DIE ERNÄHRUNG VOLUME 39 | 06. 2015

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DIE ERNÄHRUNG Österreichische Zeitschrift für Wissenschaft, Recht, Technik und Wirtschaft

VOLUME 39 | 06. 2015

14Z040109 M P.b.b., ERSCHEINUNGSORT WIEN, VERLAGSPOSTAMT 1030 WIEN, ISSN 0250-1554 © carol_anne

Verstärkter Wettbewerb wird sich fortsetzen Seite 4

Mythen, Widersprüche und Skandalisierung beim Essen Seite 32

Sekt: Qualität auf die Spitze getrieben Seite 8

ABSTRACTED IN CHEMICAL ABSTRACTS ABSTRACTED IN SCOPUS


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NEWS

MühlenMasters 2015: ­Österreicher wird Zweiter  Die zehn besten Nachwuchs­ müllerinnen und -müller aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz traten kürzlich zum MühlenMasters 2015 in Niedersachsen an. Unter Zeitdruck maßen sie ihr Können in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen der Müllerei. Nach fünf Stationen (Labor, Reinigung, Mühle, Schälmüllerei, Futtermittel) und insgesamt zweieinhalb Stunden Zeit für die Prüfungen stand fest: Hinter dem Deutschen Constantin Max Westermayer wurde Daniel Spielhofer von der Good Mills Österreich GmbH Farina-­ Mühle in Raaba bei Graz zweitbester Nachwuchsmüller. www.muehlen.org

Automatisierung in der Lebensmittel­ industrie Die AiL-Tagung im Oktober gab einen guten Überblick, welche Entwicklungen für Hersteller interessant sind. Ziel der Automatisierung der Produktion in Fleischverarbeitung, Backwaren- und Süßwarenherstellung, Milchproduktion sowie Getränkeindustrie sind effiziente und effektive Lösungen, die Kosten sparen. Bei den praxisnahen Vorträgen standen neben Hygieneanforderungen, Qualitätssicherung, Bedienfreundlichkeit, Flexibilität und Produktrückverfolgung das Thema Datennutzung und daraus resultierende Vorteile (Industrie 4.0) im Vordergrund. www.f-ar.at.

©  GERHARD PEYRER (1), KÖLN MESSE THOMAS KLERX (1), FOTOLIA (2)

INHALT —

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WIRTSCHAFT economy 04 Der verstärkte Wettbewerb wird sich fortsetzen 07 Wer kein Bauchgefühl hat, muss Experten vertrauen 08 Qualität auf die Spitze getrieben 13 BIO-BOARD 14 Good jobs for well trained young people 16 Weltfachmesse für Ernährung

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TECHNIK technology 18 Schreckens­kabinett FCM? 22 Entwicklungen in der Lebensmittelanalytik 26 Türöffner des Fortschritts


3 inhalt content

Liebe Leserin, lieber Leser, —

die Zielpunkt-Insolvenz und ihre Auswirkungen zeigen, wie angespannt der heimische Lebensmittelmarkt ist. Österreich hat eine der höchsten Handelskonzentrationen Europas: Der Wegfall eines – wenn auch vergleichsweise „kleinen“ – Anbieters verschärft erneut die Schieflage zwischen Handel und Industrie. (Noch) mehr Konzentration im LEH schadet der gesamten Herstellungskette.

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FIRMENBERICHT company report

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WISSENSCHAFT science 28 Fette Spots? 30 Es geht um die Wurst 32 Mythen, W ­ idersprüche und Skandalisierung 36 Die österreichische Ernährungspyramide

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RECHT law 40 Irreführende Herkunftskennzeichnung 42 EU-Informations-VO: Erste obergerichtliche Entscheidung zur ­Nährwertkennzeichnung in Deutschland 45 KOG erhöht Kartellgeldbuße gegen Spar auf 30 Mio. Euro

Wie sehr der Wettbewerb Produzenten schon heute unter Druck setzt, betont DI Dr. Markus Liebl von der Brau Union im Interview. Aber auch auf die Konsumentinnen und Konsumenten wirken viele Einflüsse ein: von den Aussagen der WHO über Fleisch und Wurst bis zur Skandalisierung „ungesunden Essens“. Was tatsächlich dahinter steckt, lesen Sie in unserem Artikel „Es geht um die Wurst“. Gerade die aktuellen Entwicklungen im Inland zeigen, wie wichtig der Export heimischer Lebensmittel ist. Gemeinsam mit der Außenwirtschaft Austria unterstützen wir deshalb Veranstaltungen wie die ANUGA in Köln. Einen Rückblick finden Sie in dieser Ausgabe. A n l ä s s l i c h   d e s   Ta g s   d e s   S e k t s ­b eschäftigen wir uns außerdem mit diesem österreichischen Qualitäts­produkt. In diesem Sinne: Prickelnde Feier­tage!

