Solidarität 4 14

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Ausgabe November 4/2014

THEMA Sri Lanka KOSOVO Filmfestival mit Anspruch

Das Magazin von


2 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Die Wurzeln von Solidar gründen in der humanitären Hilfe, die denn dadurch würden dringend notwendige Gelder jenen Proauch heute noch einer unserer drei Schwerpunkte ist. Es gäbe jekten im Bildungs- und Gesundheitsbereich entzogen, die bealso viele gute Gründe, dieses Editorial zur Nothilfe zu schrei- wirken, dass Frauen selbst über ihr Leben bestimmen können: ben, umso mehr als die vorliegende Solidarität unserer Arbeit in Nachweislich die wichtigste Voraussetzung für die Senkung der Geburtenrate in Afrika ist die Stärkung Sri Lanka seit dem Tsunami gewidmet ist. der Stellung von Frauen. So nimmt denn Ein gewichtiger Grund, das nicht zu tun, auch weltweit die Geburtenrate mit jewird durch die Aktualität vorgegeben: Im dem zusätzlichen Schuljahr markant ab. November stimmen wir über die EcopopInitiative ab. Sie gaukelt uns vor, dass wir Und zum Schluss noch ein demokratiin der Schweiz einfach die Einwanderung scher Grundsatz: In unsere Verfassung weitestgehend stoppen müssen, um das gehört ausschliesslich, was für die ökologische Gleichgewicht wieder herSchweiz auf lange Zeit hinaus Bestand zustellen. Um nicht zu sehr in der Ecke und Gültigkeit haben soll. Wie anmasder populistischen Rechten verortet zu send und selbstherrlich muss man sein, werden, verbinden die InitiantInnen ihre wenn man – wie die Ecopop-Initiative – Forderung mit einem verheerenden entEsther Maurer in die schweizerische Verfassung schreiwicklungspolitischen Ansatz: Zehn ProGeschäftsleiterin Solidar Suisse ben will, wie Familienplanung in Afrika zent der schweizerischen Entwicklungsauszusehen hat! gelder sollen in die Familienplanung in den ärmsten Ländern Afrikas fliessen. Diese Forderung ist menschenverachtend und steht im Wider- Stimmen auch Sie deshalb NEIN zur Ecopop-Initiative. Esther Maurer spruch zu jeglicher nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit,

MEDIENSCHAU

28.9.2014 Syrische Flüchtlinge im Libanon Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs im März 2011 in Syrien sind über 2,4 Millionen Menschen geflüchtet. Im Nachbarland Libanon haben bis heute mehr als eine Million von ihnen Zuflucht gefunden. Solidar Suisse versorgt sie dort mit Nahrung und Hygieneartikeln. Solidar Suisse ist eines von mehreren Partnerhilfswerken der Glückskette, die im Libanon tätig sind. Nebst der Versorgung von syrischen Flüchtlingen berücksichtigt das Hilfswerk auch die arme Bevölkerung im Libanon. Da inzwischen knapp ein Viertel der libanesischen Bevölkerung aus syrischen Flüchtlingen besteht, wirkt sich das auch auf die Lebensbedingungen der Einheimischen aus.

5.9.2014 Petition gegen Benzol in China: eine Million Opfer? Weil hochgiftig und krebserregend, ist Benzol als Verdünner und Reinigungsmittel in Europa und in den USA längst verboten. Nicht so in China: Dort wird es noch grossflächig in der Industrie verwendet – in Leimen, Farben und Lackierungen. Mit schlimmen Folgen für die Arbeiter. Täglich werden neue Fälle von Benzolvergiftung aufgedeckt. Schätzungen sprechen von einer Million möglicher Opfer. Die Non-Profit-Organisation «Labour Action China» hat nun eine Petition für ein Benzolverbot lanciert. Das Hilfswerk Solidar Suisse unterstützt den Appell.

27.6.2014 Rating ernst nehmen Der Stadtrat Adliswil nimmt das Resultat des Gemeinderatings von Solidar Suisse ernst. Dies geht aus einer Antwort auf eine Interpellation von Simon Jacoby (SP) hervor. Solidar untersucht, ob die Gemeinden ihre globale Verantwortung wahrnehmen, indem sie sich für Entwicklungsprojekte engagieren und sozial nachhaltig einkaufen. Adliswil erreichte 2013 nur 27,5 von 100 möglichen Punkten. Der Stadtrat hat erkannt, dass im Bereich der sozial nachhaltigen Beschaffung Verbesserungspotenzial besteht. (…) Es werde nun geprüft, inwiefern in einer Beschaffungsrichtlinie auch sozial nachhaltige Kriterien berücksichtigt werden können.


3 THEMA Sri Lanka

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Solidar ist seit dem Tsunami 2004 in Sri Lanka tätig. Wo stehen wir heute?

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Tiefe Löhne und enge Behausungen: schlechte Arbeitsbedingungen auf den Teeplantagen Sri Lankas 8 Von Katastrophen und Krieg Betroffene brauchen neben materieller auch soziale Unterstützung 10 STANDPUNKT Toni Frisch: Wie kann humanitäre Hilfe nach Grosskatastrophen erfolgreich sein?

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EINBLICK Subajini Rajendram engagiert sich für sri-lankische ArbeitsmigrantInnen

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THEMA Solidar Suisse in Sri Lanka seit dem Tsunami: von der Nothilfe über den Wiederaufbau bis zur Entwicklungszusammenarbeit. Was haben wir erreicht?

KULTURELL Das DOKUFEST in Prizren verbindet die Menschen im Kosovo über ethnische Grenzen hinweg 13

STANDPUNKT Was sind die Kriterien für eine hilfreiche und respekt volle Unterstützung nach MegaKatastrophen?

AKTUELL Viele Kinder in Moçambique sterben an Malaria: Präventionsmassnahmen reduzieren die Ansteckung 15

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AKTUELL

Zwei Leiter von zweisprachigen Schulen in Burkina Faso haben die 17 Schweiz besucht KOLUMNE

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In Moçambique ist Malaria für 40 Prozent der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren verantwortlich. Kampagnen und Moskitonetze haben die Ansteckung reduziert.

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KULTURELL PINGPONG NOTIZEN

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Das DOKUFEST ist eine treibende Kraft im Bereich Kultur und Bildung des Kosovo.

12+16 IMPRESSUM

Herausgeber: Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E-Mail: kontakt@solidar.ch, www.solidar.ch, Postkonto 80-188-1 Mitglied des europäischen Netzwerks Solidar Redaktion: Katja Schurter (verantwortliche Redaktorin), Rosanna Clarelli, Eva Geel, Alexandre Mariéthoz, Cyrill Rogger

Layout: Binkert Partner, www.binkertpartner.ch / Spinas Civil Voices Übersetzungen: Milena Hrdina, Interserv SA Lausanne, Jean-François Zurbriggen Korrektorat: Carol Le Courtois, Marianne Roth Druck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 Schaffhausen Erscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000

Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 70.–, Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr). Gedruckt auf umweltfreundlichem Recycling-Papier. Titelbild: Nach dem Ende des Krieges in Sri Lanka bauen sich Zurückgekehrte wieder eine Existenz auf. Foto: Malith Jayakody. Rückseite: Mit dem Kauf einer Solidar-Geschenkkarte unterstützen Sie unsere weltweiten Entwicklungsprogramme.


