Solidarität 3/2016

Page 1

Ausgabe August 3/2016

THEMA Entwicklungszusammenarbeit wirkt AKTUELL Positives drittes Gemeinderating

Das Magazin von


2 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser Knapp hat sich der Nationalrat dafür ausgesprochen, dass der wicklung. Dies würde weltweit einen unaufhaltbaren Wandel Kredit für die Entwicklungszusammenarbeit NICHT in verant- bewirken und die wachsende Ungleichheit bremsen. wortungsloser Weise gekürzt werden soll. Knapp auch dafür, Sie ahnen es: Eigentlich spreche ich von der Agenda 2030, die dass die Schweiz ihre «Solidarität» nicht mit Eigeninteressen soziale Gerechtigkeit und den Schutz der natürlichen Ressourcen verknüpfen dürfe. Diese waren, auf den banalen Nenner an die für die kommenden Generationen erreichen will. Auch die Schweiz Adresse der Entwicklungsländer gebracht: hat die Agenda 2030 unterzeichnet: «Wir Wenn ihr die Flüchtlingsströme in die sind entschlossen, die Menschheit von Schweiz unterbindet, dann helfen wir der Tyrannei der Armut und der Not zu euch auch ein bisschen … befreien und unseren Planeten zu heilen Aber was heisst das nun für uns? Auf­ und zu schützen.» Unsere Parlamentarieatmen – und darauf hoffen, dass wir rInnen können nun noch 15 Jahre lang auch beim nächsten Mal (also schon in darüber streiten, ob 0,3 oder 0,48 oder der Herbstsession, bei der Behandlung 0,7 Prozent des BIP in die Entwicklungsdes Geschäfts im Ständerat) mit einem zusammenarbeit fliessen sollen, um dieblauen Auge davonkommen werden? ses Ziel zu erreichen. Oder sie können Ich bin je länger je mehr der Überzeuunsere gesamte Wirtschafts-, Aussengung, dass ein konsequent FAIRER Esther Maurer und Umweltpolitik konsequent auf Wider­Austausch zwischen allen Ländern sehr Geschäftsleiterin Solidar Suisse sprüche zur Agenda 2030 überprüfen viel mehr Wirkung zeigen würde als alle und sich fragen, wie sich diese am wirMillionen, die in Entwicklungszusammenkungsvollsten ausmerzen lassen. Das ver­ arbeit investiert werden: Keine Potentatengelder, keine illegalen stehe ich unter einer kohärenten Politik! Denn «EntwicklungsFinanzströme und keine Steuerflucht, keine Freihandelsverträge politik» machen wir nicht, indem wir den Fokus auf Entwickohne verbindliche soziale Standards und ohne Menschenrechts­ lungsländer einengen. Echte Entwicklungspolitik passiert erst, klauseln, stattdessen die konsequente Einhaltung der ILO- wenn alle Politikbereiche miteinbezogen sind. Kern­arbeitsnormen und die Ausrichtung auf nachhaltige EntEsther Maurer

MEDIENSCHAU

9.6.2016 Der fischige Deal der Credit Suisse Moçambique befindet sich in seiner grössten Krise seit Ende des Bürgerkriegs von 1992. (…) Die Regierung hat die Staatsverschuldung ausgeweitet und geliehene Gelder zweckentfremdet. (…) Moçambique will jetzt bis zu zwanzig Staatsunternehmen privatisieren oder schliessen. (…) Gemäss Jorge Lampião, der die Projekte des Hilfswerks Solidar vor Ort koordiniert, finden wegen des Schuldenskandals in den letzten Wochen im ganzen Land Protestversammlungen statt. «Demonstrationen werden nicht erlaubt, mancherorts patrouilliert das Militär auf der Strasse», berichtet er.

3.6.2016 Faire Pfannen Ein Report von Solidar deckt auf: Pfannen werden in China unter höchst bedenk­ lichen Umständen produziert. Akkord­ löhne unter dem Mindestlohn, exzessive Arbeitstage bis zu 12 Stunden, ungenügende Schutzkleider, mangelnder Brandschutz sind nur die wichtigsten Punkte auf einer langen Mängelliste. Das Resultat trifft auch die Schweiz: 40 % der hier verkauften Pfannen stammen aus China. Neben Kuhn Rikon oder WMF sind auch die Grossverteiler Migros und Coop betroffen. Solidar hat nun Gespräche mit den Importeuren anberaumt und zeigt sich «vorsichtig optimistisch».

13.5.2016 Mehr Geld für Flüchtlinge Die Zürcher Stadtregierung baut die Flüchtlingshilfe aus. (…) Die Stadt will sich auch bei der Hilfe vor Ort stärker engagieren. (…) «Die Gemeinwesen im Libanon sind massiv überfordert», erklärte Corine Mauch. Der Libanon beherbergt bei rund 4 Millionen Einwohnern derzeit rund 1,5 Millionen Flüchtlinge. Deshalb wird die Stadt Zürich noch im Mai mit der Organisation Solidar Suisse Kontakt aufnehmen, um einen Vertrag für sogenannte Community Support Projects zu unterzeichnen. «Damit können Gemeinden im Libanon unterstützt werden», sagte Mauch.


INHALT 3 THEMA Entwicklungszusammenarbeit wirkt!

4

Wie wir dafür sorgen, dass unsere Arbeit Wirkung entfaltet

6

Südafrika: Ein neues Gesetz verleiht prekär Beschäftigten mehr Rechte. Aber nur, wenn es auch durchgesetzt wird

8

Nicaragua: Kampf um Anerkennung und bessere Bedingungen von auf eigene Rechnung Arbeitenden 10

THEMA

STANDPUNKT SP-Nationalrätin Mattea Meyer warnt vor Renditedenken bei der Entwicklungszusammenarbeit

13

AKTUELL Positive Bilanz des dritten Solidar-Gemeinderatings

15

KULTURELL Rezepte aus drei Kontinenten

17

EINBLICK Binita Dhakal unterstützt Erd­ bebenopfer in Nepal dabei, in ihr normales Leben zurückzufinden 18 KOLUMNE 9 NOTIZEN PINGPONG

12 & 16 14

Wie Solidar mit Entwicklungszusammenarbeit, humanitärer Hilfe und Kampagnen weltweit zu fairer Arbeit und sozialer Gerechtigkeit beiträgt.

4

15 AKTUELL Das dritte Solidar-Gemeinderating zeigt: Einige Gemeinden haben ihre Beschaffungspolitik nachhaltiger gestaltet.

IMPRESSUM Herausgeber: Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E-Mail: kontakt@solidar.ch, www.solidar.ch, Postkonto 80-188-1 Mitglied des europäischen Netzwerks Solidar Redaktion: Katja Schurter (verantwortliche Redaktorin), Rosanna Clarelli, Eva Geel, Lionel Frei, Cyrill Rogger

Layout: Binkert Partner, www.binkertpartner.ch / Spinas Civil Voices Übersetzungen: Milena Hrdina und Jean-François Zurbriggen Korrektorat: Jeannine Horni, Catherine Vallat Druck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 Schaffhausen Erscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000

Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 70.–, Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr). Gedruckt auf umwelt­ freundlichem Recycling-Papier. Titelbild: Nepalesische Erdbebenopfer vor ihrem erdbebensicher wieder aufgebauten Haus. Rückseite: Werden Sie Teil von Solidar Suisse! Fotos: Andreas Schwaiger.