Katharina Koßdorff

35 Impressum und Offenlegung volume 39 | 06. 2015  ERNÄHRUNG | NUTRITION


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DER VERSTÄRKTE WETTBEWERB WIRD SICH FORTSETZEN Interview DIE ERNÄHRUNG SPRACH MIT BRAU-UNION-GENERALDIREKTOR DI DR. MARKUS LIEBL ÜBER ENTWICKLUNGEN IN DER BRANCHE UND IM EIGENEN UNTERNEHMEN SOWIE ÜBER SEINE MEINUNG ZUM PRODUKTIONSSTANDORT ÖSTERREICH.

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ie Ernährung: Sehr geehrter Herr DI Dr. Liebl, was ­sagen Sie zur kolportierten, gut 92 Milliarden Euro schweren Megafusion in der Bierbranche von Weltmarktführer Anheuser-Busch InBev und der Nummer zwei, SABMiller? Aus den Brauereien des fusionierten Konzerns würde in etwa jedes dritte Bier kommen, das weltweit getrunken wird. Markus Liebl: Noch ist die Megafusion nicht abgeschlossen, es sind noch viele kartellrechtliche Fragen zu klären. Das Wichtigste ist, dass Bierkultur weiterhin von jedem Unternehmen gepflegt und hochgehalten wird.

ße Produkt-Vielfalt, Innovationen und die vielfältigen Bierkultur-Initiativen werden das Biergeschäft weiterhin günstig beeinflussen. Auch der große Wettbewerb zwischen den österreichischen Brauereien wird sich fortsetzen, wobei die österreichischen Konsumenten heimischen Bieren weiterhin den Vorzug geben werden. Auch eine Herausforderung: Die Gesellschaft wird verantwortungsvoller im Umgang mit Alkohol. Das ist gut, wir begrüßen diese Entwicklung, und kommen ihr mit Innovationen im Bereich alkoholreduzierte Biere und Radler bzw. auch alkoholfreie Biere entgegen, die am Markt bereits sehr gut angenommen werden!

Wie sehen Sie die Entwicklung der Brau Union in Österreich in den nächsten fünf Jahren? Welche Herausforderungen kommen auf das Unternehmen zu? Liebl: Der Trend zu verstärktem Wettbewerb in Gastronomie und Lebensmittelhandel wird sich fortsetzen. Die Brau Union Österreich wird aber weiterhin die beste Produktqualität bei gleichzeitig nachhaltigem Management bieten: Unsere starken Marken, die gro-

Die Brauerei Göss wurde unter Ihrer Ägide zur weltweit ersten „Grünen Großbrauerei“ umgestaltet, die CO2-neutral produziert. Was waren die Beweggründe dafür? Zahlen sich die ­Investitionen aus? Liebl: Bier ist mehr als nur ein Getränk – Bier ist ein wichtiger Teil der Lebenskultur und in Österreich sogar im Lebensmittelkodex geregelt. Als größtes Brauereiunternehmen Österreichs ist

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es für uns als Brau Union Österreich selbstverständlich, unserer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Unser zentrales Anliegen ist es, die beste Bierkultur für die Zukunft zu schaffen: Die österreichische Bierkultur soll in Einklang mit den modernen sozialen und ökologischen Herausforderungen gebracht werden. Vom Feld bis zur Flasche, vom Korn bis zum Kunden setzen wir Maßnahmen, die die Umwelt schützen, Abfälle reduzieren, österreichische Landwirte fördern, die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter unterstützen und den bewussten Genuss der vielfältigen Produkte in den Vordergrund stellen. Wir versuchen natürlich in all unseren Brauereien Initiativen zu setzen. Die Brauerei Göss ist das Paradebeispiel für das Nachhaltigkeitsengagement der Brau Union Österreich. Dass Göss seit Oktober mit der Biertrebervergärungsanlage 100% CO2-neutral produziert und damit weltweit die erste Großbrauerei ist, die das schafft, macht uns natürlich besonders stolz. Investitionen in der Nachhaltigkeit rechnen sich natürlich nicht kurzfristig, sondern müssen immer längerfristig gesehen werden,


