Solidarität 1/2011

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www.sah.ch

Das Magazin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks SAH • Februar 1/2011

Schweiz Lebensweisen Ăźbersetzen El Salvador Vorbereitet auf die Katastrophe


Editorial

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Medienschau

Liebe Leserin, lieber Leser Das SAH feiert Geburtstag: Wir werden 75! In Folge der

Weltwirtschaftskrise 1936 vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund und der SP gegründet, war die erste Aufgabe des SAH, bedürftige Arbeiterfamilien im In- und Ausland zu unterstützen. Mit Stolz blicken wir heute zurück auf ein Engagement durch siebeneinhalb Jahrzehnte: für die Opfer des

spanischen Bürgerkrieges, für Flüchtlinge in Europa, an der Seite von Befreiungsbewegungen in Lateinamerika, für MigrantInnen und Erwerbslose in der Schweiz und für Opfer von Katastrophen weltweit. Einiges ist seit der Gründung gleich geblieben, vieles hat

14.01.2011 Berufseinstieg für Neulinge Im November waren laut Seco 22 000 Menschen zwischen 15 und 24 Jahren in der Schweiz ohne Arbeit: Selbst eine abgeschlossene Ausbildung garantiert keinen Arbeitsplatz mehr. Ein Projekt des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks (SAH) soll jungen Menschen zu einer Festanstellung in ihrem erlernten Beruf verhelfen. (...) Das SAH (...) hat einen Partner gefunden: die Credit Suisse. Wie passt zusammen, dass die CS mit einem linken Hilfswerk Hand in Hand geht? (...) Yves Ecoeur, nationaler Sekretär der regionalen SAH-Vereine: «Es ist eine Dienstleistung der Bank an die Gesellschaft und wir sind froh, dass die CS in die Jugend investiert. (...) Bis Ende Jahr betreuten wir 200 Teilnehmer. Von ihnen haben bereits mehr als 30 einen Job.»

sich verändert: Unsere Arbeit gründet auch heute noch

auf Solidarität, die wir in konkrete Projekte umsetzen. Solidarität ist heute genauso notwendig wie anno 1936. Doch die Welt, in der wir leben, ist nicht mehr dieselbe wie vor 75 Jahren, und auch die Art, wie wir Solidarität leben, hat sich verändert. Nicht mehr Hilfe steht heute im Vordergrund, sondern partnerschaftliche Zusammenarbeit. Darum schenken wir uns zum Geburtstag einen neuen Namen: Solidar Suisse. Ab Anfang April treten wir unter

diesem Namen auf. In der Unterzeile führen wir weiterhin «Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH» auf und drücken

2.12.2010 Arbeiterhilfswerk appelliert an Fifa Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) ruft die Fifa dazu auf, die Fussball-WM 2018 und 2022 nicht an Länder zu vergeben, «die Menschenrechte mit den Füssen treten». Mehr als 1000 Personen hätten jedem der 24 Fifa-Exekutivmitglieder eine E-Mail geschrieben. Darin werde gefordert, dass die Organisation ihre Verantwortung wahrnehme und überwache, ob Menschen- und Arbeitsrechte eingehalten würden. Mehrere Länder, die die Menschenrechte «systematisch» verletzten, kandidierten für die Fussball-WM.

so die Verbundenheit zu unserer Herkunft sowie zu den SAH-Regionalvereinen aus, die ihren Namen be­halten. Mehr zum Namenswechsel und zum Jubiläum lesen Sie auf den Seiten 9 bis 11. Die nächste Nummer der Solidarität erscheint im neuen Kleid von Solidar Suisse, und wir hoffen, weiterhin auf

Ihre Unterstützung und Treue zählen zu dürfen. Ruth Daellenbach, Geschäftsleiterin SAH

6.11.2010 Kanton für fairen Einkauf gewürdigt Graubünden ist der erste Kanton, der vom Schweizerischen Arbeiterhilfswerk mit dem «Fairen Stein» ausgezeichnet wird. Regierungsrat Stefan Engler konnte den Preis gestern in Chur von Arbeiterhilfswerkpräsident Hans-Jürg Fehr entgegennehmen. Bisher wurde der «Faire Stein» an Gemeinden verliehen, die sich vorbildlich um ein sozial nachhaltiges Beschaffungswesen bemühen.


inhalt

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SCHWEIZ Interkulturelle ÜbersetzerInnen ermöglichen gegenseitiges Verständnis

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PINGPONG

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STANDPUNKT Seit 75 Jahren engagiert sich das SAH für eine gerechte Gesellschaft

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AKTUELL Das SAH wird zu Solidar Suisse

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SAH-Regionalvereine und Solidar Suisse bleiben einander verbunden

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SCHWEIZ Das Projekt Derman des SAH Schaffhausen vermittelt interkulturelle ÜbersetzerInnen. Sie tragen zur Verständigung zwischen SchweizerInnen und MigrantInnen bei. S. 4–6

INTERNATIONAL Naturkatastrophen in El Salvador: Vorbereitung der Bevölkerung verhindert fatale Folgen 12 Alphabetisierung und neue Anbaumethoden erhöhen den Lebensstandard in Burkina Faso 14 SPENDEN Mit dem Testament Chancen eröffnen

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EINBLICK Mit Theatermethoden hilft David Valère Kursteilnehmenden, wieder Fuss zu fassen

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AKTUELL Das SAH feiert sein 75-jähriges Bestehen und schenkt sich einen neuen Namen. S. 9–11

Titelbild: Übersetzerin und Kursteilnehmerin präsentieren ihr Plakat zu religiösen Festen. Foto: Sabine Rock / Rückseite: Menschen in El Salvador bringen sich nach einer Überschwemmung in Sicherheit. Foto: Monica Vázquez

Impressum Herausgeber: Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E-Mail: info@sah.ch, www.sah.ch, Postkonto 80-188-1 Zürich Redaktion: Katja Schurter (verantwortliche Redaktorin), Rosanna Clarelli, Christian Engeli, Hans Fröhlich, Alexandre Mariéthoz, Cyrill Rogger Layout: Atelier Binkert, www.atelierbinkert.ch

INTERNATIONAL Die Vorbereitung der salvadorianischen Be­völkerung auf häufige Naturkatastrophen verhindert den Verlust von Menschenleben und Ernteerträgen. S. 12–13

Übersetzungen: Irene Bisang, Ursula Gaillard, Milena Hrdina, Walter Roselli, Peter Schrembs Korrektorat: Angelo Ciampi, Marianne Enckell, Jeannine Horni Druck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 Schaffhausen Erscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000 Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 50.–, Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr). Gedruckt auf umweltfreundlichem Recycling-Papier.

