Solidarität 1/2015

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Ausgabe Februar 1/2015

THEMA Mit Medien mobilisieren PAKISTAN Frauen verschaffen sich PAKISTAN Respekt

Das Magazin von


2 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Das Thema Medien bewegt. In der Schweiz sprechen wir von einer Monopolisierung der Medien durch wenige Verlagshäuser und dem damit verbundenen Risiko der medialen Manipulation sowie vom Gegentrend durch Social Media, die natürlich wiederum manipulativ eingesetzt werden können. Wir sprechen von medialer Schnelllebigkeit und bedauern die damit oftmals verbundene Oberflächlichkeit bei der Themenwahl und -aufbereitung, die dazu führt, dass beispielsweise das Solidar-Thema «Faire Arbeit» kaum in der erforderlichen Differenziert abgebildet werden kann.

unserer Länderprogramme ein wichtiges Instrument ist, sei es, um die Arbeitsrechte bekannt zu machen oder die Ansteckung mit HIV/Aids und die Gewalt gegen Frauen mittels Sensibilisierungsarbeit zu bekämpfen. Unsere Mitarbeitenden nutzen Radio, Social Media und andere Kanäle gekonnt, gezielt und mit einem hohen Bewusstsein.

Beim Schreiben dieses Editorials erreicht mich die Schreckensnachricht, dass in Paris zwölf Menschen beim Angriff auf die Redaktion des Satiremagazins «Charlie Hebdo» brutal von Terroristen getötet wurden. Dies macht traurig und wütend, unendlich wütend! Und es bestärkt mich In unseren Schwerpunktländern bewegt Esther Maurer darin, dass das Engagement für Mendas Thema Medien unter anderen VorDirektorin Solidar Suisse schenrechte und Demokratie auf der zeichen: An der Medienfreiheit misst sich ganzen Welt wichtig und zwingend ist die generelle Meinungsfreiheit, gewissermassen als «Nagelprobe der Demokratie». Und oftmals und vielleicht die wirkungsvollste Antwort überhaupt, um solche kommt den Medien ein wichtiger Aufklärungs- und Bildungs- Terrorakte künftig zu vermeiden. Esther Maurer auftrag zu. Das gilt besonders für das Radio, das in mehreren

MEDIENSCHAU

7.12.2014 Hilfswerke gegen Blocher Christoph Blochers SVP attackiert mit ihrer Initiative «Landesrecht vor Völkerrecht» einen Grundpfeiler der hiesigen Werteordnung. (…) Die wichtigsten Schweizer Hilfswerke sowie Verbände und Persönlichkeiten sagen dem rechtskonservativen Angriff den Kampf an. (…) «Menschenrechte sind Schweizer Rechte» nennt sich die Gruppierung. Ihre Stellungnahme ist klar: «Die Rechte der Zivilgesellschaft dürfen nicht durch die Politik geschwächt werden.» Man wolle mit der Kampagne «die Schweizer Errungenschaft der Ratifizierung der Menschenrechtskonvention bewahren». (…) Mit dabei sind Heks, Helvetas, Terre des Hommes (…) Solidar Suisse.

6.11.2014 Ein Jahr nach dem Taifun «Haiyan» (…) Beispielhaft für den Einsatz einer Reihe von Schweizer Hilfswerken, die sich infolge von «Haiyan» auf den Philippinen engagiert haben, ist, dass sie mehrheitlich abseits des Zentrums der Katastrophe aktiv waren und weiterhin sind, um in periphereren und oft schwer zugänglichen und medial vernachlässigten Gegenden die Folgen des Sturms bewältigen zu helfen. So hat sich etwa Solidar Suisse auf der abgelegenen Insel Panay in der Nothilfe betätigt und führt dort nun ein Programm zum Wiederaufbau von soliden Häusern durch. (…) In Manila ziehen auch kritische Geister eine positive Bilanz der Nothilfe während der ersten sechs Monate.

31.10.2014 Kreuzlingen beschafft sozialer Erfolg für die beiden SP-Gemeinderätinnen Charis Kuntzemüller und Nina Schläfli: Ab sofort müssen die von der Stadt Kreuzlingen beauftragten Unternehmen und Lieferanten ausserhalb der Schweiz und des EWR die Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einhalten und entsprechende Zertifikate vorlegen. (…) Die beiden Gemeinderätinnen begründeten das Postulat mit der Auswertung der Organisation Solidar Suisse, die in ihrem Bericht aus dem Jahr 2013 das Beschaffungswesen und die Leistungsvereinbarungen der Stadt Kreuzlingen aufgrund fehlender sozialer Nachhaltigkeit bemängelte.


3 THEMA Medien als Mittel der Entwicklungszusammenarbeit 4 Zu Besuch bei Radio Stereo Mulukukú in Nicaragua

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Bolivien: Im Jugendknast setzen sich die Insassen mittels Theater und Film mit ihrer Situation auseinander 8 Die Kunstfigur Doctora Edilicia berät die BürgerInnen Boliviens

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STANDPUNKT Die Journalistin Jasna Bastic zur Rolle der Medien während und nach dem 11 Krieg in Ex-Jugoslawien KULTURELL Die nicaraguanische Fernsehserie «Loma Verde» thematisiert aktuelle 12 soziale Probleme AKTUELL Solidar Suisse ist für die Qualität seiner Arbeit zertifiziert worden

THEMA Medien können zu Armutsbekämpfung, Partizipation und würdiger Arbeit beitragen. Beispiele aus der Arbeit von Solidar Suisse.

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In Pakistan bauen sich junge Frauen eine Existenz auf und verschaffen 15 sich Respekt EINBLICK Paul Ilboudo hat die zweisprachige Bildung in Burkina Faso initiiert. Eine Würdigung 18 KOLUMNE PINGPONG NOTIZEN

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15 AKTUELL Nach der Jahrhundertflut in Pakistan fassen die Betroffenen langsam wieder Tritt. Solidar unterstützt Frauen mit Weiterbildungen dabei, sich ein Einkommen zu erwirtschaften.

IMPRESSUM Herausgeber: Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E-Mail: kontakt@solidar.ch, www.solidar.ch, Postkonto 80-188-1 Mitglied des europäischen Netzwerks Solidar Redaktion: Katja Schurter (verantwortliche Redaktorin), Rosanna Clarelli, Eva Geel, Lionel Frei, Cyrill Rogger

Layout: Binkert Partner, www.binkertpartner.ch / Spinas Civil Voices Übersetzungen: Ursula Gaillard, Interserv SA Lausanne, Jean-François Zurbriggen Korrektorat: Jeannine Horni, Milena Hrdina Druck und Versand: Unionsdruckerei AG, Platz 8, 8201 Schaffhausen Erscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000

Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 70.–, Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr). Gedruckt auf umweltfreundlichem Recycling-Papier. Titelbild: Ein Junge liest auf der Strasse eines Slums von Lahore die Zeitung. Foto: Usman Ghani. Rückseite: Unterschreiben Sie die Petition für eine gerechte Klimapolitik. Foto: Spinas Civil Voices.


4 Eine Reporterin der nicaraguanischen LandarbeiterInnengewerkschaft ATC informiert die HörerInnen über ihre Arbeitsrechte.