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person

Zur Person DI Dr. Markus Liebl studierte Lebensmittel- und Gärungstechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien sowie Rechtswissenschaften an der Universität Wien und Salzburg. Nach Auslandsaufenthalten trat er 1984 in die Österreichische Brau AG ein. Dort bekleidete er verschiedene Funktionen, war ab 1994 Vorstandsmitglied der Brau Union Österreich AG, später Vorstandssprecher und Generaldirektor. Dr. Liebl ist Ausschuss-Obmann-Stv. im Fachverband und Vorsitzender der Fachvertretung der Nahrungs- und Genussmittelindustrie der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Seit kurzem ist er auch Präsident des Markenartikelverbandes. zahlen sich aber auch auf vielen anderen Ebenen aus. Worin sehen Sie die Vor- und Nachteile des Produktionsstandortes Österreich gegenüber anderen Standorten? Was braucht der Industriestandort Österreich Ihrer Meinung nach, um erfolgreich zu sein? Liebl: In Österreich gibt es hochqualifizierte Mitarbeiter, das ist ein großer Vorteil für diesen Standort. Für unsere Kunden und Konsumenten ist die österreichische Herkunft unserer Produkte sehr wichtig und die Qualität der österreichischen Biere ist ein großer Wettbewerbsvorteil – wir als Brau Union Österreich sind ja mit 8 Brauereistandorten und unseren Verkaufslagern und -partnern in ganz Österreich regional verankert. Ein weiterer unbestreitbarer Vorteil des Standortes Österreich ist die hervorragende Wasserqualität – immerhin ist Wasser der mengenmäßig wichtigste Bestandteil von Bier. Der Wirtschaftsstandort Österreich muss wieder gestärkt werden, z. B. durch Abbau von unnötiger Bürokratie und Senkung der Lohnnebenkosten.

© BRAU UNION ÖSTERREICH

Thema Alkohol: Die Politik fordert zunehmend gesetzliche Maßnahmen, wie Steuern auf „ungesunde“ Lebensmittel, Werbeverbote, Reformulierungen etc. Ist das aus Ihrer Sicht der richtige Weg, um die Konsumenten zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren? Liebl: Steuern sollten generell vorsichtig eingehoben werden. Beim Bier gibt es in Österreich eine im Vergleich zu Deutschland und Tschechien relativ hohe Biersteuer; 20 % von unserem Umsatz wird durch die Biersteuer an den Fiskus abgeliefert. Oft sind aber vielleicht Anreize oder Aufklärung bessere Maßnahmen als Verbote oder Steuern: Wir kooperieren z. B. mit Pro Mente, um Jugendliche über die Gefahren von übermäßigem Alkoholkonsum aufzuklären und unterstützen generell verantwortungsvollen Genuss in Maßen statt in Massen. Kürzlich hat die Brau Union Österreich eine Innovation beim Fassbier in Hinblick auf Offenausschanktechnik und -qualität vorgestellt. Wie sehen Sie die Marktentwicklung bei Fassbieren generell? Liebl: Frisch gezapftes Bier ist das Erfolgsgeheimnis hinter jedem Gastro-

nomiekonzept. Darauf legen die Öster­ reicher auch immer mehr Wert: Laut dem aktuellsten Bierkulturbericht, der auf einer repräsentativen Studie beruht, finden schon 80 Prozent der Österreicher „sehr wichtig“ oder „wichtig“, dass ihr Bier gut gezapft wird. Hier sieht sich die Brau Union Österreich als zuverlässiger und qualitätsorientierter Partner der Gastronomie ebenfalls in der Pflicht und hilft auch in diesem Bereich, die Bierkultur zu heben: Denn das wünschen sich die Gäste vermehrt. Biergenuss soll für die Gäste ein echtes Konsumerlebnis sein. Wir unterstützen unsere Partner in der Gastronomie mit Leidenschaft und Kompetenz, um die höchstmögliche Qualität zu gewährleisten. Gepflegtes Fassbier wird von den Konsumenten besonders geschätzt und ist ein wichtiges Element der heimischen Bierkultur. Darauf legen wir einen besonderen Fokus. Wichtige Grundlagen für den Erfolg sind aber auch unsere starken Marken und die klare Innovationsführerschaft. Mit unserem neuen Zapfsystem „ ­ CoolFlow Technology“ wird konstant ­exzellente Bierqualität über einen längeren

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­ eitraum bei weniger WartungsaufZ wand sichergestellt. Zusätzliche Vorteile sind Energieeffizienz und weniger Bierverlust: Schon das erste gezapfte Bier pro Tag ist perfekt. Dazu kommt für den Gastwirt mehr Absatz durch frisches, perfekt gekühltes Bier, das bei einer idealen Temperatur in bester Qualität gezapft wird. Die Technologie macht den Zapfvorgang einfach und schnelles Service wird dadurch begünstigt. Durch das neue System ist das Bier milder, was zu einem weichen Mundgefühl führt, und der besonders feinporige und haltbare Schaum komplettiert das Erscheinungsbild.