INTERNATIONAL BäuerInnen in Burkina Faso lernen Lesen und Schreiben und wenden neue Methoden in der Landwirtschaft und Viehzucht an. So verbessern sie ihre Situation nachhaltig. S. 14–15


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«Ich übersetze nicht Satz für Satz» Das Projekt Derman des SAH Schaffhausen vermittelt inter­kulturelle ÜbersetzerInnen. Sie tragen zum Verständnis zwischen SchweizerInnen und MigrantInnen bei. Text: Katja Schurter, Fotos: Sabine Rock

Geplauder und Gelächter erfüllen den kleinen Kursraum. Um vier Tische verteilt sitzen dicht gedrängt etwa 30 Frauen jeden Alters und unterschiedlicher Herkunft. Es sind die Teilnehmerinnen des Kurses Sozialinforma­tion des SAH Schaffhausen. Aufmerksam hören sie ihrer jeweiligen Übersetzerin zu. Drei Wochen vor Weihnachten gibt es für sie ein spe­ zielles Programm: Sie gestalten Plakate zu den Festen, die in ihren Heimatländern gefeiert werden: von Ramadan über das thailändische Neujahr bis zur russischen Weihnacht. Auf zwei Lektionen Deutschkurs folgt beim SAH Schaffhausen eine Lektion Sozialinformation. «Ich erfahre, wie sich die Leute in der Schweiz begrüssen, wie sie essen, leben», beantwortet Thunwa Moser die Frage, was ihr der Kurs bringt. «Die Politik ist in der Schweiz ganz anders als in Thailand, und die Gesetze ändern hier jedes Jahr.» Sich orientieren zu können, «ist mindestens so wichtig wie die Sprache», ergänzt Nabila K., die seit eineinhalb Jahren in der Schweiz lebt. «Zu Beginn hatte ich keine Ahnung, wie ich hier über die Strasse kommen soll – in Algerien gibt es keine Ampeln und Zebrastreifen.» So sind denn auch die behandelten Themen breit gefächert: von Erziehung über Wohnen, Schul- und Gesundheitssystem bis zu Ernährung und Bewegung. «In den Herkunftsländern vieler Frauen gibt es keine Beratungsstellen», erzählt Kursleiterin Ser-

pil Sahin. «Sie kommen nicht auf die Idee, sich Hilfe zu holen. Nicht weil sie es nicht wollten, sie wissen einfach nicht, wie es hier läuft.» Wichtig ist ihr auch der Austausch der Frauen untereinander: «Wenn es um das Schulsystem geht, lasse ich die Frauen erzählen, wie es in ihren jeweiligen Ländern funktioniert. So merken sie, dass es ganz verschiedene Möglichkeiten gibt.»

Übersetzen und erklären Die Übersetzerinnen in der Sozialinformation werden über Derman vermittelt (siehe Kasten). Zum Beispiel die Thailänderin Som Arias. Seit 2004 in der Schweiz, hat sie selbst beim SAH Schaffhausen einen Deutschkurs besucht. Als sie von ihrer Lehrerin gefragt wurde, ob sie sich zur interkulturellen Übersetzerin ausbilden lassen möchte, ergriff Som Arias ihre Chance: «Ich sagte mir: Wenn sie meint, dass ich das kann, probiere ich es.» Sie freut sich darauf, in den nächsten Tagen das Interpret-Diplom in den Händen zu halten. Auf das Spezifische des interkulturellen Übersetzens angesprochen, meint sie: «Ich übersetze nicht Satz für Satz, sondern unterbreche, um Dinge zu erklären. In der Psychiatrie erzähle ich zum Beispiel, dass es in Thailand ganz normal ist, Geister um

sich zu haben, oder dass es ein Zeichen von Respekt ist, seinem Gegenüber nicht in die Augen zu schauen.» Den Thailänderinnen wiederum erklärt sie, was eine Förderklasse ist. Deshalb müssen die interkulturellen ÜbersetzerInnen beide Systeme gut kennen.

Krux Rollenverständnis «Die Geschichte von Som Arias ist kein Einzelfall», erklärt Derman-Leiterin Barbara Ackermann. «Wir motivieren geeignete Leute, die Ausbildung als interkulturelle Übersetzerin zu absolvieren.» Häufig werden sie im Schulbereich, in Spitälern, in der Psychiatrie, in der Flüchtlingsbetreuung oder beim Sozialamt eingesetzt. «Im

«Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es so etwas wie einen Waschplan gibt.» Kanton Schaffhausen ist es klar, dass es für Elterngespräche interkulturelle ÜbersetzerInnen braucht. In anderen Kantonen kommt es immer noch vor, dass Kinder für ihre Eltern übersetzen müssen. Das überfordert sie und stürzt sie in einen Loyalitätskonflikt. Wir im Kanton Schaffhausen haben ein Problem mit dem Spital, und auch die Sozialversicherungen stellen sich auf den Standpunkt, die Leute müssten selbst schauen, dass sie die For-


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Barbara Ackermann, Serpil Sahin und Michela Gallucci wissen, wie wichtig interkulturelle ÜbersetzerInnen für eine erfolgreiche Verständigung sind.

Kongjong Yongynd, Thunwa Moser und Som Arias diskutieren über die Gestaltung ihres Plakats zum thailändischen Neujahr.


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Die Übersetzerin Hanadi El Kasti, Sareen Habeeb und weitere arabischsprachige Kursteilnehmerinnen sind stolz auf ihr Plakat zum Opferfest.

mulare verstehen», weiss Barbara Ackermann. Seit längerem setzt sie sich sammen mit dem kantonalen Integra­ zu­ tionsdelegierten dafür ein, dass auch das Kantonsspital interkulturelle ÜbersetzerInnen beizieht. Denn: «Es braucht ausgebildete ÜbersetzerInnen, die sich über ihre Rolle im Klaren sind.»

Übersetzung als Wertschätzung Die Integrationsfachstelle des Kantons Schaffhausen zieht etwa 80 Mal im Jahr ÜbersetzerInnen von Derman bei, wenn es gilt, Integrationsvereinbarungen auszuarbeiten. Die Vereinbarungen sind im Kanton Schaff­ hausen obligatorisch für alle Leute aus so genannten «Drittstaaten», die per Familiennachzug zu PartnerInnen mit Bewilligung B oder C in die Schweiz kommen. Mitarbeiterin Michela Gallucci sieht das Obligatorium als Angebot für Fremdsprachige, um sich im Dschungel der Deutschkurse zurechtzufinden. «99 Prozent nehmen es positiv auf und sind froh um eine Beratung.» Laut Gallucci vereinfachen die interkulturellen ÜbersetzerInnen den Zugang zu den MigrantInnen erheblich. «Es ist wichtig, dass sich die Leute gut ausdrücken können und verstanden werden. Ausserdem ist es eine Form der Wertschätzung, dass sie uns wichtig genug sind, ÜbersetzerInnen zu engagieren.»

Wie wird hier mit Kindern umgegangen? Inzwischen haben im Kursraum alle Frauen ihr Plakat fertig gestellt. Serpil Sa-

hin verteilt Blätter zum Thema Krankenversicherung, das die Übersetzerinnen den Frauen in ihrer jeweiligen Sprache erklären. Ein weiteres Thema, das viele interessiert, ist die Kindererziehung. Mona R. aus Eritrea möchte mehr über deren moderne Formen erfahren: «Wenn wir gefragt werden, ob es uns gefällt, wie bei uns die Kinder erzogen werden, sagen die meisten nein», meint sie. Serpil Sahin lädt jeweils MitarbeiterInnen der Elternberatung ein, um der Verunsicherung der Kursteilnehmerinnen zu begegnen: «Viele denken, die Erziehung sei hier ganz anders als in ihrem Herkunftsland, und geben ihre Elternrolle auf, was ich einen grossen Fehler finde. Es ist gut, wenn sie von hiesigen ExpertInnen hören, dass auch in der Schweiz Kinder nicht alles dürfen.» Die Kinderbetreuung – ein weiteres Spezialangebot der SAH-Deutschkurse – ist wichtig, damit die Frauen die Kurse überhaupt besuchen können. Die Teilneh-

merinnen haben sehr unterschiedliche Hintergründe – von der Analphabetin bis zur Hochschulabsolventin. «Dementsprechend unterschiedlich lange besuchen die Frauen die Kurse», erklärt Serpil Sahin.

