Prähistorische Phahlbauten im Ohrid-see, Republik Mazedonien - Goce Naumov

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Pfahlbauten in Europa

 Abb. 1: Blick auf den Ohrid-See.  Abb. 2: Karte der Republik . Mazedonien mit im Text erwähnten Fundorten. 1: Madzari 2: Zelenikovo 3: Mrdaja 4: Trn 5: Mogila 6: Nakolec 7: Crkveni Livadi 8: Ustie na Drim 9: Vbrnik 10: Dolno Trnovo 11: Ohridati 12: „Bombenbucht“ 13: „Knochenbucht“ 14: „Ziegenbucht“ 15: Bučila 16: Zlastrana.

Goce Naumov:

Prähistorische Pfahlbauten . im Ohrid-See, . Republik Mazedonien Übertragung ins Deutsche: Anna Dowden-Williams/Peter Walter

Südwestmazedonien ist für die europäische Feuchtbodenarchäologie von zentraler Bedeutung, da es die thessalischen und nordwestgriechischen Siedlungen der Jungsteinzeit und Bronzezeit via Albanien, Kroatien und Slowenien mit Oberitalien und dem nordalpinen Raum verbindet. Die Forschungen der letzten Jahre erbrachten viele bislang neue Einsichten in das Leben der Menschen seit dem 7. Jt. v. Chr. Die Erforschung von prähistorischen Siedlungen an Seen, Sümpfen und Flussniederungen eignet sich für das Verständnis vorgeschichtlicher Landschaftsentwicklungen am besten. Sie wird jedoch in der Republik Mazedonien bislang kaum eingesetzt. So steht die Erforschung der zahlreichen prähistorische Siedlungen an Seeufern und in sumpfigen Gebieten noch am Anfang, insbesondere was deren damalige Umwelt und das Klima angeht. Das Pelagonia-Tal im südwestlichen Mazedonien und die noch weiter westlich gelegenen Seen im Grenzraum zwischen Mazedonien, Griechenland und Albanien (Ohrid-See (Abb. 1), Prespa-See, Dojran-See) sind besonders fundreiche Zonen, die seit Kurzem intensiv untersucht werden (Abb. 2).

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Die bisherigen Ausgrabungen erbrachten bereits wichtige Informationen über die Beschaffenheit und chronologische Entwicklung der zahlreichen mazedonischen Ufersiedlungen. Weitere vorgeschichtliche Orte sind im trockeneren Flachland und auf Höhenzügen bekannt (Simoska/Sanev 1976; Kuzman 2009; Naumov 2009). Pfahlbauten sind bislang vor allem an den genannten Seen nachzuweisen, neuerdings aber auch am Rand von Siedlungshügeln des PelagoniaTals (Kuzman 2013a; Naumov/Tomaž 2015). Den Schwerpunkt des folgenden Beitrags bilden die Seeufersiedlungen am Ohrid-See. Wir werden jedoch auch vergleichbare Grabungsstätten in anderen Teilen der Republik Mazedonien vorstellen, um die Seedörfer in einem größeren archäologischen Kontext besser verstehen zu können.

Prähistorische Feuchtgebiete . in der Republik Mazedonien Diese Gebiete sind Ergebnisse der Eiszeiten, von periodischen Flussüberschwemmungen, Veränderungen der Seespiegel sowie der jährlichen Schneeschmelzen im Frühjahr. Bis vor zwei Jahrzehnten war das Interesse an der Archäologie dieser Zonen gering. Die dortigen Tellsiedlungen – ein Tell ist ein prähistorischer Siedlungshügel – und Pfahlbauten wurden als normale archäologische Stätten betrachtet, ohne ihre besonderen Merkmale, darunter speziell die hervorragenden Erhaltungsbedingungen der organischen Materialien, zu berücksichtigen. Einige von ihnen wurden zwar großflächig ausgegraben, doch die Mehrzahl wurde nur im Rahmen von Sondagen und kleiner Testgrabungen untersucht. Dadurch waren die Kenntnisse bezüglich Siedlungsbeginn, Architektur, Wirtschaft, Rituale der Menschen und bezüglich ihres gesellschaftlichen Lebens begrenzt.

Es gab in der Jungstein- und Bronzezeit gute Gründe, in Sümpfen, an Flüssen und Seeufern Dörfer anzulegen. Vor allem die sichere Versorgungslage für kleine Siedlergruppen spielte dabei eine zentrale Rolle. Mazedonien mit seiner vielfältigen Landschaft ermöglichte es den Menschen, unter den damaligen Umweltbedingungen kontinuierlich zu siedeln und ausreichend Nahrungsmittel zu produzieren (Fidanoski/Tolevski 2009; Tolevski 2013).

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Flusssiedlungen

Sumpfsiedlungen

Die wichtigsten Flusssiedlungen liegen in den Regionen Skopje, Zelenikovo und Madjari. Zelenikovo datiert vom Mittel- bis in das Spätneolithikum (5500– 3500 v. Chr.) und liegt auf einer großen Terrasse des größten mazedonischen Flusses Vardar (Galović 1964; Garašanin/Spasovska1976; Garašanin/Bilbija 1988). Regelmäßige Überschwemmungen hinterließen fruchtbare Ablagerungen, auf denen ab der Jungsteinzeit Äcker, Felder und Gärten angelegt wurden. Sie sicherten die Ernährung der hier liegenden Siedlungen im Grenzgebiet zwischen dem flachen Skopje-Tal und dem Vardar in Richtung der Gebirgszone in Zentralmazedonien.