4 Nach Tsunami und Bürgerkrieg bauen sich die Menschen im Norden von Sri Lanka wieder eine Lebensgrundlage auf.

SRI LANKA Seit zehn Jahren ist Solidar in Sri Lanka aktiv. Auslöser unseres Engagements war der verheerende Tsunami, der weite Teile Südostasiens zerstört hatte. Jetzt nehmen wir das traurige Jubiläum zum Anlass, darüber nachzudenken, wie wirkungsvolle Hilfe bei Mega-Katastrophen aussehen soll. Gleichzeitig werfen wir einen vertieften Blick auf unsere Arbeit in Sri Lanka: von der Nothilfe über den Wiederaufbau bis zur Entwicklungszusammenarbeit, von der Katastrophe über das Wiederaufflammen des Bürgerkriegs bis zur Unterstützung von zurückgekehrten Vertriebenen, Plantagenarbeiterinnen und potenziellen Migranten. Foto: Malith Jayakody


THEMA

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6 DIE WELLE – DER KRIEG – DER FRIEDEN? Am 26. Dezember 2004 zerstörte ein gewaltiger Tsunami die Küsten in Südost-Asien. Wie reagierte Solidar und wo stehen wir zehn Jahre danach? Text: Zoltan Doka, Fotos: Jürgen Störk und Malith Jayakody

Die Nachricht vom Tsunami erreichte uns noch am 26. Dezember. Schnell wurde klar, dass das Ausmass der Zerstörung gigantisch war. Die Equipe der humanitären Hilfe von Solidar Suisse – damals das Schweizerische Arbeiterhilfswerk SAH – traf sich umgehend am Hauptsitz in Zürich, um abzuklären, wie wir helfen könnten. Innert Tagen entschieden wir, mit unseren deutschen und norwegischen Partnern des Solidar-Netzwerks, die seit Jahren in Sri Lanka tätig waren, im Norden des Landes aktiv zu werden. Das Chaos nach der Katastrophe Zunächst leistete Solidar Überlebenshilfe für die vom Tsunami Betroffenen. Anschliessend verteilten wir dringend notwendige Haushaltsgüter, bauten Häuser und Gemeindeinfrastruktur wieder auf und stellten die Versorgung mit Wasser und sanitären Anlagen sicher. Aber wir waren nicht die Einzigen. Wie immer bei humanitären Operationen herrschte am

Anfang ein Chaos, das es schwer machte, Die Fragen des Wiederaufbaus das Ausmass des Schadens abzuschät- Nach der Nothilfe, die das Überleben der zen und zu entscheiden, wie die Betrof- betroffenen Menschen sicherte, folgte fenen bestmöglich unterstützt werden die Phase des Wiederaufbaus mit ihren konnten. Es brauchte einige Zeit, bis spezifischen Fragestellungen: Soll die Inwir uns die notwendige Übersicht ver- frastruktur so aufgebaut werden wie vor schafft hatten, um in Absprache mit der der Katastrophe? Oder soll die Chance Bevölkerung geeignete Massnahmen zu genutzt werden, um sie zu verbessern? entwickeln. Die chaotische Situation er- Wie steht es mit dem Landrecht? – Im schwerte zudem die Erfassung und Norden Sri Lankas gab es keine KatasKoordination mit anderen Hilfsorganisa- terpläne und die Palmen, welche die tionen vor Ort. Zu diesem Zeitpunkt Sollte ein Hilfswerk bei Beginn herrschte ein Waffenstillstand im Büreines Krieges das Land verlassen, gerkrieg zwischen damit es nicht zum Spielball wird? der srilankischen Regierung und den Liberation Tigers of Tamil Elam (LTTE). Grundstücke markiert hatten, waren verDie Katastrophe liess den Konflikt für schwunden. Wie können sich die Meneine Weile in den Hintergrund treten – schen wieder ein Einkommen verschafes gab sogar erste zaghafte Ver- fen? Wie soll mit der Traumatisierung handlungen über einen dauerhaften durch die Katastrophe umgegangen werden (siehe Artikel S. 10)? In vielen Frieden.


THEMA 7 Solidar unterstützte die betroffene Bevölkerung in Sri Lanka beim Wiederaufbau nach dem Tsunami (links) und bei der Schaffung einer Existenzgrundlage nach dem Ende des Bürgerkriegs (rechts).

Gesprächen mit AkteurInnen und Begünstigten klärten wir diese Fragen Schritt für Schritt. Projekte wurden konzipiert, und die notwendigen Mittel organisiert. Sechs neue Dörfer für über 10 000 Menschen sollten in sicherem Abstand zur Küste wieder aufgebaut werden. Wiederaufflammen des Bürgerkriegs Doch bereits erschienen am Horizont erste Anzeichen einer erneuten Verschärfung des Konflikts. Leider hatten auf beiden Seiten die Hardliner die Oberhand gewonnen. Waren es am Anfang nur einzelne Anschläge, die gegenseitig vergolten wurden, eskalierte die Situation zunehmend. Jetzt waren nicht mehr nur Tsunami-Opfer in Not, sondern auch mehr und mehr vom Krieg betroffene Menschen. Die Sicherheitslage spitzte sich zu, was Fahrten ins Projektgebiet schwierig machte. Internationale NGOs standen im Norden Sri Lankas sowohl bei der Regierung als auch bei den LTTE, die das Gebiet damals kontrollierten, unter Generalverdacht. Wir fragten uns immer wieder, ob wir unter diesen Bedingungen weitermachen sollten. Sollte ein Hilfswerk bei einem sich anbahnenden Krieg das Land verlassen, damit es nicht zum Spielball der beteiligten Parteien wird? Oder sollte es bleiben, aus Solidarität mit der Zivilbevölkerung? Solidar Suisse entschied sich zum Bleiben – bis zu jenem Tag, an dem alle NGOs und die

Uno den Norden Sri Lankas auf Geheiss der Regierung verlassen mussten. Wir zogen uns nach Colombo zurück und führten unsere Projekte ausserhalb des von den LTTE kontrollierten Gebiets weiter. Und wir mussten zuschauen, wie der Krieg im Norden Tod und Verwüstung über das Land brachte. Das Gefühl der Hilflosigkeit war bei den Hilfsorganisationen allgegenwärtig. Unterstützung der Vertriebenen Nach Kriegsende engagierte sich Solidar Suisse für die Kriegsflüchtlinge, die entweder in Camps festgehalten wurden oder im Land herumirrten. Wir bauten in den Lagern Kehricht-Entsorgungsanlagen, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Doch alle unsere Projekte und Investitionen von vor dem Krieg lagen in Schutt und Asche. Als die Flüchtlinge aus den Lagern wieder in ihre Dörfer zurückkehren konnten, kauften wir Tausende von Fahrrädern, damit die Menschen wieder etwas Mobilität zurückgewinnen konnten. Schrittweise entwickelten wir weitere Projekte, um neue Lebensgrundlagen für die Heimkehrenden zu schaffen. So konnten durch kleine Finanzbeiträge Werkstätten, Läden und Schneidereien wieder flott gemacht werden. Der Wille der Bevölkerung, sich wieder aufzurappeln, war immens. Doch die Arbeit war schwieriger geworden: Konnten wir uns vor dem Krieg relativ frei bewegen, stand der Nor-

den jetzt unter strikter Kontrolle der Armee, ohne deren Bewilligung nichts ging. Von der humanitären Hilfe zur Entwicklungszusammenarbeit Und wo stehen wir heute? In Zusammenarbeit mit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA haben wir Häuser gebaut, Gemeinschaften ökonomisch gestärkt und die Bevölkerung dabei unterstützt, wieder eine Lebensperspektive zu entwickeln. Dann ging die klassische humanitäre Hilfe allmählich in Entwicklungszusammenarbeit über. Nach zehn Jahren sind wir immer noch in Sri Lanka, sind mit den Menschen durch Hochs und Tiefs gegangen. Doch von wirklichem Frieden kann in Sri Lanka nach wie vor nicht gesprochen werden. Es wird zwar nicht mehr geschossen, aber die Regierung hat es bis heute nicht geschafft, ein entspanntes Zusammenleben zwischen Singhalesinnen und Tamilen zu ermöglichen. So wird es noch lange dauern, bis die Wunden des Krieges verheilt sind. Zudem steigen durch soziale und ökonomische Ausgrenzung die Spannungen auch im Süden des Landes. Bleibt die Frage, ob wir etwas bewirkt haben. Die Antwort ist ja. Denn trotz aller Rückschläge hat Solidar einen Beitrag geleistet, damit Tausende von Menschen ihre Lebensgrundlagen wieder herstellen konnten. www.solidar.ch/tsunami