Missverständnisse vermeiden Die hochschwangere Irakerin Sabreen Habeeb ist seit acht Monaten in der Schweiz und freut sich auf ihre Tochter. «Ich hatte Angst, alleine ins Spital zu müssen, aber dank der Sozialinformation kann ich nun viele Dinge selbst tun. Zum Beispiel ein Formular ausfüllen.» Oder ihrem Interesse für Politik nachgehen. Wichtig findet sie auch Informationen über das Zusammenleben in Wohnblöcken: «Wenn ich waschen möchte und mein Nachbar sagt mir, dass ich das nicht dürfe, so denke ich, er sei ein Rassist. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es so etwas wie einen Waschplan gibt.»

Derman Das Projekt Derman des SAH Schaffhausen vermittelt interkulturelle ÜbersetzerInnen und bildet diese aus. Anschliessend können sie das Interpret-Zertifikat und seit 2009 auch den Fachausweis interkulturelles Übersetzen erwerben (www.interpret.ch). Zurzeit bietet Derman Übersetzung für 60 Sprachen und Dialekte an. Aus einem Pool von 150 bis 200 ÜbersetzerInnen sind 40 bis 60 regelmässig aktiv. Derman vermittelt etwa 3000 Einsätze pro Jahr, hauptsächlich in den Schul- und Gesundheitsbereich, an das Sozialamt und die Integrationsfachstelle. Die Institutionen bezahlen Derman für die Übersetzungsdienste, die Anstellung der ÜbersetzerInnen läuft über Derman. Die Strukturkosten werden von Kanton und Bund mitfinanziert. www.sah-sh.ch


Notizen

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Arbeitsrechte für Hausangestellte

Neues Projekt des SAH Wallis

«Fairer Stein» für die Stadt Zürich

Hausarbeit und Betreuung sind ein riesiger globaler Wirtschaftsbereich, in dem äusserst willkürliche Zustände herrschen. Eine Regulierung ist dringend nötig, da die Nachfrage nach wie auch das Angebot an «billigen» Arbeitskräften, bei uns meist Migrantinnen aus dem Süden und aus Osteuropa, stark zunehmen. Am 1. Januar 2011 ist der nationale Normalarbeitsvertrag (NAV) Hauswirtschaft mit verbindlichen Mindestlöhnen für die Hausangestellten in Kraft getreten. Im Juni soll an der ILO-Kon­ferenz eine Konvention für die Rechte von «Domestic workers» definitiv verabschiedet werden. Das sind wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation von Haus­ angestellten. Das allein genügt jedoch nicht: Um sich wehren zu können, müssen sich die Betroffenen organi­ sieren. Am 2. April 2011 findet in Bern eine Tagung von SAH, Unia und Denknetz zu den Arbeitsrechten und zur Orga­ nisierung von Hausangestellten statt. www.sah.ch/agenda

Im Januar 2011 ist das Evaluations­ semester (SeVal) in Sion gestartet. Das Projekt des SAH Wallis unterstützt Jugendliche, die eine spezifische pädagogische und soziale Begleitung brauchen, auf der Suche nach einer beruflichen Lösung. Es bietet 14 Plätze für Jugendliche, die persönlich betreut werden. Der Fokus liegt auf dem Umgang mit zukünftigen Arbeitgebenden und der Vermittlung von Techniken der Arbeitssuche. Im Unterschied zum bereits bestehenden Motivations­ semester dauert das SeVal zwölf statt sechs Monate, was den Jugendlichen ermöglicht, mehr über die Grundlagen der Arbeitswelt zu erfahren. www.oseo-vs.ch

Am 29. November 2010 hat SAHPräsident Hans-Jürg Fehr der Stadt Zürich den «Fairen Stein» überreicht. Damit zeichnet das SAH Gemeinden aus, die ausschliesslich fair produzierte Waren einkaufen und so einen Beitrag zur Wahrung der Menschenrechte und gegen Ausbeutung leisten. «Die Stadt Zürich nimmt ihre soziale Verantwortung umfassend wahr», sagte Hans-Jürg Fehr bei der Übergabe. «Sie beweist mit ihrer Richtlinie ‹Soziale Nachhaltigkeit› und ihrer Beschaffungspolitik, dass eine faire Beschaffung im Interesse aller ist. Ich hoffe, dass weitere Gemeinden dem Beispiel Zürichs folgen.» Die Stadt Zürich beschafft jedes Jahr Waren im Umfang von rund zwei Milliarden Franken. Zürich ist die zwölfte Gemeinde in der Schweiz, die den «Fairen Stein» erhält. www.sah.ch/news

Kontaktstelle für Sans-Papiers in Luzern Am 12. November 2010 haben verschiedene Organisationen und Einzelpersonen den Verein Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern gegründet. Das SAH Zentralschweiz hat beim Aufbau mitgewirkt und wird Vereinsmitglied. Angeregt wurde die Beratungsstelle von kirchlichen und gewerkschaftlichen Kreisen. Nach dem Vorbild anderer Schweizer Städte sollen Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus in Luzern einen Ort für Hilfe und Unterstützung finden. Marcel Budmiger (Vorstand des SAH Zentralschweiz) vertritt den Luzerner Gewerkschaftsbund im Vorstand der Kontakt- und Beratungsstelle. Organisationen und Einzelpersonen können Mitglied des Vereins werden. Kontakt: nicola.leider@kathluzern.ch


PINGPONG

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SAH-Rätsel

Auswertung Barometer

1. Daran erkranken viele SchmucksteinschleiferInnen in China. 2. Wenn sie die ILO im Juni 2011 verabschiedet hat, sollen sich die Arbeitsbedingungen von Hausangestellten verbessern. 3. Dieser Reis wächst auf trockenem Boden. 4. Um die Opfer des Tsunami auf den Mentawai-Inseln zu erreichen, mussten die HelferInnen dies gut können. 5. Ein Projekt des SAH Schaffhausen, das zur Vermeidung von Missverständnissen beiträgt. 6. Obwohl dort Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, hat die Fifa dieses Land zum Austragungsort der WM 2022 auserkoren. 7. Etwas, das in El Salvador häufig durch Wirbelstürme zerstört wird. 8. Das müssen Menschen lernen wollen, die der Association Manegdbzanga in Burkina Faso beitreten wollen. 9. Hier hat kürzlich eine Kontakt- und Anlaufstelle für Sans-Papiers ihre Tore geöffnet. 10. Mit solchen Steinen zeichnet das SAH Gemeinden aus, die im Beschaffungswesen ihre soziale Verantwortung wahrnehmen. 11. Damit können Sie das SAH wirkungsvoll unterstützen. 12. So heisst ein neues Projekt des SAH Wallis. 13. Mit dieser Methode arbeitet David Valère beim Projekt ParcourS des SAH Genf.

Sind Sie der Meinung, dass die Entwicklungszusammenarbeit zu wenig an den Ursachen von Armut ansetzt?

JA NEIN Keine Antwort

Worauf sollte sich Ihrer Meinung nach die Entwicklungszusammenarbeit vermehrt konzentrieren? 100 80

1. Preis: Umhängetasche 2. Preis: Seidentäschchen 3. Preis: Etui

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Bildung Bekämpfung von Korruption und Steuerflucht Einhaltung der Arbeitsrechte Bau von Infrastrukturprojekten Beteiligung der Zivilgesellschaft

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Sollte die Schweiz ihre Ausgaben für die Entwicklungshilfe erhöhen?