Das langgezogene Pelagonia-Tal war in der Vorgeschichte eine ausgeprägte Sumpflandschaft (Abb. 2). Hier wurden mehr als 120 Fundstellen dokumentiert, von denen die Mehrzahl in den Feuchtgebieten des Flusses Crna liegen, der das Pelagonia-Tal von Norden nach Süden durchquert, um dann kurz vor der griechischen Grenze nach Osten abzubiegen und in den größten mazedonischen Fluss Vardar zu münden. Jedes Frühjahr, in der Zeit der Schneeschmelze in den umliegenden Bergen, wird der Talgrund überflutet.

Das im Mittelneolithikum gegründete Madjari (Abb. 2, Fundpunkt 1; ab 5500 v. Chr.) liegt auf einem Hügel im Talgrund des Vardar, der hier seinen Lauf ändert (Commenge 2009). Madjari wurde bis zum 20. Jh. n. Chr. nicht wieder besiedelt (Sanev 1988). Pfahlbauten sind hier zwar noch nicht nachgewiesen, doch die sumpfige Umgebung in der Jungsteinzeit (Abb. 3) legt ihre Existenz schon im Mittelneolithikum nahe (Coussot et al. 2007; Kuzman 2013a). Noch heute gibt es in nahe gelegenen modernen Dörfern abgehobene Holzkonstruktionen für das tägliche Leben und die Lagerhaltung.

Seesiedlungen

Bei den meisten Fundstellen handelt es sich um Siedlungshügel/Tells, die im Neolithikum entstanden. Einige von ihnen waren bis in die Bronzezeit bewohnt (Simoska/Sanev 1976; Naumov et al. 2014). Die neuesten Forschungen zeigen eine hohe Dichte solcher Tells nahe des Flusses Crna und vor allem rund um die dortigen sumpfigen Seen. Dies ist das fruchtbarste mazedonische Tal. Es erzielt noch heute den höchsten Getreideertrag. Dieses landwirtschaftliche Potenzial nutzten

und schätzten auch die Menschen in der Vorgeschichte. Daher blieb es attraktiv, Siedlungen trotz der regelmäßigen Überschwemmungen und des sumpfigen Bodens am Fluss zu bauen. Die Ausgrabung eines Siedlungshügels/Tells in Mogila (Abb. 2, Fundpunkt 5) bestätigte dies. Am Rand der Fundstelle konnten hölzerne Pfahlkonstruktionen nachgewiesen werden (Naumov/Tomaž 2015). Dies und die zahlreichen Hausmodelle in den Fundstellen des Pelagonia-Tals zeigen, dass Pfahlstrukturen in Feuchtgebieten eine geläufige Konstruktionsform waren (Abb. 4).

 Abb. 3: Geomorphologische Karte des Skopje-Beckens.

Legende Brnajci Stajkovei

Sindelic

Aracinovo

Kristallines Gebirge aus Schiefer, Quarz und Serpentingängen (Präkambrium und Pleistozän) Mergel, Kalk, Konglomerate (Miozän und Pliozän) Glacisverbreitung (Mittleres Pleistozän) Gerölle (allg. Pleistozän)

Kale Skopje S III S II

Tumba Madzari SV

SI

Mit Kolluvien vermischte alluviale Ablagerungen (Oberes Pleistozän) Alluviale Ebene des Vardarflusses ( Oberes Pleistozän-Holozän) Schüttungskegel (Oberes Pleistozän-Holozän) Jüngere Schwemmablagerungen / Alluvien Alte Sumpfzone, 1960 trocken gelegt Alter Flussmäander (20 Jh. n. Chr.) Flusslauf, ganzjährig Wasserführend

 Abb. 4: Haus-Modell aus Porodin.

