tropenholz praktisch sam die soziale Ungleichheit. Die Schweiz – einer der wichtigsten Rohsteuerfrei aus dem Land schaffen. Nastoffhandelsplätze weltweit – kann dies türlich könnte es auch ein «Canadian», ändern: Sie muss Rohstoffhandelsunter«American» oder «Indian» Take Away nehmen gesetzlich zur Transparenz versein. Aber wo auch immer die Rohstoffpflichten, und es braucht dringend eine unternehmen ihren Sitz haben, klar ist: Regulierung und Aufsicht im RohstoffMoçambiques Reichtum an Rohstoffen sektor (siehe dazu auch die Konzernverträgt nicht zur Bekämpfung der Armut antwortungsinitiative). bei. Das Land ist gemäss Human DeveDamit der «Rohstoff-Fluch» gebrochen lopment Index HDI eines der ärmsten wird, muss sich jedoch auch die Bevölkeder Welt – und wird gleichzeitig wegen rung in Moçambique wehren. Sie allein seines Reichtums an Bodenschätzen kann einfordern, dass Multis angemesbeispielsweise in deutschen InvestmentEsther Maurer sen besteuert und die Einnahmen invesBroschüren für sein gigantisches ProfitGeschäftsleiterin Solidar Suisse tiert werden: in die Armutsbekämpfung, potenzial angepriesen. in Bildung und Gesundheit, in eine In«Rohstoff-Fluch» nennt man diese Problematik: Mangels Rechtsstaatlichkeit und aufgrund von Miss- frastruktur, die der Bevölkerung dient. Deshalb fördert Solidar wirtschaft, Korruption und Steuerflucht entgehen der Bevölke- demokratische Strukturen und Prozesse, damit die Menschen rung die ihr zustehenden Gewinne. Armut wird nicht durch in Moçambique ihre Rechte wahrnehmen und endlich am gezielte Staatsausgaben bekämpft, die Infrastruktur dient ein- Reichtum ihres Landes teilhaben. Esther Maurer zig den Transportansprüchen der Multis, und häufig werden die

MEDIENSCHAU

14.6.2015 Steine «made in China» Es sei positiv, dass in der Schweiz mit dem Fair-Stone-Label zertifizierte Natursteine erhältlich seien, erklärt Katja Schurter von Solidar Suisse. (…) Es gehe nicht nur um Pflastersteine, sondern um alle Güter wie Textilien, Spielwaren, Computer oder Sportartikel, die häufig unter problematischen Bedingungen im Ausland hergestellt werden. Deshalb kritisiert Schurter den revidierten Entwurf des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen, in dem der Nachhaltigkeitsaspekt fehle. Solidar fordere die gesetzliche Verankerung und Kontrolle sozialer und ökologischer Mindeststandards.

4.6.2015 Fifa soll Sklavenarbeit verhindern Sklavenarbeit, Korruption, Steuervorteile – NGOs haben vor der Präsidentenwahl die Missstände in der Fifa angeprangert und einen verstärkten Einsatz der Fifa für Menschenrechte gefordert. Alliance Sud und Solidar Suisse fordern die Fifa auf, einen Nachhaltigkeitskodex einzuführen, «um in Zukunft faire und sozial gerechte Weltmeisterschaften zu garantieren». Der Kodex beinhalte «die Verschärfung der Anforderungen bei den Bewerbungen, die Definition von transparenten sozialen Kriterien für die Vergabe der WM sowie die Einführung von strikten Kontroll- und Sanktionsmechanismen».

5.5.2015 «Wir bürgen dafür, dass das Geld ankommt» Etliche Hilfswerke versuchen, die notleidenden Menschen in Nepal mit Hilfsgütern zu versorgen. Eine Mammutaufgabe. Felix Gnehm von Solidar Suisse: (…) «Ganz wichtig ist: Es wird einen langen Atem brauchen. (…) 90 000 Häuser sind zerstört worden. Die erste Nothilfephase wird direkt in den lokal verankerten Wiederaufbau übergehen, in die Wasserversorgung, die Gesundheitssysteme, die Schulen – dazu wird es Jahre brauchen. Wir und auch andere Schweizer Organisationen achten sehr stark darauf, dass das gut aufgegleist wird.»


THEMA Moçambique

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Die Ärmsten sollen ihre Bedürfnisse einbringen können 6 Jugendliche schöpfen Mut und sensibilisieren Gleichaltrige für gesellschaftliche Probleme

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Moçambique steht seit zwei Jahren auf der Kippe zum Bürgerkrieg 10 Der mosambikanische Schriftsteller Mia Couto kritisiert die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika

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STANDPUNKT Peter Niggli erklärt, warum das Dienstleistungshandelsabkommen TISA den Service public gefährdet 13 KULTURELL Thomas Sankara: Ein neuer Film erinnert an den revolutionären Präsidenten von Burkina Faso

THEMA

Moçambique ist trotz hoher Wachstumsrate eines der ärmsten Länder der Welt. Solidar fördert die Partizipation der Menschen, damit sie für ihre Rechte einstehen können.

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AKTUELL Solidar Suisse unterstützt die Opfer des Erdbebens in Nepal 17 EINBLICK Thusitha Pilapitiya, die neue SolidarKoordinatorin in Sri Lanka, will die Solidarität und die Frauen stärken 18 KOLUMNE NOTIZEN PINGPONG

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18 EINBLICK Thusitha Pilapitiya setzt sich für den Versöhnungsprozess und die soziale Gerechtigkeit in Sri Lanka ein.

IMPRESSUM Herausgeber: Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E-Mail: kontakt@solidar.ch, www.solidar.ch, Postkonto 80-188-1 Mitglied des europäischen Netzwerks Solidar Redaktion: Katja Schurter (verantwortliche Redaktorin), Rosanna Clarelli, Eva Geel, Lionel Frei, Cyrill Rogger

Layout: Binkert Partner, www.binkertpartner.ch / Spinas Civil Voices Übersetzungen: Ursula Gaillard, Jean-François Zurbriggen Korrektorat: Jeannine Horni, Milena Hrdina Druck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 Schaffhausen Erscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000

Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 70.–, Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr). Gedruckt auf umweltfreundlichem Recycling-Papier. Titelbild: Kinder in Moçambique lernen wie wichtig Händewaschen ist. Foto: Andreas Schwaiger. Rückseite: Fordern Sie einen Nachhaltigkeitskodex für die Fifa. Foto: Pilar Olivares.


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Markt in Marara: Der friedliche Alltag in Moçambique wurde in den letzten zwei Jahren immer wieder durch Kampfhandlungen der ehemaligen Bßrgerkriegsparteien gestÜrt.