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JA NEIN Keine Antwort

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Schicken Sie das Lösungswort ans SAH – mit dem beiliegenden vorfrankierten Service-Talon, einer Postkarte oder per E-Mail an info@sah.ch, Betreff «Rätsel». Jede richtige Lösung nimmt an der Verlosung teil. Die Preise werden freundlicherweise vom Werkstück des SAH Basel zur Verfügung gestellt. Einsendeschluss ist der 14. März 2011. Die Namen der GewinnerInnen werden in der Solidarität 2/2011 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende des SAH und der SAH-Regionalvereine. Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 4/10 lautete «Gemeinde checken». Die GewinnerInnen sind ausgelost: Sibylla Iten aus Zürich hat ein Kaleidoskop, Renate Mischler aus Burgdorf eine Tasche und Lorenz Mischler aus Mürren eine Insektenvilla gewonnen, alles Produkte vom BOA des SAH Schaffhausen. Wir danken den MitspielerInnen für ihre Teilnahme und dem BOA für die gestifteten Preise.

Kommentar von Barbara Burri, Leiterin Entwicklungszusammenarbeit Wir freuen uns, dass so viele LeserInnen für eine Erhöhung der Entwicklungshilfegelder einstehen. Denn nur wenn global die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit erhöht werden, kann die Armut wirksam bekämpft werden. Angesichts der enormen Unterschiede bei den Handelsbilanzen und Finanzströmen in der Weltwirtschaft, ist jedoch klar, dass Entwicklungszusammenarbeit alleine die Ur­sachen von Armut nicht beseitigen kann. Dennoch ist es dem SAH ein Anliegen, an den Ursachen anzusetzen: Mit der «Decent-WorkAgenda» setzen wir uns für die Einhaltung der Arbeitsrechte ein – einer der Schlüssel, damit sich Menschen aus der Armut befreien können.


standpunkt

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Das SAH hat Zukunft Seit 75 Jahren engagiert sich das SAH für eine sozial und wirtschaftlich gerechte Gesellschaft. Der Kampf um die Einhaltung der Arbeitsrechte zeichnet das SAH aus und ist heute wichtiger denn je. Text: André Daguet Das SAH wird 75-jährig. 1936 haben der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB und die SP das Solidaritätswerk mitten in der Weltwirtschaftskrise gegründet, um bedürftigen Arbeiterfamilien im In- und Ausland zu helfen. SGB und SP sind auch heute noch die Trägerorganisationen des SAH, zusammen mit ihren Verbänden und lokalen Sektionen. Im Lauf der Jahrzehnte ist das etwas in Vergessenheit geraten. Veränderungen im SAH, in den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie haben diese Verbindung glücklicherweise in den letzten Jahren wieder gestärkt.

Vision einer gerechten Gesellschaft André Daguet Nationalrat und Gewerkschafter Unia

Das SAH wie die Gewerkschaften und die SP haben seit jeher die Vision einer sozial und wirtschaftlich gerechten Gesellschaft. Diese Vision ist aktueller denn je. Wie nötig der globale Kampf um die fundamentalen Arbeitsrechte ist, zeigen uns die nackten Zahlen: Rund die Hälfte aller Arbeitenden weltweit verdient weniger als zwei Dollar pro Tag. Das sind gegen 1,5 Milliarden Menschen, die Arbeit haben, aber davon schlicht nicht leben können. Und 80 Prozent der arbeitenden Menschen sind ohne ausreichenden sozialen Schutz. Das Schlimmste: Die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Nord und Süd, zwischen Gewinnern und Verliererinnen der Globalisierung, ist trotz aller weltweiten Anstrengungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht kleiner geworden, sondern hat sich im Gegenteil noch vertieft.

Arbeitsrechte im Fokus Deshalb hat das SAH die Arbeitsrechte in den letzten Jahren stark in den Vordergrund gestellt. Das zeichnet das SAH aus. Die Erfahrungen mit der Globalisierung der letzten Jahrzehnte zeigen deutlicher denn je, wohin der wilde Kapitalismus führt: Die Ungleichheit nimmt zu. Die Arbeitsrechte werden weltweit mit Füssen getreten. Lohngerechtigkeit, Gleich­ stellung und Chancengleichheit sind bei weitem nicht Realität, weder in den Ländern des Südens noch bei uns. Im Gegenteil: Die Prekarisierung ganzer Schichten von Arbeitenden ist nicht mehr nur eine Erscheinung in den Ländern des Südens und des Ostens. Sie hat längst auch die Industriestaaten wieder eingeholt, in denen immer mehr Menschen leben, die sich und ihre Familien von ihrer Arbeit nicht mehr ernähren können.

Think global – act local Das SAH engagiert sich vorwiegend in Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Südosteuropas, um die Armut zu bekämpfen, die Menschen- und Arbeitsrechte durchzusetzen und demokratische Mitbestimmung zu fördern. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es jedoch auch eine Veränderung der Politik und der sozialen Realität in der Schweiz. Dafür setzt sich das SAH mit Sensibilisierungsarbeit wie zum Beispiel der Kampagne «Keine Ausbeutung mit unseren Steuergeldern» ein. Genau dieses Engagement macht das SAH als Solidaritätswerk so unentbehrlich für die Gewerkschaften und die SP. Es braucht diesen Kampf – global wie lokal.


aktuell

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Das SAH wird zu Solidar Suisse Am 14. Januar 2011 hat die Generalversammlung des SAH einen zukunftsweisenden Schritt beschlossen: Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk SAH ändert seinen Namen in Solidar Suisse. Text: Ruth Daellenbach, Cartoon: Anna Sommer Der neue Name steht für Kontinuität und für Wandel: Wir bleiben unserer Herkunft und dem Grundwert Solidarität treu, öffnen uns jedoch für neue Perspektiven. Das SAH wurde 1936 von der SP Schweiz und dem Gewerkschaftsbund gegründet. Seine Aufgabe der ersten Stunde war konkrete Hilfe an Arbeiterfamilien in prekären Situationen. Auf internationaler Ebene unterstützte das SAH die Opfer des spanischen Bürgerkrieges, nach dem zweiten Weltkrieg stand die Flüchtlingshilfe im Vordergrund. Dieses Engagement war für das SAH ein Ausdruck von Solidarität und eine Stellungnahme für soziale Gerechtigkeit, gegen Ausbeutung und gegen Faschismus. Die Grundwerte Solidarität, Demokratie und Gerechtigkeit prägen auch die Arbeit von Solidar Suisse. Die Unterzeile Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH, die wir weiterhin führen werden, zeigt die Verbundenheit mit unserer Herkunft und mit den regionalen SAH-Vereinen, die den bisherigen Namen behalten.

Internationale Solidarität heute Das SAH gehörte zu den ersten Schweizer Organisationen, die Entwicklungshilfe leisteten. Unser Verständnis von Entwicklung hat sich seither gewandelt, wir verstehen darunter nicht mehr in erster Linie direkte Hilfe, sondern die partnerschaftliche Kooperation über Länder, Regionen und Kontinente hinweg mit

Menschen und Organisationen, die sich für die Überwindung der Armut, für so­ ziale Gerechtigkeit, Demokratie, Menschen- und Arbeitsrechte engagieren. Der Name Solidar steht für dieses Verständnis von Entwicklung.