Echte Pfahlbauten sind an den Seeufern gut nachweisbar. Solche Konstruktionen wurden überwiegend während der Vorgeschichte an den Seen Dojran, Prespa und Ohrid errichtet. Die einzige Ausnahme bildet eine Siedlung in Vrbnik am Ohrid-See (Abb. 2, Fundpunkt 9), in der man auch mittelalterliches Fundmaterial barg (Todoroska 2010). In seinen Schriften erwähnt Herodot im 5. Jh. v. Chr. eine Pfahlbausiedlung im See Prasiad (ein alter Name für den Dojran-See halb auf mazedonischem, halb auf griechischem Staatsgebiet gelegen), doch konnte bislang eine solche Siedlung noch nicht gefunden werden (Herodot 2009). Es gibt immer noch Pfahlbaukonstruktionen auf und an diesem See, die Fischer als Hütten verwenden, was offensichtlich eine lange Tradition hat. Vor Kurzem wurde dort eine erste archäologische Untersuchung an der Fundstelle von Mrdaja eingeleitet (Abb. 2, Fundpunkt 3). Es handelt sich um Pfahlbauten der Spätbronzezeit (Rujak/Slamkov 2014). Die Ausgrabung auf einer Fläche von 200 m² lieferte umfassende Einblicke in die Feuchtbodenarchäologie des Sees. Dennoch ist die geöffnete Fläche noch zu klein, um das dortige Siedlungssystem detailliert beschreiben zu können. Gleiches gilt für die Pfahlbauten am Prespa-See im griechischmazedonisch-albanischen Länderdreieck Westmazedoniens. Obwohl in diesem Gebiet große Potenziale für die Feuchtbodenarchäologie vorhanden sind, gab es auch hier noch keine größeren Ausgrabungen in Pfahlbaustationen. Man konzentrierte sich primär auf die klassische Zeit, und die wenigen prähistorischen Fundstätten weisen keine Pfahlbauten auf. Allerdings wurden in Nakolec am Ostufer des Prespa-Sees (Abb. 2, Fundpunkt 6) Anfang des 20. Jh. vorgeschichtliche Pfähle nachgewiesen (Kuzman 2013a). Diese Informationen sollten nun durch weitere Untersuchung des Seeufers und umfassende Unterwasserausgrabungen überprüft werden. Auf der albanischen Seite dieses Sees gibt es eine Reihe gut untersuchter Pfahlbaustätten (Prendi 1982; Oberweiler in diesem Band). Daher sind solche auch am nördlichen, mazedonischen Ufer zu erwarten. Die größte Anzahl von Pfahlbauten in Mazedonien befindet sich an dem auf mazedonischem und albanischem Staatsgebiet gelegenen Ohrid-See. Sie wurden in jüngster Zeit ausführlich erforscht (Abb. 2, Fundpunkte 7–15). Die Fundstellen datieren vom späten Neolithikum bis in die Eisenzeit. Es gibt vollständige Siedlungen auf Pfählen, aber auch einzelne Gebäude auf erhöhten Plattformen. Obwohl wir noch weit davon entfernt sind, diese Anlagen vollständig zu verstehen, kann die moderne Feuchtbodenarchäologie auch für Mazedonien ein sehr differenziertes Bild vorgeschichtlichen Siedlungswesens in dieser aquatischen Umgebung zeichnen.

Flusslauf, zeitweilig Wasser führend Im Landschaftsbild sichtbare Kluft Im Lufbild sichtbare Kluft Höhenlinie Sondage Archäologische Fundstelle

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 Abb. 5: Blick auf den Ohrid-See und die rekonstruierten Pfahlbauten in der „Knochenbucht“.

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Pfahlbauten in Europa

Seeufersiedlungen in der Region Ohrid Der Ohrid-See (693 m ü. NN) ist mit einer Fläche von 358 km² und 289 m Tiefe der größte See der Republik Mazedonien (Abb. 6). Mit mehr als einer Million Jahren gilt er als der älteste See Europas mit nur hier vorkommenden Tierarten des Pliozäns. Die Galičica- und Mokra-Berge umgeben ihn im Osten und Westen, das alluviale Flussbecken der Crni Drim, Sateska und Koselska bildet die Nordgrenze (Trifunovski 1992; Albrecht/Wilke 2008; Hoffmann et al. 2010; Wagner et al. 2014). Mit seiner Artenvielfalt und einer reichen Landschaft war der Ohrid-See von der Vorgeschichte bis heute ein attraktives Gebiet für die Anlage von Dörfern und Städten. Die frühesten Siedlungen datieren ins Neolithikum, aber eine Reihe von Höhlen, Felsdächern und Tälern rund um den See lassen auch Stationen der Alt- und Mittelsteinzeit erwarten. Zwar wurde in Mazedonien und im Becken des Ohrid-Sees bei Surveys nach paläolithischen Fundstätten gesucht, doch bislang ergebnislos (Kuzman

1995; Šalamanov Korobar 2006; 2013). Die Höhlen Jaorec in der Nähe des Dorfes Velmej sowie Crna Peš nordöstlich des Ohrid-Sees und die Felsdächer entlang der Straßen von Trpejca nach Ljubaništa (Südostufer des Ohrid-Sees) und von Velesta nach Djepčište nördlich des Sees werden als potenzielle Fundstellen der Altsteinzeit betrachtet (Kuzman 1993). Das Neolithikum ist im Ohrid-Becken mit 23 Plätzen dagegen sehr gut belegt. Vier Ufersiedlungen, davon eine in einer Höhle, elf Siedlungen im erwähnten nördlichen Talbecken und acht Siedlungen auf den Höhenzügen nordöstlich des Sees sind Zeugnisse einer intensiven Siedlungstätigkeit ab dem 7. Jt. v. Chr. Fünf von ihnen sind ausgegraben (Kuzman et al. 1989; Kuzman 1990, 2009, 2013a). Das frühe Neolithikum (6500–5500 v. Chr.) ist für Zlastrana (Abb. 2, Fundpunkt 16) und Dolno Trnovo (Abb. 2, Fundpunkt 10) belegt. Hier liegen Grubenhäuser und ebenerdige Flechtwerkhäuser mit Lehmbewurf vor. Besonders die Siedlung in Dolno Trnovo gibt Anhaltspunkte zur Organisation dieser Dorfgesellschaft und ihrer dynamischen Beziehungen zu den Tellsiedlungen des Pelagonia-Tals. Typische, weiß bemalte Keramik sowie sehr ähnliche Tontafeln und anthropomorphe Hausmodelle kommen in beiden Regionen vor (Naumov 2010, ders. im Druck). Die Pfahlbauten von Ohridati (Abb. 2, Fundpunkt 11) und Ustie na Drim (Abb. 2, Fundpunkt 8) datieren ins späte Neolithikum (4500–3500 v. Chr.). Auch in dieser Zeit bleiben die Verbindungen zu den Tells im Pelagonia-Tal bestehen (Benac 1979; Naumov 2015a). Diese beiden Fundstätten blieben in der Kupfersteinzeit besiedelt. In dieser Zeit reduziert sich die Besiedlung im Ohrid-Becken auf fünf Siedlungen.