4 Eine Frau auf der philippinischen Insel Panay transportiert von Solidar zur Verfügung gestellte Bambusrohre. Damit wird sie ihr vom Taifun Haiyan zerstörtes Haus wiederaufbauen.

ETWAS BEWIRKEN Wie wirkt die Arbeit von Solidar? Was tragen wir zur Realisierung unserer Vision von fairer Arbeit, sozialer Gerechtigkeit und Existenzsicherung weltweit bei? Lesen Sie auf den nächsten Seiten, wie wir den Effekt unserer Arbeit messen und aus Fehlern lernen. Und blicken Sie mit uns auf unsere Erfolge in der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe und in Kampagnen zurück. Zum Beispiel in Südafrika, Nicaragua, Moçambique, im Libanon, in China und der Schweiz. Foto: Andreas Schwaiger


THEMA

5


6 WAS ZÄHLT IST DIE WIRKUNG

Kinder in Moçambique waschen am neuen Dorf­brunnen ihre Hände.

Mehr tun heisst nicht notwendigerweise mehr bewirken. Wie stellen wir sicher, dass unsere Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Kampagnen Wirkung entfalten? Text: Felix Gnehm, Lionel Frei und Simone Wasmann, Fotos: Andreas Schwaiger, Solidar Entwicklungszusammenarbeit hat zum Ziel, die Welt für arme Menschen in einkommensschwachen Regionen lebenswerter zu gestalten. Doch wie erreicht man dies? Welche Veränderungsprozesse sollen ausgelöst werden? Was sind mögliche negative Auswirkungen unseres Engagements? Solidar Suisse beschäftigt sich intensiv mit solchen Fragen, weil wir mit den eingesetzten Ressourcen möglichst grosse Wirkung erzielen wollen. Wirkungsbeobachtung soll denn auch in den nächsten Jahren ein zentraler Fokus sein.

Wie zeigt sich die Wirksamkeit unserer Arbeit? Für jedes unserer Projekte wird ein Ausgangszustand beschrieben und festgelegt, welche Veränderungen erreicht werden sollen. Nehmen wir als Beispiel ein Projekt in Moçambique: Zurzeit hat hier mehr als die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das Ziel ist also: «Die Bevölkerung in den Distrikten Bárùe und Macate hat besseren Zugang zu sauberem Trinkwasser. Damit sollen die Krankheits- und Todesraten infolge von verschmutztem Trinkwasser und unzurei-

chenden sanitären Einrichtungen halbiert werden.» Früher haben sich die Entwicklungsorga­ nisationen vor allem auf ihre messbaren Leistungen konzentriert. Da ging es beispielsweise um die Frage, wie viele Brunnen ausgehoben und wie viele Menschen im Reparieren von Brunnen ausgebildet wurden. Diese Zahlen sind jedoch nicht ­relevant für eine überzeugende Aussage zur Wirkung – hier geht es vielmehr um die Frage, welche Entwicklungsimpulse die bereitgestellten Güter und Leistungen auslösen. Dafür muss eine umfassende


THEMA 7 Ein vergrösserter Teich dient den beiden libanesischen Gemeinden Al Fawqa und Kfartebnit als Wasserspeicher und Naherholungsort.

Wirkungskette berücksichtigt werden, die Aussagen darüber ermöglicht, ob die Ziele erreicht wurden: Haben mehr Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen, und zwar auch längerfristig? Leben sie unter hygienischeren Bedingungen? Werden sie weniger krank? Aber auch: Wird die lokale Bevölkerung in Entscheidungen einbezogen? Prozesse statt Leistungen Im Zentrum stehen Veränderungen und weniger die Leistungen. Um Veränderungsprozesse zu dokumentieren und zu optimieren, bedient sich Solidar einer Mischung von bewährten Monitoringund Evaluationsinstrumenten, wissenschaftlichen Wirkungsstudien und innovativen Ansätzen wie Storytelling. Das Storytelling erlaubt uns, die Menschen vor Ort und deren Wahrnehmung ins Zentrum der Wirkungsbeobachtung zu rücken. Denn die Stimmen der armuts­ betroffenen Menschen sagen genau so viel aus wie Daten und Statistiken. Solidar engagiert sich auch in der humanitären Hilfe, mit der Menschen in Not­ situationen das Überleben gesichert wird. Sobald eine Katastrophe länger zurückliegt oder andauert, rücken auch hier die Prozesse ins Zentrum. Zum Beispiel im Libanon, wo die syrischen Flüchtlinge nach über vier Jahren Bürgerkrieg in ihrem Land inzwischen ein Viertel der Bevölkerung ausmachen und den Service public unter enormen Druck setzen. Deshalb unterstützt Solidar libanesische Gemeinden mit Projekten zur Verbesserung der Infrastruktur, die der gesamten Bevölkerung zugutekommen. So wurden

etwa in einer Gemeinde im Süden des Libanon im Spital und in den Schulen Heizungen installiert, zwei weitere Gemeinden haben gemeinsam einen Teich zum Auffangen von Regenwasser saniert und erweitert. Der Teich hat nun 90 Prozent mehr Wasser, und die BäuerInnen können damit ihre Felder bewässern und ihre Tiere tränken. Mit einem Weg rund um den See wurde ausserdem ein Naherholungsgebiet geschaffen, das Begegnungen ermöglicht. Mit dem Effekt, dass Spannungen zwischen Zuflucht suchender und einheimischer Bevölkerung, die zunehmend die syrischen Flüchtlinge für Lohndumping und überfüllte Schulen verantwortlich macht, reduziert werden können. Lokale Verankerung und sozialer Ausgleich Wirkung heisst, fassbare Veränderungen auf lokaler Ebene auszulösen. Ob dies gelingt, hängt dabei grösstenteils vom Engagement der Partner und Begünstigten vor Ort ab. Die Projekte von Solidar Suisse entfalten dann Wirkung, wenn sie vor Ort entwickelt und durch die betrof­ fene Bevölkerung umgesetzt werden, wenn sie auf Einschluss und sozialen Ausgleich bedacht sind. Diese Faktoren entscheiden über Erfolg und Misserfolg.

Lionel Frei ist als Mediensprecher, Felix Gnehm als Leiter Internationale Programme und Simone Wasmann als Kampagnenverantwortliche Faire Arbeit in Asien bei Solidar Suisse tätig.

Kampagnen für faire Arbeit Solidar Suisse will mit Kampagnen einerseits die Bevölkerung auf die Zusammenhänge von Schweizer Konsumverhalten und Arbeitsbedingungen weltweit aufmerksam machen. Andererseits sollen sie Unternehmen zum Handeln bewegen. Dafür wird öffent­ licher Druck aufgebaut, aber auch der Dialog gesucht mit Firmen, die bereit sind, sich für die Einhaltung der Arbeitsrechte in ihren globalen Lieferketten zu engagieren. Für uns ist klar, dass der Schutz der Menschen- und Arbeitsrechte langfristig über verbindliche Regelungen sichergestellt werden muss, da freiwillige Initiativen im entscheidenden Moment dem Profitdruck untergeordnet werden. In Ermangelung international gültiger rechtlicher Regeln sind freiwillige Programme wie BSCI oder ICTI Care jedoch oft das einzige Mittel, um Unternehmen zur Wahrnehmung ihrer sozialen Verantwortung zu verpflichten. Solche freiwilligen Standards müssen jedoch stets kritisch hinterfragt werden. Denn je nach Ausgestaltung können sie wenig oder gar negative Auswirkungen haben – zum Beispiel, wenn eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen suggeriert wird, ohne dass sich real etwas verändert hat, und somit das Problem aus dem Blickfeld gerät. Als Resultat unserer Kampagnen zu fairen Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabriken – in der Spielzeugund in der Pfannenproduktion – hat Solidar einen Dialog mit den beteiligten Firmen etabliert. Aufgrund eines Solidar-Reports zu den Zuständen in Spielzeugfabriken wurden wir von ICTI Care in die Nachbearbeitung der Vorwürfe einbezogen. Ausserdem startet ICTI Care dieses Jahr Pilotprojekte zum Einbezug der ArbeiterInnen, die Solidar kritisch verfolgen wird. www.solidar.ch/kampagnen