MEDIEN Medien sind ein Mittel der Entwicklungszusammenarbeit. Sie können zum Beispiel zu Armutsbekämpfung, würdiger Arbeit und Partizipation beitragen. Auf den nächsten Seiten stellen wir Solidar-Projekte vor, die Menschen via Medien über ihre Rechte informieren und den Benachteiligten eine Stimme geben. Sei es über das in verschiedenen Ländern nach wie vor am meisten verbreitete Medium Radio, per Online-Beratung oder mit einer Telenovela, die Gewalt gegen Frauen thematisiert. Dass Medien gerade auch in Umbruchzeiten nicht nur eine positive Rolle spielen, zeigt das Beispiel Ex-Jugoslawien. Foto: Désirée Good


THEMA

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6 BIS IN DEN HINTERSTEN WINKEL Community-Radio öffnet der ländlichen Bevölkerung in Nicaragua eine Türe zur Welt. Engagierte Frauen und Männer beleuchten aktuelle Themen und klären über Rechte auf. Text: Veronica Pfranger, Fotos: albafilms und Veronica Pfranger Fröhliche Musik erklingt aus dem kleinen Bauernhof, der im hügeligen Norden Nicaraguas liegt. Dann die Ansage: «Hier sind wir wieder und laden euch ein, eine ‹Stunde für die Frau› mit uns zu teilen ...» Die Stimme gehört Jazmina Jarquín, Sprecherin von Radio Stereo Mulukukú, das bis in diesen versteckten Bauernhof empfangen wird. Im kleinen, aber gut eingerichteten Studio des Radios, das in der Gemeinde Mulukukú vom FrauenNetzwerk Ana Lucila betrieben wird, empfangen uns Jazmina Jarquín und Norma Valdéz. Die zwei jungen Frauen bereiten die nächste «Stunde für die Frau» vor. Eine halbe Stunde später sind sie auf Sendung, und es dauert keine fünf Minuten, bis das Telefon im Studio das erste Mal blinkt. «Könntet ihr die Sendung nicht am Vormittag ausstrahlen»,

fragt die Frau am anderen Ende. «Ich möchte eure Ratschläge zur Gesundheitsvorsorge unbedingt weiterverfolgen, aber mein Mann versteckt das Radio, damit ich mir diese ‹unanständigen, wertlosen› Dinge nicht anhören kann. Und am Morgen ist er auf dem Feld.» Diesem Wunsch kann Jazmina Jarquín nicht entsprechen, stattdessen diskutiert sie mit der Frau, wie sie die Sendung trotzdem weiter hören und vielleicht sogar bei ihrem Mann Interesse fürs Radio wecken könnte. Fasziniert beobachten wir, wie kompetent und konstruktiv Jazmina die Fragen von HörerInnen beantwortet. Bereits als Mädchen träumte sie davon, Radioreporterin zu werden. «Ich wünschte mir, die Stimme derjenigen zu sein, die ihre Gedanken und Nöte aus Scheu nicht selber vorbringen können, sich aber über

Jazmina Jarquín am Mikrofon im Studio von Radio Stereo Mulukukú.

das anonyme Radio Gehör verschaffen wollen.» Bildung und Sensibilisierung Vor allem in abgelegenen Gebieten, wo die Menschen noch auf offenem Feuer kochen und ihre Häuser mit Öllampen beleuchten, ist das Radio eine wichtige Verbindung zur «weiten Welt». Fast jede Bäuerin, jeder Bauer hört während der täglichen Arbeit Radio. Aber auch in den Dörfern ist und bleibt es das meistgenutzte Kommunikationsmittel. Deshalb setzen engagierte Frauen und Männer das Radio ein, um mit ihren Kampagnen die BewohnerInnen entlegener Gebiete zu erreichen. So ist dieses Medium in Waslala, La Dalia, Mulukukú und vielen anderen Orten, in denen Solidar Suisse tätig ist, ein fester Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit.


THEMA 7 Norma Valdéz, Arelis Gaitán Arauz, Lucía Herrera, und Jazmina Jarquín möchten mit ihren Sendungen die Situation der Frauen verbessern.

schaftlichen Produktionsmethoden. Um Jingles, die Ana Lucila in eigener Sache die Sensibilisierung zu unterstützen, wer- ausstrahlt, und die meist ein besonders den auch bei der Musikwahl vulgäre oder gutes Echo erhalten: «La basura en su gewaltverherrlichende Songtexte be- lugar y la violencia a la basura» – «Müll wusst vermieden. «Wichtig ist, dass auch gehört in die Tonne, Gewalt gehört in den Männer mitarbeiten», betont Norma Müll». Besonders beliebt sind SendunValdéz. «So hört das männliche Publikum gen mit aktiver Beteiligung der HörerInbei Tabuthemen, über die Männer «Ich möchte die Stimme sonst nicht diskuderjenigen sein, die tieren, wenigstens zu, ohne sich daihre Gedanken und Nöte nicht rüber lustig zu selber vorbringen können.» machen, weil eine Frau sie aufklären will.» In den Community-Radiosendern nen, ob nun per Telefon oder als Studioarbeiten deshalb gemischte Teams, die gästInnen. Oft erfahren die Radioschaffenden auch über andere Wege, dass sich die Themen aufteilen. ihre Sendungen gehört und Ratschläge befolgt werden. So erklärte eine missBeteiligung der HörerInnen Lucía Herrera, Radiomacherin aus La handelte Frau, die bei der Polizei Anzeige Dalia, spielt uns eine der «Cuñas» vor – erstattete, dass sie diesen Schritt nur gewagt habe, weil ihr eine Radiosendung zum Thema Mut gemacht hatte. «Solche Rückmeldungen und die vielen Anrufe Radioprojekte von Solidar Suisse der Hörenden motivieren uns sehr», freut sich Lucía Herrera, die auch persönlich Verschiedene Solidar-Projekte leisten über Radiosendungen Sensibilisierungsvon ihrem Radioengagement profitiert. arbeit. So informieren neben Radio Stereo Mulukukú (siehe Artikel) die Gewerk«Ich habe weniger Angst, Themen anzuschaften der Hausangestellten und der ZuckerrohrschneiderInnen in Bolivien, die sprechen, die mir wichtig sind, und auch Gewerkschaften des Service public in El Salvador oder das Africa Labour Media meine Familie wird durch mein Verhalten Project (ALMP) im südlichen Afrika die HörerInnen über ihre Arbeitsrechte. ALMP sensibilisiert.» produziert in zehn Ländern des südlichen Afrikas wöchentliche Sendungen zu www.solidar.ch/nicaragua_projekte einer breiten Palette von Themen, die ArbeiterInnen betreffen, wie Mindestlöhne, multinationale Unternehmen in Afrika, Klimawandel oder HIV/Aids. www.solidar.ch/ALMP

«Ich habe mich einfach ans Mikrophon gesetzt und von den letzten Workshops erzählt oder aus dem Bulletin von Ana Lucila vorgelesen», erinnert sich Norma Valdéz an den Beginn ihrer Radiotätigkeit. Später wurde die technische und journalistische Weiterbildung ein fester Bestandteil des Projekts. Heute bieten die Radiostationen eine grosse Auswahl an Bildungsprogrammen, abgestimmt auf Alter, Geschlecht oder Beschäftigung. Besondere Beachtung schenken die Radioschaffenden dem Umfeld, in dem die HörerInnen leben. «Ob die Botschaft ankommt, hängt auch davon ab, dass wir ihre Sprache sprechen», weiss Norma Valdéz. Die Themenpalette der Beiträge reicht von Gewaltprävention, Sexualität und Gleichberechtigung über Bürgerrechte und -pflichten, Arbeitsrecht und Umweltschutz bis zu verbesserten landwirt-


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In einem Workshop von LanzArte entwickeln Jugendliche ihr eigenes Theaterstück.