Es gibt eine sehr aktive Szene kleiner Brauereien, die meist Craftbiere herstellen. Wie gehen Sie als Unternehmen damit um? Spüren Sie die Konkurrenz? Liebl: Auch kleine Craftbierbrauer sind eine Bereicherung. Durch solche kleine Brauereien wird die Wertigkeit von Bier gesteigert, Vielfalt wirkt positiv auf die Bierkultur. Wir stellen in der Brau Union Österreich eine steigende Nachfrage fest und begegnen dem z. B. durch unsere Spezialitäten-Manufaktur in Kaltenhausen. Wir leisten damit einen wertvollen österreichischen Beitrag zur Bierkultur und ihrer beachtlichen Vielfalt. Sie wurden erst kürzlich zum Präsidenten des Markenartikelverbandes gewählt. Was haben Sie in dieser Funktion vor, welche Ziele wollen Sie erreichen? Liebl: Unsere Biermarken sind in Österreich sehr angesehen und bei Kunden und Konsumenten beliebt. Das Ziel des Markenartikelverbandes ist es, das Vertrauen der Konsumenten in unsere hervorragenden Marken in Österreich – nicht nur im Biersektor – weiter zu stärken. Marken sind für die Konsumenten sehr wichtig, auch sind Innovationen

©  BRAU UNION ÖSTERREICH

Die Brau Union Österreich bietet seit kurzem auch z. B. belgisches Bier, wie das Affligem Blonde und Affligem Double als Abteibier mit einer zweiten Gärung, an. Wird dadurch der Absatz der etablierten, heimischen Marken leiden? Liebl: Craftbiere und Spezialitäten sind eine interessante Ergänzung unseres Angebotes in Richtung Vielfalt. Diesbezüglich haben wir ein hervorragendes Sortiment, z. B. Wieselburger Schwarzbier, Zipfer Doppelgold, Schwechater Zwickl, Gösser Zwickl oder Puntigamer Winterbier, aber auch Affligem aus Belgien. Die Brauerei Schladming wächst mit dem Schladminger Biozwickl, und in unserer Osttiroler Brauerei Falkenstein werden auch hervorragende Bierspezialitäten gebraut. Diese Biere erobern sich mit Recht einen Platz am Markt, werden aber bestimmt eher in einer Nische der

besonderen Bierkenner und -genießer bleiben. Die herkömmlichen, beliebten Sorten und -stile werden weiterhin den Markt dominieren. Das beliebteste Bier wird aus unserer Sicht auch in Zukunft die Märzen­qualität sein.

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fast ausschließlich mit Marken verbunden, während im Private-Label-Bereich nur der billige Preis im Vordergrund steht. Welche Speisen genießen Sie persönlich am liebsten? Und was trinken Sie dazu, wenn keine Kameras dabei sind – auch einmal was anderes als Bier? Liebl: Ich trinke für mein Leben gerne Bier, aber hin und wieder auch sehr gerne einen guten österreichischen Wein, so wie auch Weinbauern manchmal gerne ein gutes Bier trinken. Dazu esse ich sehr gerne österreichische Hausmannskost, wie z. B. Gulasch, Fleckerlspeise oder Knödel.

about

Zum Unternehmen — Über 4,9 Mio. Hektoliter Bier setzt die Brau Union Österreich in einem Jahr ab – mit vierzehn führenden Biermarken und über 100 Biersorten. Zusätzlich vertreibt die Brau Union Österreich seit ­April 2015 die Cider-Marke Strongbow in Österreich. Als Innovationsführer steht das Unter­ nehmen sowohl für internationale Premium-Brands wie Heineken, Desperados und Affligem, als auch für nationale Top-Marken wie Gösser oder Zipfer, und für regionale Marken wie Puntigamer, Kaiser, Schwechater, Schladminger, Reininghaus oder Wieselburger. 2.200 Mitarbeiter in ganz Österreich sorgen dafür, dass rund 49.000 Kunden und 5 Mio. Bierliebhaber im ganzen Land mit Bier versorgt werden. Dass die Brau Union Österreich dabei auf beste Rohstoffe, höchste Qualität und nachhaltige Produktion – sowohl im Umwelt- als auch im gesellschaftlichen Bereich – setzt, versteht sich von selbst. Seit 2003 ist die Brau Union Österreich Teil der internationalen Heineken-­ Familie.