THEMA

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MOÇAMBIQUE Moçambique ist eines der ärmsten Länder der Welt. Dies, obwohl das Wirtschaftswachstum hoch ist. Denn die Gewinne kommen nicht bei der Bevölkerung an. Sie werden von multinationalen Unternehmen abgeschöpft oder versickern im Korruptionssumpf. Zudem stand das Land immer wieder auf der Kippe zum Bürgerkrieg, was die Lage für die Bevölkerung weiter verschlechterte. Damit endlich auch die Ärmsten von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren und die Menschen kämpfen können um das, was ihnen zusteht, unterstützt Solidar Suisse ihre Beteiligung an der Planung in den Gemeinden. Auch Jugendliche engagieren sich. Foto: Joachim Merz


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«ICH WEISS, DASS ICH DAS WASSER NICHT TRINKEN SOLLTE» Damit die Menschen sich aus der Armut befreien können, müssen ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Solidar fördert die Partizipation der Bevölkerung in Moçambique. Text und Fotos: Francisco Palma Saidane

«Der Murombue ist unsere einzige Wasserquelle, die Leute baden hier, waschen ihre Kleider und holen Trinkwasser», sagt Clara Vasco, die gerade ihre Enkelkinder im Fluss badet. Das Wasser ist trüb. Kein Wunder, sind Durchfall, Erbrechen und Hautkrankheiten weit verbreitet. Rund tausend Menschen leben im Dorf Murombue, das den Namen des Flusses trägt. Sie haben den beschwerlichsten

Zugang zu Wasser in der ganzen Region. Mindestens fünf Kilometer müssen die Frauen, die traditionell für das Wasserholen zuständig sind, zurücklegen, um zum Fluss oder zu einem Loch mit stehendem Wasser zu gelangen. Dies gilt auch für schwangere Frauen oder jene, die gerade ein Kind geboren haben. «Mir ist klar, dass das Wasser nicht sauber ist und wir es nicht trinken sollten», sagt die

17-jährige Mariazinha Zeca, Mutter eines zwei Wochen alten Babys. «Aber ich habe nichts anderes.» Hexerei als Krankheitsursache Nicht alle kennen jedoch den Zusammenhang zwischen verschmutztem Wasser und Bauchschmerzen. Einige sind davon überzeugt, dass die Krankheiten durch Hexerei ausgelöst werden. Damit


THEMA 7 Mariazinha Zeca (links) und Clara Vasco (rechts) waschen ihre Kinder und EnkelInnen nicht nur im Flusswasser, sondern müssen es ihnen auch zu trinken geben.

rung den Bau eines Brunnens bei der zentral gelegenen Schule zu fordern, um den Gesundheitszustand der DorfbewohnerInnen zu verbessern. Die Distriktregierung stimmte dem Vorhaben zu. Sogleich wurde ein Wasserkomitee aus sechs Frauen und Männern gebildet. Diese erhalten eine spezifische Weiterbildung und Werkzeuge, um die Pumpen zu bedienen und zu unterhalten. Das Komitee ent«Die grössten Probleme sind scheidet auch, welchen Beider Mangel an Trinkwasser und trag jeder Haushalt für die Wasserversorgung leisten Krankheiten wie Malaria und muss. Denn nur wenn die Durchfall» Leute sich dafür verantwortlich fühlen, kann der UnterIn Murombue hat sich die Erkenntnis halt des Brunnens sichergestellt und durchgesetzt, dass sauberes Trinkwasser eine langfristige Versorgung mit saubeund Toiletten entscheidend zur Gesund- rem Trinkwasser gewährleistet werden. heit von Kindern und Erwachsenen beitragen. «Wir haben Treffen mit den Älte- Bessere Perspektiven ren und der Dorfgemeinschaft organisiert, Als nächsten Schritt möchte der Lehrer um zu diskutieren, was ihre Probleme Hilario Saraiva Murrapela in der Schule sind. Die meisten erwähnten den Mangel Latrinen einrichten. Wenn die Kinder die an Trinkwasser und Krankheiten wie sanitären Installationen benützen, bleiben Malaria und Durchfall», erzählt Antonio sie eher gesund, und dann ziehen auch Almeida, Vorsteher der Primarschule und die Erwachsenen nach, so seine HoffMitglied des lokalen Entwicklungs- nung. «Wir müssen damit in der Schule bekomitees. Das Entwicklungskomitee be- ginnen, denn die Leute vertrauen darauf, schloss deshalb, von der Distriktregie- dass hier Positives geschieht», meint er. die wahren Ursachen angegangen werden können, zeigt ein Solidar-Projekt die Zusammenhänge zwischen Wasserverschmutzung und Krankheit auf. Zudem fördert Solidar Suisse die politische Beteiligung der Bevölkerung, damit ihre Anliegen in den Dörfern berücksichtigt werden und die Menschen dieses Wissen in die Praxis umsetzen können.

Solidar fördert solche Initiativen in verschiedenen Regionen Moçambiques, zum Beispiel in den Dörfern rund um Chimoio. So beteiligen sich auch Jugendliche des Solidar-Projekts Clube Desportivo (siehe Artikel Seite 8) an solchen Sensibilisierungsaktivitäten. Sie besuchen Schulen und organisieren Sportturniere, an denen sie Kinder, Jugendliche und Erwachsene darüber informieren, wie wichtig Hygiene zur Prävention von Krankheiten ist. Die Jungen sprechen dabei auch weitere Themen wie Verhütung und das Recht auf Bildung an. Sie wissen aus eigener Erfahrung nur zu gut, dass die Perspektiven der jungen Generation sonst schlecht sind. Das bestätigt auch die 17-jährige Mariazinha Zeca, die nach der Primarschule geheiratet und bereits ein Kind geboren hat: «Die Sekundarschule war zu weit weg, also habe ich geheiratet, statt weiter zur Schule zu gehen.» Francisco Palma Saidane ist ein mosambikanischer Journalist.

Partizipative Gemeindeentwicklung Die Bedürfnisse der armen Bevölkerung müssen bei der Planung in den Gemeinden berücksichtigt werden, damit sie von der Entwicklung profitieren. Um zur Verbesserung des Service public beizutragen, fördert Solidar in Moçambique Mitsprache, Weiterbildung und Erfahrungsaustausch. Zivilgesellschaftliche Basisorganisationen werden gestärkt, damit sich ihre VertreterInnen mit konkreten Vorschlägen in lokalen Entwicklungskomitees einbringen können und ihre Projekte – wie zum Beispiel der Brunnen in Murombue – umgesetzt werden. www.solidar.ch/gemeindeentwicklung


8 THEMA

FUSSBALL FÜR ENTWICKLUNG Durch Sport finden die Jugendlichen des Clube Desportivo e Recreativo neues Selbstvertrauen und sensibilisieren Gleichaltrige für soziale Probleme. Text und Fotos: Francisco Palma Saidane

Patricia Benjamin schätzt am Clube Desportivo, dass sie sowohl Fussball spielen als auch über das sprechen kann, was sie beschäftigt (links). Das Fussballteam des Clube Desportivo vor dem Turnier (rechts).