Was Solidar Suisse tut Wir arbeiten in Entwicklungs- und Schwellenländern mit lokalen Partnern zusammen, sei es mit Frauenorganisationen, Gewerkschaften oder sozialen Organisationen. In Europa engagieren wir uns im Netzwerk Solidar* für gemeinsame Projekte und Kampagnen. In der Schweiz führen wir in Zusammenarbeit mit unseren Trägern Kampagnen durch, die eine Politik für solidarische Entwicklung einfordern. Solidar Suisse arbeitet weiterhin mit den Schwerpunkten würdige Arbeit und Arbeitsrechte, Demokratie und Menschen-

rechte sowie humanitäre Hilfe nach Katastrophen. Wie in den letzten Jahren, verstärken wir unseren Fokus auf würdige Arbeitsbedingungen.

Neue Perspektiven Auf dem Gebiet der Arbeitsrechte gehen wir neue Wege und engagieren uns neu auch in China. Mit dem Namen Solidar Suisse betonen wir unsere Zugehörigkeit zum europäischen Netzwerk. In der Schweiz sprechen wir mit unserer Kommunikation über neue Medien vermehrt junge Menschen an, die wir für die Anliegen von Solidar Suisse gewinnen möchten. Und der Name Solidar ist überall klar verständlich – ob in der Schweiz, Lateinamerika, Afrika oder Osteuropa. * Das SAH ist im europäischen Netzwerk Solidar mit rund 53 Hilfswerken verbunden, die ebenfalls einen sozial­demokratischen oder gewerkschaftlichen Hintergrund haben.

Solidaritäts-Barometer Befürworten Sie den Namenswechsel von Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH zu Solidar Suisse? Bringt der neue Name unsere Werte und Ziele zum Ausdruck? Beantworten Sie die Fragen des Solidaritäts-Barometers auf dem beigelegten Antworttalon.


aktuell

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Einladung

Generalversammlung Solidar Suisse/SAH

Zwei Namen – eine Solidarität Das SAH wird zu Solidar Suisse, die regionalen SAH-Vereine behalten ihren Namen. Wir bleiben einander verbunden.

Am Freitag, 27. Mai 2011, ab 16 Uhr Im Volkshaus, Weisser Saal, Stauffacherstrasse 60, Zürich

Programm* 16 Uhr: Statutarische Geschäfte Eingeladen sind die Mitglieder von Solidar Suisse/SAH. Bitte melden Sie sich mit dem beiliegenden Service-Talon, per E-Mail (info@

Text: Die GeschäftsleiterInnen der SAH-Regionalvereine

sah.ch) oder Telefon (044 444 19 19) bis zum 8. April an.

Seit der Reorganisation im Jahr 2005 führen zehn eigenständige SAH-Regionalvereine die Inlandarbeit des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes SAH: Sie unterstützen Menschen mit einem vielfältigen Angebot an Bildung, Beratung und Beschäftigung, damit sie ihre soziale und berufliche Integration selbständig verfolgen können. Der Name Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH steht für ein langjähriges, konsequentes Engagement für Menschen, die sich sozial und wirtschaftlich in einer schwierigen Situation befinden. Aufgrund dieses Leistungsausweises erhalten die regionalen SAH-Vereine immer wieder Aufträge der öffentlichen Hand zur Entwicklung innovativer Konzepte und zur Realisierung neuer Projekte.

17.30 Uhr: Öffentliche Veranstaltung «Ein Grund zum Feiern?»

Neue Solidarität Zum Namenswechsel erhält die Solidarität ab der nächsten Nummer ein neues Kleid. Die SAH-Regionalvereine werden weiterhin in der Rubrik «Netzwerk» über ihre Arbeit berichten.

Was 2009 mit der Einsetzung eines nationalen Sekretariats begann, wird 2011 mit der Gründung einer Dachorganisation für das Netzwerk der zehn regionalen SAH-Vereine seine Fortsetzung finden. Die SAH-Vereine, mit ihren ca. 500 Mit­ arbeiterInnen schweizweit die grösste Anbieterin von Erwerbslosen- und Inte­ gra­ tionsprogrammen, stärken so ihre Markt­position bei der Akquisition nationaler Aufträge und schaffen Strukturen, um Ressourcen und Know-how der einzelnen Vereine gemeinsam zu nutzen. Von Schaffhausen bis Chiasso, von Genf bis Zürich: Die regionalen SAH-Vereine sind in drei Sprachregionen der Schweiz bestens verankert. Sie tragen über 2011 hinaus den Namen SAH weiter. Solidar Suisse wünschen wir für seine internationale Arbeit weiterhin viel Erfolg. Gestützt auf unsere gemeinsame Geschichte, Herkunft und Werte, bleiben wir einander auch in Zukunft verbunden. Wir engagieren uns seit 75 Jahren für die Benachteiligten dieser Welt – im Inland die SAH-Vereine, im Ausland Solidar Suisse. Solidarität ist nicht teilbar!

50 Jahre offizielle Schweizer Entwicklungshilfe. 75 Jahre Solidar Suisse (ehemals Schweizerisches Arbeiterhilfswerk). Eine Bilanz. Wie wirkt sich die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit aus? Wäre die Welt ohne unser Engagement (noch) ungerechter? Hat unsere Hilfe für Menschen im Süden neue Perspektiven geschaffen? Weshalb hat sich die Situation in Ländern wie Burkina Faso – eines der ärmsten Länder weltweit – in den letzten Jahren trotz internationaler Hilfe kaum verbessert? Oder hat sie das doch? Micheline Calmy-Rey, Bundespräsidentin, und Odile Bonkoungou, Erziehungsministerin von Burkina Faso, diskutieren über Erfolge, verpasste Chancen und Perspektiven in der Entwicklungszusammenarbeit. Anschliessend Jubiläumsfest mit Ausstellung zu den Solidar-Projekten in Anwesenheit unserer LänderkoordinatorInnen.

* Programmänderungen vorbehalten. Aktuelles Programm unter www.sah.ch/agenda


international

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In El Salvador baut das SAH Strukturen auf, damit die Menschen nicht von Naturkatastophen überrascht werden.

Am Tag nach der Aussaat kam der Hurrikan El Salvador ist häufig von Naturkatastrophen betroffen – mit fatalen Folgen. Diese können stark vermindert werden, wenn die Menschen vorbereitet sind. Text und Fotos: Mónica Vázquez Klimawandel und Umweltzerstörung haben El Salvador zu einem für Naturkata­s­trophen ausserordentlich anfälligen Land gemacht. Immer wieder wird das Land von Erdbeben, Wirbelstürmen, Überschwemmungen und Vulkanausbrüchen heimgesucht, die Tote, Verletzte und Obdachlose zurücklassen. So auch in der Gemeinde Zacatecoluca: Die Küstenregion im Süden ist häufig Opfer von Überschwemmungen, der an den Vulkan Chinchontepeque grenzende nördliche Ortsteil ist akut von Erdrutschen bedroht. Darüber hinaus liegt die gesamte Gemeinde in einem Erdbeben­ gebiet. Ende 2009 hat der Hurrikan Ida schwere Überschwemmungen und Erdrutsche ausgelöst. Er zerstörte einen grossen Teil der Ernte, viele Menschen verloren ihr Hab und Gut, ihre Tiere ertranken. «Wir merkten erst, dass es eine Überschwemmung gibt, als das Wasser in unseren Häusern

stand und wir uns rennend in Sicherheit bringen mussten», erinnert sich Carmen Cruz, die daraufhin einem Zivilschutzkomitee beitrat.