JEDES GEFÄNGNIS HAT SEIN FENSTER Hinter den Mauern des Gefängnisses Fortaleza in Bolivien gibt Solidar Suisse jungen Menschen die Möglichkeit, sich künstlerisch auszudrücken und so Anerkennung zu erhalten. Text: Stéphane Cusin, Fotos: Désirée Good und Stéphane Cusin Das Centro Fortaleza San Guillermo de Malavalle in Santa Cruz in Bolivien ist kein gemütlicher Ort: In spartanischen Zellen mit jeweils fünf Betten sitzen 14- bis 16-jährige Jungen ein, häufig für mehrere Jahre. Durchschnittlich verbringen die Insassen des Jugendgefängnisses zwei Jahre im Centro Fortaleza, auf einem Areal, das von einer hohen Mauer umgeben ist und auf dem mehrere Pavillons aus rotem Backstein einen Komplex bilden. Die jungen Gefangenen werden hier auch auf das Leben nach der Haft vorbereitet: Sie besuchen die Schule und berufsvorbereitende Kurse, zum Beispiel für Informatik oder Elektrotechnik. Auch Hausarbeiten und Kochen gehören zu ihren Aufgaben. Psychologisch jedoch werden sie kaum betreut. Das Solidar-Projekt LanzArte (siehe Kasten) möchte dazu beitragen,

dass die jungen Leute mit den eigenen schlimmen Erfahrungen umzugehen lernen, um nach dem Gefängnis die Chance für ein neues Leben ergreifen zu können.

Erfahrung im Leben dieser Jungen zu sein. Und was denkt Chico über sie? «Das sind junge Menschen mit grossem Potenzial und viel Energie. Es gibt zwar Tage, an denen ich sie aus ihren Zellen holen und sie davon überzeugen muss, am Workshop mitzumachen. Aber sie alle verdienen es, dass ich mich für sie einsetze.»

Theater- und Filmproduktionen In Fortaleza bietet LanzArte den Jugendlichen die Möglichkeit, unterstützt von Regisseuren und Filmemacherinnen ihre eigenen Produktionen auf die Beine zu stellen. Einer «Das sind junge Menschen der Theaterpädagogen ist Chico: ein Mann in den mit grossem Potenzial und 60ern mit weissem Bart viel Energie.» und kleiner Brille. Die Jugendlichen mögen ihn: «Er ist toll! Er ermutigt uns, hört uns zu und Aus dem Leben gegriffen vertraut uns. Bei ihm lernen wir, Ge- Heute ist ein besonderer Tag in Fortaleschichten zu schreiben, Rollen zu inter- za. Die Jugendlichen präsentieren ihren pretieren, Filme zu drehen.» Das ist für Mitgefangenen die Früchte ihrer künstlesie neu – Respekt scheint keine übliche rischen Arbeit. Vier von ihnen spielen


KOLUMNE

THEMA 9

LanzArte LanzArte gibt Jugendlichen die Möglichkeit, mit Theater, Tanz oder Filmproduktionen aus ihrem alltäglichen Leben zu erzählen. Das Projekt, das vor acht Jahren ins Leben gerufen wurde, hat unterdessen eine grosse Ausweitung erfahren – von La Paz über Santa Cruz, Sucre und Cochabamba bis El Alto und Huanuni. In den verschiedensten Regionen Boliviens finden Workshops und Vorstellungen statt, in denen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ihre Ideen und persönlichen Gedanken zum Ausdruck bringen. So fördert das Projekt die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit aktuellen gesellschaftlichen Themen und trägt zu einer demokratischen politischen Kultur bei. www. solidar.ch/bolivien

Rollen, die das Publikum nur allzu gut kennt: Richter, Ankläger und zwei Angeklagte. Die Szene wird mehrmals gespielt, jedes Mal verhalten sich die vier Darsteller anders. Die Zuschauer leben mit und klatschen. Dieses Theater ist Teil ihres eigenen Lebens. Später wird ein Film gezeigt, der im Gefängnis gedreht wurde. Er erzählt eine Familiengeschichte, die ebenfalls vielen vertraut ist: gewalt-

tätiger Vater, misshandelte Mutter, orientierungsloser Sohn und ein paar zwielichtige Kollegen. Der Sohn versucht, aus der familiären Realität zu fliehen, und so beginnt sein «Abstieg». Die Jungen folgen der Geschichte gebannt. Weitere ProtagonistInnen treten auf: das Kind einer armen ländlichen Familie, eine Studentin an der Universität Sucre, ein in Fortaleza internierter Junge … Die Geschichten der Jugendlichen erzählen vom Leben in Bolivien, sie handeln von Liebe, Respekt, Gewalt, einer guten Arbeit, der Gründung einer Familie – und von den Träumen dieser jungen Bolivianer, die sich ganz ähnliche Dinge wünschen wie Jugendliche weltweit. Ein Diplom als Anerkennung Die Lichter gehen an. Die Jugendlichen applaudieren und Chico rollt die Leinwand ein. Mit dieser Vorführung wurde ein Zyklus abgeschlossen. Der Gefängnisdirektor bittet um Ruhe: «Heute werde ich den Teilnehmern der LanzArte-Workshops ein Diplom überreichen!» Nacheinander bittet er die jungen Schauspieler zu sich auf die Bühne. «Pedro!»* Pedro kommt nach vorne, holt sein Diplom und schüttelt die Hand des Direktors. «Eduardo!», «Luis!, Luis!!, Luis!!!» Diesen ruft er allerdings vergeblich auf. Luis hat seine Strafe abgesessen und ist wieder in Freiheit. *Vornamen geändert

Tor und Aussenmauern der Jugendstrafanstalt Centro Fortaleza im bolivianischen Santa Cruz.

Hans-Jürg Fehr Präsident Solidar Suisse

Im Abseits Bis vor kurzem hätte man sich das nicht einmal im schlimmsten Albtraum vorstellen können: Ein Mitglied des Bundesrates stellt den sechs Kolleginnen und Kollegen den Antrag, die Schweiz solle aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) austreten. Die Begleitmusik dazu spielt seine Partei, die SVP, mit der Volksinitiative «Landesrecht über Völkerrecht». Die stärkste Partei will, dass die Schweiz einem der wichtigsten Wertebündnisse der Welt den Rücken kehrt. Sie distanziert sich von der zivilisatorischen Kernsubstanz Europas, ja der ganzen Welt. Sie distanziert sich auch von der Quintessenz der bürgerlichdemokratischen Gesellschaftsauffassung. Nichts ist dieser wichtiger als der Schutz des Individuums vor dem Staat, auch vor dem demokratisch verfassten Staat. Diesen Schutz garantieren dreifach die in der Bundesverfassung verankerten Grundrechte, die EMRK und die für alle Mitgliedsländer verbindliche Menschenrechtserklärung der Uno. Die Menschenrechte sind nicht nur universell gültig, sondern entziehen sich auch Mehrheitsentscheiden des Stimmvolkes, die mal so und mal anders ausfallen können. Sie stehen ganz einfach nicht zur Disposition, nirgends, auch nicht in der Schweiz. Sie definieren das Menschsein als solches. Und sie setzen, anders als Ueli Maurer und die SVP es darstellen, der Demokratie nicht Grenzen; sie sind vielmehr Teil einer demokratischen Grundordnung, die nicht nur Mehrheiten, sondern auch Minderheiten und Individuen kennt und schützt.


