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Neurodermitis

Die Haut ist trocken, rau, gerötet und aus dem ständigen Juckreiz können sich regelrechte »Kratzanfälle« entwickeln. Ein zentrales Therapieziel ist, zunächst die Juckreizspirale zu unterbrechen, damit die Haut heilen und ihre Barriereeigenschaften aufbauen kann. Ursachen und Verlauf

Sylvia Rudolf ist staatl. gepr. Kosmetikerin und Heilpraktikerin. Sie bietet über Cosmetic Concept Training Fortbildungen zu verschiedenen Themen der Dermatologie und medizinischen Kosmetik an.

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Wege aus dem Juck- & Kratz-Teufelskreis

Neurodermitis, auch atopisches oder endogenes Ekzem genannt, ist eine chronische, von Schüben geprägte Hauterkrankung. Nicht selten beginnt sie bereits im Säuglingsalter. Milchschorf am Kopf kann ein erster Hinweis auf eine Neigung sein. Wichtig ist die Abgrenzung zum sogenannten Kopfgneis (s. Übersicht). Auch die Stellen, an denen neurodermitische Ekzeme üblicherweise auftreten, ändern sich im Laufe des Lebens. Während im Säuglingsalter überwiegend Gesicht, Kopf, Rumpf und Extremitäten betroffen sind, zeigen sich die Läsionen im Kleinkindalter eher am Hals, den Beugeseiten der Gelenke, an den Händen und in der Leiste. Bei Erwachsenen sind meist nur noch Hals und Beugeseiten der Gelenke betroffen. Die Neurodermitis hat drei typische Altersgipfel: Säuglings-/Kleinkindalter, um das 40. und um das 60. Lebensjahr. Dazwischen kommt die Krankheit bei vielen Menschen weitestgehend zur Ruhe.

Neurodermitis ist multifaktoriell. Viele Auslöser wurden bereits identifiziert, die Ursachen allerdings sind noch nicht vollständig geklärt. Die Neigung zur Neurodermitis ist erblich und ihre Entwicklung, insbesondere, wenn beide Elternteile daran erkrankt sind, recht wahrscheinlich, wenn auch nicht obligat. Neben der erblichen Komponente haben unter anderem Stress und psychische Belastung, Allergien, Klima, Nahrungsmittel sowie Körper- bzw. Hautpflege MILCHSCHORF KOPFGNEIS

Beginn Wenige Monate nach der Geburt Bereits wenige Tage nach der Geburt

Dauer Monate bis (selten) Jahre In der Regel selbstlimitierend nach wenigen Wochen bis Monaten

Ursache Atopieneigung Kurzfristig gesteigerte Talgbildung durch Hormone

Aussehen Helle, trockene Schuppen auf Weiche, gelbliche, fettige Schuppen gerötetem Grund auf normalem Grund

Juckreiz ja nein

Behandlung Juckreizstillung Keine Behandlung nötig, Schuppen können mit Öl aufgeweicht und ausgekämmt werden

einen Einfluss auf Ausprägung und Verlauf der Beschwerden. Bei der Erkrankung kommt es zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems der Haut, weswegen sich diese entzündet und Ekzeme entstehen. Eine solche überschießende Reaktion kann auch am Bronchialsystem und an der Darmschleimhaut vorliegen, weswegen Neurodermitis häufig auch mit Heuschnupfen (im weiteren Verlauf auch Asthma bronchiale) und Nahrungsmittelallergien vergesellschaftet sein kann. Liegen alle drei Problematiken (Haut, Atemwege, Darm) vor, spricht man von einer Atopie im Vollbild. Ein Mangel an Barrierelipiden und dem Strukturprotein Flaggrin liegt bei neurodermitischer Haut ebenfalls vor, weswegen die Haut keine gute Integrität und damit unzureichende Barriereeigenschaften aufweist.

Atopiestigmata

Hinweise auf eine möglicherweise vorliegende ND liefern die sogenannten Atopiestigmata. Sie haben, alleine betrachtet, zunächst keine Gemeinsamkeiten mit den typischen neurodermitischen Ekzemen, können allerdings wichtige Hinweise auf eine Neurodermitisneigung geben. Erwähnen Kundinnen oder Kunden im Gespräch trockene oder empfindliche Haut, sollte die Kosmetikerin neben dem Gesicht immer auch die Körperareale anschauen, die möglicherweise Atopiestigmata aufweisen. Liegen mehrere dieser Zeichen vor, und/oder sind auch in der Familie Fälle von Neurodermitis bekannt, wird eine Neigung zum endogenen Ekzem immer wahrscheinlicher. ° Grobe Linienzeichnung der Hand- und

Fußflächen ° Dunkle Augenschatten ° Blässe ° Neigung zu entzündeten Lippen oder Mamillenekzemen ° Reibeisenhaut ° Dennie-Morgan-Falte (doppelte oder stark ausgeprägte einfache Unterlidfalte) ° Herthoge-Zeichen (seitliche Ausdünnung der Augenbrauen) ° Weißer Dermographismus ° »Dirty Neck« (schmutzig wirkendes Hautkolorit am Hals)

Behandlung

Die langfristige Neurodermitistherapie erfolgt idealerweise interdisziplinär und berück-

Wichtig: Stressabbau und Entspannung

sichtigt die vielseitigen Komponenten und Einflussfaktoren. Naturheilkundliche Ansätze bestehen unter anderem in gezielten Ernährungsplänen, Nahrungsergänzungsmitteln und der Wiederherstellung eines optimalen Darmmilieus, aber auch durch therapeutische Hautpflege. Die Patienten sollten darüber hinaus auch Stress abbauen und geeignete Entspannungstechniken erlernen.

Pflege mit einem hohen Anteil an Barrierelipiden hilft, das Barrieredefizit der Epidermis auszugleichen. Ein gleichzeitiger Verzicht auf synthetische Fette und irritierende Hilfsstoffe ist sinnvoll. Um die Juck-Kratz-Spirale zu durchbrechen, wendet man in der dermatologischen Neurodermitistherapie unter anderem Cortisonpräparate an. Auch cortisonfreie Therapien mit Tacrolimus und Pimecrolimus kommen in Betracht. Die Dermokosmetik kennt mittlerweile eine Reihe juckreizhemmender Wirkstoffe wie beispielsweise Boswellia, Dexpanthenol, Pantothensäure, Palmitoyl-Tripeptid-8, Lactobacillus Ferment oder Avenanthramide. Wirkstoffe mit einer leicht antimikrobiellen Wirkung wie Silber können die Pflege ergänzen.

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