8 «SECTION 198 IST UNSERE RETTUNG»

Ein neues Gesetz verleiht prekär Beschäftigten in Südafrika mehr Rechte. Doch die Arbeitgeber setzen alles daran, seine Durchsetzung zu verhindern. Text und Fotos: Vincent Mpepe Seit dem 1. Januar 2015 haben Temporärund LeiharbeiterInnen in Südafrika die gleichen Rechte wie Festangestellte. Theoretisch zumindest. Nach drei Monaten sollten sie einen festen Arbeitsvertrag erhalten, zu den gleichen Bedingungen wie Festangestellte. So schreibt es die neue Section 198 des südafrikanischen Arbeitsgesetzes vor. Das heisst, gleicher Lohn und gleiche Sozialleistungen für temporäre und über Vermittlungsfirmen Angestellte. Die Gesetzesänderung ist ein Meilenstein. Denn im Land am Kap ist die Praxis weit verbreitet, Personal über Arbeitsvermittlungsfirmen anzustellen und so Krankenkasse und Rentenversicherung zu umgehen oder missliebige ArbeiterInnen schnell loszuwerden. Ohne Kampf keine Rechte «Section 198 ist unsere Rettung», sagt Sipho Khoza, der letztes Jahr als Lager­ assistent bei Barloworld Equipment in Boksburg, einem Vorort von Johannesburg, begonnen hat. Angestellt war er

Babazile Mwedwe hat sich erfolgreich für eine Lohnerhöhung und Sozialleistungen gewehrt.

über die Arbeitsvermittlungsagentur «Louis nicht um ArbeiterInnen ausserhalb der Alanda», unter miserablen Bedingungen: formalen Ökonomie kümmern, konnten «Mit dem Lohn konnte ich meine Fami- sie sich kaum wehren. Umso grössere lie kaum durchbringen.» Durch das neue Bedeutung kommt Organisationen wie Gesetz hat sich die Situation des 35- dem Solidar-Partner CWAO (Casual ­ Jährigen grundlegend verändert: «Nun Workers Advice Office) zu. CWAO war erhalte ich den gleichen Lohn und die es denn auch, die für Sipho Khoza bei gleichen Sozialleistungen wie Festan­ der Schlichtungsstelle für Arbeitskonflikte gestellte: medizinische Behandlung und intervenierte. Alters­vorsorge.» Dies wurde ihm jedoch «Überstunden und Krankheitsnicht einfach so geabsenzen wurden nicht vergütet, währt. Denn trotz gesetzlichem Anspruch es gab keine Altersvorsorge.» verweigern viele Unternehmen den ArbeiterInnen die ihnen zustehenden Rechte. Und Khoza war nicht der Einzige, der mit Das begann schon vor Inkrafttreten des CWAO für seine Rechte kämpfte: Bis neuen Gesetzes: Arbeitgeber versuchten, Ende Juni 2016 hat CWAO 8000 Arbeimöglichst viele temporär Angestellte zu terInnen unterstützt und 220 Fälle vor die entlassen, um sie nicht fest anstellen zu Schlichtungsstelle gebracht – die Hälfte müssen. Und auch danach blieben die aller den neuen Gesetzesartikel betrefBedingungen vieler LeiharbeiterInnen fenden Fälle. Von diesen 8000 Arbeiteunverändert. Da sie ihre Rechte nicht rInnen sind nun 3800 fest angestellt. Mit kennen und die Gewerkschaften sich anderen Worten: Eine kleine, engagierte


KOLUMNE

THEMA 9

Sipho Khoza hat erreicht, dass ihn sein Arbeitgeber fest anstellen musste.

An der WM sollen Strassenhändle­ rInnen ihre Waren rund um die Stadien nicht verkaufen dürfen.

Hans-Jürg Fehr Präsident Solidar Suisse

Wirkung ist das Ziel NGO mit zehn Angestellten hat mehr Vor­ stösse unternommen, die neuen Rechte durchzusetzen, als alle Gewerkschaften zusammen. Und dies, obwohl die Organisation mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte: Als NGO durfte CWAO die ArbeiterInnen nicht vor Gericht vertreten, weil die Schlichtungsstelle dafür nur Gewerkschaften oder AnwältInnen akzeptiert. Trotzdem hat CWAO 46 Fälle gewonnen, so auch den von Sipho Khoza. «Das Gericht entschied, dass Barloworld mich fest anstellen muss.» Leiharbeit abschaffen Auch Babazile Mwedwe aus Germiston, ebenfalls nahe Johannesburg, wandte sich an CWAO, nachdem sie am Bahnhof ein Plakat der Organisation gesehen ­hatte. «Wir hatten die Nase voll von der

Casual Workers Advice Office CWAO CWAO wurde 2011 gegründet, um prekär Beschäftigte in Südafrika zu unterstützen. Die Solidar-Partnerorganisation bietet kostenlose Beratung und rechtliche Unterstützung für die wachsende Zahl temporär Angestellter und LeiharbeiterInnen. CWAO klärt sie mittels Flugblättern, Plakaten, Radiospots und Social Media über ihre neuen Rechte auf und hat vor dem Obersten Gericht geklagt, damit ArbeiterInnen vor der Schlichtungsstelle auch von unabhängigen Organisa­ tionen vertreten werden können. www.solidar.ch/cwao

Ausbeutung und ich ging mit meinen KollegInnen zu den Leuten von CWAO. Sie informierten uns über unsere Rechte und unterstützten uns in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber. Das hat unser ­Leben verändert.» Die 23-Jährige war im März 2014 von Buhle Cleaning Services angestellt worden, um bei Volvo zu arbeiten. «Ich verdiente nur 2400 Rand (gut 150 Franken) im Monat, Überstunden und Krankheitsabsenzen wurden nicht vergütet, es gab auch keine medizinische Unterstützung oder Altersvorsorge. Wir er­ hielten nicht einmal Arbeitshandschuhe», erzählt sie. Als ihr Chef herausfand, dass sie CWAO eingeschaltet hatte, wollte er ihre Arbeitszeit auf zwei Tage pro Woche kürzen. «Aber CWAO brachte den Fall vor die Schlichtungsstelle. Jetzt bin ich fest angestellt, mit allen Sozialleistungen. Ausserdem wurde mein Lohn auf 3100 Rand (200 Franken) erhöht.» Nun kann Babazile Mwedwe für ihre Familie aufkommen und eine Ausbildung beginnen. Ihr Traum ist, Sozialarbeiterin zu werden, um alleine lebende Waisen zu unterstützen. «Volvo braucht unsere Dienste, ich verstehe nicht, warum sie uns nicht direkt anstellen. Ich wünschte, die Regierung würde diese Arbeitsvermittlungsfirmen endlich stoppen», sagt Babazile Mwedwe. Zum Beispiel, indem sie dafür sorgen würde, dass Section 198 auch wirklich angewandt wird. «Bis dahin braucht Südafrika unbedingt mehr Organisationen wie CWAO!»