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WER KEIN BAUCHGEFÜHL HAT, MUSS EXPERTEN VERTRAUEN Essenspanik WIR SIND SATT UND HABEN EINE SO HOHE LEBENSERWARTUNG WIE NIE. WARUM KREISEN DANN SO VIELE SORGEN UM DAS ESSEN? MARTINA SALOMON

Die Debatte erinnert frappant an andere Aufregungen. Es ist noch gar nicht so lange her, da standen Eier und Butter auf der Liste gefährlicher Lebensmittel ganz oben. Weil sie angeblich den Cholesterinspiegel und das Schlaganfallrisiko ­erhöhen. Doch Eier und Butter sind längst rehabilitiert. Dafür musste das Image von Margarine abschlanken. Dann kamen Weizen- und Milchprodukte (zu Unrecht) in Verruf. Inzwischen warnen Wissenschaftler vor Fructose. Wahrscheinlich sogar zu Recht: Über Softdrinks nehmen vor allem ­Jugendliche zu viel Fruchtzucker auf. Das macht fett. Gesundheitsgott anbeten Ein paar philosophische Fragen seien aber gestattet: Ist es eigentlich oberste Bürgerpflicht, mindestens 100 Jahre alt zu werden? Müssen wir täglich den Gesundheits- und Fitnessgott anbeten? Ist, wer sich nicht kasteien will, ein schlechter Mensch? Wird unsere ach so liberale, säkulare Gesellschaft damit wieder vom Katholizismus mit seinen (theoretisch strengen) Fastenritualen eingeholt? Und darf man Lokale in Wien-Neubau auch ohne Nahrungsmittel-Intoleranz betreten? Der Konsument sitzt gerne Marketing-­Schmähs auf:

So wies Star-Köchin Sarah Wiener ­gerade darauf hin, dass der einst verteufelte „Analog­käse“ unter dem Label „vegan“ zurückgekehrt ist und nun doppelt so viel kostet wie Bio-Käse. Absurd!

scheidet weniger das ­Essen als die genetische Ausstattung (plus Glück und Schicksal) über die Lebenserwartung. Lassen Sie sich also die Wurst nicht vom Brot stehlen und vertrauen Sie lieber Ihrem „Bauchgefühl“. Es ist leider irgendwo zwischen saisonalen Modediäten und Expertenratschlägen verloren gegangen.

Essenspanik ist in der satten Gesellschaft eine weit verbreitete Krankheit, obwohl wir doppelt so alt werden wie noch vor 150 Jahren und auch Gott sei Dank nicht mehr massenhaft an Keimen und Schimmelpilz sterben. Niemand sollte sich eine Rückkehr in die Steinzeit wünschen, auch wenn die Paleo-Diät gerade boomt. Dank „technisierter“ Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie ist auch der Hunger in der Welt deutlich zurückgegangen.

Nachdruck aus dem Kurier vom 31.10.2015 Dr. Martina Salomon Chefredaktion und Ressortleiterin Wirtschaft Kurier martina.salomon@kurier.at Martina Salomon, „Iss oder stirb (nicht)!“ 55 Seiten, 7,50 Euro. Leykam Buchverlag,­Leykam-Streitschriften, 2014 ISBN-13: 9783701179190 Siehe Seite 15

Nicht das Essen an sich macht krank, sondern zu viel von allem: Fett, Zucker, Salz, dazu noch Nikotin und Alkohol, gepaart mit mangelnder Bewegung. Wer Wurst gefährlich findet, müsste auch Wein, Zigaretten, Autofahren verbieten – außerdem das Kaminfeuer (potenziell krebserregender Rauch!). Wollen wir das? Man ist, was man isst? Ja, natürlich essen die Österreicher zu viel Fleisch. Der heimische Handel setzt ausgerechnet bei diesem wertvollen Produkt auf Kampfpreise, und der auf Schnäppchenjagd getrimmte Kunde greift freudig zu. Das ist schlecht für Tier und Umwelt, aber nicht unbedingt für das Individuum. Denn der Mensch ist Allesfresser, und zwar ein erstaunlich anpassungsfähiger. Sonst hätte er als Spezies nicht überlebt. Je nach Region isst er vorzugsweise Getreide, Fisch oder eben Fleisch. Lässt man Suchtmittelmissbrauch und extremes Übergewicht mal beiseite, ent-

©  JEFF MANGIONE

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ie Wurst hat zwei Zipfel, und manchmal zipfeln auch Experten zurück: D i e   We l t g e s u n d h e i t s ­ organisation meinte am Freitag beschwichtigend, dass völliger Verzicht auf Wurst nicht nötig sei. Am Montag hatte sie nach Auswertung zahlreicher Studien erklärt, dass verarbeitetes Fleisch das Krebsrisiko erhöhe.