8 ZU BITTERER TEE Solidar will die Bedingungen der ArbeiterInnen auf den Teeplantagen im sri-lankischen Bergland verbessern. Text: Christof Hotz, Fotos: Hamish John Appleby «Meine Tochter soll in der Schule erfolgreich sein und einen guten Beruf lernen», sagt die junge Teepflückerin Yoganathan Pushparani mit fester Stimme. «Ich will nicht, dass sie auch als Teepflückerin arbeiten muss!» Die knapp Dreissigjährige arbeitet auf der Plantage Alma Estate in den Bergen Sri Lankas. Es ist kühl, der Monsun bringt Nebel, Regen und Temperaturen um 18 Grad, während das Thermometer in Colombo rund 30 Grad zeigt. Die Teeplantage zieht sich die steilen Hänge entlang soweit das Auge reicht. Das helle Grün der Teebüsche leuchtet trotz Nebel und kontrastiert mit dem rötlichen Boden. Eine paradiesische Landschaft mit zwitschernden Vögeln und einem Bächlein – aus dem man allerdings besser nicht trinkt, denn es ist mit Bakterien und Pestiziden belastet. Unregelmässiger Arbeitsanfall Der Arbeitstag der Pflückerinnen ist zu Ende. Acht Stunden lang haben sie frische Blätter geerntet und in die Körbe

auf ihrem Rücken geworfen, immer die die nach wie vor tief verwurzelte koloniale zwei obersten und eine Knospe. Heute Tradition und die kastenorientierte Überwar die Vorgabe 20 Kilo, wer besonders lieferung der indischen TamilInnen, die in geschickt ist, bringt es vielleicht auf fast allen Teeplantagen die ArbeiterInnen 25 Kilo, was den Lohn etwas aufbessert. stellen. Sie wurden von den englischen Wenn es lange nicht geregnet hat, liegt Kolonialherren aus Indien nach Sri Lanka das Tagessoll bei 15 oder 16 Kilo, und es gebracht, weil die Einheimischen nicht wird nur an zwei Wochen im Monat gearauf den Plantagen arbeiten wollten. Die beitet. In der Hochsaison ernten die Pflüindischen TamilInnen haben eine eigene ckerinnen – fast ausschliesslich Frauen, weil Männer angeblich weniger sorgfältig «Ich will nicht, dass meine arbeiten, worunter Qualität Tochter auch als Teepflückeund Erntemenge leiden – hinrin arbeiten muss!» gegen bis zum Sonnenuntergang. Ohne einen freien Tag. Sprache und Kultur; sie bilden heute eine Starre Hierarchien Minderheit von gut vier Prozent im HochMüde bringen die Pflückerinnen ihre geland rund um Kandy. leerten Teekörbe vom Feld zurück. Bereitwillig geben sie Auskunft – so wie sie Beengte Wohnverhältnisse meist ohne Widerspruch tun, was ihre Yoganathan Pushparani musste die Vorgesetzten von ihnen verlangen. Die Schule in der neunten Klasse abbrechen: Hierarchie ist klar: Manager, Vorarbeiter, «Meine Mutter ging als Hausangestellte und zuletzt die Pflückerinnen. So will es in den Nahen Osten und ich musste auf


KOLUMNE

THEMA 9

Teepflückerin Yoganathan Pushparani möchte aus der Baracke, die sie mit zehn Familien teilen muss, ausziehen.

An der WM sollen StrassenhändlerInnen ihre Waren rund um die Stadien nicht verkaufen dürfen.

Hans-Jürg Fehr Präsident Solidar Suisse

Stabilität und Chaos

die Geschwister aufpassen.» Das bedauert sie bis heute, denn es ist sehr schwierig, von der Plantage wegzukommen und in einem anderen Beruf Fuss zu fassen. Seit sechs Jahren lebt und arbeitet sie mit ihrem Mann und den drei Kindern hier. Die junge Frau hofft, mit ihrer Familie bald ein eigenes Häuschen mit Gemüsegarten bauen zu können. Zurzeit bewohnt sie zusammen mit den Schwiegereltern zwei enge Zimmer in einer langgezogenen Baracke, in der bis zu zehn Familien hausen. Sauberes Wasser holen

Solidar auf den Teeplantagen Die Solidar-Partnerorganisation Institute of Social Development (ISD) engagiert sich seit vielen Jahren für die marginalisierten Menschen, die auf Teeplantagen leben und arbeiten. Es informiert sie über ihre Rechte und unterstützt ihre Organisierung, damit sie sich für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen einsetzen können. Ausserdem wird die Zertifizierung der Plantagen mit dem UTZ-Label gefördert, das die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation IAO garantiert. www.solidar.ch/teeplantagen

sie am Brunnen, die Gemeinschaftslatrinen sind ein paar Meter entfernt. Bescheidener Lohn Die Pflückerin verdient monatlich – bei Vollbeschäftigung und sofern sie die Vorgaben erfüllt – durchschnittlich 20 000 Rupien (etwa 144 Franken). Das liegt unter dem sri-lankischen Durchschnittslohn von 30 000 Rupien (216 Franken). Dafür sind Wohnung und Wasser kostenlos. Wenn also die Teebüsche zu wenig hergeben für eine tägliche Ernte, ist der Lohn tiefer. Bei Krankheit haben die ArbeiterInnen zwar Zugang zu medizinischer Grundversorgung, doch bezahlt wird nur, wer arbeitet. Darum geht Yoganathan Pushparani auch mit Fieber oder Husten aufs Feld. Solidar Suisse will die Arbeits- und Lebensbedingungen der Teepflückerinnen und ihrer Familien verbessern – auch im Hinblick auf die Bildungschancen ihrer Kinder. Die lokale Partnerorganisation ISD (siehe Kasten) führt Workshops zu Hygiene, Arbeitssicherheit und Gender durch und bietet auch konkrete Hilfe an. Die Menschen auf den Plantagen – und vor allem die Frauen – sollen gestärkt werden. Yoganathan Pushparani beendet unser Gespräch, das nach einem anstrengenden Arbeitstag stattgefunden hat, mit den Worten: «Jetzt muss ich aber zu meiner Familie. Die Kinder warten auf das Abendessen!»

Libyen steckt im Chaos, Syrien im Bürgerkrieg, der Irak ebenso und selbst Europa ist nicht gefeit vor bewaffneten Konflikten (Ukraine). Angesichts von so viel Schrecken und Zerstörung, von so viel Brutalität und tausendfachem Sterben wünschen sich Viele die Zeiten von Ruhe und Ordnung zurück in den Staaten, die jetzt zerfallen. Dieser Wunsch ist verständlich und führt doch in die Irre. Die Konflikte sind nicht ausgebrochen, weil es an Stabilität fehlte, sondern weil es Stabilität gab. Die Herren Ghadafi, Saddam Hussein, Assad, Mubarak verkörperten zwar nach aussen Ruhe und Ordnung, aber es war die Ruhe des Friedhofs und die Ordnung des Terrors. Die Menschen starben nicht im Kampf, sondern im Folterkeller und im Giftgas. Es ist das Wesen der Diktatur, dass sie gesellschaftliche Konflikte nicht zulässt, sondern gewaltsam unterdrückt. Damit sind sie aber nicht gelöst, sie laden sich im Gegenteil mit Spannung auf. Solche Stabilität ist Scheinstabilität auf Zeit. Einer gestürzten Gewaltherrschaft folgt nie sofort der innere Friede, dafür sind zu viele Rechnungen offen geblieben. Der Übergang zur Demokratie braucht viel Zeit und ist mit viel Blutvergiessen und Unordnung verbunden. Aber er öffnet wenigstens eine Perspektive hin zu innerem Frieden, zivilisierter Konfliktaustragung und echter Stabilität. Darum ist es wichtig, dass die Schweiz solche Prozesse unterstützt und demokratisch orientierten Kräften in den Umbruchstaaten beisteht. Darum gehört «Partizipation und Demokratie» zu den strategischen Schwerpunkten von Solidar Suisse.