Vincent Mpepe arbeitet als Journalist bei der Solidar-Partner­organisation Workers World Media Productions in Johannesburg.

Wie misst man Wirkung bei einem Projekt, das die Bevölkerung mit Trinkwasser versorgen will? Das ist relativ einfach. Man gräbt Brunnen, legt Röhren, baut Zapfstellen und zählt die Menschen, die sich hier Wasser holen. Um die Nachhaltigkeit zu zeigen, werden Zählung und Qualitätsmessung periodisch wiederholt. Doch wie dokumentiert man Wirkung im Bildungs­ bereich? Indem die Zahl neuer Schulzimmer gezählt wird? Das genügt nicht, habe ich an einer Versammlung mit Behördenmitgliedern in Bolivien gelernt. Wichtiger seien die Qualität der Lehrkräfte, die Lehrmittel und ­Unterrichtsmethoden. Deren Erfolg ist messbar – zum Beispiel am Lern­ erfolg der Kinder, die überhaupt die Schule besuchen und der Zahl jener, die eine Ausbildungsphase abschliessen. Und wie ermittelt man Wirkung bei einem Projekt, das die Demokra­ tisierung der Gesellschaft anstrebt? Wie, wenn weniger Gewalt gegen Frauen und Kinder das Ziel ist? Das ist schon deutlich schwieriger, und es müssen aussagekräftige Indikatoren entwickelt werden. Diese Schwierigkeiten dürfen ein Hilfswerk aber nicht davon abhalten, Wirkung zu erfassen. Ganz im Gegenteil, denn allen an einem Projekt Beteiligten geht es ­ um die Wirkung: den Geldgebern, den Akteurinnen und vor allem natürlich den Menschen, die davon profitieren sollen. Wir wollen wissen, was wir mit unserer Arbeit erreichen, deshalb ist die Wirkungsorientierung für uns ureigenes Bedürfnis und Wegweiser für die Weiterentwicklung unserer Projekte.


10 «NENNT SIE NICHT STRASSENHÄNDLERINNEN!»

Arbeiterinnen auf eigene Rechnung verkaufen Esswaren am Grenzübergang Peñas Blancas, 130 Kilometer südöstlich von Managua.

An einem Grenzübergang zwischen Nicaragua und Costa Rica setzen sich auf eigene Rechnung Arbeitende erfolgreich für bessere Arbeitsbedingungen ein. Text und Fotos: Stéphane Cusin In Peñas Blancas pulsiert das Leben an diesem Freitagmorgen im Juni. Last­ wagen, Busse, FussgängerInnen drängen sich an einem der sieben grössten Grenzübergänge zwischen Nicaragua und Costa Rica – dazwischen bieten Dutzende ArbeiterInnen auf eigene Rechnung ihre Dienste feil. Die einen tragen Koffer oder chauffieren die Reisenden in Velotaxis über die Grenze. Andere bieten diverse Esswaren an, verkaufen farbenfrohes Handwerk aus Leder und Holz oder wechseln Geld. Alle tragen den Ansteckknopf der CTCP, der Gewerkschaft der auf eigene Rechnung Arbeitenden.

«Die Situation hier an der Grenze wird sich in Kürze völlig verändern», sagt der Präsident der Gewerkschaft, Adrian Martinez. Im Jahr 2017 soll hier mit Geldern der Weltbank ein komplett neuer Zollübergang gebaut werden. In der Planung wurden die ArbeiterInnen auf eigene Rechnung nicht berücksichtigt. Dabei stellen sie einen wichtigen Teil der Infrastruktur sicher – zum Beispiel, indem sie für Menschen, die sich nicht auskennen mit der Bürokratie oder nicht lesen und schreiben können, die komplizierten Immigrationsformulare ausfüllen, die für den Grenzübertritt nötig sind.

«Die Verantwortlichen hatten uns einfach vergessen», empört sich Adrian Martinez. «Es war kein Platz vorgesehen, der uns

Ihre Spende wirkt Mit Ihrer Spende von 80 Franken ermöglichen Sie einer Geldwechslerin oder einem Tortillaverkäufer einen Grundkurs von 40 Stunden, der Kompetenzen in den Bereichen Verkauf und Administration vermittelt und sie befähigt, ihr Geschäft besser zu führen.


THEMA 11 Schutz vor Sonne und Regen geboten hätte. Kein Platz, der es uns auf würdige Weise ermöglicht hätte, die Reisenden zu versorgen.» Deshalb schaltete sich die CTCP ein und verhandelte mit den Zollbehörden, damit den Arbeitenden Raum für ihre Dienstleistungen zugestanden wird und ihre Essensstände nicht von der Filiale einer Fastfood-Kette vertrieben werden.

sieht: die Anerkennung des Rechts ­Hunderttausender Menschen, ihre selbständige Tätigkeit auszuüben. «Das sind redliche ArbeiterInnen, die jeden Tag in Hitze oder Regen versuchen, ihr Leben zu verdienen – unter schwierigen Bedingungen und oft ohne zu wissen, was ihr Tageslohn sein wird.» Arbeitende auf eigene Rechnung geniessen keinen guten Ruf in Nicaragua, obwohl sie über die Hälfte der Bevölkerung ausmachen – laut Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO waren es 55 Prozent im Jahr 2011. Denn Armut und Arbeitslosigkeit lassen vielen Menschen in Nicaragua keine andere Möglichkeit, als sich mit einer selbstän­

Diplomierte HändlerInnen Mit Erfolg – und so gibt es heute doppelt Grund zum Feiern in Peñas Blancas. 43 ArbeiterInnen auf eigene Rechnung wird ein Diplom als «Vendedor Integral» – als ganzheitliche VerkäuferInnen – überreicht. Die Diplomierten, die zum «Das sind redliche ArbeiterInnen, Teil nie die Schule besucht haben, lern­ die in Hitze oder Regen versuchen, ten in einem 80ihr Leben zu verdienen.» stündigen Kurs, wie sie die Beziehungen mit Grossistinnen und Kunden effektiv digen Tätigkeit durchzubringen oder als und zuvorkommend gestalten können, ArbeitsmigrantInnen ihr Glück zu versuausserdem wurden sie über ihre Rechte chen. «Oder glaubt ihr, dass diese Mutter und Pflichten als Selbstän­ dige aufge- ihre Arbeit frei gewählt hat?», fragt Martiklärt. nez und zeigt auf eine junge Frau, die mit «Heute könnt ihr auf euch stolz sein! ihrem Baby im Arm in der prallen Sonne Jede und jeder ist wichtig für die Wirt- Tortillas verkauft. Um ihre Situation zu schaft und das Leben in Nicaragua», verbessern, setzt sich die CTCP für mehr gratuliert Adrian Martinez den Anwesen- Krippenplätze und Schulbildung für alle den. «Und wir haben gemeinsam erreicht, Kinder ein. Ausserdem fordert sie einen dass wir 2017 einen neuen Grenzüber- bezahlbaren Zugang zu den Sozialversigang haben werden, an dem ihr anständig cherungen. Denn ohne Aussicht auf arbeiten könnt!» Begeisterter Applaus Rente oder Krankenversicherung sind und strahlende Gesichter der Diplomierten Frauen wie die Tortillaverkäuferin im Aljeglichen Alters, die anschliessend ihre ter vollständig von familiärer UnterstütDiplome stolz den anwesenden Foto­ zung abhängig. grafInnen präsentieren. Kampf um Anerkennung Über die Hälfte der Bevölkerung Trotz ihres wichtigen Beitrags zur VersorSeit zehn Jahren setzt sich die CTCP für gung halten sich die Vorurteile gegen die Rechte der auf eigene Rechnung ­Arbeitende auf eigene Rechnung hart­ Arbeitenden in Nicaragua ein. «Nennt sie näckig, und ihre Anerkennung stösst bei nicht Strassenhändlerinnen oder infor- vielen BehördenvertreterInnen und sogar melle Arbeiter», sagt Adrian Martinez. Gewerkschaftskadern auf Widerstand. Hinter seiner Brille funkelt der triumphie- Denn ein 14 Jahre zurückliegendes Ereigrende Blick dessen, der eine Odyssee nis wirkt immer noch nach: 2002 wurde hinter sich hat und sein Ziel erreicht an einer belebten Strassenkreuzung in

CTCP-Präsident Adrian Martinez gratuliert den diplomierten HändlerInnen.