10 THEMA Comic-Abbild von Doctora Edilicia, an die sich viele BolivianerInnen mit ihren Fragen zur Politik wenden.

DOCTORA EDILICIA WEISS RAT In Bolivien erfreut sich eine von Solidar geschaffene Medienfigur grosser Beliebtheit: Doctora Edilicia. Text und Fotos: Joachim Merz PADEM-Koordinatorin Marlene Berríos Doctora Edilicia Stimme und Aussehen. «Wir haben diese Hotline zum richtigen Zeitpunkt eingerichtet. Die Leute hatten viele Fragen», erzählt Marlene Berríos. «Und mit Doctora Edilicia haben wir eine kreative und witzige Art gefunden, auf die Sorgen der Leute zu reagieren.»

Kultfigur Doctora Edilicia und Original Marlene Berríos.

Wie beteiligt eine Gemeinde ihre BürgerInnen am Entscheid über Investitionen? Was können BürgerInnen tun, wenn sie einen begründeten Verdacht auf Korruption in der Gemeindeverwaltung haben? In Bolivien weiss Doctora Edilicia seit zehn Jahren Antworten auf diese und andere Fragen. Es ist die einmalige Erfolgsgeschichte einer Person, die es eigentlich gar nicht gibt. Doctora Edilicia ist ein Kommunikationsprodukt des Solidar-Projekts PADEM (siehe Kasten). Die fiktive Persönlichkeit wurde 2004 bei der Einrichtung einer Gratis-Hotline zur Kommunalpolitik geschaffen. Seither leiht die damalige

Populäre Kunstfigur Heute ist Doctora Edilicia eine nationale Berühmtheit. Marlene Berríos tritt bei Buchmessen auf und signiert Bücher. Fast wie ein Medienstar. Wie geht es ihr mit diesem Alter Ego? «Manche Leute auf der Strasse sprechen mich als Doctora Edilicia an. Mir macht das nichts aus. Im Gegenteil: Es zeigt, wie erfolgreich unsere Kampagne war. Die Gemeindeebene ist sehr wichtig für die politische Beteiligung der Menschen, denn sie ist ihnen am nächsten.» Der Bürgermeister von La Paz hat sich schon scherzhaft beklagt, dass die EinwohnerInnen seiner Stadt ihm das Leben schwer machen, weil sie auf die Ratschläge von Doctora Edilicia hören. Und der Kandidat der Opposition bei den Präsidentschaftswahlen 2014, der Zementmagnat Samuel Doria Medina, kritisierte Doctora Edilicia, weil sie darauf pocht, dass zur Verbesserung des Service public

nicht nur Investitionen in die Infrastruktur nötig sind, sondern eine qualitative Verbesserung des Bildungs- und Gesundheitswesens. Das bedeutet vor allem Investitionen in Menschen: ihre Qualifikation, ihre Motivation und ihre Fähigkeit, mit Schülerinnen oder Patienten umzugehen. Ausserdem müssen alle Interessengruppen in die Prozesse der Entscheidungsfindung einbezogen werden. Von der Hotline zu Facebook Die Gratis-Hotline wird heute aus Ressourcengründen nicht mehr aktiv betrieben. Via Radio und soziale Medien wie Facebook, Twitter und Youtube ist Doctora Edilicia aber nach wie vor für die BürgerInnen da. So beleuchten 30-Sekunden-Kurzprogramme im Radio aktuelle Fragen der Kommunalpolitik. Dann werden sie auf www.doctoraedilicia.com aufgeschaltet. Und weiterhin gehen über die sozialen Medien monatlich rund 100 Anfragen an Doctora Edilicia ein. «2015 wird ein entscheidendes Jahr für die Kommunalpolitik und für die Gemeinden, die mit Korruption und Effizienzproblemen kämpfen. Dann wird sich entscheiden, ob der Prozess der Re-Zentralisierung zunimmt – das heisst die Kompetenzen wieder vermehrt bei der Zentralregierung liegen – oder ob die Gemeinden ihre Autonomie stärken können», meint Marlene Berríos. Die Stimme von Doctora Edilicia wird weiterhin gebraucht.

PADEM Mit PADEM (Unterstützungsprogramm für Gemeindedemokratie) setzt sich Solidar Suisse in Bolivien aktiv für die Gemeindeautonomie ein, denn gelebte Demokratie von unten ist die beste Voraussetzung dafür, dass die Menschen einen besseren Service Public erhalten. www.solidar.ch/bolivien_ demokratie


STANDPUNKT 11

KOMMERZ GEFÄHRDET UNABHÄNGIGKEIT Nach ethnischen Säuberungen und Krieg – welche Rolle spielen die Medien im ehemaligen Jugoslawien für einen Wandel? Text: Jasna Bastic, Journalistin, ehemals Medienhilfe Ex-Jugoslawien

Im Haus, in dem ich aufwuchs, lagen überall Zeitungen herum, die es wert waren, gelesen zu werden. Jeden Tag fand sich die ganze Familie um 20 Uhr vor dem Fernseher ein, um zu erfahren, was auf der Welt geschehen war. Wenn ich heute meine Heimatstadt Sarajevo besuche, informiere ich mich kaum über die lokalen Medien, die Tageszeitung «Oslobodjenje» kaufe ich nur noch aus Nostalgie. Was ich sehe, ist eine

Die Medien sind der verlängerte Arm der ethnischen Eliten. Überflutung an Tabloid-Zeitungen und kommerziellen TV-Sendern mit RealityShows als Programm-Highlight. Die unzähligen Zeitungen, Magazine und Fernsehsender fallen weit hinter die unabhängigen Medien zurück, wie wir sie in den 1990er Jahren kannten. Viele meiner FreundInnen flüchten sich in die Cyberwelt und informieren sich über internationale Medien oder lokale Blogs und Portale. Aber diese ungeregelten sozialen Plattformen können professionelle Medien und Qualitätsjournalismus nicht ersetzen, trotz ihrer Mobilisierungskraft und Geschwindigkeit.

Unabhängige Medien im Krieg Es ist paradox, aber in Zeiten des Kriegs und autoritärer Regimes gab es unabhängige Medien, die mehr journalistische Qualität boten als die heutigen Medien. In Kroatien, Bosnien, Serbien und Kosovo erhoben unglaublich mutige, fähige und professionelle Journalisten und Redaktorinnen ihre Stimme gegen ethnische und religiöse Spaltung und Krieg, auch unter repressiven nationalistischen Regimes. Diese Medien wurden von internationalen Institutionen anerkannt und erhielten politische und finanzielle Unterstützung – zum Beispiel von der schweizerischen NGO «Medienhilfe Ex-Jugoslawien» –, ohne die sie jene schwierigen Zeiten nicht überlebt hätten. Und auch wenn sie nicht die breiten Massen erreichten, so setzten sie der Staatspropaganda doch etwas entgegen, und ihre Enthüllungen über Kriegsverbrechen fanden grosse Resonanz. Ausverkauf danach Der grosse Kollaps der Medien kam nach dem Krieg. Reiche Geschäftsleute und KriegsprofiteurInnen kauften die grossen Print- und elektronischen Medien oder etablierten neue, die sie vollständig kontrollieren. Sie sehen die Medien als

ein Geschäft wie jedes andere; ein Produkt auf dem Markt, das Werbung anziehen und Profit machen muss – und das können Tabloid-Zeitungen. Diese neuen KapitalistInnen sind eng mit ihren ethnischen Eliten verbunden, mit denen sie politische Macht und ökonomische Interessen teilen. Die Medien sind ihr verlängerter Arm, was bei Wahlen äusserst praktisch ist. Unter diesen Umständen hatten die unabhängigen Medien keine Überlebenschance. Doch ohne unabhängige und verantwortungsvolle Medien, die so fundamental sind für jede funktionierende Demokratie, ist eine progressive Veränderung schwierig.