10 THEMA In betreuten Selbsthilfegruppen tauschen sich traumatisierte Frauen aus und unterstützen sich gegenseitig.

NEUER LEBENSWILLE Um wieder Fuss fassen zu können, brauchen von Katastrophen und Krieg Betroffene neben materieller auch soziale Unterstützung. Text: Aline Dessarzin und Katja Schurter, Foto: Solidar Die Opfer des Tsunami und die vom Bürgerkrieg Vertriebenen, die Solidar in Sri Lanka unterstützt, sind von ihren Erlebnissen oft schwer traumatisiert. Weil sie arm sind und keine Einkommensmöglichkeiten haben, fühlen sich die Menschen ihren Problemen häufig hilflos ausgeliefert. Alltägliche Schwierigkeiten wie Arbeitslosigkeit und die Finanzierung des Schulbesuchs der Kinder belasten sie ebenso wie die Trauer über den Verlust von Angehörigen. Die psychischen Probleme der Einzelnen belasten deren Familie und das soziale Umfeld – unter anderem in Form von Gewalt und Alkoholismus – und führen zu Depressionen und sozialem Rückzug. Neuer Mut dank Trauerarbeit Dies zeigt das Beispiel von Subajini Thas. Vor dem Krieg lebte sie im Norden Sri Lankas, zusammen mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern, die alle die Schu-

hilflos: «Es tut so weh, ihn ohne Beerdigung alleine zu lassen», erzählte sie. Rasaradnam Nesamalar unterstützte sie dabei, über ihre Gefühle zu sprechen und diese in Zeichnungen und in einem Brief an ihren verstorbenen Mann auszudrücken. Nach mehreren Gesprächen fasste Subajini Thas wieder Mut und wollte das Problem ihrer Arbeitslosigkeit angehen. Gemeinsam mit der Sozialarbeiterin ging sie ihre Möglichkeiten durch und beschloss, sich einer Gruppe von Frauen anzuschliessen, die Fischern beim Ausbessern ihrer Netze halfen. So gelang es ihr, wieder finanziell für ihre Familie aufzukommen. Die Sozialarbeiterin wies sie ausserdem auf die Möglichkeit hin, sich für Unterstützung beim Kauf von Schulmaterial an Solidar zu wenden. Schliesslich konnte Subajini Thas ihre Kinder wieder zur Schule schicken. Soziale Unterstützung lässt humanitäre Hilfe greifen Neben der individuellen Beratung führen die SozialarbeiterInnen auch Gruppensitzungen durch. In jedem Dorf, in dem Solidar Suisse mit humanitären Hilfsprojekten tätig ist, haben sich ausserdem Selbsthilfegruppen gebildet. Für alleinerziehende Frauen, deren Ehemänner im Krieg ums Leben kamen, sind die Gruppen ein wichtiger Ort, um sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen.

le besuchten. Im Krieg verlor sie ihren Mann und wurde selbst verwundet, ebenso ihre kleine Tochter. Nach dem Krieg war sie mit ihrer Situation überfordert: Subajini Thas trauerte um ihren Mann, sein Einkommen fehlte und sie konnte sich den Schulbesuch ihrer Kinder bald nicht mehr «Es tut so weh, leisten. Als Sozialarbeiterin ihn ohne Beerdigung Rasaradnam Nesamalar die Familie besuchte, fand sie alleine zu lassen.» Subajini Thas in apathischem Zustand, mit ungekämmtem Haar und schmutzigen Kleidern vor. Sie Dazu gehören auch ganz praktische war traurig und wütend und nachdem sie Tipps für die Bewältigung des Alltags, ihre Geschichte erzählt hatte, meinte sie: zum Beispiel wie sie ihren Garten effizi«Mein Leben hat keinen Sinn mehr.» Das enter bewirtschaften, Geflügel züchten, Gespräch schien sie jedoch ein wenig zu Matten weben oder Kokospalmen pflanberuhigen. Beim zweiten Besuch der So- zen können. Das dadurch erwirtschaftete zialarbeiterin erzählte Subajini Thas vom Einkommen kann ein erster Schritt sein, Tod ihres Mannes. Es verfolgte sie, dass um sich und der Familie wieder eine sie ihm nicht die letzte Ehre hatte erwei- Existenzgrundlage zu verschaffen. sen können. Sie fühlte sich schuldig und www.solidar.ch/vertriebene


STANDPUNKT 11

RESPEKT UND NACHHALTIGKEIT Wie können humanitäre Operationen nach Grosskatastrophen erfolgreich durchgeführt werden? Ein paar Kriterien. Text: Toni Frisch, ehemaliger Leiter der Humanitären Hilfe und Stellvertretender Direktor der DEZA

Nach Katastrophen, die viele Opfer fordern, wie ein Erdbeben oder Tsunami, ist der Druck seitens Medien, Politik und Geldgebenden gross. Alle möchten über rasche, spektakuläre Nothilfeoperationen berichten. Diesem Druck müssen humanitäre Organisationen widerstehen, mit klaren Argumenten nach einer raschen, nüchternen Lagebeurteilung, auf die unverzüglich gezielte Massnahmen folgen.

Das Respektieren der humanitären Grundsätze von Neutralität und Unparteilichkeit, verantwortungsvolles Geberverhalten und die Anwendung der bekannten Qualitätsstandards setze ich als selbstverständlich voraus. Ich weiss aber gleichzeitig, dass zu viele unqualifizierte HelferInnen, die sich humanitär nennen, dies leider nicht tun.

Langfristig wirksame Hilfe Bereits in den Stunden oder Tagen nach einer Grosskatastrophe müssen die Einbezug der Betroffenen Im Zentrum von Bedürfnisanalyse und helfenden Organisationen – ob Uno, Planung muss der enge partnerschaft- Rotkreuz-, Regierungs- oder Nichtregieliche Einbezug der betroffenen Bevölke- rungsorganisationen – Überlegungen über die mittelfristigen Bedürfnisse, die Probleme in Die Schäden und das Leid der Überlebensphase und nach einer Katastrophe einen raschen Wiederaufwerden massiv unterschätzt. bau anstellen. Ich möchte sogar noch weitergehen. Bereits unmittelrung und der lokalen Behörden stehen. bar nach der Nothilfe, müssen sie das Diese Massnahmen sind wiederum in die Thema Katastrophenprävention aufnehnationale und internationale Koordination men. Die Bereitschaft der Bevölkerung, einzubetten. solche Fragen zu diskutieren, ist niemals Es wäre undenkbar, dass bei einer Kata- höher. Fehler, die bei einem Erdbeben strophe in der Schweiz ausländische zum Einsturz von Häusern führten, dürHilfswerke Massnahmen einleiten wür- fen nicht wiederholt werden. Es muss den, ohne unser Einverständnis und Mit- «besser wieder aufgebaut» – und letzttun. Dasselbe muss auch für uns Schwei- lich sogar jetzt schon der Ausstieg bezer HelferInnen im Ausland gelten. dacht werden.

Je länger die unmittelbare Nothilfe zurückliegt, desto mehr müssen die Grundsätze der längerfristigen Entwicklungszusammenarbeit Anwendung finden. Zu jedem Zeitpunkt gilt jedoch, dass wir unsere PartnerInnen respektieren und ihnen auf Augenhöhe begegnen. Denn es geht um die Unterstützung ihrer Familien, um den Aufbau ihres Landes und um ihre Zukunft. Massive Langzeitauswirkungen Die Auswirkungen einer Grosskatastrophe auf ein Land, seine betroffene Bevölkerung und die Regierung – die Schäden und das Leid – werden von Aussenstehenden meist massiv unterschätzt. Niemand denkt daran, dass der Wiederaufbau zehn oder zwanzig Jahre beansprucht. Allzu leichtfertig – und oftmals ohne sich um objektive Information zu bemühen – werden die von einer Katastrophe Heimgesuchten und die helfenden Organisationen kritisiert. Hier muss vermehrt erklärt und begründet werden, was warum getan wird. Denn letztlich geht es auch um die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel. Die humanitären Organisationen müssen zeigen, dass die Steuergelder und Spenden gezielt und wirkungsvoll eingesetzt werden und in die richtigen Hände kommen.