Managua ein Polizeichef in seinem Auto ermordet – und die StrassenhändlerInnen als TäterInnen beschuldigt. In der Folge wurden viele von ihren angestammten Verkaufsplätzen vertrieben. Um ihre Rechte zu verteidigen, gründeten sie die Organisation der «ArbeiterInnen der roten Ampeln», aus der ein paar Jahre später die CTCP hervorging, die inzwischen 65 000 Mitglieder im ganzen Land zählt. «Hunderttausende wenn nicht Millionen ArbeiterInnen sind auf eigene Rechnung tätig», meint Adrian Martinez. «Ohne sie ginge es der nicaraguanischen Wirtschaft noch viel schlechter!»

Stéphane Cusin ist für das Fundraising von Solidar Suisse in der Romandie zuständig.

Die CTCP Solidar Suisse unterstützt die Gewerkschaft der Arbeitenden auf eigene Rechnung CTCP. Diese bietet ihren Mitgliedern Kurse für berufliche Qualifizierung sowie Betriebswirtschaft und setzt sich für ihren Zugang zu den Sozialversicherungen ein. Die CTCP ist international mit Organisa­ tionen von informell Arbeitenden vernetzt, z.B. im weltweiten Netzwerk «StreetNet International», das bei der ILO akkreditiert ist. www.solidar.ch/ctcp


12 NOTIZEN Faire Arbeit in globalen Lieferketten

Auf dem Weg zur fairen Pfanne

Am 10. Juni 2016 wurde an der 105. Jahreskonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Genf ein Aktionsplan zum Thema faire Arbeit in globalen Lieferketten beschlossen. Er sieht die Prüfung einer ILO-Konvention vor, um verbindliche Regeln zum Schutz der B ­ eschäftigten in globalen Lieferketten zu schaffen. Denn das Wettrennen um den billigsten Preis für unsere Konsumgüter schlägt sich direkt auf die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern nieder. Während am Ende der Lieferkette oft satte Profite erzielt werden, zahlen die Beschäftigen an deren Beginn einen hohen Preis für günstige Waren und Dienstleistungen. 600 Delegierte aus allen Kontinenten beschlossen nach zwei Wochen teilweise kontroverser Debatten die künftige Ausrichtung der ILO in dieser Frage. Im tripartiten Komitee standen sich die Posi­ tionen von ArbeitnehmerInnen – auch vertreten durch Solidar Suisse –, Arbeitgebern und Regierungen gegenüber. www.solidar.ch/ilo

Anfang Jahr machte Solidar Suisse mit einer Kampagne darauf aufmerksam, dass unsere Pfannen häufig unter miserablen Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabriken hergestellt werden (siehe Solidarität 2/2016). An einer Veranstaltung Ende Mai hat sich nun Tobias Gerfin, CEO von Kuhn Rikon, den kritischen Fragen von Felix Gnehm, Leiter Inter­ nationale Programme von Solidar, und Ethik-Professor Florian Wettstein gestellt. Diese betonten, dass es trotz der Komplexität globaler Lieferketten in der Verantwortung der Unternehmen liege, für faire Arbeitsbedingungen in ihren Fabriken zu sorgen. Tobias Gerfin schilderte die Schwierigkeiten, denen sein Unternehmen dabei begegnet, und wies auf die Fortschritte der letzten Jahre hin, insbesondere bei den Löhnen, die jährlich um 13 Prozent gestiegen seien. Bei der Frage, ob er sich für die Konzernverantwortungsinitiative einsetze, die verbindliche Regeln für Konzerne zum Schutz von Mensch und Umwelt auch bei Auslands­ tätigkeiten fordert, blieb der Mann aus der Wirtschaft jedoch auffällig ruhig. www.solidar.ch/faire-pfannen

Cartoon von Chappatte

Foto: Hey Skinny

© Chappatte, Le Temps (Genève), 11. Mai 2013

Foto: UNHCR

50 000 Flüchtlinge aufnehmen Anlässlich des internationalen Flüchtlingstags wurde dem Bundesrat am 23.  Juni die Petition «für die rasche Aufnahme von 50 000 Flüchtlingen in der Schweiz» übergeben. 10 000 Menschen haben die Petition unterschrieben, die etwas gegen den unhaltbaren Zustand unternehmen möchte, dass jährlich Tausende Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken und Zehntausende auf ihren Fluchtrouten blockiert sind. Eine der Erstunterzeich­ nerInnen ist SolidarDirektorin Esther Maurer. www.solidar.ch/50000


STANDPUNKT 13

MENSCHEN ALS ANLAGEOBJEKTE? NICHT MIT UNS Es braucht verbindliche Regeln zum Schutz der Menschen statt Renditedenken bei der Entwicklungszusammenarbeit. Text: Mattea Meyer, SP-Nationalrätin

Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), sorgte am diesjährigen WEF für Wirbel. Nicht dass er die Wirtschaftselite für ihre Geschäfte auf Kosten der Armen an den Pranger gestellt hätte. Im Gegenteil. Maurer präsentierte den Managern und Grossaktionärinnen seine Idee, wie sie mit sogenannten humanitären Anleihen in Zukunft gleichzeitig «Gutes tun» und Gewinn machen könnten. Diese Anleihen sollen auf einer Kooperation von AnlegerInnen, dem IKRK und Staaten ­ basieren. Die Idee dahinter: Private InvestorInnen können Geld in humanitäre Projekte investieren, zum Beispiel in ein Zentrum zur Wiedereingliederung von Kriegsverletzten im Irak. Werden die Ziele (soziale und berufliche Integration) erreicht, erhalten die InvestorInnen eine Rendite – finanziert durch die öffentliche Hand. So können sich die AnlegerInnen als WohltäterInnen feiern lassen und gleichzeitig abkassieren. Steuergeschenke und Kürzungen Der Idee der humanitären Anleihen liegt die Finanznot in der Entwicklungszu­ sammenarbeit zugrunde. So musste das UNO-Flüchtlingshilfswerk die Lebensmittelrationen für syrische Flüchtlinge kürzen, weil die Geberländer zu wenig