«Seit vier Jahren spiele ich Fussball im Clube Desportivo e Recreativo. Dieses Jahr hat unser Team sogar das Frauenfussballturnier gewonnen», erzählt die 17-jährige Patricia Benjamin begeistert. Am Turnier, das der Club zum Anlass des 1. Mai organisierte, nahmen zwar nur vier Teams teil, doch das Publikum war zahlreich. Und die Spielerinnen hatten Gelegenheit, ihr Wissen zu Arbeits- und Frauenrechten, zu HIV- und Malariaprävention an die ZuschauerInnen weiterzugeben. Denn die jungen Frauen spielen im Clube Desportivo nicht nur leidenschaftlich Fussball oder Volleyball, sie bilden sich im Solidar-Projekt auch zu aktuellen Themen des Landes weiter. Die SportlerInnen stammen meist aus armen «Die Diskussionen Familien und schwierihelfen uns, Lösungen für gen Lebensverhältnissen. Ihre Perspektiven Probleme zu finden.» sind schlecht. Der Club bietet ihnen sozialen Halt, die Möglichkeit, Erfolge zu erleben und sich gleichzeitig Bildung anzueignen. In den Kursen

erfahren sie mehr über Themen wie Verhütung, HIV/Aids, Recht auf Bildung und Hygiene. «Die Weiterbildungen und Diskussionen helfen uns, offen über die Themen zu sprechen, die uns beschäfti-

Clube Desportivo e Recreativo Der Clube Desportivo e Recreativo wurde 2008 in Chimoio mit dem Ziel gegründet, benachteiligten Jugendlichen sportliche Aktivitäten wie Volleyball, Fussball und Gymnastik zu ermöglichen und sie gleichzeitig in wichtigen Themen des Alltags weiterzubilden. Im Gegenzug geben die Jugendlichen ihre Kenntnisse in den Quartieren, an Schulen und Turnieren an Gleichaltrige weiter und diskutieren über gesellschaftliche Probleme wie Alkoholund Drogenkonsum oder ungewollte Schwangerschaften.


KOLUMNE

THEMA 9

Hans-Jürg Fehr Präsident Solidar Suisse

Demokratie ist lernbar

gen, und gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden», meint die 19-jährige Evita Jaime Jofrisse. Jugendliche informieren Jugendliche Die jungen Frauen und Männer geben die erworbenen Kenntnisse auch weiter. In Fünfer-Teams gehen sie in Schulen, Dörfer und Quartiere, um zu informieren und Diskussionen zu führen. So thematisieren sie bei ihren Besuchen beispielsweise den Zusammenhang zwischen sauberem Wasser und Krankheiten und leisten einen wesentlichen Beitrag zur besseren Hygiene in der Projektregion (siehe auch Artikel auf Seite 6). Andererseits fördern sie die Auseinandersetzung von Jugendlichen mit gesellschaftlichen Problemen wie ungewollte Schwangerschaften, Gewalt oder Drogenkonsum. «Wir raten den Mädchen, keinen ungeschützten Sex zu haben, um Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten vorzubeugen. Denn viele von ihnen müssen wegen ungewollter

Schwangerschaften die Schule verlassen», erzählt die junge Sportlerin Felizarda António Ribeiro da Fonseca. «Wenn wir in den Schulen und beim Sport über Sexualität sprechen, fördert dies das Selbstbewusstsein der jungen Frauen, sodass sie es wagen, Verhütungsmittel anzuwenden.»

Ihre Spende wirkt Mit Ihrem Beitrag von 50 Franken kann ein Team von fünf Jugendlichen einen Tag Präventions- und Aufklärungsarbeit in einem Armenviertel von Chimoio leisten. Für 70 Franken erhält eine Jugendliche oder ein Jugendlicher eine einwöchige Weiterbildung zu den Themen Menschenrechte, HIV und Gesundheitsprävention. Für 200 Franken kann eine ganztägige Gesundheitsmesse mit Information, Animation und Wettbewerben durchgeführt werden.

Die Versammlung fand bei brütender Hitze unter einem riesigen Baum statt. In seinem Schatten standen etwa zwanzig Schulbänke von der Art, wie ich sie aus meiner Primarschulzeit kannte. An einem anderen Baum hing unser Mittagessen – eine vor kurzem geschlachtete Ziege. Die Delegierten kamen mit einem Lastwagen, stundenlang auf der Ladebrücke stehend. Sie sollten vereinbaren, welche Projekte sie mit dem vom Distrikt zur Verfügung gestellten Budget realisieren wollten. Aus jedem Dorf kamen Vorschläge. Ein Schulzimmer hier, eine Krankenstation da. Eine von den männlichen Häftlingen getrennte Zelle für gefangene Frauen. Brunnen, Strassen, Brücken. Alles Vorhaben von höchster Dringlichkeit. Gesellschaftlicher Grundbedarf. Die Liste wurde lang und länger, viel zu lang für die zur Verfügung stehenden Mittel. Also galt es, Prioritäten zu setzen, Kompromisse zu schliessen, Entscheidungen zu treffen, hinter die sich alle oder doch die meisten stellen konnten. Für uns BesucherInnen aus der Schweiz waren das demokratische Selbstverständlichkeiten, für die an Bevormundung gewohnten Menschen aus den Dörfern Moçambiques etwas ganz Neues, das sie erst einmal lernen müssen: die eigenen Bedürfnisse formulieren, am richtigen Ort Projekte und Kredite beantragen, überprüfen, ob die Behörden so handeln, wie man es gewollt hat. Unser Solidar-Team in Moçambique initiiert und begleitet solche Prozesse, denn Selbstbestimmung führt aus der Armut heraus, Fremdbestimmung zementiert sie.


10 THEMA Regierungstruppen patroullieren in den Strassen von Gorongosa in Zentralmoçambique.

Menschen half die Verbesserung der Wasserversorgung am meisten», sagt Jorge Lampião.

AUF DER KIPPE ZUM BÜRGERKRIEG In den letzten zwei Jahren kam es in Moçambique immer wieder zu Kämpfen. Mit massiven Folgen für die Solidar-Projekte. Text: Katja Schurter, Foto: Grant Lee Neuenburg Seit die einstige Bürgerkriegspartei Renamo 2013 das langjährige Friedensabkommen einseitig aufgekündigt hat, kam es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Regierungspartei Frelimo und der Oppositionspartei Renamo. Von Februar 2013 bis September 2014 war es gar unmöglich, weite Teile der Solidar-Projektregion im Zentrum und Norden von Moçambique zu bereisen. Sei es, weil in den Orten selbst gekämpft wurde, oder weil die Strasse dorthin durch Unruhegebiete führte. Übergriffe und verringerte Mobilität «Wir konnten unser Personal nicht dem Risiko aussetzen, auf dem Weg ins Projektgebiet angegriffen oder verdächtigt zu werden, einseitig Partei zu ergreifen», erklärt Solidar-Landeskoordinator Jorge Lampião. Die Folge: Laufende Projekte konnten nicht betreut, neue Projektideen nicht umgesetzt werden. Die lokalen Partnerorganisationen führten die Projekte zwar weiter, jedoch unter erschwerten Bedingungen. Denn auch die Bevölkerung war stark von den bewaffneten

Druck für eine Einigung Doch obwohl sich die Situation verbessert hat, ist die Gefahr eines Bürgerkriegs noch nicht gebannt. Denn die Renamo anerkannte den Wahlsieg der Frelimo vom Oktober 2014 zunächst nicht und verlangt nun eine weitgehende Autonomie der Provinzen im Zentrum und Norden des Landes, in denen sie die Mehrheit der Stimmen holte. «Alles hängt von der Bereitschaft der beiden Parteien ab, sich zu einigen», meint Jorge Lampião. Denn seit dem Ende des Bürgerkriegs 1992 verhindert die Existenz zweier Streitkräfte – der regulären Armee sowie der nie vollständig demobilisierten Truppen der ehemaligen Bürgerkriegsgegnerin Renamo – die effektive Umsetzung des Friedensabkommens. Kann Solidar dazu beitragen, dass der Konflikt nicht wieder eskaliert? «Wir fördern den Frieden, indem wir demokratische Beteiligungsprozesse unterstützen und damit Transparenz und Vertrauen in der Bevölkerung schaffen. Die Leute müssen möglichst umfassenden Zugang zu Informationen erhalten, damit sie nicht so leicht zu manipulieren sind», ist Jorge Lampião überzeugt. «Die Menschen