Fließgewässer Nordöstliche und Norwestliche Quellen Quellenzuflüsse Unterseeische Quellenfelder Ohrid-Becken Wichtige moderne Städte Geologie: Quartär Terziär Cretaceous Jurassic: Devonian Cambrian-Ordovician

 Abb. 6: Geologische und hydrologische Karte des Ohrid-Sees mit Pfahlbaufundstätten (schwarze Punkte).

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In der Bronzezeit (3200–1040 v. Chr.) wächst die Zahl der Ortschaften wieder auf 17 an. Deren Mehrzahl liegt nun auf Höhenzügen und im Talgrund, aber nicht mehr am Seeufer. Zu den Ausnahmen zählen vier Fundorte mit Pfahlbauten und Siedlungshügeln, die aus den Seen auftauchten. Dieses Siedlungsmuster entspricht bereits dem der Eisenzeit, in die 28 Siedlungen datieren. Auch in dieser Zeit waren Höhenlagen die bevorzugte Siedlungslage, Seeufersiedlungen hingegen gab es kaum noch. Nur wenige Fundplätze der Eisenzeit sind mit ihren Befestigungsanlagen, Hügelgräbern und Friedhöfen (Nekropolen) ausgegraben (Mitrevski 1997, 2013). In einigen der späteisenzeitlichen, schon zur frühen klassischen Antike/archaischen Periode gehörenden Grabanlagen waren Personen von hohem gesellschaftlichem Rang bestattet. In diesen Gräbern fand sich eine Vielzahl hochwertiger Beigaben wie Goldschmuck, Masken, Metallwaffen und Helme (Kuzman 2006, 2013b). Neben den Bergfestungen und Hügelgräbern gibt es nur vier Pfahlbausiedlungen, deren materielle Kultur allerdings auf einen größeren Wohlstand schließen lässt als in den Höhensiedlungen. Diese jüngsten Pfahlbauten geben uns völlig neue Einblicke in die Eisenzeit Mazedoniens und zeigen, wie die Gemeinschaften ihre Lebensweise an die Umgebung anpassten.

Pfahlbauten am Ohrid-See

Jungsteinzeit/Neolithikum

Feuchtboden- und Unterwasserarchäologie sind eher neue Disziplinen in Mazedonien. Pfahlbauten wurden erst in den letzten zwei Jahrzehnten zum Forschungsschwerpunkt. Obwohl der erste Pfahlbau bereits im Jahre 1956 zufällig in Mazedonien entdeckt wurde, setzte das wissenschaftliche Interesse an solchen Siedlungen und Konstruktionen erst in der Mitte der 1990er-Jahre ein, als eine Reihe von Unterwassergrabungen begann (Kuzman2013a). Diesen bedeutenden Durchbruch in der mazedonischen Archäologie leitete Pasko Kuzman ein, unter dessen Führung die meisten Forschungsprojekte zu Pfahlbauten am Ohrid-See durchgeführt wurden. Dies hatte völlig neue Einblicke in prähistorische Siedlungen zur Folge. Holzkonstruktionen und Plattformen fanden als gemeinsames Siedlungsmerkmal verschiedener Gemeinschaften vom Neolithikum bis zur Eisenzeit nun größere Beachtung.

Weder in Mazedonien noch auf dem Balkan können Pfahlbauten in der Anfangsphase des Neolithikums nachgewiesen werden. Warum solche frühen Siedlungen fehlen, wissen wir noch nicht. Wahrscheinlich bevorzugten die ersten landwirtschaftlichen Gesellschaften noch festere Böden für ihre Dörfer. Sie besiedelten unter guten klimatischen Bedingungen flaches Land mit fruchtbaren Böden. Später zwangen das schlechter werdende Klima und/oder gesellschaftliche Veränderungen die Gemeinschaften dazu, näher an oder gleich in den Seen zu leben. Die Ohrid-Region ist ein ausgezeichnetes Beispiel für eine solche Verlagerung von Dörfern in alluvialen Tälern in die Seeuferzonen, obwohl noch nicht alle Einzelheiten dieser Veränderungen von den früh- zu den spätneolithischen Siedlungsmerkmalen und -lagen erforscht sind.