zahlen. Auch die Schweiz. In Zukunft wird als MäzenInnen aufspielen und nebenbei sie lediglich 0,48 Prozent des Brutto­ die Demokratie aushöhlen. Das läuft in nationaleinkommens für Entwicklungs- die falsche Richtung. Denn nicht mehr zusammenarbeit ausgeben. Das UNO- die Politik soll entscheiden, welche ProZiel von 0,7 Prozent rückt in weite Ferne. jekte der Entwicklungszusammenarbeit Als Grund für die Kürzung gibt die rechte Grosskonzerne sollen Steuern Mehrheit Finanzproblezahlen und Menschenrechte me an – während einhalten. sie gleichzeitig mit der Unternehmenssteuerreform III Milliarden-Steuergeschenke gefördert werden sollen, sondern die an Grosskonzerne verteilt. Doch damit Renditeziele. Dass dabei verbindliche nicht genug. Mit den Freihandelsabkom- Instrumente zum Schutz der Menschenmen Tisa und TTIP lassen sich die Multis rechte und für anständige ArbeitsbedinGesetze ausarbeiten, die ihnen passen. gungen oder das Recht auf soziale Das Ziel sind möglichst freie Märkte Sicherheit und Gleichstellung auf der für noch mehr Gewinn – egal ob in der Strecke bleiben, ist absehbar. Bildung, der Wasserversorgung oder im Unsere Antwort darauf? Grosskonzerne Gesundheitswesen. Oder eben in der sollen am Ort der Wertschöpfung Steuern Entwicklungszusammenarbeit, wie das zahlen und Menschenrechte einhalten, Beispiel der humanitären Anleihen zeigt. wie es auch die Konzernverantwortungsinitiative fordert. Und wir gestalten demoRendite statt Armutsbekämpfung kratisch eine Entwicklungszusammen­ Dieselben Konzerne und Gross­aktio­nä­ arbeit, die nicht auf überheblicher WohlrInnen, die sich mit ihren Steuerprivilegien tätigkeit gepaart mit Renditedenken fusst, immer mehr aus der Verantwortung sondern auf der Grundüberzeugung, dass ziehen und den Reichtum der Welt unter alle Menschen dieselben Rechte haben die Nägel reissen, sollen mit Anleihen die sollen. Menschen sind nicht Anlage­ Finanznot der Entwicklungszusammen- objekte, sondern AkteurInnen mit Recht arbeit lindern. Legitimiert vom IKRK und auf ein selbstbestimmtes, menschen­ der öffentlichen Hand, können sie sich würdiges Leben.


14 PINGPONG SOLIDAR-SUDOKU 3

8

7

9

2

Spielregeln

5

9

4

6

Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3x3Blöcke nur einmal vorkommen. Das Lösungswort ergibt sich aus den grauen Feldern waagrecht fortlaufend, nach folgendem Schlüssel:

7

1

1= A, 2 = P, 3 = E, 4 = T, 5 = I, 6 = K, 7 = R, 8 = N, 9 = O Schicken Sie das Lösungswort an Solidar Suisse – mit einer Postkarte oder per E-Mail an: kontakt@solidar.ch, Betreff «Rätsel».

4

4 2

3

1

8

5

1

Lösungswort

6

5

7

3

2

1. Preis ein Vogelmagnet 2. und 3. Preis ein bemaltes Holzkästchen Die Preise stammen von ArbeiterInnen auf eigene Rechnung in Zentralamerika.

Einsendeschluss ist der 26. September 2016. Die Namen der GewinnerInnen werden in der Solidarität 4/2016 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende von Solidar Suisse. Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 1/2016 lautete «Demokratie». Arianna Genini aus Morbio Inferiore hat eine Tasche, Doris Eichmann aus Langendorf ein Tuch und Marcel Müller aus Basel einen Topfhandschuh gewonnen. Wir danken den Mitspielenden für die Teilnahme und dem Frauen­ bildungszentrum Père Celestino in Burkina Faso für die Preise.

DANKE!

Viele Menschen konnten im letzten Jahr Hoffnung schöpfen und ihr Leben dauerhaft verbessern. Ein wichtiger Beitrag dazu waren Nachlässe von Menschen, die neben ihren Verwandten und engen FreundInnen auch Solidar Suisse einen Teil ihres Vermögens vererbten. Ihnen allen möchten wir hier ganz herzlich danken. Wenn auch Sie erwägen, uns in Ihrem Testament zu berücksichtigen, helfen wir gerne mit einer Auskunft oder unseren Merk­blättern. Wenden Sie sich bitte an christof.hotz@solidar.ch, 044 444 19 45. Solidar Suisse, Postfach 2228, 8031 Zürich, 80-188-1 oder CH67 0900 0000 8000 0188 1


AKTUELL 15 Textilfabrik in Bangladesh: Die öffentliche Hand muss sicherstellen, dass ihre Produkte unter fairen Bedingungen hergestellt wurden.

GEMEINDEN BESCHAFFEN NACHHALTIGER Die Bilanz des dritten Gemeinde­ratings von Solidar Suisse ist erfreulich. Text: Katja Schurter, Foto: NYU Stern BHR Anreiz für Engagement Seit acht Jahren setzt sich Solidar Suisse dafür ein, dass Gemeinden, Kantone und Bund darauf achten, nur Produkte einzukaufen, die nicht mit Ausbeutung einhergehen. Denn das Konsumverhalten in der Schweiz hat direkten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen von Menschen in den Ländern des Südens. Der öffentlichen Hand kommt hier eine Vorreiterrolle zu, wie es auch der Bundesrat in seiner Strategie für nachhaltige Entwicklung festhält. Anreiz für Engagement Deshalb hat Solidar 2011 ein Rating eingeführt, das untersucht, ob Gemeinden sozial nachhaltig beschaffen und die Entwicklungszusammenarbeit unterstützen. Mit der regelmässigen Durchführung wollen wir einen Anreiz für Gemeinden schaffen, sich zu verbessern. Mit Erfolg: Im zweiten Rating im Jahr 2013 hatte sich die Hälfte der 2011 beteiligten Gemeinden in eine positive Richtung bewegt oder ein hohes Niveau gehalten. Im

dritten Rating, dessen Resultate Ende August veröffentlicht werden, gab es wiederum Fortschritte. Einige Gemeinden haben Beschaffungsrichtlinien erarbeitet, die Nachhaltigkeit einfordern, z.B. mittels anerkannter Zertifikate. Die beste unter ihnen hat so ihr Ergebnis um 41 Punkte erhöht. Andere Gemeinden wickeln ihre Beschaffung neu über nahegelegene Städte ab – und profitieren von deren Erfahrungen in nachhaltiger Beschaffung und erst noch von günstigeren Bedingungen aufgrund grösserer Liefermengen. Es gab jedoch auch Gemeinden, deren Punktzahl im Bereich Beschaffung leicht sank, zum Beispiel weil sie keine Weiterbildung für ihre MitarbeiterInnen mehr durchführten. Rückschritte gab es vor allem beim entwicklungspolitischen Engagement. So haben einige Gemeinden die Entwicklungshilfebeiträge gekürzt oder ganz gestrichen. Erfreulicherweise haben sich aber etwa gleich viele gegen den allgemeinen Spartrend gestemmt und ihre Beiträge erhöht.