Solidar unterstützt Jugendliche Solidar Suisse unterstützt in Südosteuropa länderübergreifend Jugendliche. Sie sind beim Berufseinstieg von der grassierenden Arbeitslosigkeit besonders betroffen. Damit trägt Solidar auch zur Verständigung zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen bei. www.solidar.ch/jugend


12 KULTURELL

SENSIBILISIERUNG PER SOAP

Filmstills von «Loma Verde» (von links nach rechts): Merche, Pause am Drehort, Jessica Maria und Zoraida, Silverio El Brujo.

Die nicaraguanische Fernsehserie «Loma Verde» möchte das Publikum für soziale Probleme sensibilisieren. Mit Erfolg. Text: Carmen Ayón, Fotos: Fundación Luciérnaga Loma Verde ist ein fiktives kleines Dorf im ländlichen Norden Nicaraguas, wo das Leben scheinbar in ruhigen Bahnen verläuft. Die gleichnamige Fernsehserie bringt jedoch die aktuellen sozialen Probleme ans Licht. Ein Novum ist, dass die Realität der Menschen auf dem Land, die ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, im Zentrum steht. Die TV-Serie «Loma Verde» spricht ihre Sprache, spielt ihre Musik und behandelt ihre Themen. Was sie beschäftigt, zeigt ein Blick auf die ProtagonistInnen: Da ist die Hauptfigur Merche, dargestellt von Elizabeth Torrez, die eigene Erlebnisse in die Geschichte einfliessen lässt. Merche wird von ihrem Partner Chico psy-

chisch und physisch misshandelt. Er droht sogar, sie umzubringen. Schlussendlich verlässt Merche Chico, zeigt ihn an und flüchtet mit ihren drei Kindern ins Frauenhaus. Dabei wird sie von ihrer Freundin Carmen, Ärztin und Psychologin, unterstützt. Nach und nach steigt Merche aus dem Kreislauf der Gewalt aus. Die zwei Jugendlichen Jessica Maria und Zoraida werden mit falschen Versprechungen nach Chinandega gelockt. Die Stadt liegt nahe der Grenze zu El Salvador auf der Hauptroute der Menschenhändlerringe. Von Chinandega aus werden Jessica und Zoraida gegen ihren Willen nach Guatemala gebracht und dort sexuell ausgebeutet.

Aktiv gegen Gewalt Solidar Suisse unterstützt die von Felix Zurita und der Stiftung Luciérnaga produzierte Serie. Unsere Partnerorganisationen verbreiten «Loma Verde» über lokale Sender. Ausserdem organisieren sie Veranstaltungen und Workshops mit Jugendlichen sowie VertreterInnen von Kirche oder Institutionen, an denen sie anhand einzelner Folgen über aktuelle Probleme diskutieren. Dabei werden Lösungen gesucht, um die Bildung zu verbessern, und Aktionen initiiert, um Gewalt zur Anzeige zu bringen. www.fundacionluciernaga.org (in Spanisch)

Die 16-jährige Yulisa wird von ihrem Onkel sexuell ausgebeutet. Als sie feststellt, dass sie schwanger ist, vertraut sie sich ihrer Tante an. Statt sie zu schützen, gibt ihr die Tante die Schuld. Yulisa will die unerwünschte Schwangerschaft abbrechen – kein leichtes Unterfangen in Nicaragua, wo eine Abtreibung nicht einmal dann legal ist, wenn das Leben der Mutter bedroht ist. Weder ihre Familie noch ihr Freund unterstützen sie, einzig ihre Freundinnen stehen ihr bei. Silverio El Brujo wiederum hat sich in die Berge zurückgezogen, um der Diskriminierung als Schwuler zu entgehen. In seiner «Sprechstunde» empfängt er viele Männer, die ihr Verhalten verändern möchten. Er erweitert ihr Vorstellungsvermögen über Rollen und Handlungsmöglichkeiten von Männern jenseits traditioneller Stereotypen. Die erste Staffel von «Loma Verde» wurde drei Monate lang wöchentlich mit grossem Erfolg im nationalen nicaraguanischen Fernsehen und in 22 lokalen Sendern gezeigt. Die Ausstrahlung der zweiten Staffel ist für dieses Jahr geplant.


AKTUELL 13

GÜTESIEGEL FÜR SOLIDAR Solidar Suisse wurde von SQS* für die Qualität der Arbeit zertifiziert. Was dies bedeutet, erklärt Barbara Burri, Solidar-Qualitätsverantwortliche und Stabsleiterin. Interview: Katja Schurter, Foto: Andreas Schwaiger ments, das auch gezeigt hat, wie Solidar im Vergleich zu anderen Organisationen unserer Branche im internationalen Umfeld dasteht.

Barbara Burri

Was beinhaltet die Zertifizierung, die Solidar letzten Dezember erhalten hat, konkret? Es handelt sich um eine QaP-Zertifizierung, QaP steht für «Qualität als Prozess». Führende internationale Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit haben für die European Foundation for Quality Management (EFQM) Standards und eine Best Practice entwickelt, an denen eine Organisation gemessen wird. EFQM ist neben ISO das zweite führende Qualitätsmanagementsystem, funktioniert aber völlig anders als ISO. Wieso hat sich Solidar für dieses System entschieden? QaP bildet nicht nur Prozesse ab, sondern erfasst vor allem ihre Wirkung. Damit ist es auch die Basis für eine lernende Organisation, die sich systematisch zu verbessern sucht. Dabei werden auch die Bedürfnisse von Mitarbeitenden und von Anspruchsgruppen wie Begünstigten und Geldgebenden berücksichtigt. Die Zertifizierung geschah aufgrund eines Assess-

zertifiziert worden ist. Aber abgesehen davon verpflichten wir uns für einen kontinuierlichen Lernprozess: Bis Ende Februar müssen wir Massnahmen definieren, die innerhalb eines Jahres umgesetzt werden. Der Zertifizierungsprozess hat auch wichtige betriebliche Prozesse vorangetrieben: So ist der Aufbau des Personalwesens ein Ziel der neuen Strategie. Zwar war das Problem bereits vorher bekannt, aber weil es in der Zertifizierung