Auseinandersetzungen betroffen: Kinder konnten nicht zur Schule, BäuerInnen nicht auf ihre Felder und Kranke nicht ins Spital. Die Kampfgruppen attackierten Dörfer und stahlen die Ernten. Teilweise brannten Regierungstruppen Häuser nieder, weil sie den Verdacht hatten, dass sich Renamo-Milizen dort versteckten. Reisende konnten sich vielfach nur in militärischen Konvois fortbewegen. Viele Menschen verliessen aus Angst vor Übergriffen ihre Häuser und übernachteten im Busch. Die Instabilität und permanente «Die Menschen müssen Gefährdungslage war ein grosDruck auf die Parteien ser Stress für die Bevölkerung – die Kriminalitätsrate stieg an und ausüben, sich zu einigen.» die wirtschaftliche Situation verschlechterte sich. Erst mit der Unterzeichnung einer Verein- wünschen sich nichts mehr als Frieden. barung zwischen Renamo und Frelimo Doch sie sollten nicht nur darauf warten, am 5. September 2014 beruhigte sich sondern demonstrieren und Forderundie Sicherheitslage so weit, dass das gen stellen und so aktiv Druck auf die Solidar-Personal wieder in die betrof- Parteien ausüben, sich zu einigen.» fenen Gebiete zurückkehren konnte. Schnell fanden die Solidar-MitarbeiterIn- Katja Schurter ist verantwortliche nen heraus, was nun nötig war: «Den Redaktorin der Solidarität.


THEMA 11 Cartoon des südafrikanischen Zeichners Zapiro. Der ZuluKönig Goodwill Zwelithini ist einer der diversen Brandstifter der Unruhen in Südafrika.

LIEBER PRÄSIDENT ZUMA Wir zitieren aus dem offenen Brief des mosambikanischen Schriftstellers Mia Couto zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika im Frühling 2015. Text: Mia Couto, Übersetzung aus dem Englischen: Katja Schurter «Ich erinnere mich an Sie, als Sie in den 1980er Jahren als politischer Flüchtling in Maputo lebten. Oft kreuzten sich unsere Wege auf der Julius Nyerere Avenue, und wir grüssten uns freundlich. Ich stellte mir Ihre Ängste als Verfolgter des Apartheid-Regimes vor, Ihre Alpträume, wenn Sie an geplante Anschläge gegen Sie und ihre KampfgefährtInnen dachten. Aber ich habe Sie nie mit einem Bodyguard gesehen. Denn wir MosambikanerInnen dienten Ihnen als Bodyguards. Jahrelang boten wir Ihnen Zuflucht auf Kosten unserer Sicherheit. Das können sie nicht vergessen haben. Wir haben es nicht vergessen. Moçambique zahlte einen hohen Preis für die Unterstützung der Befreiung Südafrikas. Sie ruinierte die ohnehin schwache mosambikanische Wirtschaft und führte dazu, dass unser Staatsgebiet bombardiert wurde. MosambikanerInnen starben

für ihre Schwestern und Brüder auf der anderen Seite der Grenze. Für uns, Herr Präsident, gab es keine Grenze, keine Nationalität. (…) Während Jahrhunderten haben mosambikanische Migrantinnen, Minenarbeiter und Bäuerinnen unter sklavenähnlichen Bedingungen in Südafrika gearbeitet. Diese ArbeiterInnen halfen beim Aufbau der südafrikanischen Wirtschaft. Es gibt keinen Wohlstand in Ihrem Land, der nicht mit dem Beitrag jener geschaffen wurde, die nun attackiert werden. Aus all diesen Gründen ist es unbegreiflich, was in Ihrem Land geschieht – dass wir für die südafrikanischen Schwestern und Brüder zum Ziel von Hass und Verfolgung geworden sind, dass MosambikanerInnen in den Strassen Südafrikas mit derselben Grausamkeit verfolgt werden, mit der die Apartheid-Polizei die FreiheitskämpferInnen verfolgte. Der

Alptraum, den wir erleben, ist schlimmer als der Ihrige zur Zeit Ihrer politischen Verfolgung. Denn Sie waren das Opfer eines selbstgewählten Ideals. Aber diejenigen, die heute in Ihrem Land verfolgt werden, haben sich einzig des Verbrechens schuldig gemacht, einer anderen Nationalität anzugehören. (…) Herr Präsident, die Xenophobie im heutigen Südafrika ist nicht nur eine barbarische und feige Attacke gegen «die anderen». Es ist auch ein Angriff gegen die «Regenbogennation», zu der sich Südafrika stolz erklärt hat. (…) Natürlich werden Massnahmen ergriffen. Aber sie sind ungenügend und kommen zu spät. Die Regierenden in Südafrika wurden nicht überrascht, vielmehr wiederholt sich die Geschichte, werden wieder ungestraft Hassreden gehalten. Deshalb fordern wir MosambikanerInnen empört: Stoppen Sie diese Aggression unverzüglich, die sich wie ein Steppenbrand auszubreiten droht. (…) Herr Präsident, Sie wissen besser als ich, dass Polizeiaktionen diese Verbrechen eindämmen können. Aber im gegenwärtigen Kontext müssen präventive Massnahmen getroffen werden. Damit sich diese Verbrechen nie mehr wiederholen. (…) Das Gefühl der Solidarität zwischen unseren Bevölkerungen und die Erinnerung an die Zeiten gemeinsamer Kämpfe müssen wieder lebendig werden.» Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma antwortete mit einem eigenen offenen Brief, in dem er die Ausschreitungen auf illegale Migration, Ausländerkriminalität und darauf zurückführte, dass AusländerInnen mit ihrer Bereitschaft, zu tiefen Löhnen zu arbeiten, den SüdafrikanerInnen die Jobs wegnähmen. Natürlich rechtfertige dies keine Form von Gewalt, und es seien auch nicht alle MigrantInnen illegal im Land oder in kriminelle Aktivitäten verwickelt. Als Massnahmen habe er ein Ministerkomitee für Migrationsmanagement ernannt, um die Gründe für die Spannungen anzugehen, und die Grenzkontrollen verschärft. Siehe: www.dailymaverick.co.za


12 NOTIZEN China: Leukämie wegen Arbeit in Spielzeugfabrik

Grabfeld vor dem Fifa-Kongress Am 29. Mai 2015 demonstrierten mehr als 100 AktivistInnen anlässlich des Fifa-Kongresses gegen die Bedingungen auf den WM-Baustellen in Katar. Bei der gemeinsamen Aktion von Solidar Suisse und den Gewerkschaften Unia und BHI (Bau- und Holzarbeiter Internationale) wurde vor dem Zürcher Hallenstadion ein Grabfeld mit 100 Kreuzen und 100 Toten inszeniert. Damit sollten die KongressteilnehmerInnen der Fifa auf die miserablen Bedingungen auf den Stadion-Baustellen in Katar aufmerksam gemacht werden. Seit Baubeginn werden in Katar systematisch Menschen- und Arbeitsrechte missachtet, bereits sind über 1200 Arbeiter gestorben. An der Aktion beim Fifa-Kongress nahmen auch zwei betroffene Arbeiter aus Indien teil. Sie legten vor den symbolischen Gräbern einen Blumenkranz nieder und forderten von der Fifa die unverzügliche Verbesserung der Arbeitsverhältnisse in Katar. Damit die Menschenrechte bei der Vorbereitung und Austragung von FussballWeltmeisterschaften nicht mehr missachtet werden, fordert Solidar Suisse von der Fifa einen Nachhaltigkeitskodex. Unterzeichnen Sie die Petition: www.solidar.ch/fifa