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QUALITÄT AUF DIE SPITZE GETRIEBEN „Brüder kommt, ich trinke Sterne …“ ÖSTERREICHISCHER SEKT HAT EINE LANGE TRADITION UND BEWEGTE GESCHICHTE. BENEDIKT ZACHERL

Winston Churchill

Bei Siegen hat man ihn verdient, bei Niederlagen braucht man ihn.

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i c h t n u r Wi n s t o n Churchill wusste um die belebende Wirkung des Schaumweines. Das zu Anfang des 18. Jahrhunderts vorwiegend in Adelskreisen verbreitete prickelnde Getränk eroberte auch rasch die Gunst des gehobenen Bürgertums in ganz Europa. Bis heute haftet dem Schaumwein ein Hauch von wohliger Verruchtheit an, als Symbol für einzigartigen Luxus. Doch ehe der Schaumwein zum wahrhaft prickelnden Vergnügen wurde, bedurfte es noch eines Mönchs und einer Witwe. Dom Pérignon und der Teufelswein Als wär’s ein Stück vom Himmel, wird als „Erfinder“ des Champagners gerne der Benediktinermönch Dom Pérignon zitiert, Kellermeister der Abtei Saint

Pierre in Hautviller, im Herzen der Champagne. Dom Pérignons großer Verdienst war die Vollendung der „Assemblage“, der Cuvée von verschiedenen Grundweinen aus verschiedenen Lagen und Sorten, um einen perfekten Wein mit konstanter Qualität zu erzeugen. Das war zu jener Zeit keine Selbstverständlichkeit, war es doch üblich, noch unvollständig vergorene Weine im Herbst von den Gärfässern in Flaschen abzufüllen, doch oft wurden im folgenden warmen Frühjahr die im Wein enthaltenen Hefen wieder aktiv, sodass eine zweite Gärung erfolgte. Die dabei entstandene Kohlensäure blieb in der Flasche gefangen und ließ den Wein sprudeln – et voilà: Die ersten Schaumweine waren geboren! Der Kellermeister Dom Pérignon war anfangs von den schäumenden Weinen wenig begeistert, er bezeichnete sie als „vin de diable“, als Teufelswein, und äußerte sich missfallend über diese „verdorbenen Weine“. Doch wie so oft im Leben führte der Zufall Regie. Eines Tages, um das Jahr 1700, explodierten im Keller der Abtei plötzlich mehrere Flaschen. Als der brave Mönch den schäumenden Wein verkostete, blickte er zum Himmel und rief verzückt: „Brüder, kommt geschwind. Ich trinke Sterne!“

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Fortan perfektionierte er die Champagnerherstellung und begann seine Weinflaschen mit einem Korken, der mit Kordeln am Flaschenhals gesichert wurde, zu verschließen – die erste Agraffe war geboren. Ebenso verwendete Dom Pérignon als erster Flaschen aus dickerem, englischen Glas, welches dem Kohlensäuredruck wesentlich besser standhielt als das französische. Das Rüttelpult der Witwe Clicquot Problematisch war es damals jedoch noch, die verbliebene Hefe aus dem Sekt zu entfernen, so dass dieser eher trüb denn als perlender Genuss im Glas lag. Es war eine Frau, die Witwe – „Veuve Clicquot“ –, die der Champagnerwelt die Lösung zeigte. Ein Küchentisch mit selbst eingesägten Löchern soll der Anfang des Rüttelpults gewesen sein. Als Madame Clicquot-Ponsardin im Jahre 1816 gemeinsam mit ihrem tüchtigen Kellermeister Antoine de Muller das legendäre Rüttelpult, das „Pupitre“, erfand, war das ein großer Durchbruch in der Champagnerproduktion. Durch das Aufstecken der Flaschen mit dem Kopf nach unten auf das Rüttelpult und die behutsame Drehung Richtung Flaschenhals, das tägliche „Rütteln“, konnten