Und was war das Resultat? Wo hat Solidar Stärken und Schwächen? Die Solidar-Mitarbeitenden haben innerhalb eines vorgegebenen Rahmens viel Gestaltungsspielraum. Das wirkt sich positiv auf ihre Motivation und ihr Engagement aus. Als herausragend bewertet wurde ausserdem, wie wir unsere Der Zertifizierungsprozess Projekte und Kampagnen hat wichtige betriebliche entwickeln und verbreiten, Prozesse vorangetrieben. sowie unser Umgang mit Begünstigten und Geldgebenden. explizit als Schwäche aufgeführt wurde, Im Januar 2014, als wir den Zertifizie- nehmen wir das Thema nun vordringlich rungsprozess starteten, wurden noch stra- an die Hand. tegische Schwächen diagnostiziert. Diese haben wir jedoch beseitigt mittels eines Wie wird sichergestellt, dass der intensiven Strategieprozesses, der breit Prozess nach der Zertifizierung abgestützt war und der Organisation eine weitergeht? klare Ausrichtung für die nächsten Jahre Das jährliche Audit und die dreijährliche gibt. Unter dem Branchendurchschnitt Re-Zertifizierung verpflichten uns, dranlagen wir beim Wissensmanagement und zubleiben. Für mich ist ausschlaggebend, bei der Personalentwicklung. Letzteres dass einerseits jemand für das Qualitätsliegt daran, dass wir keine spezifische management verantwortlich ist und dafür Personalabteilung haben, hier stossen wir personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, und dass es andererseits als mittlere Organisation an Grenzen. ein strategisches Schwerpunktthema und damit in der Gesamtorganisation und auf Was bedeutet die erfolgreiche Führungsebene verankert ist. Zertifizierung für Solidar? Grosse Freude! Besonders freut uns natürlich, dass wir die erste Schweizer Ent- * Schweizerische Vereinigung für Qualitätswicklungsorganisation sind, die nach QaP und Managementsysteme


14 NOTIZEN

Menschenrechte: Initiative für Konzernverantwortung Im Frühling 2015 lanciert Solidar Suisse zusammen mit anderen Organisationen der Allianz «Recht ohne Grenzen» eine Initiative, um die Wirtschaft in Bezug auf Menschenrechte und Umweltschutz in die

Gründung des Vereins Solidar Suisse Genève

Am 24. November 2014 wurde der Verein Solidar Suisse Genève gegründet. Ziel ist eine bessere Verankerung der Organisation in Genf und der Romandie. Solidar Suisse Genève wird öffentliche Veranstaltungen organisieren und über die Projekte von Solidar im Ausland informieren. Damit soll die Genfer Bevölkerung für Entwicklungspolitik und Entwicklungsfragen sensibilisiert werden. Solidar Suisse hofft, dass das Engagement in Genf auf die ganze Romandie ausstrahlen wird. Präsidentin des neuen Vereins ist Olga Baranova, als Geschäftsführer amtet Stéphane Cusin, Mitarbeiter der seit längerer Zeit existierenden Geschäftsstelle von Solidar Suisse in Lausanne.

Pflicht zu nehmen. Im Zentrum der geplanten Konzernverantwortungsinitiative stehen der Schutz der Menschenrechte weltweit – gemäss den Prinzipien der Uno – und die Einführung einer entsprechenden Sorgfaltsprüfungspflicht für grosse Konzerne. Die Details werden gegenwärtig ausgearbeitet und voraussichtlich im April bekannt gegeben. Die Stossrichtung der Initiative entspricht etlichen Vorstössen auf internationaler Ebene. So verabschieden immer mehr Staaten nationale Aktionspläne oder Richtlinien, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Unternehmen ihr Handeln punkto Menschenrechte überprüfen und kontrollieren.

Unterstützen Sie Solidar regelmässig Sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit braucht einen langen Atem. Sie ist nicht auf schnelle Ergebnisse, sondern auf dauerhafte Erfolge ausgerichtet. Nur mit verlässlichen Partnerschaften und längerfristigem Engagement können gesellschaftliche und politische Veränderungen greifen. Bitte unterstützen Sie uns deshalb per Lastschriftverfahren. Ihre Beiträge werden gemäss Ihren Wünschen automatisch abgebucht. Sie behalten die Kontrolle, denn jede Buchung kann innert 30 Tagen widerrufen werden, und Sie können Ihren Lastschriftauftrag jederzeit ändern oder einstellen. So werden Ihre Beiträge unserem Spendenkonto kostenlos gutgeschrieben und alles kommt den Projekten zugute – im Gegensatz zu gebührenpflichtigen Überweisungen am Schalter. Bitte beachten Sie dazu den beiliegenden Prospekt.

El Salvador: Immer mehr Minderjährige migrieren in die USA Seit Oktober 2013 haben die US-Behörden mehr als 60 000 unbegleitete Minderjährige beim illegalen Grenzübertritt abgefangen. Die Mehrheit stammte aus Honduras (29 Prozent), El Salvador (23 Prozent), Guatemala (24 Prozent) und Mexiko (22 Prozent). Laut US-Immigrationsbehörde hat die Zahl der aus El Salvador immigrierten Kinder zwischen 2011 und 2014 um 197 Prozent zugenommen. Grund für die massive Zunahme sind neben Gewalt, organisiertem Verbrechen und Armut die guten Geschäfte, die SchlepperInnen damit machen: 6000 bis 7000 Dollar verlangen die «Coyotes» genannten MenschenhändlerInnen pro Person. Zugenommen hat das Phänomen, seit die mexikanischen Drogenkartelle nach El Salvador, Honduras und Guatemala expandiert haben. Ausserdem verbreiten die Coyotes das Gerücht, Minderjährige würden nicht deportiert, wenn sie die Grenze einmal überquert hätten, sondern würden mit bereits anwesenden Familienmitgliedern vereint. Präsident Obama stellte klar, dass dies nicht stimmt – untermauert mit Ausschaffungen. Die salvadorianische Regierung hat mit einer Kampagne reagiert, die auf die Gefahren für unbegleitete migrierende Kinder aufmerksam macht, und verhandelt mit den USA, damit Jugendliche mit bereits im Land anwesenden Familienmitgliedern vereint werden. Auch die Solidar-Partnerorganisationen in El Salvador führen eine Informationskampagne zu den Migrationsgefahren und dem Menschenrecht auf Familienvereinigung und Asyl durch.


AKTUELL 15

Soni Gul aus Charsadda trägt mit dem Nähen von Kleidern entscheidend zum Unterhalt ihrer Familie bei.

«ALLE FINDEN MICH WICHTIG» Dank Weiterbildung können sich junge Frauen in Pakistan eine Existenzgrundlage aufbauen und Respekt verschaffen. Text: Katja Schurter, Foto: Usman Ghani «Früher habe ich nur einfache Kinderkleider genäht, für 50 Rupien (ca. 50 Rappen) pro Stück», erzählt die 24-jährige Soni Gul aus Charsadda im Nordwesten Pakistans. «Seit der Weiterbildung durch Solidar Suisse mache ich komplizierte Designs und erhalte 350 Rupies für ein Kleid.» Und nicht nur das: «Mittlerweile geben besser gestellte Leute, die jeweils zum Schneider in die Stadt fuhren, bei mir Kleider in Auftrag.» Grössere Bewegungsfreiheit Seit der Jahrhundertflut in Pakistan im Jahr 2010 unterstützt Solidar Suisse die Betroffenen dabei, sich wieder eine Existenz aufzubauen. Das Haus der Familie von Soni Gul war von den Fluten zerstört worden, ausserdem fiel das Einkommen weg, weil ihr Vater nach einem Herzinfarkt nicht mehr arbeiten konnte. Seit ihrer Nähausbildung trägt Soni Gul entscheidend zum Familieneinkommen bei. Ihre Bewegungsfreiheit hat sich dadurch erhöht. «Ich gehe auf den Markt,