Gefahren einschätzen Aufgrund dieser Erfahrungen und der Prognose, dass Naturkatastrophen mit dem fortschreitenden Klimawandel noch

zunehmen werden, hat das SAH ein Projekt initiiert, um die Bevölkerung besser auf Katastrophen vorzubereiten. Dafür werden in Zusammenarbeit mit Militär, Feuerwehr, Polizei und lokalen Basisorganisationen Zivilschutzkomitees gebildet und national vernetzt. Diese Strukturen müssen von Grund auf aufgebaut werden, denn erst die im Juni 2009 eingesetzte lin-

Vorbereitung vermindert die Folgen von Katastrophen Seit Anfang Jahr führt das SAH in Zacatecoluca ein Projekt durch, das Frühwarnsysteme einsetzt und so die Existenzgrundlagen der Bevölkerung bei Naturkatastrophen sichert. Mit Schulung und Evakuationsplänen werden die lokalen AkteurInnen befähigt, vor, während und nach einer Katastrophe richtig zu reagieren. Mónica Vázquez leitet das Projekt, das ein Team von acht Personen beschäftigt. Seit Anfang Oktober wird das Projekt von der Humanitären Hilfe der Europäischen Kommission (Dipecho) unterstützt. www.sah.ch/elsalvador


Kolumne

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Hans-Jürg Fehr SAH-Präsident und SP-Nationalrat

Etappensieg

Dank Evakuationsplänen können sich die DorfbewohnerInnen rechtzeitig in Sicherheit bringen.

ke Regierung bietet Hand dazu. Dabei werden Frühwarnsysteme eingeführt, Evakuationspläne erarbeitet und Notunterkünfte bereitgestellt. Die Dorfbe­ wohnerInnen lernen die Niederschläge zu beobachten und den Stand der Flüsse einzuschätzen, um die Gefahr von Über­ schwemmungen früh­ zeitig zu erkennen. Dank der Definition der Bedrohungen und der Möglichkeiten, ihnen zu begegnen, erkennen die Menschen die Gefahren und erfahren, wie sie sich im Notfall in Sicherheit bringen können. «Beim Erstellen der Pläne lernen wir unsere Gemeinde besser kennen und finden eher Lösungen», meint Dorfbewohner Teodoro González nach einer Schulung zum Thema. Kommunale Komitees organisieren Theateraufführungen, Wandbilder und andere Aktivitäten, damit alle DorfbewohnerInnen das Frühwarnsystem kennen lernen und wissen, wie sie im Notfall reagieren müssen.

Ernteverluste vermeiden Die Hurrikansaison fällt in El Salvador mit der Erntezeit von Mais und Bohnen zusammen und führte im Fall von Ida zu grossen Ertragsverlusten. Fortan werden Bäuerinnen und Bauern via Radio über Unwetter oder Dürre informiert, die ihre Ernte bedrohen könnten. Wenn sie über

die voraussichtliche Ankunft eines Hurrikans Bescheid wissen, können sie zum Beispiel früher ernten oder später aussäen und so einen Teil der Produktion retten. Erfahrungen, wie sie die Bäuerin Carmen Cruz gemacht hat, sollen in Zukunft vermieden werden: «An einem Donnerstag im Juni habe ich Mais angepflanzt, am Freitag kam der Hurrikan Alex. Er nahm alles mit, auch Saatgut und Dünger, die ich soeben auf dem Feld verteilt hatte. Die Ernte wird ausfallen und ich habe kein Geld, um nochmals Saatgut und Dünger zu kaufen.»

Sich schützen Zur Vorbereitung simulieren die BewohnerInnen, was sie im Fall einer Katastrophe tun würden. So zeigt sich, ob die Einsatzpläne tauglich sind. An diesem Dorfereignis nehmen alle teil, und den Leuten wird bewusst, dass sie nicht hilflos sind. «Mir gefällt es, dass sich viele DorfbewohnerInnen beteiligen, auch Frauen und Kinder. So wissen mehr Leute, was wir tun müssen, wenn eine Katastrophe eintritt», meint Teodoro González. Beim Wirbelsturm Matthew im September 2010 kamen die Kommunikationsstrukturen und Evakuierungspläne zum ersten Mal zum Einsatz und zeigten Wirkung: Die Menschen konnten sich retten. Es gab kaum Verletzte und Viehverluste.

Die Schweiz erhöht bis 2015 ihre Aus­ gaben für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (EZA) auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). So hat es der Ständerat in der Dezember-Session beschlossen. Der Nationalrat seinerseits erhöhte die EZA-Ausgaben im Budget 2011 um 120 Millionen Franken für Wasser- und Klimaschutz-Projekte und seine Aussenpolitische Kommission bestätigte Anfang Januar 2011 die Erhöhung auf 0,5 Prozent. Viel hat es gebraucht, um dieses be­ scheidene Zwischenziel zu erreichen: eine von 200 000 Menschen unterschriebene Petition, eine Standesinitiative des Kantons Bern, eine Parlamentsmehrheit, die gegen den Willen des Bundesrates und der Rechtsparteien operieren musste. Den Durchbruch brachte schliesslich der Schachzug, die Zustimmung zu neuen Krediten für den Internationalen Währungs­ fonds (IWF) von der Zustimmung zu höheren EZA-Ausgaben abhängig zu machen. Ganz nach dem Motto «Gibst du mir die Wurst, lösch ich dir den Durst.» Die IWF-Kredite für aufstrebende Schwellenländer und kriselnde Euro-Staaten, die EZA-Gelder für die Regionen mit der grössten Armut. So sehr wir uns über diesen Etappensieg freuen, hinterlässt er doch einen bitteren Nachgeschmack. Die 0,5 Prozent sind zu weit weg von den 0,7 Prozent, die die Schweiz zusammen mit vielen anderen Staaten in der UNO beschlossen hatte, um die schlimmste Armut zu halbieren. Nur wenige haben ihr Versprechen gehalten. Leider gehört eines der reichsten Länder dieser Welt nicht dazu. Wir bleiben dran!


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Claire Quedraogo nimmt auf ihrem Handy Gemüse­ bestellungen entgegen.

«Meine Kinder sollen es weiter bringen als ich!» In Burkina Faso unterstützt das SAH die arme Bevölkerung mit Alphabetisierungskursen und landwirtschaftlicher Weiter­bildung. So können sie ihren Lebensstandard verbessern. Text und Fotos: Rosanna Clarelli

Pascaline Zomodo steht am Rand ihres Reisfeldes, die Hacke in der Hand, das Baby auf dem Rücken. In Burkina Faso ist das Grundnahrungsmittel Hirse, für den Reisanbau fehlt meist das Wasser. Eine Ausnahme ist der so genannte Riz plu­vial, der auf trockenem Boden wächst, bewässert lediglich vom Regen. Pascaline Zomodo ist stolz auf ihr Feld. Die 29-Jährige lebt mit ihrer fünfköpfigen Familie in Nomgana, einem Dorf 45 Kilometer von der Hauptstadt Ouagadougou entfernt. Sie musste nach zwei Jahren die Schule verlassen, weil ihre Familie sich einen weiteren Schulbesuch nicht leisten konnte. «Dank dem Alphabetisierungskurs der Association Manegdbzanga habe ich mit 13 Jahren endlich lesen und schreiben gelernt, und vor ein paar Jahren konnte ich auch eine Ausbildung in Gartenarbeit machen», erzählt Pascaline Zomodo. «Die ersten Jahre waren hart. Ich habe Zwiebeln gesät, doch die Ernte war sehr schlecht.» Mit

dem Anbau des Riz pluvial verbesserte sich ihre Situation. Die erste Reisernte war so gut, dass sie sich mit dem Verkaufserlös ein Velo zulegen konnte. «Jetzt kann ich schneller und einfacher von meinem Haus zum Feld und auf den Markt gelangen», freut sich die Bäuerin. Die finanzielle Situation ihrer Familie hat sich verbessert, so dass ihre beiden älteren Kinder die Schule besuchen können: «Ich möchte nicht, dass meine Kinder so unwissend bleiben wie ich.»

schreiben zu lernen. Nach jahrelanger Arbeit als Lastwagenchauffeur hat sich Idrissa Ouedraogo vor fünf Jahren entschieden, in sein Heimatdorf Nabigtenga,

«Das Einkommen meines Mannes reichte nicht aus, meine sechs Kinder hungerten.»