Neun Pfahlbausiedlungen sind heute am Ufer des Ohrid-Sees und dessen Umgebung bekannt (Abb. 2, Fundpunkte 7–15; Abb. 5, Fundpunkte 1–9). Acht befinden sich in der Republik Mazedonien, eine in Albanien. Die älteste datiert ins späte Neolithikum (4500-3500 v. Chr.), die jüngste wird in die Übergangszeit von der Eisenzeit zur klassischen Antike datiert (ca. 500 v. Chr.), obwohl einige wahrscheinlich als Fischerhütten auch im Mittelalter und später genutzt wurden. Die meisten von ihnen wurden über einen längeren Zeitraum oder kontinuierlich bewohnt und enthalten daher eine Vielzahl von Funden verschiedener prähistorischer Perioden. Die materielle Kultur liefert ein erstes Verständnis für die Wirtschaft, gesellschaftliche Beziehungen, Architektur und Kunst der Bewohner dieser Siedlungen. Die Häuser, Keramik, Werkzeuge und Figuren zeigen nicht nur die Bedürfnisse, Fähigkeiten, Kontakte und Ideen der Menschen, die diese Siedlungen gründeten und entwickelten, sondern auch derjenigen, welche sie in späteren Phasen wieder besiedelten. Daher wollen wir bei der chronologischen Übersicht zu den Pfahlbauten im Ohrid-See einen besonderen Schwerpunkt auf die kulturelle Dynamik und die gesellschaftlichen Prozesse legen, die charakteristisch für die neolithischen Gemeinschaften in der OhridRegion und den Nachbargebieten sind.

Das frühneolithische Dolno Trnovo (Abb. 2, Fundpunkt 10) liegt etwa drei Kilometer vom aktuellen Seeufer entfernt. Zwischen Zlastrana (Abb. 2, Fundpunkt 16) und dem Ohrid-See ist die Distanz mit mehr als 15 Kilometer noch größer (Kuzman et al. 1989; Kuzman 1990). Wie oben beschrieben, gibt es in beiden Fundstellen Grubenhäuser und ebenerdige, rechteckige Flechtwerkhäuser mit Lehmbewurf. Pfahlbaustrukturen sind in den Ausgrabungen nicht belegt und auch keine Fischereigeräte oder Netzsenker, wie sie in spätneolithischen Pfahlbauten häufig vorkommen. Es scheint, dass die ersten Bauern in der Ohrid-Region ihre Siedlungen in der Nähe von Feuchtgebieten unterhielten, aber nicht sehr nah am See. Allerdings ist die Größe des Sees zu dieser Zeit noch unerforscht. Es sind weitere detaillierte Untersuchungen und Ausgrabungen in den frühneolithischen Siedlungen der Umgebung notwendig, um das genaue Siedlungsmuster zu bestimmen. Auch sind geologische und sedimentologische Analysen zur Seedynamik in den verschiedenen vorgeschichtlichen Phasen unabdingbar, so wie sie in den Ablagerungen des ausgetrockneten Maliq-Sees in Albanien durchgeführt werden (Fouache et al. 2010; Oberweiler in diesem Band). Es wird sich künftig zeigen, ob es zu Beginn des Neolithikums noch gar keine Pfahlbauten gab oder ob die bisher untersuchten Siedlungen viel näher am See lagen, jedoch dessen Ressourcen nicht so nutzten, wie die Gemeinschaften am Ende des Neolithikums . Die ältesten Pfahlbauten am Ohrid-See datieren in das späte Neolithikum (4500–3500 v. Chr.). Sie wurden als Seesiedlungen nahe dem Ufer, aber wahrscheinlich ohne größere Plattformen im See errichtet. Darauf weist die geringere Größe der Pfähle hin, offenbar um eine Reihe von Häusern leicht vom Boden abzuheben, wie in Ustie na Drim im Zentrum von Struga (Abb. 7, Abb. 2, Fundpunkt 8). Die einwöchige Grabung des Jahres 1962 ist weitgehend unveröffentlicht, nur eine Auswahl der Funde wurde in einigen Katalogen und Berichten vorgelegt (Koco 1951; Garašanin et al. 1971; Sanev et al. 1976; Kuzman 2013a; Todoroska im Druck). Dennoch ist diese Fundstelle für das Verständnis von Pfahlbaugemeinschaften

 Abb. 7: Grabungsareal mit Pfählen in Ustie na Drim.

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Pfahlbauten in Europa

Kupferzeit/Chalkolithikum  Abb. 8: Anthropomorphe Figur aus Ustie na Drim, Höhe 7,5 cm.