um Stoff einzukaufen und zu sehen, was Mode ist.» Keine Selbstverständlichkeit im ländlichen Pakistan, wo viele Frauen das Haus ohne Begleitung nicht verlassen dürfen. Da sie sich als talentierte Schneiderin erwiesen hat, gibt sie ihr Wissen nun auch an andere Frauen weiter. Zwar gibt es Stimmen im Dorf, die kritisieren, dass Soni Gul alleine auf den Markt fährt, doch davon lässt sie sich nicht beeindrucken. Sie wird von ihrem Vater unterstützt und freut sich, dass sich ihre Position in der Familie verändert hat: «Alle finden mich wichtig, weil ich die Familie versorge. Da ich die Studien meiner Brüder finanziere, werde ich respektiert.» In Entscheidungen einbezogen Auch die 18-jährige Sobia Dilbar aus dem Nachbardorf Nowshera konnte sich weiterbilden, sie entschied sich für Stickerei. Als Tagelöhner hat ihr Vater kein regelmässiges Einkommen und kann die achtköpfige Familie kaum durchbringen. Diese lebt in ärmlichsten Verhältnissen,

seit der Flut sogar nur noch in einem Raum. Sobia hat auch ihren zwei Schwestern das Sticken beigebracht, gemeinsam verdienen sie etwa 6000 bis 7000 Rupies pro Monat (60 bis 70 Franken). «Damit kommen wir für Essen, Medikamente und die Miete auf. Für Kleider reicht es jedoch meist nicht», erzählt sie. «Auf dem Markt erhalte ich Aufträge. Ich weiss nun, wie ich mit den Verkäufern umgehen muss, was ankommt und wie hoch die Preise sind. Zusammen mit meiner Mutter verhandle ich mit ihnen.» Zur Schule gehen durfte Sobia Dilbar hingegen nie, dies war ihren drei Brüdern vorbehalten. Zunächst wollte ihr Vater auch nicht, dass sie eine Weiterbildung besucht. «Als er sah, dass ich hart arbeite und die Arbeit Geld einbringt, begann er mich zu unterstützen», erzählt sie, die nun auch in Entscheidungen einbezogen wird. «Vor ein paar Jahren hat mein Vater Land verkauft, wir haben von Leuten aus dem Dorf davon erfahren. Jetzt diskutiert er solche Dinge vorher mit uns.» www.solidar.ch/pakistan_existenz

Ihre Spende wirkt Mit Ihrem Beitrag von 70 Franken erhält eine Frau, die eine Weiterbildung als Näherin besucht hat, die Grundausrüstung – Nähmaschine, Schere, Bügeleisen, Messband, Nadeln und Faden – um ihr Geschäft zu starten.


16 PINGPONG SOLIDAR-SUDOKU 6

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Das Lösungswort ergibt sich aus den grauen Feldern waagrecht fortlaufend, nach folgendem Schlüssel: 1=D, 2=L, 3=C, 4=A, 5=S, 6=M, 7=E, 8=O, 9=I

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Schicken Sie das Lösungswort an Solidar Suisse – mit einer Postkarte oder per E-Mail an: kontakt@solidar.ch, Betreff «Rätsel».

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1. Preis Ein Rucksack von LanzArte 2. Preis Ein T-Shirt von LanzArte 3. Preis Doctora-Edilicia-Schlüsselanhänger

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Spielregeln Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3x3-Blöcke nur einmal vorkommen.

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Die Preise wurden von Solidar Bolivien hergestellt.

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Einsendeschluss ist der 16. März 2015. Die Namen der GewinnerInnen werden in der Solidarität 2/2015 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende von Solidar Suisse.

Lösungswort

Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 4/2014 lautete «Katastrophe». Jean-Marc Fasmeyer aus Bramois hat einen Abfallkorb, Roswitha Muoth aus Rickenbach eine Dokumentenmappe und Gertrud Eberhard aus Biberist einen Früchtekorb gewonnen. Wir danken den sri-lankischen PalmyraProduzentInnen für die Preise und den Mitspielenden für die Teilnahme.

Einladung Generalversammlung Solidar Suisse 2015 Am Dienstag, 5. Mai, um 16.30 Uhr im Volkshaus, Blauer Saal, Stauffacherstr. 60, 8004 Zürich Programm 16.30 Uhr: Statutarische Geschäfte Eingeladen sind die Mitglieder von Solidar Suisse. Bitte melden Sie sich mit dem beiliegenden Service-Talon, per E-Mail (kontakt@solidar.ch) oder Telefon (044 444 19 19) bis zum 1. April 2015 an. Anschliessend Apéro 18.30 Uhr: Öffentliche Veranstaltung zu Burkina Faso mit Paul Ilboudo Der Initiator der zweisprachigen Bildung und langjährige Solidar-Länderkoordinator in Burkina Faso geht dieses Jahr in Rente. Zu diesem Anlass berichtet Paul Ilboudo über seine reichen Erfahrungen, das 25-jährige Engagement von Solidar Suisse in Burkina Faso, die Erfolge und die Herausforderungen angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Burkina Faso (siehe auch Artikel auf Seite 18). Weitere Informationen unter: www.solidar.ch/agenda


NOTIZEN 17

El Salvador: Zivilschutz übernimmt Solidar-Leitfaden Solidar-Projekte für Katastrophenprävention haben zur Etablierung eines Frühwarnsystems und zu einem besseren Katastrophenschutz in den Gemeinden im Einzugsgebiet des Rio Lempa, des grössten Flusses in El Salvador, geführt. Im Oktober 2014 wurde nun ein von

Positive Wirkung der Tsunamiprojekte

Serbien: Kein Ausverkauf des Service public

Eine unabhängige Wirkungsanalyse der Nothilfeprojekte nach dem Tsunami, welche die Glückskette in Auftrag gegeben hat, kommt zu einem positiven Resultat. Gemäss der Mitte Dezember 2014 veröffentlichten Analyse, die auch Projekte von Solidar Suisse untersuchte, können knapp 90 Prozent der Begünstigten heute ihre Grundbedürfnisse wieder gut abdecken. Etwas mehr als zehn Prozent bekunden hingegen noch erhebliche Schwierigkeiten. Solidar engagierte sich in Sri Lanka nach dem Tsunami in der Nothilfe und nach dem Bürgerkrieg im langfristigen Wiederaufbau. Mittlerweile unterstützt Solidar Suisse Gruppen von Bäuerinnen und Fischern in der Produktion von Erdnüssen, Seetang, Chili, Besen und Bürsten. Die Arbeit von Solidar in Sri Lanka belegt eine Kernthese der Wirkungsanalyse: Die Unterstützung zur Einkommensförderung war vor allem dann erfolgreich, wenn auf bestehenden Strukturen, Fähigkeiten und Möglichkeiten aufgebaut werden konnte. www.solidar.ch/news

In den vergangenen Jahren wurden in Serbien viele staatseigene Betriebe privatisiert. Die erhofften Investitionen blieben jedoch in vielen Fällen aus. Stattdessen wurden die Betriebe von den Käufern regelrecht ausgeweidet und die Belegschaften ohne Sozialplan entlassen. In den kommenden Jahren steht in Serbien die Restrukturierung der öffentlichen Versorgungsbetriebe an. Das Ziel: Wasserversorgung, Abfallentsorgung oder lokale Verkehrsbetriebe effizienter zu machen. Diesmal sollen Steuerzahlerinnen, Konsumenten und Belegschaften jedoch nicht auf der Strecke bleiben. So fordern zwei Gewerkschaften die Mitsprache der Bevölkerung und der Belegschaften. Ihre Forderungen haben sie jüngst in einem Positionspapier formuliert. Solidar Suisse unterstützt die beiden Gewerkschaften dabei, diese durchzusetzen. Denn die Bevölkerung muss sich eine Meinung bilden und mitreden können, damit die anstehende Restrukturierung nicht zum sozialen Fiasko wird. www.solidar.ch/serbien