12 NOTIZEN Organisation von ArbeiterInnen in China Ob Lehrer, Pilotinnen, Taxifahrer oder Arbeiterinnen – immer wieder legen Werktätige in China die Arbeit nieder, um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu erwirken. Häufig führt dies zu Entlassungen. Wenn die InitiantInnen von Streiks entlassen werden, wird der Widerstand im Keim erstickt, und auch das Verbot freier Gewerkschaften verhindert eine kontinuierliche Vertretung der Arbeiterinteressen in Fabriken. Zusammen mit VertreterInnen der Gewerkschaft Unia hat Solidar Suisse deshalb im Juli 2014 in Hongkong

einen zweitätigen Workshop zu Sozialdialog und Organisierung für chinesische AktivistInnen und NGO-VertreterInnen durchgeführt. Ziel war, ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und voneinander zu lernen. Nun soll ein Train-theTrainer-Programm konzipiert werden, um chinesische ArbeiterInnen zu befähigen, ihre Anliegen besser zu vertreten. In der Schweiz stellt Solidar den Unia-Sektionen eine Präsentation zur Verfügung, damit sie ihre Mitglieder über die Missstände bei den Arbeitsbedingungen ihrer chinesischen KollegInnen informieren können. www.solidar.ch/china

Sogenannter Kunstkäse – billige Käseimitate aus Ungarn, Bulgarien oder Rumänien, die nur zum Teil oder gar nicht aus Milch hergestellt werden – verdrängt den traditionellen kosovarischen Käse vom einheimischen Markt. Molkereien und MilchbäuerInnen im Kosovo haben sich mit einer Kampagne erfolgreich gegen die Kosovo: Erfolgreicher Kampf Falschdeklaration gewehrt: Seit Septemgegen Kunstkäse ber 2014 dürfen die oft mit billigem PalmFalsch deklarierte Importprodukte machen öl gepanschten Käseimitate nicht mehr als der Milchwirtschaft im Kosovo zu schaffen. Käse verkauft werden.

WM 2014 – ein soziales Desaster Drei Monate nach Abpfiff der WM in Brasilien ist die Bilanz ernüchternd, wie eine Studie von Solidar Suisse zeigt: 13,3 Milliarden kostete die teuerste WM aller Zeiten, ihr wirtschaftlicher Impuls beträgt gerade mal 0,7 Prozent des BIP – ein volkswirtschaftliches Nullsummenspiel. Der Steuerausfall für den brasilianischen Staat wegen der Steuerprivilegien für die Fifa beläuft sich auf 462 Millionen Dollar. Die Hoffnung, mit der WM langfristig Ar-

beitsplätze zu schaffen, hat sich zerschlagen, einzig im Bau- und Tourismussektor führte sie kurzfristig zu Arbeitsstellen. Verbesserungen der Infrastruktur wurden nur teilweise realisiert, mehr als ein Drittel der geplanten Projekte im öffentlichen Verkehr gestrichen. Dafür hinterlässt die WM dem Land vier millionenteure Stadien, die künftig nicht mehr genutzt werden können. Ausserdem wurden 250 000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben und von den 350 000 brasilianischen StrassenhändlerInnen haben viele wegen der Verkaufsverbote um die Stadien ihren Lebensunterhalt verloren. Doch die Fifa braucht das nicht zu kümmern: Sie erwartet einen Rekordgewinn von drei Milliarden Dollar – wesentlich mehr als in Südafrika, wo sie 2,2 Milliarden Profit machte. www.solidar.ch/brasilien

El Salvador: Koppelung von Entwicklungshilfe an Monsanto-Saatgut Im Mai dieses Jahres wollte die US-Regierung eine vereinbarte Hilfszahlung für El Salvador von 227 Millionen US-Dollar an eine Bedingung knüpfen: Die Regierung sollte das Saatgut für ihr Unterstützungsprogramm für KleinbäuerInnen nicht mehr lokalen ProduzentInnen abkaufen, sondern dem US-Konzern Monsanto. 2011 hatte die Regierung El Salvadors das Ausschreibungsverfahren geändert, um die nationale Agrarproduktion und die Ernährungssouveränität des Landes zu fördern. Dadurch wurden hunderttausende von KleinbäuerInnen mit einheimischem Saatgut unterstützt und zugleich die nationale Saatgutproduktion wieder aufgebaut. Doch dies ist angeblich nicht konform mit dem Freihandelsvertrag CAFTA zwischen Kanada, Nordamerika und den zentralamerikanischen Ländern. Im Juni 2014 kam es zu landesweiten Protestaktionen, an denen sich auch Solidar-Partnerorganisationen beteiligten. Denn Solidar unterstützt im Projekt Agricultura kleinbäuerliche Organisationen dabei, Saatgutbanken mit traditionellen Sorten von Mais, Bohnen und Gemüse aufzubauen. Das Saatgut ist billiger, besser an die natürlichen Bedingungen angepasst, und die BäuerInnen können es selbst vermehren. Auch in den USA selbst gab es öffentlichen Druck. Vorerst mit Erfolg: Die USA haben ihre Bedingung für diese Zahlung zurückgenommen. www.solidar.ch/elsalvador_projekte


KULTURELL 13

FESTIVAL MIT FLAIR Das DOKUFEST in Prizren zieht internationales Publikum an und trägt zur Aussöhnung im Kosovo bei. Text: Barbara Burri, Fotos: DOKUFEST Kosovo ist nicht gerade ein Zentrum der Filmwelt – und dennoch findet dort seit 13 Jahren das DOKUFEST statt, das sich zu einem Geheimtipp in der Dokumentar- und Kurzfilmszene entwickelt hat. In der pittoresken, osmanisch geprägten Stadt Prizren beheimatet, zeichnet es sich unter anderem durch seine Entstehungsgeschichte aus: Beim ersten DOKUFEST im Jahr 2002, also knapp drei Jahre nach dem Ende des KosovoKrieges, gab es in Prizren kein einziges funktionierendes Kino. Also mussten sich die InitiantInnen mit improvisierten «Kinosälen» behelfen: Sie projizierten Filme auf die Mauern einer byzantinischen Festung und richteten in den Kavernen eines türkischen Hammams oder auf einem Podest mitten auf dem Fluss Bistrica Kinos ein. Das verleiht dem Festival ein ganz besonderes Flair. Beitrag zur Aussöhnung Nicht nur dank dieser malerischen Spielorte hat sich das DOKUFEST über die letzten 13 Jahre vom Insidertipp zum bestbesuchten kulturellen Ereignis im Kosovo gemausert. Während einer Woche im Monat August pilgern rund 10 000 Menschen nach Prizren, gut 40 Prozent davon reisen aus dem Ausland an, viele aus der Region. Auch was die Filmauswahl betrifft, überzeugt das Festival. Neben internationalen Produktionen bilden Filme aus dem Balkan einen festen Bestandteil. Mit Kategorien wie der «Human Rights Film Factory» hat das Festival den Anspruch, die Diskussion rund um die Menschenrechte anzure-

gen und einen Beitrag zur Normalisierung der Beziehungen auf dem Balkan zu leisten. So werden die Filme von Diskussionsforen und Workshops begleitet. In einem der ersten Durchführungsjahre gewann denn auch ein serbischer Film den ersten Preis der Jury. «Stories we tell» ist ein weiteres Begleitprojekt des Festivals. Hier können kosovarische Jugendliche mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund durch visuelles Geschichtenerzählen auf ihre Lebenssituation aufmerksam machen. Wachstum trotz Hindernissen Den OrganisatorInnen des DOKUFESTS ist es immer wieder gelungen, für den Kosovo typische Probleme zu überwinden. Zu den Herausforderungen der Nachkriegsgesellschaft gehören neben der Zerstörung der Infrastruktur tägliche Stromunterbrüche, der Mangel an technischem Know-how, fehlendes Vertrauen in die lokalen Institutionen und die Absenz einer lokalen (Film)industrie. Trotz dieser Schwierigkeiten konnte das DOKUFEST stetig wachsen und sich weiterentwickeln. Heute werden jedes Jahr etwa 2400 Filme eingereicht, wovon 230 gezeigt werden. Während das Festival in seinen ersten Jahren von Freiwilligen geplant und ausgeführt wurde, ist heute ein kleines Kernteam das ganze Jahr über mit der Planung beschäftigt. So ist das DOKUFEST im Kosovo zu einer treibenden Kraft im Bereich Kultur und Bildung geworden und trägt zu einer nachhaltigen Kulturpolitik bei. www.dokufest.com