des Spätneolithikums und der Kupferzeit wichtig. Die zahlreichen freigelegten Pfähle konnten während dieser sehr kurzen Grabung keinen Hausgrundrissen oder anderen Siedlungsstrukturen zugeordnet werden. Man erkannte lediglich eine Mischung aus kleineren und größeren Pfählen, die als Reste von Häusern früher Phasen und wahrscheinlich später gebauten Plattformen interpretiert wurden. In den Ausgrabungsberichten fehlen feinstratigrafische Beobachtungen, so dass nicht bestimmt werden kann, ob einige Pfähle jünger oder älter waren als andere. Holzproben für etwaige spätere dendrochronologische Untersuchungen wurden nicht genommen, was allerdings in diesem Teil Europas Anfang der 1960er-Jahre nicht weiter verwundert. Daher wurden bisher nur die Größenunterschiede der Pfähle diskutiert und die Frage, ob sie unterschiedlichen Strukturen zuzuordnen sind oder ob sie wechselseitig als Verstärkung für solidere Häuser verwendet wurden. Harpunen mit Knochenspitzen, Speere, längliches Keramikgeschirr und Netzsenker zeigen, dass Fische, vor allem Aale, Hauptnahrungsmittel und möglicherweise auch Handelsgut der Siedler von Ustie na Drim waren. Ihre versierten Töpfer stellten auch fein polierte und komplex verzierte Gefäße, Stempel und Figuren her. Diese Keramiken sind neben ihrer elementaren Funktion für das Kochen, die Lagerung und Rituale ein wichtiger Indikator für die kulturellen Beziehungen mit anderen Regionen. So verweisen ritzverzierte Scherben und eine größere Anzahl Tonstempel mit Spiralmustern aus den mittleren Schichten des Grabungsareals auf Einflüsse aus den mittelneolithischen Siedlungen des Pelagonia-Tals (Trn-Kultur; Simoska/Sanev 1977). Wofür diese Stempel genutzt wurden, wissen wir nicht. Möglicherweise wurde damit Brot oder andere organische Materialien wie Leder, Textilien oder Tiere markiert (Naumov 2008). Auch mit Keramik der albanischen Cakrankultur (Mittelneolithikum) im Korca Becken gibt es Übereinstimmungen (Benac 1989; Kuzman 2013a; Naumov im Druck). Herausragend ist der Fund einer Tonfigur in sitzender Haltung (Abb. 8). Sie ist unter den bisher in Mazedonien gefundenen neolithischen Tonfiguren einzigartig (Naumov 2014, 2015b).

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Die andere spätneolithische Pfahlbausiedlung am Ufer des OhridSees ist die Fundstelle von Ohridati (Abb. 2, Fundpunkt 11), auch bekannt als Penelopa (Kuzman 2009). Wie in Ustie na Drim mussten die Ausgrabungen mitten in der Stadt Ohrid durchgeführt werden, was sehr schwierig war (Abb. 9). Das Pfahlfeld wurde 2003 durch Zufall beim Bau von Gebäuden gefunden. Dabei wurde erkannt, dass die Besiedlung sich über eine große Fläche entlang des Seeufers erstreckte (Kuzman 2013a). Eine erste räumlich begrenzte Ausgrabung im Jahr 2006 und Streufunde aus der Baugrube liefern wichtige Informationen über die Chronologie, Wirtschaft, kulturelle Beziehungen und den architektonischen Charakter dieser Siedlung. Obwohl die meisten architektonischen Überreste durch Baufahrzeuge beschädigt wurden, konnten vor allem kleinere Pfähle und einige mit größerem Durchmesser dokumentiert werden. Die Pfahlbauhäuser hier waren nicht auf Plattformen errichtet, sondern sie standen einzeln für sich. Durch die von Baumaschinen verursachten Schäden konnten eventuelle Muster/Strukturen von Gebäuden nicht mehr ermittelt werden. Die Häufigkeit der Pfähle in einem sehr kleinen Bereich belegen nach Meinung des Ausgräbers Erneuerungen und Reparaturen der Gebäude. Alle Befunde und Funde gleichen stark denen in Ustie na Drim. Der überwiegende Teil der gefundenen Objekte datiert in das Spätneolithikum und die Kupferzeit; wenige Scherben deuten aber noch eine letzte Besiedlung in der Spätbronzezeit an. Es ist anzunehmen, dass die Siedlungen von Ustie na Drim und Ohridati zur gleichen Zeit oder zumindest nicht lang nacheinander bewohnt waren. Beide Dörfer übten Fischerei und Landwirtschaft

aus, wie die fast identischen Gerätschaften zeigen (Harpunen mit Knochenspitzen, Keramiknetzsenker, Geweihhacken). Die Keramik belegt nicht nur eine intensive Kommunikation zwischen diesen Siedlungen, sondern auch eine enge Beziehung zu den spätneolithischen und chalkolithischen Gesellschaften im Pelagonia-Tal und dem albanischen Korca-Becken (Kuzman 2013a; Naumov im Druck). Auffallend sind schwarz polierte Keramikscherben mit hellen Inkrustationsmustern und roter Streifenbemalung. Sie könnten leicht der Vinča-Kultur Serbiens zugeschrieben werden, doch neueste Forschungen stellen eher Beziehungen zum Pelagonia-Tal und in die spätneolithische West-Türkei fest (Naumov im Druck). Unter Berücksichtigung dieser weiträumigen Kommunikationssysteme sind die menschlichen Darstellungen von besonderer Bedeutung, insbesondere die säulenartigen Objekte mit menschlichen Gesichtern, die zu Hausmodellen gehören (Abb. 10) (Naumov 2013). Die Verbindungen zwischen diesen Regionen bis ins Chalkolithikum werden noch zu erörtern sein. Die Fundstelle von Crkveni Livadi (Abb. 2, Fundpunkt 7) liegt vier Kilometer nördlich vom heutigen Seeufer auf einer relativ trockenen Terrasse des Flusses Crni Drim. Ausgrabungen fanden in den Jahren 1956, 1979, 2012 und 2013 statt. Die Architektur weist Elemente von Pfahlbauten und ebenerdigen Häusern auf (Naumov/Todoroska 2014), eine im Ohrid-Becken neue Kombination. Allerdings liegt noch immer keine umfassende Publikation der Befunde vor, weswegen über die genaue Siedlungsstruktur derzeit nur wenig zu sagen ist. In den kurzen Grabungsberichten wird dieser Fundort als eine neolithische Fundstelle beschrieben, doch passte das bisher veröffentlichte Material eher in das Chalkolithikum und die Bronzezeit (Pašić 1957; Pašić/Lahtov 1958). Bei neuen Untersuchungen fanden sich nun aber typologische Anhaltspunkte im Fundmaterial, die für Kontakte zu den pelagonischen Fundstellen und für eine spätneolithische Datierung sprechen (Kuzman 2013a). Die Fischereigeräte und das Geschirr für das Servieren von Fisch gleichen denen der spätneolithischen Pfahlbauten von Ohridati und Ustie. Allerdings gibt es ganz ähnliche Objekte auch im Chalkolithikum.