Solidar entwickelter Leitfaden zum Schutz von Hab und Gut im Falle von Katastrophen vom nationalen Zivilschutz landesweit übernommen. Darin sind diverse Massnahmen verankert: z.B. sichere Ställe und höher gelegene, gemeinschaftlich bewachte Weideplätze für Vieh bei Überschwemmungen oder auf Stelzen gebaute Lagerplätze für Saatgut und Ernte. Der Leitfaden wurde in Simulationsübungen mit der lokalen Bevölkerung getestet. Damit hat das Solidar-Projekt einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung der Katastrophenvorsorge und -reaktion in El Salvador geleistet. www.solidar.ch/ katastrophenvorsorge

Nicaragua: neuer Film zu Frauenkooperative Letzten Oktober hat Solidar Suisse in Zusammenarbeit mit Espace Femmes International (EFI) in Genf den Dokumentarfilm «Soñando Despiertas» gezeigt, der engagierte Frauen im nicaraguanischen Mulukukú porträtiert (siehe auch Artikel auf Seite 6). 1988, mitten im Bürgerkrieg, haben sie nach den Zerstörungen durch Hurrikan Joana die Kooperative Maria Luisa Ortiz gegründet, um die Häuser wieder aufzubauen und gegen die grassierende Gewalt gegen Frauen vorzugehen. Heute bietet die Gemeinde der ganzen Bevölkerung eine Grundversorgung, und die Töchter der Pionierinnen übernehmen das Ruder. Der Dokumentarfilm von Felix Zurita in Spanisch mit französischen Untertiteln ist hier zu sehen: www.solidar.ch/mediatheque


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VOM UTOPISTEN ZUM WÜRDENTRÄGER Paul Ilboudo, umtriebiger Initiator der zweisprachigen Bildung in Burkina Faso und langjähriger SolidarLänderkoordinator, geht dieses Jahr in Rente. Zeit für ein Portrait. Text: Lionel Frei, Foto: Solidar


Paul Ilboudo wird für seinen Beitrag zur Entwicklung der Bildung in Burkina Faso zum «Ritter der akademischen Palme» ernannt. Er wird an einer SolidarVeranstaltung über seine Tätigkeit erzählen (siehe Einladung Seite 16).

In Burkina Faso ist die koloniale Vergangenheit noch immer spürbar. Zum Beispiel bei den Sprachen: Mooré, Dioula oder Fulfulde, um nur drei der 49 Landessprachen zu nennen, sind in der Schule nicht gern gesehen. Burkinische Kinder lernen Mathe und Geografie in Französisch – einer Sprache, die nur elf Prozent der Bevölkerung beherrschen. Seit einigen Jahren jedoch werden immer mehr Schulen zweisprachig geführt. Dies ist nicht nur ein Zeichen für den wiedergefundenen Stolz auf die eigene Sprache, sondern auch eine Erfolgsgeschichte, die Solidar Suisse in Burkina Faso berühmt gemacht hat. Vor allem aber ist die zweisprachige Bildung eng mit Paul Taryam Ilboudo verbunden, der das Projekt initiiert hat. Der Solidar-Län-

EINBLICK 19 derkoordinator – Linguist, Lehrer und Intellektueller – setzt sich seit vielen Jahren für die lokalen Sprachen ein.

sich die Regierung von unserer Methode überzeugen und übernahm 2007 das Konzept als nationales Bildungsmodell.»

Kohlepapier und Tonband Partizipativer Ansatz Paul Ilboudo wurde 1949 als Sohn einer Heute gibt es in allen 13 Regionen des armen Familie im damaligen Obervolta Landes mindestens eine zweisprachige geboren. Der brillante Schüler konnte die Schule, insgesamt über 200 von der PriSekundarschule besuchen. Um seine Fa- mar- bis zur Gymnasialstufe. «Dabei setmilie finanziell nicht zu belasten, arbeite- zen wir auf das Bottom-up-Prinzip: Letztte er zunächst als Grundschullehrer, pa- lich müssen die lokalen Akteurinnen und rallel dazu schrieb er sich aber auch an Akteure Interesse zeigen. Zwang würde der Universität in Ouagadougou ein. Da nicht funktionieren», erzählt Ilboudo. er die Vorlesungen nicht besuchen konn- Dieser Einsatz für die Landessprachen te, weil er arbeiten musste, bat er einen hat Früchte getragen. «Am Anfang galt Kollegen, seine Notizen mit Kohlepapier ich als Verrückter, als Utopist. Heute durchzupausen und die Vorlesungen aufzunehmen, um sie abends nachzuho«Mit afrikanischen Sprachen len. «Ich habe mein Lizenkann sehr wohl Wissen ziat nach drei Jahren gevermittelt werden.» schafft, mein Freund leider nicht», schmunzelt er. Mit zwei Diplomen und einer unvollendeten setzt sich unser Konzept nicht nur in BurDoktorarbeit in der Tasche wurde Paul Il- kina Faso, sondern auch international boudo schliesslich vom Institut Internati- langsam durch.» Die afrikanischen Bilonal d’Alphabétisation angestellt. Dort dungsministerInnen anerkennen, dass es entwickelte er eine Alphabetisierungs- wichtig ist, Kinder in ihrer Muttersprache methode, mit der junge Erwachsene in zu unterrichten. Ein Erfolg, auf den Paul 48 Tagen lesen und schreiben lernen soll- Ilboudo stolz sein kann. Zu Beginn dieten, und später eine Methode für einen ses Jahres tritt er in den wohlverdienten von den Landessprachen ausgehenden Ruhestand: «Ich werde endlich etwas mehr Zeit für meine Familie haben – und Französischunterricht. meine Doktorarbeit abschliessen!» Der Alleskönner von Solidar wwww.solidar.ch/burkinafaso Ende der 1980er Jahre eröffnete Paul Ilboudo das erste Büro von Solidar in Ouagadougou. «Chauffeur, Buchhalter, Sekretär ... Ich war am Anfang ein EinMann-Betrieb», erinnert er sich. «Ich wollNeuer Länderkoordinator te zeigen, dass mit afrikanischen Sprachen sehr wohl rationales Wissen Im Februar 2015 tritt Dieudonné Zaonvermittelt werden kann!» So begann er in go, Ökonom und Inhaber eines Masters zwei Pilotschulen mit der Entwicklung eiin Projektmanagement, die Nachfolge nes zweisprachigen Bildungskonzepts. von Paul Ilboudo als Länderkoordinator Der Unterricht fand in der lokalen Spravon Burkina Faso an. Der 44-Jährige che statt, während Französisch nach und ist seit 1999 in verschiedenen Funktinach eingeführt wurde. «Die Kinder unonen für Solidar tätig. «Meine neue serer Schulen schnitten deutlich besser Funktion erfüllt mich mit Freude und ab als solche von herkömmlichen SchuStolz, sie ist mit viel Verantwortung len. Das ermutigte uns, trotz aller Vorurverbunden», so Dieudonné Zaongo. teile weiterzumachen. Schliesslich liess


FÜR EINE GERECHTE KLIMAPOLITIK! Der Klimawandel fordert bereits heute unzählige Opfer und verursacht dramatische Umweltschäden und Kosten. Die armen Regionen der Welt trifft es am stärksten, obwohl sie am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Unterschreiben Sie die Petition an Bundesrätin Doris Leuthard, damit sich die Schweiz für einen besseren Klimaschutz einsetzt: action.solidar.ch


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