Benzol ist hochgiftig und krebserregend. In Europa nur beschränkt einsetzbar, findet es in China als Lösungsmittel breite Anwendung – meist ohne dass die ArbeiterInnen mit entsprechender Schutzbekleidung ausgestattet werden. Millionen ChinesInnen sind den tödlichen Benzoldämpfen ausgesetzt, ohne es zu wissen. Die Solidar-Partnerorganisation Labour Action China (LAC) betreibt in Guangzhou und Chenhdu zwei Anlaufstellen, in denen Menschen gesundheitliche und rechtliche Beratung finden. So zum Beispiel die 38-jährige Ding Ding, die mehrere Jahre lang in einer Spielzeugfabrik für die Verwaltung der Chemikalien zuständig war. Sie hatte es mit über

Bald Zwangsarbeit auf WMBaustellen in Russland? Auch in Russland spitzt sich die Lage auf den Baustellen für die Fussball-WM 2018 zu. Bereits im Sommer 2013 hat die Duma ein Fifa-Gesetz verabschiedet, das gegen die russische Verfassung und die europäische Sozialcharta verstösst. Es legt fest, dass Arbeitgebende längere Arbeitszeiten verordnen können und nicht mehr verpflichtet sind, wie gesetzlich vorgeschrieben Überstunden, Wochenend- und Schichtarbeit auszuzahlen. Da wegen der Wirtschaftskrise in Russland das Budget für die WM gekürzt wurde, greifen Baufirmen vermehrt auf WanderarbeiterInnen zurück. Diese

Pakistan: Aktion gegen Fabrikabwässer Mitte November 2014 protestierten im pakistanischen Muzaffargarh über hundert Menschen vor der Zuckerfabrik Fatima Sugar Mill gegen das Ablassen von ungeklärtem Abwasser in die Umwelt. Denn mehrere Kinder und ältere Menschen in der Umgebung waren deswegen krank geworden. Das von Solidar unterstützte Dorfentwicklungs-

800 verschiedenen Chemikalien zu tun, darunter 30 benzolhaltige, ohne über deren Gefahren informiert zu sein. LAC unterstützte sie, damit ihre LeukämieErkrankung als arbeitsbedingt anerkannt wurde und sie die Übernahme der Behandlungskosten von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin fordern konnte. www.solidar.ch/china

müssen bei bis zu minus 15 Grad arbeiten, und ihre Löhne werden immer wieder nicht oder nur teilweise ausbezahlt. Wehren können sie sich kaum, weil die ArbeitgeberInnen keine Arbeitsbewilligungen ausstellen oder die Identitätspapiere einbehalten. 70 bis 80 Prozent der ausländischen ArbeiterInnen auf den Stadionbaustellen haben keine Verträge und werden so in die Illegalität gezwungen. Bereits sind fünf Arbeiter gestorben. Den vorläufigen Tiefpunkt der Einschränkung von Arbeitsrechten bildete ein Vorstoss in der Duma Ende Mai, der vorschlug, auf den WM-Baustellen Häftlinge einzusetzen. www.solidar.ch/wm-russland

komitee hatte eine Untersuchung der Krankheitsfälle veranlasst und organisierte das Sit-in vor der Fabrik.


STANDPUNKT 13

INTERNATIONALES ABKOMMEN BEDROHT DEMOKRATIE Warum das DienstleistungshandelsAbkommen TISA den Service public in Nord und Süd gefährdet. Text: Peter Niggli

von den Regierungen verlangt, künftige Entwicklungen inklusive neuer Dienstleistungsformen schon heute zu kennen, auch wenn sie erst in zwanzig, dreissig Jahren entstehen. 2. In einer allgemeinen Sperrklausel wird TISA festlegen, dass die Länder Marktöffnungen nie mehr zurücknehmen können. Damit engen die Regierungen den künftigen Spielraum ihrer Länder mutwillig ein. Nehmen wir das Beispiel Wasserversorgung: Deutschland und Frankreich haben TISA legt fest, dass Marktseit den 1990er Jahren ihre kommunale Wasseröffnungen nie mehr zurückversorgungen privaten genommen werden können. Wasserkonzernen übergeben. Diese besitzen auch weltweit operierende WasserverHeute verhandeln die gleichen Länder hinter verschlossenen Türen über ein sorgungskonzerne, haben also ein Invölkerrechtlich bindendes Dienstleis- teresse daran, die Wasserversorgung tungshandels-Abkommen (TISA), das anderer Länder für private Unternehmen verschiedene Wirtschaftszweige betrifft, zu öffnen. Gleichzeitig gibt es in beiden auch die «entstaatlichten», und eine Ländern Bewegungen gegen die Waskünftige politische Korrektur der Privati- serprivatisierung, die in einigen Städten sierung stark erschweren würde. Im sogar eine Re-Kommunalisierung durchVergleich zum geltenden Dienstleis- setzen konnten. TISA würde solche detungsabkommen der Welthandelsorgani- mokratisch gefällten Korrekturentscheide sation (WTO) fallen einige Neuerungen künftig behindern. In der Schweiz verlangen Wirtschaftsverins Auge: 1. Im Rahmen von TISA müssen die bände und ihre Sprachrohr-ÖkonomInStaaten neu die Bereiche explizit auf- nen periodisch ebenfalls Privatisierunzählen, die sie ausländischen Anbietern gen, bislang ziemlich erfolglos. Nach dem nicht öffnen wollen. Alle anderen stehen Frankenentscheid wärmten führende diesen automatisch offen. Damit wird BankenvertreterInnen die alten FordeViele westliche Länder haben in den vergangenen 30 Jahren Dienstleistungen von öffentlichem Interesse «entstaatlicht» und privaten Anbietern aus dem In- und Ausland überlassen – von Wasser über Elektrizität und Telekommunikation bis zu Post und Eisenbahn. Daraus sind einige multinationale Konzerne entstanden, die solche Dienstleistungen auch in Entwicklungsländern anbieten. All dies war und ist in Nord und Süd stark umstritten.

rungen wieder auf. Das Staatssekretariat für Wirtschaft sagt, es wolle den schweizerischen Service public von TISA ausnehmen. Aber es verhandelt in einzelnen Fällen verbindliche Regelungen für Dienstleistungsbereiche wie Energie, Post, öffentliche Beschaffungen oder Umweltdienstleistungen wie die Müllabfuhr oder Wasserentsorgung, die in der Schweiz in der Regel öffentlich sind. Deshalb ist in der Westschweiz eine breite Bewegung gegen TISA entstanden. Verschiedene Gemeinden erklärten sich «TISA-frei». Entsprechende Vorstösse sind in den Städten Bern, Basel und Zürich hängig. Auf nationaler Ebene versucht Alliance Sud zusammen mit dem VPOD, Politik und Öffentlichkeit für die Risiken von TISA zu sensibilisieren. Es geht darum, dass die Demokratie der Zukunft über elementare Funktionen des Staates entscheiden kann und nicht nur über gesellschaftliche Fragen wie die Ehe für Lesben und Schwule oder Burkaverbote. Peter Niggli war von 1998 bis Ende Juli dieses Jahres Geschäftsleiter von Alliance Sud, deren Partnerorganisation Solidar Suisse ist. Der ausgewiesene Kenner der Entwicklungszusammenarbeit geht nun in den Ruhestand. Wir danken für die angenehme Zusammenarbeit und wünschen ihm alles Gute!