In der Kupferzeit/Chalkolithikum reduziert sich die Anzahl der Pfahlbauten am Ohrid-See und seiner Umgebung auf fünf, wobei die drei Fundorte mit kupferzeitlichen Funden (Crkveni Livadi, Ustie na Drim, Ohridati) bereits mitgezählt sind. Dieser Siedlungsrückgang seit der Mitte des 5. Jt. v. Chr. wurde auch in anderen Regionen des Balkanraumes beobachtet und als Folge vor allem klimatischer und gesellschaftlicher Veränderungen interpretiert (Todorova/Vaisov 1993). Die wenigen chalkolitischen Fundorte liegen alle direkt am See oder nah zu einem Fluss. Die zahlreichen prähistorischen Siedlungen der Struga-Region am Nordende des Ohrid-Sees werden derzeit überwiegend in das Spätneolithikum datiert. Allerdings konnte das dort gesammelte immense Oberflächenmaterial noch kaum in der Tiefe bearbeitet werden (Koco/Grozdanov 1996). Es bleibt abzuwarten, ob zukünftige Studien dieses Materials und weitere Ausgrabungen nicht auch Anzeichen für kupferzeitliche Siedlungen mit sich bringen. Wie schon erwähnt ist in Crkveni Livadi eine klare Unterscheidung zwischen den spätneolithischen und kupferzeitlichen Schichten noch nicht möglich. Das archäologische Material belegt aber Siedlungsaktivitäten auch im 5. Jt. v. Chr. und danach. Ein Teil der Keramik zeigt deutliche kupferzeitliche Merkmale, die gut mit Keramik dieser Periode im Pelagonia-Tal, im albanischen Korca und im griechischen Chalkidike (Kuzman 2013a) verglichen werden kann. Gleiches gilt für die enormen Mengen an Keramikmaterial der Pfahlbauten von Ohridati und Ustie na Drim. Auch dort führte eine für Feuchtbodenfundstellen ungeeignete Untersuchungstechnik zu einer Vermischung des archäologischen Materials in den Grabungsarealen. Wie in Crkveni Livadi ist auch in Ohridati und Ustie na Drim von einer Siedlungskontinuität vom Spätneolithikum bis in die Kupferzeit auszugehen. Ob es in der Kupferzeit architektonische Veränderungen gab, können wir aufgrund der kleinen Grabungsschnitte und fehlender Schichtabfolgen nicht beurteilen (Kuzman 2009). Die Keramiken, Werkzeuge und Figuren belegen für die Kupferzeit weiterhin intensive Beziehungen zu den pelagonischen Fundorten (Naumov im Druck).

Bronzezeit und Eisenzeit

 Abb. 9: Topografische Karte von Ohrid mit der angegebenen Lage der Pfahlbausiedlung in Ohridati.

 Abb. 10: Anthropomorphes Tonobjekt aus Ohridati, Höhe 6 cm.

Die Siedlungen in Ohridati und Crkveni Livadi weisen auch bronzezeitliche Funde auf. Derzeit ist unklar, ob es dort kontinuierliche Besiedlungen ab dem Spätneolithikum gab oder mit Siedlungsunterbrüchen zu rechnen ist. In den bronzezeitlichen Siedlungen am Ostufer des Ohrid-Sees weisen massive Pfahlstellungen auf größere Plattformen hin. Dies wäre gegenüber den spätneolithisch-kupferzeitlichen Pfahlbausiedlungen neben neuen Keramikstilen eine wesentliche architektonische Veränderung. Die Menge bronzezeitlichen Keramikmaterials ist in Ohridati und Crkveni Livadi im Vergleich zu den älteren Perioden gering. Der bisherige Forschungstand zeigt, dass am nördlichen Ohrid-See die Pfahlbaubesiedlung während der Bronzezeit im Bereich der Städte Ohrid und Struga zurückging, wogegen

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Pfahlbauten in Europa

 Abb. 11: Plan für den Wiederaufbau der Pfahlbauten an der . „Knochenbucht“.

Abb. 6: Nach Hauffe et al. 2011. Abb. 7: Archiv Museum Struga. Abb. 8: Nach Šemrov/Turk 2009, Abb. 43. Abb. 9: Nach Kuzman 2013a, Abb. 19. Abb. 10: Nach Kuzman 2013a, Pl. 4. Abb. 11: Nach Kuzman 2008, Abb. 1. Abb. 12: Nach Kuzman 2013a, Pl. 17,18, 22, 23. Abb. 13: Nach Todoroska 2010, Fig. 4.