14 PINGPONG SOLIDAR-SUDOKU 3

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Lösungswort

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Spielregeln Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3x3Blöcke nur einmal vorkommen. Das Lösungswort ergibt sich aus den schraffierten Feldern waagrecht fortlaufend, nach folgendem Schlüssel: 1=K, 2=E, 3=H, 4=S, 5=P, 6=A, 7=T, 8=O, 9=R Schicken Sie das Lösungswort an Solidar Suisse – mit einer Postkarte, beiliegendem Antwort-Talon oder per E-Mail an: kontakt@solidar.ch, Betreff «Rätsel». 1. Preis ein Abfallkorb 2. Preis eine Dokumentenmappe 3. Preis ein Früchtekorb Die Preise stammen von einer Gruppe von Palmyra-ProduzentInnen im Norden Sri Lankas, in der sich zurückgekehrte Kriegsvertriebene mit der Unterstützung von Solidar zusammengeschlossen haben, um sich wieder eine Existenz aufzubauen. Einsendeschluss ist der 15. Dezember 2014. Die Namen der GewinnerInnen werden in der Solidarität 1/2015 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende von Solidar Suisse. Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 3/2014 lautete «Faire Arbeit». Monika Hladik aus Niederrohrdorf hat eine Tasche, Bernhard Sauer aus Saint Prex sechs Glasuntersetzer und Markus von Holzen aus Matten einen Brieföffner gewonnen. Wir danken dem Frauenbildungszentrum Père Celestino in Burkina Faso für die gestifteten Preise und den Mitspielenden für die Teilnahme.

DIE ERNTE IHRES LEBENS …

… mit einem gültigen Testament bestimmen Sie, was daraus wird! Mit Ihrer Trauerspende oder einem Vermächtnis engagieren Sie sich für benachteiligte Menschen und eröffnen ihnen echte Chancen. Mehr Infos und Unterlagen unter solidar.ch/testament oder direkt bei Christof Hotz 044 444 19 45 christof.hotz@solidar.ch


AKTUELL 15

Seveni Dito trägt seinen an Malaria erkrankten Sohn ins Gesundheitszentrum (links). Ein Moskitonetz schützt Dorca Chizemo und ihre Kinder vor Ansteckung (rechts).

MALARIA TÖTET Viele Menschen in Moçambique sterben an Malaria. Mit Präventionsmassnahmen sollen Ansteckungen verhindert werden. Text: Francisco Palma Saidane, Fotos: Andreas Schwaiger

Auf der Fahrt durch das ländliche Sussundenga in Zentralmoçambique sehen wir immer wieder Frauen und Männer, die apathisch vor sich hinstarrende Kinder auf dem Rücken tragen, die eigentlich zu gross dafür sind. Beim nächsten Wanderer halten wir an. Seveni Dito ist mit seinem zwölfjährigen Sohn Inacio auf dem Weg zum Gesundheitszentrum des etwa zehn Kilometer entfernten Muninga. «Er hat wohl Malaria», erklärt Seveni Dito den Zustand seines Sohnes. Unser Angebot einer Mitfahrgelegenheit nimmt er gerne an. Der

Ihre Spende wirkt Mit Ihrem Beitrag von 50 Franken ermöglichen sie die Verteilung von fünf Moskitonetzen, die 15 Personen – fünf Mütter und zehn Kinder – vor einer Malariainfektion schützen.

vermeiden kann: sei es mit der Herstellung von Moskitoschutzmitteln aus lokalen Pflanzen, Aufräumaktionen, um die Brutplätze der Mücken zu zerstören, oder dem Bau einfacher Latrinen. Ausserdem wurden an die 10 000 Moskitonetze verteilt, speziell an schwangere Frauen und Mütter mit Neugeborenen. Die 24-jährige Dorca Chizemo erhielt eines der Netze. «Ich wurde einmal angesteckt und leide seither immer wieder unter Fieberschüben; meinen zwei Kindern kann ich dieses Schicksal dank den

Malariatest ist positiv, und Inacio erhält ein Anti-Malariamittel. 80 Prozent der PatientInnen kommen wegen Malaria ins Muninga-Gesundheitszentrum. Es ist Ende März, Regenzeit in Moçambique, und die Zahl «Ein Moskitonetz konnte der Malariafälle erreicht ihmir nicht leisten, wie die ren Höhepunkt.

ich

meisten armen Leute hier.» Lebensbedrohliche Infektion Moçambique ist eines der am stärksten von Malaria betroffenen Länder südlich der Sahara, die Krankheit ist für 40 Prozent der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren verantwortlich. Mangelnde sanitäre Einrichtungen und verschmutztes Trinkwasser tragen weiter zur Kindersterblichkeit bei. Solidar Suisse engagiert sich mit Präventionsmassnahmen gegen Malaria. Kampagnen, die übers Radio oder Antimalariakomitees verbreitet werden, informieren die Bevölkerung wie sie eine Ansteckung

Moskitonetzen ersparen», sagt sie. «Ein Moskitonetz konnte ich mir nicht leisten, wie die meisten armen Leute hier.» All diese Massnahmen haben dazu beigetragen, dass zwischen 2010 und 2012 die Neuinfektionen mit Malaria in der Projektregion um 22 Prozent zurückgingen. Doch Handlungsbedarf gibt es weiterhin, wie Dorca Chizemo meint: «Das Netz hilft gegen die Ansteckung mit Malaria. Doch muss ich es mit meinem Ehemann und meinen Kindern teilen. Ein Moskitonetz für die ganze Familie ist nicht genug.»


16 NOTIZEN Philippinen: von der Nothilfe zum Wiederaufbau Solidar Suisse leistete unmittelbar nach dem verheerenden Wirbelsturm Haiyan im November 2013 Nothilfe auf der philippinischen Insel Panay. Über 2500 Familien erhielten Reparatursets mit Wellblech, Nägeln, Dichtungsmasse, Seilen und Werkzeugen sowie eine technische Anleitung, um sich eine Notunterkunft zu bauen. Im Juni hat Solidar die Nothilfephase abgeschlossen und wird in den nächsten zwei Jahren den Wiederaufbau in drei Gemeinden der Insel vorantreiben. Insgesamt werden 3100 Familien dabei unterstützt, ihre Häuser solide aufzubauen oder so zu

Bolivien erlaubt Kinderarbeit Am 6. August 2014 ist in Bolivien ein Gesetz in Kraft getreten, das Kinderarbeit ab einem Alter von zehn Jahren offiziell erlaubt, sofern die Kinder auf eigene Rechnung arbeiten, also zum Beispiel Schuhe putzen. Angestelltenverhältnisse sind ab 14 Jahren zugelassen, doch die Arbeit darf sich nicht auf den Schulbesuch auswirken. Das Gesetz verstösst