14 PINGPONG SOLIDAR-SUDOKU 8

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Spielregeln Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3x3-Blöcke nur einmal vorkommen. Das Lösungswort ergibt sich aus den schraffierten Feldern waagrecht fortlaufend, nach folgendem Schlüssel: 1= R 2=K 3=I 4=T 5=N 6=E 7=S 8=W 9=A Schicken Sie das Lösungswort an Solidar Suisse – mit einer Postkarte oder per E-Mail an: kontakt@solidar.ch, Betreff «Rätsel». 1. bis 3. Preis Drahttiere aus Moçambique

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Lösungswort

Einsendeschluss ist der 21. September 2015. Die Namen der GewinnerInnen werden in der Solidarität 4/2015 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende von Solidar Suisse. Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 2/2015 lautete «Kolonialismus». Klaus Küderli aus Greifensee hat einen Wäschekorb und Claudia Frick aus Lausanne eine Tasche gewonnen. Wir danken den PalmyraProduzentInnen aus Sri Lanka Solidar für die Preise und den Mitspielenden für die Teilnahme.

14. Lauf gegen Rassismus Am 27. September 2015 findet in der Zürcher Bäckeranlage der 14. Lauf gegen Rassismus statt, der seit 1997 ein Zeichen der Solidarität mit MigrantInnen in der Schweiz setzt. Leider sind Rassismus und Ausgrenzung noch immer eine Realität, der wir uns stellen müssen. Das hat nicht zuletzt der Abstimmungserfolg der Volksinitiative gegen «Masseneinwanderung» gezeigt. Auch die Lage an der europäischen Aussengrenze spitzt sich dramatisch zu. Fast täglich ertrinken Menschen, die versuchen, in die Festung Europa zu gelangen. Im letzten Jahr verloren mindestens 3400 Flüchtende so ihr Leben.

Jede und jeder kann am Lauf gegen Rassismus teilnehmen und sich die gelaufenen Runden von FreundInnen und Verwandten sponsern lassen. Die Einnahmen kommen vollumfänglich nichtstaatlichen Organisationen zugute, die MigrantInnen unabhängig vom Aufenthaltsstatus unterstützen: die SansPapiers-Anlaufstelle Zürich, die Cucina Salsah des SAH Zürich, die Autonome Schule Zürich, die Freiplatzaktion Zürich und SOS Rassismus und Diskriminierung. Infos und Anmeldung: www.laufgegenrassismus.ch


KULTURELL 15

REVOLUTION IM LAND DER AUFRECHTEN Ein Schweizer Film entreisst den charismatischen Thomas Sankara, Präsident von Burkina Faso zwischen 1983 und 1987, dem Vergessen. Text: Katja Schurter, Foto: cineworx Thomas Sankara kennt in Europa heute kaum mehr jemand. Der ehemalige Revolutionsführer und Präsident von Burkina Faso wurde, aus Absicht oder Ignoranz, schon bald nach seinem gewaltsamen Tod totgeschwiegen. Der Westschweizer Regisseur Christophe Cupelin lüftet nun den Schleier des Vergessens. Sein Dokumentarfilm «Capitaine Thomas Sankara» beruht gänzlich auf Archivmaterial. Ein Glück, denn nichts könnte die Aufbruchstimmung besser vermitteln, die Sankara im ehemaligen Obervolta verbreitete, das er in Burkina Faso – Land der Aufrechten – umbenannte. Auch die ehemalige Kolonialmacht Frankreich und andere westliche Länder blieben davon nicht verschont. Gegen die ethnozentrische Realität Wir sehen, wie Sankara – meist im militärischen Kampfanzug – Sprechchöre anführt, die von den Anwesenden begeistert

digt: Diese seien Treffpunkte der Bourgeoisie («eine Cola kostet sechs Monatsgehälter»), in Zukunft würden stattdessen Volksbälle organisiert, die sich alle leisten könnten. Wir sehen ihn mit Gaddafi, der von Sankaras Revolution angetan war, zumindest bis zu Sankaras unverschämtem Versuch, eine libysche Boeing in Ouagadougou zu kapern, der jedoch scheiterte in Ermangelung burkinischer Piloten, die ein solches Flugzeug hätten fliegen können. Wir sehen ihn die Schaffung eines revolutionären Volksgerichts verkünden, das korrupte BeamtInnen und Präsidenten verurteilen sollte, inklusive Rückzahlung des gestohlenen Geldes. Vom besten Freund ermordet? Der Film zeichnet das Bild eines querdenkenden, scharfzüngigen Kämpfers, der mit unkonventionellen Methoden Burkina Faso und die Welt verändern wollte. Für seine Revolution blieben Sankara jedoch nur vier Jahre, denn er machte sich mit seiner Politik bei vielen unbeliebt. Die Konstruktion des Films bringt es mit sich, dass Sankaras autoritäre Züge nur am Rande aufscheinen – auch er war durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen. Am 15. Oktober 1987 wurde Thomas Sankara unter offiziell ungeklärten Umständen umgebracht, höchstwahrscheinlich durch den Staatsstreich seines Freundes und Weggefährten Blaise Com-

mit «à bas – nieder mit» quittiert werden: Nieder mit reaktionären Ehemännern, korrupten Beamten, dem Imperialismus … Wir sehen ihn auf dem Fahrrad, an der Gitarre oder beim Moskaubesuch, wo er die erwartete Begeisterung für die Raumfahrt zeigt – und gleich «Man erreicht keine zwei Plätze für Burkinabè in der Raumkapsel fordert. Wir Veränderung ohne ein sehen ihn Bäume pflanzen Minimum an Wahnsinn.» oder den Pflichttag für Männer am Markt verkünden – wenn sie essen wollen, sollen sie auch einkau- paoré. Dieser war daraufhin 28 Jahre lang fen gehen. Wir sehen ihn, wie er – diesmal Präsident von Burkina Faso – bis er letzin himmelblauer Galauniform – Präsident tes Jahr wegen Unruhen in der BevölkeMitterand, der sich sichtlich unbehaglich rung zurücktreten musste. fühlt, die Leviten liest. Wir sehen ihn, wie er internationale Hilfe zurückweist, weil «Capitaine Thomas Sankara» wird am 20., sie die Bettelmentalität fördere und eine 23. und 24. August im Cinema Meiringen Form des Neokolonialismus sei («Wer uns gezeigt und ist ab Anfang September als ernährt, zwingt uns auch seinen Willen DVD erhältlich: www.cineworx.ch auf»), einen Schuldenerlass fordert oder Zur Arbeit von Solidar in Burkina Faso: die Schliessung aller Nachtclubs ankün- www.solidar.ch/burkinafaso