Literatur

 Abb. 13: Prähistorische Pfahlköpfe in Vbrnik am nördlichen Ohridsee. sie sich am südlichen und östlichen Ufer vor allem in der Spätbronzezeit intensivierte. In der gesamten Bronzezeit nahm die Anzahl von Höhensiedlungen zu. Hier lagen sicher die zentralen Orte, während die Seesiedlungen eher Fischfang- und Handelszentren waren (Koco/ Grozdanov 1996). In der Spätbronzezeit entstanden am östlichen Ufer des Ohrid-Sees drei Siedlungen in der „Ziegen-“, „Knochen-“ und „Bombenbucht“ (Abb. 2, Fundpunkte 12–14) (Kuzman 2013a). In der „Knochenbucht“ (Abb. 2, Fundpunkt 13) werden seit 1997 kontinuierlich Grabungen durchgeführt. Dabei konnten eine Fülle an Funden sowie zahlreiche Pfähle freigelegt werden. Im Vergleich zum Neolithikum und Chalkolithikum sind die Pfähle der bronzezeitlichen Siedlungen größer und massiver. Sie waren dazu bestimmt, eine Plattform zu tragen, auf der eine Gruppe von Häusern in Holz- und Lehmbauweise errichtet waren. Die umfangreichen Ausgrabungen und detaillierten Daten ermöglichen eine vorläufige Rekonstruktion der Fundstelle, heute eine der attraktivsten Sehenswürdigkeiten am See Ohrid (Abb. 5, 11). Es ist anzunehmen, dass die Siedlung rund 8.500 m² groß war und von der Spätbronzezeit bis in die Eisenzeit, das entspricht der geometrischen Periode Griechenlands, durchgehend bewohnt wurde (Kuzman 2013a). Die Keramik ähnelt den Formen anderer Fundstätten dieser Übergangszeit in der Ohrid-Region, etwa Töpfe mit überrandständigen Griffen, Krüge mit oder ohne eingezogenem Rand, Tassen mit massiven Griffen, breite und langgestreckte Lagerbehälter und Amphoren für Flüssigkeiten (Abb. 12), auch vierbeinige Glutbecken für Kochtöpfe, Webgewichte, durchlochte runde Siebplatten, Spinnwirtel, Steinäxte, Schleifsteine, Feuersteinklingen, Bronzenadeln und -äxte. Die Funde und die Architektur sind fast identisch mit denen der „Ziegenbucht“ (Abb. 2, Fundpunkt 14) und der „Bombenbucht“ (Abb. 2, Fundpunkt 12), wo bisher nur taucharchäologische Surveys durchgeführt wurden. Künftigen Forschungen bleibt es vorbehalten, dieses Siedlungsnetzwerk besser zu beschreiben, denn ohne feinstratigrafische Analysen und ausreichend viele Dendrodaten ist es heute noch nicht möglich, sichere Aussagen zu Siedlungskontinuitäten, -abfolgen oder -unterbrüchen zu treffen. Die Keramiken deuten auf weiter andauernde Kontakte mit dem Pelagonia-Gebiet

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und Chalkidike in Griechenland, obwohl es in der Übergangszeit von der Spätbronzezeit in die Eisenzeit bedeutende gesellschaftliche Veränderungen gab (Kuzman 2013a; Naumov im Druck).

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Am nördlichsten Teil des Ohrid-Sees befindet sich Vrbnik (Abb. 2, Fundpunkt 9). Der Platz ist ein Kilometer von Ustie na Drim und vier Kilomerter von Crkveni Livadi entfernt. Hier wurden zwischen 1998 und 2003 Pfahlbauten mehrerer Perioden untersucht (Todoroska 2009). Spätneolithische Strukturen und Funde sind vorhanden, sie ähneln denen der anderen Siedlungen in der Ohrid-Region. Wie bei den mehrphasigen Pfahlbausiedlungen am östlichen Seeufer finden sich auch hier massive Pfähle jüngerer Zeitstellung, die aber nicht mit Häuser tragenden Plattformen in Verbindung gebracht werden können (Abb. 13). Es wird diskutiert, ob sie als Einzelgebäude der Eisenzeit oder als Fischerhütten des Mittelalters zu interpretieren sind (Kuzman 2013a). Das jüngste Fundmaterial (Keramik und Bronzenadeln) datiert in das 7. und 6. Jh. v. Chr. (Todoroska 2010). Im Moment markieren diese Funde das Ende der Pfahlbaubesiedlung des Ohrid-Sees.

Anschrift des Verfassers

Goce Naumov Museum of Macedonia Josif Mihailovic 7 1000 Skopje Republic of Macedonia gocenaumov@gmail.com

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 Abb. 12: Keramik aus der „Knochenbucht“: . a: Höhe 11 cm; b: Höhe 13 cm; c: Höhe 12 cm; d: Höhe 13 cm; . e: Höhe 38 cm; f: Höhe 39 cm.

Abbildungen

Abb. 1: fotolia/ bellakadife. Abb. 2: Graphik Naumov/Walter. Abb. 3: Nach Commenge 2009, Abb. 1. Abb. 4: Nach Vasileva 2005, 40. Abb. 5: fotolia/dinosmichail.

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