Mit Weiterbildung und Einsatz zum Erfolg Auch der 46-jährige Idrissa Ouedraogo hat von der Unterstützung durch Manegd­ bzanga profitiert, bei der nur Mitglied werden kann, wer bereit ist, lesen und

zurückzukehren. Doch als Analphabet fand er keine Arbeit. Nach dem Besuch eines Alphabetisierungskurses erhielt er 2007 von Manegdbdzanga zwei Hähne und 20 Hühner, mit denen er unter grossem Einsatz eine Hühnerzucht startete. Der Weg zum Hof von Idrissa Ouedraogo führt über eine staubige, von Schlaglöchern durchsetzte Strasse. Hier lebt er mit seiner 25-köpfigen Familie in mehreren Holzhütten. «Mit der Hühner-


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Erfolg dank Weiterbildung: Idrissa Ouedraogo züchtet Vieh, Pascaline Zomodo baut trockenheitsresistenten Reis an.

zucht war ich so erfolgreich, dass ich mittlerweile auch Schafe, Ochsen und Ziegen züchte», erzählt er. «Das habe ich alles der Starthilfe von Manegdbdzanga zu verdanken.» Doch es gab auch schwierige Momente, zum Beispiel, als vor zwei Jahren ein Krankheitserreger fast seinen ganzen Hühnerbestand dahinraffte. Er liess sich nicht unterkriegen, sondern machte weiter. Mittlerweile hat Idrissa Ouedraogo eine Vorbildfunktion im Dorf und gibt sein Wissen an seine NachbarInnen weiter.

Dank Handy in die Hauptstadt liefern In Ipelcé ist dreimal pro Woche Markttag. Hier trifft sich die Bevölkerung der rundum liegenden Weiler, besucht Kinos, die in verdunkelten Zelten mit Strom­ generator Champions-League-Spiele und Kung-Fu-Filme zeigen, kauft an den über hundert Ständen Gemüse aus der Umgebung und Waren aus Indien und China

ein, lädt das Handy auf und verköstigt sich in Garküchen und an Getränkeständen. Claire Quedraogo verkauft hier zu kunstvollen Türmen aufgeschichtete Tomaten, Auberginen, Zucchini, Peperoni und Kohl aus ihrem Garten. Das war nicht immer so. «Das Einkommen meines Mannes reichte nicht aus, um die Familie zu ernähren, meine sechs Kinder hungerten», erinnert sie sich. Die Bauernorganisation «Association pour le Développement du Département de Ipelcé» unterstützte sie mit Saatgut und Weiterbildungskursen. Nun kann sie mit dem Gemüse nicht nur ihre Familie ausgewogen ernähren, sondern auch einen Teil der Ernte auf dem Markt verkaufen. Ihr Mann war anfänglich skeptisch, doch nun ist er stolz auf ihren Erfolg. Seit einem Jahr besitzt Claire Quedraogo auch ein Handy. Da Ipelcé nur eine Stunde Fahrt über eine geteerte Strasse von der Hauptstadt entfernt liegt, kann sie nun auch nach Ouagadougou liefern: «Ich erhalte über das

Telefon Bestellungen von Restaurants.» Claire Quedraogo hat grosse Pläne. Sie will ihre Gemüseproduktion vervierfachen und ihren Kindern eine bessere Zukunft ermög­ lichen: «Sie sollen es weiter bringen als ich!»

Mit Bildung gegen Armut In Burkina Faso leben fast 80 Prozent der Bevölkerung auf dem Land. Ihr Alltag ist von Armut geprägt. Die Partnerorganisationen des SAH, Association Manegdbzanga und Association pour le Développement du Département de Ipelcé, engagieren sich mit Alphabetisierungskursen und Workshops zur Verbesserung der Methoden in der Landwirtschaft und Viehzucht. Dank Weiterbildung und Starthilfen können die Bäuerinnen und Bauern ihre Situation nachhaltig verbessern. www.sah.ch/burkinafaso


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Menschenrechte: ein Fremdwort für die Fifa Am 4. Dezember 2010 hat die Fifa über die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 entschieden: Die Turniere finden in Russland und Katar statt. In beiden Ländern kann die Situation der Menschenrechte nicht anders als katastrophal genannt werden. Die russische Regierung entwickelt einen zunehmend autoritären Regierungsstil. Die Meinungsfreiheit wird stark eingeschränkt, Gewalt gegen GewerkschafterInnen und MenschenrechtsanwältInnen gehört zur Tagesordnung. In Katar gelten Frauen als Menschen zweiter Klasse. Sie sind rechtlich schlechter gestellt und praktisch ohne Schutz gegen häusliche Gewalt. Homosexualität steht unter Strafe, freie Gewerkschaften gibt es nicht. Mehr zur Lage der Menschen- und Arbeitsrechte in beiden Ländern auf: www.sah.ch/fifa Wenn die Fifa schon Fussballweltmeisterschaften in diesen Staaten durchführt, muss sie sich vor Ort für eine echte Verbesserung der Situation der Menschen einsetzen. Das SAH wird sich auch in Zukunft dafür stark machen, dass die Fifa ihre Verantwortung endlich wahrnimmt.

Rechte für Hausan­ gestellte in Südafrika

Nothilfe für TsunamiOpfer in Sumatra

Die Gewerkschaft der Hausangestellten in Südafrika (SADSAWU) macht die Öffentlichkeit mit einer Kampagne auf die Rechte ihrer Mitglieder aufmerksam. Hausangestellte gehören zu den am schlechtesten bezahlten und rechtlich am wenigsten geschützten Arbeitnehmenden in Südafrika. Ihr gewerkschaftlicher Organisationsgrad ist niedrig. Es sind zum grössten Teil Frauen, die sich unter prekären Bedingungen einen ebenso prekären Lebensunterhalt verdienen müssen. Im Juni 2011 will die Internationale Arbeitsorganisation ILO eine Konvention verabschieden, um den sozial- und arbeitsrechtlichen Schutz von Hausangestellten zu verstärken. Danach muss die Konvention von den einzelnen Ländern ratifiziert werden. SADSAWU will die Gelegenheit nutzen, um die Organisa­ tionsstrukturen von Domestic Workers zu stärken und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. www.sah.ch/suedafrika

Ende Oktober wurde die Inselgruppe Mentawai in Südwest-Sumatra von einem Tsunami überschwemmt. 450 Todesopfer und viele Verletzte waren zu beklagen. Das SAH versorgte die BewohnerInnen der drei Dörfer Purourougat, Muntei Besar und Maonei, die vollständig von der Flutwelle zerstört worden waren, mit lebensnotwendigen Nahrungsmitteln und Trinkwasser. Zunächst berei­teten der hohe Seegang und starke Brandungen extreme Probleme beim Vorhaben, die Hilfsgüter zu den Betroffenen zu bringen. Fast alle Fischerboote waren von den Naturgewalten zerstört worden, es gab keine Landungsstege für Boote mehr, und ganze Dörfer waren vollständig verschwunden. Das Dorf Maonai war nach der Katastrophe zuerst nur schwimmend erreichbar. Das SAH verteilte als Nothilfe Haushaltsund Hygieneartikel wie Kochtöpfe, Teller, Seife und Waschpulver.