25 Jahre FEDEVACO Am 12. und 13. September 2014 hat die Fédération vaudoise de coopération FEDEVACO in Morges ihr 25-Jahre-Jubiläum gefeiert. Mehr als 3000 Personen nahmen am Fest teil. Solidar war mit einem Stand präsent und informierte über die weltweite Projektarbeit und die Kampagnen in der Schweiz. Ein Kurzfilm informierte über die Situation von StrassenhändlerInnen in Nicaragua (www.solidar.ch/ nicaragua_arbeitsrechte). Die FEDEVACO vereint 41 im Kanton Waadt in der

verstärken, dass sie zukünftigen Stürmen standhalten. Die Betroffenen organisieren den Wiederaufbau eigenständig und werden dabei mit Material und technischem Fachwissen unterstützt. www.solidar.ch/philippinen

Dürre in Zentralamerika

gegen die Uno-Kinderrechtskonvention, deshalb hat die Internationale Arbeitsorganisation eine Überprüfung des Gesetzes angekündigt. Es ist vor allem die Gewerkschaft der Kinder und Jugendlichen, die sich für das Recht auf Arbeit für Kinder einsetzt. Wird mit dem Gesetz also eine soziale Realität berücksichtigt – in Bolivien arbeiten armutsbedingt über 800 000 von 4,1 Millionen Kindern unter 18 – oder leistet es der Ausbeutung von Kindern erst recht Vorschub? «Der Versuch, eine soziale Realität zu regulieren statt ihre Ursachen zu bekämpfen, könnte die bolivianischen Kinder dazu verdammen, im Armutszyklus zu verharren», meint Martín Pérez, Solidar-Koordinator in Bolivien.

Entwicklungszusammenarbeit tätige Hilfswerke – unter ihnen Solidar Suisse – und ermöglicht eine koordinierte Finanzierung. Sie arbeitet gegenwärtig mit 39 Gemeinden und fünf Departements des Kantons zusammen.

Eine seit Mai 2014 herschende Dürre hat in einigen Landesteilen von Nicaragua und El Salvador die erste Mais-Aussaat fast vollständig vernichtet. Es wird mit über 65 Prozent Ernteausfällen gerechnet, die Ernährungssicherung hunderttausender kleiner ProduzentInnen ist bedroht. Auch Solidar-Partnerorganisationen sind betroffen. Weil eine zweite Aussaat nötig wurde, stand in den landwirtschaftlichen Genossenschaften im Norden Nicaraguas nicht ausreichend Saatgut für die reguläre Aussaat zur Verfügung. Solidar hat zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, damit die Genossenschaften ihre Mitglieder schnell mit Saatgut und günstigen Krediten versorgen können. Positiv ist, dass die von Solidar geförderten einheimischen Mais- und Bohnensorten und ökologischen Anbausysteme sich als resistenter gegen die Trockenheit erweisen als die herkömmliche Produktion. www.solidar.ch/nicaragua_projekte

Denknetz Der kritische Think Tank Denknetz feiert am 29. November 2014 sein zehnjähriges Jubiläum mit einem grossen Fest im Zürcher Volkshaus. Es beginnt um 16 Uhr mit einem Workshop zur Arbeitsweise des Denknetzes, um 17 Uhr folgt die Vernissage der Jubiläumsschrift «Die überflüssige Schweiz». Um 19 Uhr spricht der Politikwissenschaftlicher und Soziologe Colin Crouch über (Post-)Demokratie und neuen Nationalismus in Europa, um 21 Uhr ist die Spoken-Word-Formation «Bern ist überall» zu sehen. Abgeschlossen wird das Fest mit einem Konzert von Les Reines Prochaines, von denen das Jubiläumsmotto stammt: «Alleine Denken ist kriminell». www.solidar.ch/agenda


AKTUELL 17

Meschach Sayoré (links) und Arzouma Zare (rechts) waren bei ihrem Besuch in der Schweiz beeindruckt von der Beteiligung der SchülerInnen.

rInnen. «Sie sind sehr aufgeweckt», meint Arzouma Zare. «Die Kinder wagen es mitzumachen und Fragen zu stellen.»

VERRINGERTES GEFÄLLE Zwei Leiter von zweisprachigen Schulen in Burkina Faso haben sich das Schulsystem in der Schweiz angesehen.

Fremdsprache Französisch Dies ist auch in zweisprachigen Klassen in Burkina Faso der Fall: «Die Beteiligung der SchülerInnen ist möglich, weil sie zu Beginn hauptsächlich in ihrer Muttersprache unterrichtet werden», meint Meschach Sayoré. «In einer zweisprachigen Schule verringert sich das Gefälle zwischen SchülerInnen und LehrerInnen, und die Kinder machen mehr mit. Was wir in der Schweiz beobachten, wird uns helfen, die aktive Teilnahme zu fördern.» Und er fügt hinzu: «Für uns Burkinabè ist Französisch eine Fremdsprache. Es ist, wie wenn bei euch auf Arabisch unterrichtet würde.» In Burkina Faso gibt es 60 lokale Sprachen. «Sie sind komplett anders als Französisch», erklärt Arzouma Zare, der fasziniert zur Kenntnis nimmt, dass neben den vier offiziellen Landessprachen allein in der Deutschschweiz 20 verschiedene Dialekte existieren.

Text: Alexandre Mariéthoz, Foto: Jacques Pilloud Seit neun Jahren organisiert die pädagogische Hochschule des Kantons Waadt einen interkulturellen Austausch zwischen der Schweiz und Burkina Faso. Grund für den Austausch ist das zweisprachige Schulsystem, das Solidar in Burkina Faso initiiert hat. Nachdem

Zweisprachige Bildung Solidar Suisse hat in Burkina Faso ein Modell der zweisprachigen Bildung initiiert. Der Unterricht findet sowohl in der lokalen Sprache als auch in Französisch statt. Mit dem Resultat, dass mehr Kinder die Primarschule erfolgreich abschliessen. www.solidar.ch/burkinafaso

Schweizer LehrerInnen in Ausbildung Burkina Faso besucht hatten, kamen die burkinischen Schulleiter Meschach Sayoré und Arzouma Zare in die Schweiz, um das waadtländische Schulsystem kennen zu lernen.

Mangel an LehrerInnen Eine Ausgabe der Zeitung «Le Matin» liegt auf dem Tisch des Cafés, in dem wir uns getroffen haben. Auf der ersten Seite steht, dass der Vorsteher des Walliser Bildungsdepartements Oskar Freysinger 90 Stellen abbauen will. Als ich wissen möchte, was die beiden davon halten, meint Zare: «Solche Abbaupläne erstau-

Den Abfall trennen «Der Schweizer klebt an seiner Uhr und kommt «Es ist, wie wenn bei euch auf stets zur vorgesehenen Arabisch unterrichtet würde.» Zeit», fasst Meschach Sayoré seinen ersten Eindruck zusammen. «Mir ist auch aufgefallen, nen mich. Bei uns gibt es einen grossen Mangel an LehrerInnen.» Und Meschach dass der Abfall getrennt wird.» Ausserdem beeindruckte ihn die Ausrüs- Sayoré setzt hinzu: «Und das in einem tung der waadtländischen Schulklassen: Land, das dank seiner Banken und Waf«Die SchülerInnen haben Computer zur fenexporte so viel verdient.» PhilosoVerfügung. In Burkina Faso kenne ich phisch schliesst Arzouma Zare: «Weltweit keine Schule, die Informatikmaterial be- ist das Schulkind eine Investition in die sitzt.» Ausserdem waren sie erstaunt Zukunft. Wir alle möchten unseren Kinüber die starke Beteiligung der Schüle- dern eine bessere Zukunft bieten.»