16 NOTIZEN Von informeller zu formeller Beschäftigung An ihrer 104. Jahreskonferenz verabschiedete die Internationale Arbeitsorganisation ILO Anfang Juni in Genf eine Empfehlung zum «Übergang von der informellen zur formellen Wirtschaft». Es ist eine «Wegleitung», die aufzeigt, mit welchen Massnahmen und Anreizen Menschen aus der informellen in eine formelle Beschäftigung überführt werden können: zum Beispiel durch die Einführung von Minimallöhnen oder den Zugang zu Sozialversicherungssystemen. Des Weiteren wird empfohlen, bei öffentlichen Ausschreibungen informelle KMUs und Kooperativen zu berücksichtigen. Denn über 50 Prozent der weltweit Beschäftigten haben keine soziale Absi-

Burkina Faso: Zehn Jahre interkultureller Austausch Seit zehn Jahren engagieren sich Solidar Suisse und die Pädagogische Hochschule des Kantons Waadt (HEP) in einem interkulturellen Austausch zwischen der Schweiz und Burkina Faso. Zukünftige

Veranstaltung von Solidar Suisse Genève Am 16. Juni 2015 fand in Genf die erste Veranstaltung von Solidar Suisse Genève statt, an der Martín Perez, SolidarLandeskoordinator in Bolivien, das Projekt LanzArte vorstellte. LanzArte bietet Jugendlichen die Gelegenheit, mit Theater und Film ihre Anliegen auszudrücken. So gewinnen sie Selbstvertrauen, setzen sich mit ihrem Platz in der Gesellschaft auseinander und finden kreative Lösungen für soziale Probleme. www.solidar.ch/lanzarte

cherung oder keinen rechtlichen Schutz. Am Rande der ILO-Konferenz nahm Solidar Suisse an einem Runden Tisch zum Thema «Faire Arbeit und sozialer Schutz für alle» des europäischen Netzwerks Solidar teil. Dieser machte darauf aufmerksam, dass soziale Sicherheit in den Ländern des Südens eines der wirksamsten Mittel für Entwicklung ist.

LehrerInnen können mit diesem Programm nach Burkina Faso reisen, wo ihnen die Methode der mehrsprachigen Bildung vorgestellt wird – eine Notwendigkeit in einem Land, wo nur ein kleiner Teil der Bevölkerung neben ihrer Muttersprache auch Französisch spricht. Im Gegenzug erhalten burkinische LehrerInnen Einblick in den Schweizer Schulalltag. Zur Feier des Zehnjahres-Jubiläums empfing die HEP Anfang Mai eine burkinische Delegation aus Mitgliedern des burkinischen Bildungsministeriums und Mitarbeitender des Koordinationsbüros von Solidar Suisse. www.solidar.ch/burkinafaso

Sri Lanka: Kriegsopfer werden Unternehmerinnen Am 22. Juni 2015 haben 21 Frauen in Nakulam eine Raststätte eröffnet, etwa 300 Kilometer nördlich von Colombo in einem der konfliktreichsten Gebiete Sri Lankas. Für die Frauen, die nach dem Ende des Bürgerkriegs vor dem Nichts standen, bedeutete dies den Startschuss für ein unabhängiges und sicheres Leben. Insgesamt profitieren 50 Frauen als Teilhaberinnen oder Mitarbeiterinnen direkt von der Raststätte, die mit Unterstützung von Solidar und Partnerorganisationen aufgebaut wurde. Sie bietet den Reisenden eine Snackbar mit regionalem Essen und Getränken, Verkaufsstände für handwerkliche Produkte und Toiletten. 30 DorfbewohnerInnen stellen die angebotene Ware – Honig, getrockneten Fisch, Körbe aus Palmblättern etc. – her und erhalten so die Gelegenheit, ihre Produkte zu verkaufen und deren Nachfrage zu steigern. www.solidar.ch/news

Solidar-Konferenz Anfang Juni fand in Rüschlikon die zweijährliche Solidar-Konferenz statt, die heuer ganz unter dem Zeichen der neuen Strategie von Solidar Suisse stand. Die LandeskoordinatorInnen und die Schweizer MitarbeiterInnen diskutierten gemeinsam die Neuerungen, die sich daraus ergeben: zum Beispiel der Ausbau des Schwerpunktes faire Arbeit, eine verstärkte Wirkungsorientierung und die attraktivere Gestaltung der Kommunikation unserer Arbeit. Ausserdem bot die Konferenz Gelegenheit, um sich kennen zu lernen, auszutauschen und über die Grenzen hinweg zu vernetzen.


AKTUELL 17 Vom Erdbeben Betroffene erhalten lebensnotwendige Güter.

«WIE SOLL ES WEITERGEHEN?» Das Erdbeben in Nepal hat massive Zerstörungen angerichtet. Solidar wurde innert Stunden aktiv, um die Not der Betroffenen zu lindern. Text: Felix Gnehm, Fotos: Andrea Barrueto Am 25. April um 11.56 Uhr explodierte in Nepal eine Zeitbombe: Die Erde bebte in gigantischem Ausmass. Zurück blieben immense Schäden und unermessliches Leid. Mehr als 8700 Tote, über 21 000 Verletzte, fast eine halbe Million komplett zerstörte Häuser. Schon länger hatten ForscherInnen und humanitäre Organisationen vor der «seismischen Lücke» im Kathmandutal gewarnt. Denn grössere Beben, in denen sich die Spannung durch den Druck der indischen Kontinentalplatte entlädt, sind in den letzten Jahren ausgeblieben. Kommt hinzu, dass Kathmandu wörtlich auf Sand gebaut ist. Kooperation für schnelle Hilfe Solidar Suisse entschied am Tag nach dem Beben, einen humanitären Experten nach Nepal zu schicken, um abzuklären, ob und wie wir helfen können. Für einen solchen Entscheid berücksichtigen wir drei Aspekte:

1. Wie viele Menschen sind von der Katastrophe betroffen? Wie gross sind die Schäden? 2. Erlaubt der Kontext eine humanitäre Operation? Ruft die Regierung zu internationaler Unterstützung auf? Mit welchen Risiken ist zu rechnen? 3. Kann Solidar einen Mehrwert bieten? Ist unser fachliches Know-how gefragt? Haben wir Partner vor Ort? Können wir auf finanzielle Unterstützung zählen? Im Falle von Nepal stand für Solidar ausser Frage, dass alle Kriterien erfüllt waren. Wir entschieden uns, Nothilfe und Wiederaufbau gemeinsam mit anderen Organisationen aufzugleisen. Mit Helvetas Swiss Intercooperation, seit vielen Jahren in Nepal aktiv, fanden wir den richtigen Partner dafür. Im Nu organisierten die ortskundigen Helvetas-MitarbeiterInnen und die humanitären Profis von Solidar Suisse die dringend nötige Hilfe für 7500 Haushalte in den massiv zerstörten Bergdörfern von Sindhupalchok.