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Mag. Benedikt Zacherl Geschäftsführer Österreichisches Sektkomitee info@oesterreichsekt.at volume 39 | 06. 2015  ERNÄHRUNG | NUTRITION

N1 ESIG

Sekt statt Champagner Eine einschneidende Änderung ergab sich 1919 als Folge des Friedensvertrages von

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Der Champagner kommt in Wien an Von den Palästen und Tafeln der Adeligen in die Häuser des wohlhabenden Bürgertums war es nur ein kleiner Schritt. Und weil das Prickeln auch die Wiener und die ganze Donaumonarchie nicht mehr los ließ, machten sich österreichische und deutsche Weinhändler und Weinhauer damals auf ins ferne Frankreich, um in der Champagne die Geheimnisse der Herstellung des schäumenden Lebenselexiers zu erlernen. Einer der ersten, die diese große Kunst nach Österreich brachten, war Robert Alwin Schlumberger, ein aus Stuttgart stammender junger Mann, der es im berühmten Champagner-Haus Ruinart in Reims bis zum Prokurist und Kellermeister gebracht hatte. Die Liebe führte den wackeren Mann auf Umwegen 1842 nach Österreich, nach Bad Vöslau, wo er alsbald mit seiner eigenen Champagner-Produktion begann und bereits 1845 das ganze Kaiserreich mit „Schlumberger Champagner“ begeistern sollte. Bis heute wird im Hause Schlumberger nach der „Méthode Traditionelle“, also nach der Champagnermethode, hochwertiger österreichischer Sekt erzeugt. Bald schon folgte der zweite Wegbereiter in Sachen Schaumwein – Johann Nepomuk Kattus. Er war ein Pionier des Weinbaus, experimentierte schon früh mit neuen Methoden in der Weingartenarbeit und entwickelte auch erfolgreich neue Veredelungsmethoden. 1890 wurde die erste, eigene Sekterzeugung aufgenommen, die bald sehr erfolgreich florierte. Die Sektkellerei Kattus ist bis heute in Familienbesitz und produziert hochwertigen österreichischen Sekt nach der traditionellen Methode, so wie auch andere renommierte Sektkellereien und viele der österreichischen Top-Winzer.

Versailles, in dem der Schutz des Namens „Champagner“ festgeschrieben wurde, der fortan nur mehr für Schaumweine aus der Champagne verwendet werden durfte. Guter Rat war teuer, wurde doch jeder Schaumwein, ungeachtet seiner Herkunft, im deutschsprachigen Raum gemeinhin als „Champagner“ bezeichnet. Da sich Schaumwein als Begriff nicht wirklich durchzusetzen vermochte, wurde 1925 amtlich die Bezeichnung „Sekt“ eingeführt. „Sekt nach der Méthode Champagnoise“ oder Sekt nach der Champagnermethode wurde fortan in Österreich weiterhin mit großer Begeisterung getrunken. Das Wort Sekt entspringt ursprünglich dem lateinischen Wort „siccus“, trocken, wurde im Italienischen dann zu „secco“, mit der Bezeichnung „seco“ von den Spaniern übernommen und schließlich zu „sec“ im Französischen. Bis zum EU-Beitritt durften die Österreicher fröhlich Sekt nach der „Méthode Champagnoise“ schlürfen, ab 01.01.1995 war allerdings auch diese Bezeichnung geschützt. Und so ist in Österreich für Sekt, der nach der gleichen Methode hergestellt wird wie Champagner, die Bezeichnung „Méthode Traditionelle“ oder „traditionelle Flaschengärung“ als Deklaration am Etikett zu verwenden. Sekt besitzt wie kaum ein anderes alkoholisches Getränk einen sehr hohen Imagewert in Österreich. Nur österreichische Weine werden zu österreichischem Sekt veredelt, kommen als Grundwein für die Herstellung von österreichischem Sekt in Frage und garantieren beste Qualität. Eine Erlebnisreise durch die überraschende Vielfalt der prickelnden heimischen Spitzenprodukte lohnt sich allemal, denn Österreich hat nicht nur hervorragende Weinbaugebiete, Winzer und international anerkannte Weine, sondern auch hervorragende österreichische Sekte mit eigener Identität und Stil. Sortenreine Sekte, geprägt von regionsspezifischem Terroir, sind in Österreich Ausdruck einer ganz besonderen, einzigartigen und unnachahmlichen Herkunft. Und Feinschmecker wissen schon längst, dass sich Sekt auch hervorragend als Speisenbegleiter zu den unterschiedlichsten kulinarischen Köstlichkeiten eignet …

sich die Heferückstände am Korken absetzen, und so wurde erstmals das problemlose Entfernen der Hefe ermöglicht. Das Rütteln der Flaschen kommt bis heute in der Champagnerproduktion und bei der Produktion hochwertiger Sekte in der klassischen Flaschengärung zum Einsatz.