18 ANGELOGEN, AUSGEBEUTET, AUSGEGRENZT Subajini Rajendram engagiert sich dafür, dass sri-lankische ArbeitsmigrantInnen wissen, was sie erwartet. Text: Mario Pilz, Foto: Solidar

«Die Vertriebenen, die nach dem Ende des Bürgerkriegs in ihre Dörfer zurückgekehrt sind, kämpfen immer noch darum, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Nicht selten verschulden sie sich dabei.» So erklärt Subajini Rajendram die Tatsache, dass immer mehr Menschen im Norden Sri Lankas ihr Glück in der Migration suchen. Die 35-jährige Soziologin mit Diplom in Friedensförderung leitet das Solidar-Projekt für potenzielle MigrantInnen in der Provinz Mullaitivu. «Sie sollen Risiken und Möglichkeiten kennen, wenn sie sich für oder gegen die Migration entscheiden», umreisst sie das Ziel ihrer Arbeit. Zur Migration gezwungen Subajini Rajendram kommt soeben von einem Treffen mit der lokalen Frauenorganisation Woman’s Rural Develop-

ment Society (WRDS) zurück. Solidar hat die WRDS geschult, damit sie ihre Mitglieder rund um das Thema Migration unterstützen kann. «Kamalthasan Tharshini ist wieder zu Hause», erzählt Subajini Rajendram zufrieden. Die 23-Jährige wollte in Dubai als Hausangestellte arbeiten gehen, weil ihr Ehemann keine feste Stelle hatte und ihre Familie ein zusätzliches Einkommen benötigte. Ein dubioser Agent versprach, ihr in Dubai eine Stelle zu vermitteln und nahm sie mit nach Colombo. Als Kamalthasan Tharshini misstrauisch wurde und wieder nach Hause wollte, hielt er sie fünf Tage gegen ihren Willen fest. Sie durfte keinen Kontakt mit ihrer Familie aufnehmen und der Agent drohte, sie müsse 140 000 Rupies (ca. 1000 Franken) bezahlen, wenn sie sich weigere, nach Dubai zu reisen. Als die Frauen von


EINBLICK 19 Subajini Rajendram informiert die Bevölkerung im Norden Sri Lankas über gängige Rekrutierungsmethoden und Migrationsgefahren.

der WRDS davon hörten, halfen sie der Familie der Festgehaltenen, eine Anzeige zu machen. Die Polizei reagierte und befreite die junge Frau. Gewalt gegen Migrantinnen und soziale Ausgrenzung Solche Fälle sind keine Seltenheit. «Kamalthasan Tharshini hatte Glück, dass sie noch in Sri Lanka Verdacht schöpfte», meint Subajini Rajendram. «Viele migrationswillige Frauen merken erst nach ihrer Ankunft, dass die Versprechen der Agenten nicht mit der Realität übereinstimmen. Stattdessen wird ihnen der Lohn nicht ausbezahlt, sie sind mit überlangen Arbeitszeiten sowie physischer und sexueller Gewalt konfrontiert. Manche finden auch eine völlig andere Arbeit vor als vereinbart und der Pass wird ihnen weggenommen, damit

sie nicht nach Hause können.» Denn die Das sri-lankische Amt für Arbeit im AusArbeitgebenden wollen das Geld, das sie land ist für die Regulierung und den in die Rekrutierung ihrer Arbeitskraft in- Schutz von MigrantInnen zuständig. Es vestiert haben – die vermittelten Migran- stellt zwar Standardverträge für MigratitInnen erhalten vor ihrer Abreise 150 000 onswillige zur Verfügung und verhandelt bis 200 000 Rupies (1100 bis 1450 mit den Regierungen der EmpfangslänFranken) – nicht in den Sand gesetzt ha- der. Doch im Norden Sri Lankas sind die ben. Der Wunsch, diese Missstände, von offiziellen Dienstleistungen begrenzt und denen viele auch Männer betreffen, aus MigrantInnen, die bei Problemen im Zielder Welt zu schaffen, motiviert Subajini Rajendram für ihre Arbeit. «Manche finden eine völlig Ein weiteres Problem ist, andere Arbeit vor als vereindass viele MigrantInnen bart.» nicht im Voraus planen, wie sich die zurückgebliebene Familie organisieren soll. So kann es vor- land an die Botschaft gelangen, werden kommen, dass während der Abwesen- oft einfach wieder an ihre Arbeitsstelle heit von Müttern deren Kinder vernach- zurückgeschickt, ohne dass sie Unterlässigt oder gar misshandelt werden. stützung erhalten. Das gravierendste «Generell ist die Migration von Frauen Problem ist für Subajini Rajendram die weniger akzeptiert als die von Männern. weitverbreitete Vermittlung durch betrüAus der Not heraus migrieren Frauen gerische Agenturen. «Sie nützen die Notmanchmal gegen den Willen der Familie, situation und das Unwissen der Migranwas die Planung erschwert», erzählt sie. tInnen schamlos aus, um sich an ihnen zu Dass Frauen ihre Migrationsziele selte- bereichern.» ner erreichen als Männer, liegt auch daran, dass die Männer weniger sorgfältig mit den Rücküberweisungen ihrer EheUnterstützung frauen umgehen als umgekehrt. Solidar unterstützt die Migrationsfamilien auch potenzieller MigrantInnen bei dieser Planung. Damit Migrationswillige im Norden Betrügerische Sri Lankas über gängige RekrutieVermittlungsagenturen rungspraktiken und Risiken Bescheid Ziel vieler sri-lankischer MigrantInnen ist wissen, arbeitet Solidar Suisse mit zivilder Nahe Osten. Frauen arbeiten meist gesellschaftlichen Organisationen zuals Hausangestellte, Männer als unqualisammen. Diese werden geschult, dafizierte Arbeiter, zum Beispiel auf dem mit sie an Zusammenkünften ihre Bau. Vor allem junge Männer migrieren Mitglieder zum Thema Migration inforauch illegal per Boot nach Australien, um mieren und bei Problemen unterstütdort Asyl zu suchen. «Auch bei ihnen zerzen können. Ausserdem werden Beschlägt sich oft die Hoffnung, die ökonohördenmitglieder weitergebildet und mische Situation ihrer Familie zu verbesdie Koordination mit Basisorganisatiosern. Stattdessen kommen sie bei der nen wird gefördert. Überfahrt um oder werden zurückgewww.solidar.ch/srilanka_migration schafft», erzählt Subajini Rajendram.


«Meine Eltern sind gestorben, als ich sieben war. So kam ich in die Grossfamilie meines Onkels. Dort war das Geld allerdings sehr knapp. Dank dem Berufsbildungsprogramm von Solidar Suisse konnte ich Coiffeuse lernen und habe jetzt sogar einen eigenen kleinen Salon.» Fatimata Traoré aus Bobo-Dioulasso

SCHENKEN SIE EINE SCHERE Verschenken Sie diese Karte zu Weihnachten, damit eine junge Frau in Burkina Faso sich zur Coiffeuse ausbilden lassen und ihren Lebensunterhalt verdienen kann.

ODER SCHENKEN SIE… … eine Nähmaschine, damit eine Familie in Sri Lanka eine Dorfschneiderei einrichten kann. … eine Radiosendung, damit die Zuckerrohrarbeiter in Bolivien ihre Rechte kennen und einen fairen Lohn aushandeln können. … eine Handvoll Saatgut, damit eine Kleinbauernfamilie in El Salvador ihr Feld bestellen kann, ohne teures Saatgut und Pestizide kaufen zu müssen.

So einfach funktioniert es: • Bestellen Sie die beliebten SolidarGeschenkkarten im Wert von je 50 Franken mit beiliegendem Antwort-Talon oder online: www.solidar.ch/geschenk • Sie erhalten umgehend die bestellte Anzahl Karten und einen Einzahlungsschein. • Darauf können Sie Ihren Namen und denjenigen der beschenkten Person in die Karte eintragen.

Mit jeder Karte unterstützen Sie die weltweiten Entwicklungsprogramme von Solidar Suisse zugunsten benachteiligter Menschen.

Wir garantieren Ihnen die Lieferung vor Weihnachten für alle Bestellungen, die bis zum 22. Dezember 2014 bei uns eintreffen. Bei Fragen kontaktieren Sie uns bitte unter 044 444 19 19 oder kontakt@solidar.ch


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