Gleich viele Gemeinden Die Teilnahme am Gemeinderating ist freiwillig. Die Zahl der untersuchten Gemeinden ist 2016 etwa gleich hoch wie 2013, es gab jedoch Verschiebungen. Einerseits nahmen neue Gemeinden am Rating teil, andererseits sprangen im Jahr 2013 beteiligte Gemeinden ab – sei es, weil sie den Aufwand scheuten, weil ihre Situation sich nicht verändert hatte oder weil revidierte Reglemente noch nicht in Kraft waren. Insgesamt hat etwa die Hälfte der bereits am Rating von 2013 beteiligten Gemeinden ihre Punktzahl leicht oder stark erhöht. Fehlende gesetzliche Verankerung Ein Problem ist für etliche Gemeinden, dass das Beschaffungsgesetz keine Handhabe bietet, um nachhaltige Produktionsbedingungen einzufordern. So bewegen sich Gemeinden, die nachhaltig beschaffen wollen, in einem rechtlichen Graubereich. Solidar setzt sich deshalb dafür ein, dass Nachhaltigkeit im Rahmen der gegenwärtigen Gesetzes­revision verankert wird (siehe Solidarität 2/2016). Das Solidar-Gemeinderating bietet Anreiz zu positivem Handeln – die konkreten Resultate finden Sie hier: www.solidar.ch/gemeinderating

Katja Schurter ist verantwortliche Redaktorin der Solidarität.

So wurde bewertet Für die Bereiche «Entwicklungspoli­ tisches Engagement» und «Beschaffungspraxis» werden je maximal 50 Punkte vergeben. Die Punktzahl schlägt sich in einer Bewertung von einem bis fünf Globen nieder. Mit einem Ergebnis von mehr als 75 Punkten erhalten Gemeinden fünf Globen und die Einschätzung, dass sie aktiv zu einer global gerechteren Welt beitragen.


16 NOTIZEN Alptraumfabrik Disney

Foto: UNMISS

Die Antwort der Fifa lässt Fragen offen Ende Februar erhielt der neu gekürte ­Fifa-Präsident Gianni Infantino Post von Solidar Suisse: den Nachhaltigkeitskodex für faire Weltmeisterschaften, unterschrieben von 11 000 UnterstützerInnen, und einen «Brief an den Präsidenten» mit ­Forderungen zur WM 2018 in Russland und zur WM 2022 in Qatar. Die Antwort auf dieses Schreiben erreichte Solidar Ende April. Sie richtet sich explizit an ­unsere UnterstützerInnen und beinhaltet Ausführungen zum Thema Nachhaltigkeit, jedoch ohne konkrete Massnahmen der Fifa zur Verbesserung der Situation der ArbeiterInnen auf den WM-Baustellen in Russland und Qatar zu nennen. Auch die Aufforderung zum persönlichen Gespräch mit Gianni Infantino blieb unbeantwortet. Von einem Folgeschreiben an die Fifa ­erhofft sich Solidar nun Klärung. Die gesamte Korrespondenz zwischen Solidar und der Fifa ist zu finden unter: www.solidar.ch/fifa-dialog

Pünktlich zur Eröffnung des ersten DisneyVergnügungs-Parks in China am16. Juni 2016 hat die Solidar-Partner­organisation «China Labor Watch» einen Bericht über die Zustände in chinesischen Disney-­ Fabriken veröffentlicht, die alles andere als traumhaft sind. Der durchschnittliche Monatslohn der ArbeiterInnen in der Zhen Yang Toy Factory in Dongguan in der Provinz Guangdong, wo für Disney «Frozen»-Produkte hergestellt werden, beträgt 230 US-Dollar. Dies steht in scharfem Kontrast zum Eintrittsticket ins neue Disneyschloss in Shanghai, das zwischen 56 und 72 Dollar kostet. Doch nicht nur der Lohn in den DisneyFabriken ist ein Alptraum. Der MilliardenKonzern nimmt auch seine Verantwortung punkto Arbeitssicherheit und Wohlergehen der ArbeiterInnen nicht wahr. Tausende WanderarbeiterInnen leisten 12Stunden-Arbeitstage und müssen zusammen mit 15 weiteren ArbeiterInnen in 16  m² kleinen Schlafsälen hausen. Für 320 FabrikarbeiterInnen stehen insgesamt 24 Toiletten und 24 Duschen zur Verfügung, die hygienischen Zustände sind entsprechend desolat. www.solidar.ch/disney

Stadt Zürich unterstützt Gemeinden im Libanon Die Stadt Zürich will Gemeinden im ­Li­banon bei Infrastrukturprojekten und öffentlichen Dienstleistungen mit ins­ gesamt einer halben Million Franken unterstützen. Diese Projekte wird sie in Zusammenarbeit mit Solidar Suisse umsetzen, da wir durch unsere langjährige Unterstützung von syrischen Flüchtlingen im Libanon Erfahrung haben mit

Pakistan: Bildung dank besserer Hygiene­bedingungen In Pakistan haben bessere sanitäre An­ lagen in den Schulen und die Thematisierung von Körperpflege und Umwelt­ hygiene positive Auswirkungen auf den Schulbesuch der Kinder. Seit es in den Schulen genügend Toiletten gibt, Seife zur Verfügung steht und die Kinder zum Händewaschen ermutigt und angeleitet werden, berichten ihre Eltern, dass sie weniger Geld für Medikamente und Spitalbesuche aufwenden müssen, da die Kinder weniger krank werden. Ausserdem wurden gemäss den SchulleiterInnen seit der Einführung der Hygienemassnahmen 20 Prozent mehr Kinder eingeschult und haben zehn Prozent weniger Kinder die Primarschule vor deren Abschluss verlassen. www.solidar.ch/toiletten

Projekten zur Entlastung des von der grossen Zahl der Flüchtlinge überforderten Service Public. Um die Solidarität der libanesischen Bevölkerung weiterhin zu gewährleisten, sind Investitionen und Hilfe von aussen unerlässlich. Die Auswahl der Gemeinden für die drei Community Support Projects erfolgt diesen Sommer, die Projekte starten ab Ende 2016. www.solidar.ch/zürich-solidarisch


KULTURELL 17

REZEPTE AUS DREI KONTINENTEN KOSOVO: TAVË ME PATLIGJANA 4 grosse reife Tomaten 2 grüne und 2 rote Speza (Peperoni) 1–2 grosse Zwiebeln 2 TL Salz, frisch gemahlener Pfeffer, evtl. Knoblauch 1 Becher Sauerrahm

EL SALVADOR: KÄSETORTILLAS MIT LOROCO Tortillas (Pupusas) können mit Käse, Loroco, Bohnen, Spinat, Kürbis, Schweinefleisch oder anderen Zutaten gefüllt werden. Sie werden mit Weisskohlsalat und Tomatensauce serviert. 2 Tassen frische oder eingelegte LorocoBlüten – oder ein anderes Gemüse 2 Tassen Quesillo (alternativ Mozzarella oder Feta) 2 Tassen Maismehl 2 Tassen Wasser Käse und Loroco vermischen und zur Seite stellen. Wasser zum Mais hinzufügen und zu einem glatten Teig verarbeiten. Eine Portion Teig zu einer Kugel rollen, ein Loch bilden und mit Käse und Loroco füllen. Das Loch schliessen und das Teigbällchen zu einer glatten Tortilla formen, ohne dass Käse und Loroco herausquellen. In einer Bratpfanne Öl erhitzen und die Tortillas auf beiden Seiten braun anbraten.

Tomaten, Zwiebeln und Peperoni zerkleinern – nicht zu grob und nicht zu fein. Alles in einen Topf geben und gemeinsam köcheln lassen. Mit Salz und Pfeffer und evtl. Knoblauch würzen. Je nach Bedarf etwas Wasser und ein bisschen Öl zugeben, damit das Ganze nicht ansetzt. Alles etwa eine Stunde köcheln lassen. Wenn man es eilig hat, einfach höherstellen, dann aber auch öfter umrühren! Alles in eine flache Auflaufform geben und den Sauerrahm unterrühren. Im Backofen nochmals etwa eine Stunde bei 200° backen, bis es goldbraun ist.