Einsatz für Arbeitsrechte in China Viele geschliffene Steine, die unseren Schmuck zieren, kommen aus China. Dort werden sie häufig unter erbärmlichen Arbeitsbedingungen hergestellt: niedrige Löhne, kaum Sozialleistungen und miserable Sicherheitsbedingungen. Viele SteinschleiferInnen erkranken an Silikose, weil sie keine Schutzmasken gegen den Staub erhalten. Die Organisation Labour Action China setzt sich gemeinsam mit den ArbeiterInnen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. Zusammen haben sie erfolgreich Kompensationszahlungen für die ArbeiterInnen erstritten, die an Silikose erkrankt sind. Das SAH und die Gewerkschaft Unia unterstützen seit September 2010 die Arbeit von Labour Action China in der Provinz Gouangdon.


Wenn ich nicht mehr bin …

lch habe in meinem Testament das SAH berücksichtigt, denn ich weiss, dass es in meinem Sinne etwas bewirken wird.

Wenn ich nicht mehr bin, ermögliche ich den Kindern in Burkina Faso eine gute Schulbildung, damit sie später bessere Chancen haben. Möchten Sie wissen, warum es sinnvoll ist, ein Testament zu machen, und worauf Sie dabei achten müssen? Bestellen Sie unsere Merkblätter oder rufen Sie uns an!

Weitergehende Informationen rund um das Testament finden Sie in unseren Merkblättern (zu bestellen mit dem beiliegenden Antwort-Talon), auf www.sah.ch/testament oder bei einem persönlichen Gespräch mit Christof Hotz: Telefon 044 444 19 45 oder christof.hotz@sah.ch


einblick

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Selbstvertrauen stärken statt Börsenkurse beobachten Der Schauspieler David Valère setzt sich im SAH Genf dafür ein, dass vom Leben gezeichnete Menschen wieder Selbstvertrauen entwickeln. Text: Alexandre Mariéthoz, Foto: Robert Hofer «Ich hegte lange einen gewissen Unmut gegenüber Menschen, die im Sozialbereich engagiert sind. Ich war immer der Überzeugung, dass alle für sich selbst verantwortlich sein sollten. Erst später wurde mir klar, wie verzerrt diese Sicht war.» David Valère unterstützt im Programm ParcourS des SAH Genf (siehe Kasten) die KursteilnehmerInnen dabei, sich mündlich besser auszudrücken. Noch vor wenigen Jahren hätte sich der quirlige Schauspieler nicht vorstellen können, eines Tages im sozialen Bereich tätig zu sein.

Zu grosse Kluft David Valère wurde 1968 in Lille geboren und verbrachte seine ersten Lebensjahre im dortigen Arbeitermilieu. Als er zehn Jahre alt war, zog seine Mutter mit ihm nach Genf, wo er 1988 die Schule mit der Matura abschloss und sich danach mit verschiedenen temporären Jobs durch-

terfragen wichtig waren, am Nachmittag arbeitete ich in einer rein von Finanzen bestimmten Umgebung, und abends las ich kritische Betrachtungen über den Kapitalismus.» Schliesslich gab David Valère 1999 seine Stelle auf, um sich ausschliesslich dem Theater zu widmen. Die folgende Zeit war geprägt von Theaterengagements, Gelegenheitsjobs und Arbeitslosigkeit.

Die eigenen Ressourcen nutzen Im September 2008 folgte ein weiterer beruflicher Richtungswechsel, als David Valère sein Engagement in einem Theater verlor. «Ich zog Bilanz und überlegte, wo meine Talente tatsächlich liegen. Dabei stellte sich heraus, dass ich grosse soziale und pädagogische Fähigkeiten habe.» Als er kurze Zeit später erfuhr, dass das SAH einen Schauspieler als Kursleiter suchte, bewarb er sich und erhielt die Stelle. Die meisten TeilnehmerInnen von ParcourS sind ausländischer Herkunft und bringen wenig Bildung mit. «Viele von ihnen sind vom Leben gezeichnet, ins­ besondere jene, die einen Krieg erlebt haben.» David Valère will ihnen zu neuem Selbstvertrauen verhelfen. «Ich habe grosses Mitgefühl für sie, aber ich bin nicht da, um mit ihnen ihr Schicksal zu beweinen. Ich will ihnen helfen, ihre Ressourcen zu nutzen, um wieder Fuss zu fassen.» Dabei legt der Schauspieler grossen Wert auf den körperlichen Ausdruck. Er interveniert häufig, um bestimmte Verhaltensweisen zu korrigieren

«Ich bildete mir ein, dass Geld unabhängig macht.» schlug. 1992 wurde er Back-Office-Leiter bei einem Vermögensverwalter. «Ich wollte viel Geld verdienen und bildete mir ein, dass Geld unabhängig macht.» Ganz erfüllte ihn seine Arbeit aber nicht, und so schrieb er sich drei Jahre später an einer Theaterschule ein. In der Folge wurde die Kluft zwischen seiner Arbeit und seiner Geisteshaltung immer grösser. «Am Morgen in der Theaterschule lebte ich in einer Welt, in der Nachdenken und Hin-

und seine SchülerInnen zu ermutigen, selbst­bewusster aufzutreten. Parallel zur Arbeit im SAH hat David Valère das Stück «Un homme debout» produziert, das sich an einem Gedicht von Aimé Césaire inspiriert. Erzählt wird die Lebensgeschichte von Cyparis, einem Mann aus Martinique, der von einer besseren Welt träumt. Selbst von SklavInnen abstammend, ruft er sein Volk dazu auf, sich von der Unterdrückung zu befreien.

In Harmonie mit sich selbst David Valère ist Vater zweier kleiner Kinder und führt privat wie beruflich ein erfülltes Leben. «Mit meiner Arbeit im SAH und meinen anderen Aktivitäten tue ich mehr Gutes, als wenn ich das Auf und Ab der Börsenkurse beobachten würde», ist er überzeugt. «Ich bin in meinem Leben mit verschiedenen Welten in Berührung gekommen und all diese Erfahrungen haben aus mir einen aufrechten Menschen gemacht, der in Harmonie mit sich selbst lebt.» Genau wie Cyparis.

Berufliche Eingliederung fördern Das Programm ParcourS des SAH Genf richtet sich an fremdsprachige MigrantInnen, die wenig Bildung mitbringen oder deren Qualifikationen in der Schweiz nicht anerkannt werden. Ziel des Programms ist es, ihre berufliche Eingliederung langfristig zu fördern. www.oseo-ge.ch


einblick

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Von der Vermögensverwaltung über das Theater zum SAH: Nach einem bewegten Lebenslauf hat David Valère seine Berufung gefunden.


«Wir bemerkten die Überschwemmung erst, als das Wasser in den Häusern stand.» Dank Frühwarnsystemen können sich Menschen in El Salvador besser schützen.

www.sah.ch


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