Verteilt wurden Material für Notunterkünfte, Hygieneartikel und Saatgut. Die Geschichten hinter den Zahlen In den vergangenen Wochen sprachen wir mit unseren MitarbeiterInnen jedoch nicht nur über Zahlen und Fakten. Ein lokaler Mitarbeiter erzählte uns die berührende Geschichte eines Vaters. Er sass lethargisch am Strassenrand, neben ihm seine zwei Söhne. «Als es anfing zu schütteln, wurden ich und mein jüngster Sohn ein Stockwerk hinuntergeschleudert. Wir klammerten uns aneinander und beteten, dass der Albtraum bald aufhört. Nachdem sich die Erde endlich beruhigt hatte, suchten wir nach Überlebenden. Meine Frau fanden wir schnell, ohne ein Lebenszeichen. Einen meiner Söhne entdeckten wir erst nach acht Tagen, auch er war tot. In meiner Familie starben neun Menschen. Jetzt wohnen wir in einer behelfsmässigen Notunterkunft. Wie soll es weitergehen, wovon werden wir leben, wo unser Haus wieder aufbauen?» Mit solch tragischen Situationen konfrontiert zu sein, ist sehr belastend. Unsere MitarbeiterInnen werden deshalb gut auf ihre Einsätze vorbereitet und dabei unterstützt, ihre Erlebnisse zu bewältigen. Der verzweifelte Vater liess uns nicht mehr los – und machte uns immer wieder bewusst, warum wir nicht tatenlos zuschauen wollten. www.solidar.ch/nepal Felix Gnehm ist Leiter Internationale Programme bei Solidar Suisse.


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DIE FRAUEN SIND EINE QUELLE DER INSPIRATION

Die neue Solidar-Länderkoordinatorin Thusitha Pilapitiya möchte in Sri Lanka einiges bewegen. Text: Katja Schurter, Foto: Andreas Schwaiger


EINBLICK 19 rInnen und ArbeitsmigrantInnen zwei der verletzlichsten Gruppen in Sri Lanka unterstützt, motivierte mich zusätzlich.»

Thusitha Pilapitiya will dafür sorgen, dass sich Frauen in Entscheidungsprozesse einbringen können.

«Ich habe mich fast aus Versehen beworben», sagt Thusitha Pilapitiya auf die Frage nach ihrer Motivation, für Solidar zu arbeiten, und lacht ihr herzliches Lachen. «Nach längerem Auslandsaufenthalt wollte ich nach Sri Lanka zurückkehren. Meine drei Kinder im Alter zwischen 27 und 34 sind mittlerweile ausgezogen, und als ich mich im März auf die Hochzeit meines Sohnes in Dallas vorbereitete, las ich die Ausschreibung von Solidar. Toll dachte ich: eine Schweizer NGO, Arbeitsrechte, und das im Norden Sri Lankas. Ich bewarb mich.» Denn als Juristin sind Thusitha Pilapitiya die Arbeitsrechte wichtig, und sie hat vor und während des Kriegs im Norden Sri Lankas gearbeitet. «Das überzeugende Programm von Solidar, das mit Teepflücke-

Erfahrung in Nachkriegssituationen Während zehn Jahren hatte die Sri Lankerin in verschiedenen Ländern zum Aufbau demokratischer Strukturen beigetragen, häufig in Nachkriegssituationen: In Afghanistan beteiligte sie sich am Aufbau des Parlaments nach dreissig Jahren Krieg, im Sudan an der Organisation des Unabhängigkeitsreferendums, in Malawi an der Bekämpfung der Korruption. Nach ihrer Bewerbung ging alles ganz schnell. Am 1. Mai kam Thusitha Pilapitiya nach Sri Lanka zurück, am 5. Mai begann sie zu arbeiten. Und war beeindruckt von der Geschwindigkeit, mit der die Infrastruktur nach dem Ende des Kriegs wieder aufgebaut worden war, und von den grossen Veränderungen im Land. «Bei meinem ersten Besuch im Norden begeisterte mich, wie lebendig und hoffnungsvoll die Frauen waren. Ich hatte erwartet, sie sehr traumatisiert vorzufinden, da sie besonders unter dem Krieg zu leiden hatten. Doch sie schienen unabhängiger und waren eine wahre Quelle der Inspiration. Generell sind die Menschen weniger unter Druck, da die Repression abgenommen hat und sie sich freier bewegen und ausdrücken können.»

Einkommen – aber nur, weil es einige extrem Reiche gibt und der Graben zwischen Arm und Reich wächst. Ich möchte die Armen reicher machen und die Solidarität fördern.» Deshalb setzt sie sich für die Rechte der ArbeiterInnen ein und will ihre Erfahrungen nutzen, um die Politik zu beeinflussen. Auswirkungen von Frauenmigration Frauen brauchen spezielle Unterstützung, um Selbstvertrauen zu gewinnen. «Sie haben eine enorme Rolle im Arbeitsmarkt zu spielen», betont Thusitha Pilapitiya mit einer Energie, der man sich schwer entziehen kann. Denn wenn Frauen in Sri Lanka keine Perspektive erhalten, müssen sie im Ausland Arbeit suchen. Das bringt neue Probleme, wie eine Studie zu den psychosozialen Auswirkungen von Frauenmigration auf deren Kinder zeigt: Die Geschlechterrollen sind in Sri Lanka nach wie vor sehr traditionell verteilt. Fehlt die Mutter, werden die Kinder häufig unzureichend betreut, nicht zum Schulbesuch angehalten oder sexuell ausgebeutet. Viele Männer vertrinken das geschickte Geld, und wenn die Frauen aus dem Ausland zurückkehren – wo sie oft ebenfalls Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt waren – finden sie ihre Familien in einer schlechteren Situation vor als zuvor. Solidar informiert künftige MigrantInnen darüber, was sie erwartet (siehe auch Solidarität 4/2014), doch es braucht auch staatliche Beratungs- und Behandlungsstrukturen. Thusitha Pilapitiyas Hauptanliegen ist die Stärkung der Frauen: «Viele versuchen der klassischen Frauenrolle zu entsprechen, obwohl sie alleine für ihre Familie aufkommen. Wir fördern ihre Fähigkeiten – entgegen dem herrschenden Stereotyp, dass sie nur Mütter, jedoch nicht Entscheidungträgerinnen sein können. Längerfristig kann dies die Gesellschaft verändern.» www.solidar.ch/srilanka

«Ich möchte die Armen reicher machen und die Solidarität fördern.»

Vom Wiederaufbau zur Partizipation Dies ist eine gute Voraussetzung, um nun, nach dem Wiederaufbau und der Existenzsicherung, die Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungen zu fördern. «Ich möchte die Basisorganisationen stärken, mit denen Solidar im Bereich der Arbeitsrechte zusammenarbeitet, damit sie sich an den offiziellen Partizipationsstrukturen beteiligen können», meint die Spezialistin in guter Regierungsführung. Wichtig ist ihr auch die Bekämpfung der Armut: «Sri Lanka ist inzwischen ein Land mit mittlerem


NACHHALTIGKEITSKODEX FÜR DIE FIFA Nach wie vor werden bei der Vorbereitung und Austragung von FussballWeltmeisterschaften die Menschenrechte missachtet. Deswegen fordert Solidar Suisse von der Fifa einen Nachhaltigkeitskodex mit folgenden Punkten: 1. Verschärfung der Anforderungen bei den Bewerbungen 2. Definition sozialer Kriterien für die Vergabe der WM 3. Anpassung der Verträge mit den Austragungsstaaten 4. Einführung von Kontroll- und Sanktionsmechanismen Unterzeichnen Sie die Petition für eine faire WM: www.solidar.ch/fifa


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