MOÇAMBIQUE: MATATA Matata, ein Muschel- und Erdnusseintopf, wird typischerweise mit Kürbisblättern gemacht. Diese können mit Spinat ersetzt werden. 1 Tasse Zwiebeln, fein gehackt 2 Esslöffel Olivenöl 4 Tassen geschnittene Muscheln aus der Dose 1 Tasse Erdnüsse, fein gehackt 2 Tomaten, in kleine Stücke geschnitten 1 Teelöffel Salz ½ Teelöffel schwarzer Pfeffer 1 Teelöffel gemahlener roter Pfeffer (scharf, nach Belieben) 750 g junger Spinat, fein gehackt 2 Tassen weisser Reis in 5 Tassen heissem Salzwasser gekocht Zwiebeln bei mittlerer Hitze in Olivenöl anbraten bis sie weich (aber nicht braun) sind. Muscheln, Erdnüsse, Tomaten, Salz, Pfeffer und ein wenig roten Pfeffer zugeben. Bei schwacher Hitze 30 Minuten köcheln lassen. Spinatblätter zugeben und Deckel gut schliessen, sobald die Blätter zusammengefallen sind, abschmecken und mit weissem Reis servieren.


18

IM ZENTRUM DER INFORMATION Die Opfer des Erdbebens in Nepal versuchen, in ihr normales Leben zurĂźckzufinden. Binita Dhakal hilft ihnen dabei. Text: Katja Schurter, Foto: Andreas Schwaiger


EINBLICK 19 eurInnen, auf welcher Baustelle es gerade ein Problem zu lösen gilt oder wo ein kaputtes Bewässerungssystem repariert werden muss. Sie überprüft die Beschwerden von Leuten, die nicht einverstanden sind mit der Auswahl der Personen, die ein Haus erhalten sollen. Hat sie auf eine Frage keine Antwort, zückt sie ihr Handy, fragt nach oder organisiert ein Treffen.

Binita Dhakal (rechts) unterstützt Menschen wie Mithe Kami (links) dabei, ihre vom Erdbeben zerstörten Häuser wieder aufzubauen.

Obwohl im siebten Monat schwanger, klettert Binita Dhakal in ihren Flipflops behende den schmalen Pfad zur Baustelle hoch, die sie den BesucherInnen zeigen will. Die 24-Jährige koordiniert für eine lokale Partnerorganisation von Solidar Suisse die sogenannten Social Mobilisers im Distrikt Sindhupalchok. Das Gebiet nordöstlich der Hauptstadt Kathmandu wurde vom verheerenden Erdbeben im April 2015 besonders hart getroffen. «Ich stehe im Zentrum der Information», sagt Binita Dhakal selbstbewusst. Das muss sie auch. Denn sie schickt die Social Mobilisers zu den Menschen, deren Häuser zerstört wurden; sie informiert die Ingeni-

Erklären und motivieren Den Menschen das Projekt zu erklären, war ebenfalls Binita Dhakals Aufgabe: Jede Familie schickt wenn möglich eine Person in ein zehnköpfiges Bauteam, das während acht Monaten Häuser für die beteiligten Familien baut. Im Gegenzug erhalten die BauarbeiterInnen eine staatlich anerkannte Ausbildung. So wird gleichzeitig der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften behoben, und es werden Einkommensmöglichkeiten geschaffen. Eine sinnvolle Idee – und eine organi­ satorische Herausforderung, weil für die Ausbildung und praktische Bautätigkeit diverse Beteiligte koordiniert werden müssen. Ausserdem standen die Leute dem Hausdesign zunächst kritisch gegen­ über. Um sie erdbebensicher zu machen, werden die Häuser mit dicken, von Holzriegeln durchzogenen Trockensteinmauern versehen. «Die Leute waren überzeugt, dass Holz nicht so stabil ist wie Beton und von Termiten zerfressen wird, obwohl dem mit entsprechender Behandlung entgegengewirkt werden kann», erzählt Binita Dhakal. «Ausserdem ist es schwierig, Beton in abgelegene Gebiete zu transportieren.» Doch das mussten die Social Mobilisers den Menschen erst ­verständlich machen. «Als wir endlich das erste Team gebildet hatten, war ich echt glücklich», strahlt ­Binita Dhakal. Ihre Energie scheint unerschöpflich. Das lässt sich auch an ihrem bisherigen Werdegang ablesen. Sie hat ein Studium der Biotechnologie und einen Master in Umweltmanagement ­ ­absolviert, SekundarschülerInnen Naturwissenschaften beigebracht und als Analystin für Geoinformationssysteme Landkarten hergestellt. Als sie für ihren

Geschmack zu lange auf die Zulassung zum gewünschten Studienfach warten musste, studierte sie kurzerhand eine Weile Spanisch. Studieren ist denn auch ihre grosse Leidenschaft. Frauen auf der Baustelle Damit es sich auch Frauen zutrauen, eine Ausbildung als Bauarbeiterin zu absolvieren, und damit sie akzeptiert werden, brauchte es ebenfalls den Einsatz von Binita Dhakal: «Wir haben zum Beispiel Mithe Kami ermutigt, die Ausbildung zu machen, und das Bauteam motiviert, sie aufzunehmen. Die 56-Jährige lebt alleine und kann nun ihr Haus selbst wiederaufbauen.» Binita Dhakal arbeitet seit November 2015 für Solidar: «Mit meiner Arbeit unterstütze ich Erdbebenopfer, damit sie ein Haus erhalten. Und dank ­finanzieller Unterstützung können sie zu ihrem normalen Leben zurückkehren», beschreibt sie ihre Motivation. Denn viele Menschen haben Vieh und Vorräte ver­ loren und mussten sich nach dem Erd­ beben für ihren Lebensunterhalt verschulden. «Ich habe in dieser Region eine Arbeit gesucht, weil mein Mann und ich aus Kathmandu hierher zu seiner Familie ziehen wollten.» Auch für die Zukunft hat Binita Dhakal bereits Pläne. Nach dem Ende ihres Einsatzes im Oktober 2017 möchte sie im norwegischen Tromsø ­studieren: «Dort gibt es einen Master in Umweltmolekularbiologie, der meine zwei Studienschwerpunkte Biotechnologie und Umweltmanagement ideal verbindet.»

Wiederaufbau in Nepal Solidar Suisse baut in Kooperation mit Helvetas in Nepal die Häuser von 1000 armen Familien wieder auf und unterstützt sie mit einem finanziellen Beitrag, damit sie ihre verlorenen Ernten und getöteten Tiere ersetzen können. Ausserdem werden zerstörte Bewässerungssysteme instand gestellt. www.solidar.ch/nepal


«Seit sich Solidar für uns Müllsammlerinnen engagiert, haben wir eine Krankenversicherung und erhalten die dringend notwendige Schutzkleidung.» Maria Perez, Müllsammlerin, Nicaragua

WERDEN SIE TEIL VON SOLIDAR SUISSE Wirkungsvolle Entwicklungszusammenarbeit ist nicht auf schnelle Ergebnisse, sondern auf dauerhafte Verbesserungen ausgerichtet. Damit gesellschaftliche und politische Veränderungen greifen können, braucht es verlässliche Partnerschaften. Werden Sie deshalb PartnerIn von Solidar Suisse und unterstützen Sie unsere Projektarbeit mit einer regelmässigen Spende (siehe beigelegten Flyer).


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.