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Neue dreistufige Qualitätspyramide für österreichischen Sekt 2014 wird als Meilenstein für die österreichische Sektwirtschaft in die Weingeschichte eingehen. Denn unter der Federführung des 2013 gegründeten Österreichischen Sektkomitees, in enger Zusammenarbeit mit der Österreich Wein Marketing, ÖWM, und mit tatkräftiger Mitarbeit der Sekt erzeugenden Winzer, wurden die Eckpunkte einer dreistufigen Qualitätspyramide für den österreichischen Sekt festgelegt. Die neue dreistufige Qualitätspyramide für Sekt aus Österreich soll künftig die Traubenherkunft und Hefelagerung betonen. Sie garantiert vor allem die österreichische Herkunft der Trauben und Grundweine als geschützte Ursprungsbezeichnung, g.U., sowie eine Mindestlagerzeit des Sekts auf der Hefe. Um sicherzugehen, dass man ein heimisches Spitzenprodukt einschenkt, ist die kritische Prüfung der Bezeichnung auf der Flasche angezeigt: „Sekt hergestellt in Österreich“ ist nicht gleichbedeutend mit der Bezeichnung „Österreichischer Sekt“. Nur dann, wenn 100 Prozent des verwendeten Weins aus Österreich kommen und die Versektung in Österreich stattfindet, darf das Produkt die Bezeichnung „Österreichischer Sekt“ tragen. „Beim Wein sind wir in Österreich bereits mitten in der Weltspitze. Unser Ziel ist es nun, mit der neuen Qualitätspyramide der Öffentlichkeit die Herkunft, die Vielfalt und die ausgezeichnete Qua-

TIPPS zum richtigen SEKT-GENUSS • Wie schenkt man Sekt richtig ein? „Sekt schmeckt besser durch eine leichte Glasneigung beim Einschenken“, wie eine Studie der Universität Reims bestätigt. Perfektionisten greifen mit dem Daumen in die Höhlung des so genannten Stichbodens der Flasche. Dann wird zuerst wenig Sekt in jedes Glas gegossen, um ein hohes

lität des österreichischen Sekts näherzubringen und damit den Patriotismus, den es beim Weinkonsum bereits gibt, auch für den Schaumweinbereich zu wecken“, erklärt Willi Klinger, Geschäftsführer der ÖWM, die Bedeutung der neuen Sekt-Standards. „Für den österreichischen Sekt beginnt mit dieser Qualitätsstufenpyramide ein neues Zeitalter. Das Österreichische Sektkomitee ist stolz, diesen wichtigen Schritt für die Qualität und die Vermarktung unter Einbeziehung aller Sekthersteller des Landes gemeinsam auf den Weg gebracht zu haben“, freut sich Herbert Jagersberger, Vorsitzender des Österreichischen Sektkomitees, über die neue Qualitätspyramide. Die einzelnen Stufen umfassen weitere Qualitätsstandards, wie die Arbeit im Weingarten, die Ernte, Handlese sowie die schonende Pressung. Voraussetzung dafür ist die Verankerung dieses strengen, qualitätsorientierten Regelwerks im österreichischen Weingesetz oder einer spezifischen Sekt-Verordnung.

Alle Methoden sind erlaubt, die zur Sekt­erzeugung geeignet sind. Alle Stilistiken, alle Dosagen und alle Farben – Weiß, Rosé oder Rot – sind erlaubt. Stufe 2: Reserve Ab der zweiten Stufe sind ausschließlich Sekte zugelassen, die nach der traditionellen Methode – Flaschengärung produziert wurden. Die Trauben und Grundweine müssen hier aus einem Bundesland als Weinbaugebiet stammen. Es ist eine Reifezeit auf der Hefe von mindestens 18 Monaten vorgeschrieben, der Erstverkauf darf erst nach 2 Jahren erfolgen. Es ist ausschließlich brut und extra brut/ brut nature sowie weiß und rosé erlaubt, Handlese und Ganztraubenpressung sind Qualitätsmerkmale.

Die Basiskategorie: Klassik definiert die Mindestanforderungen für österreichischen Qualitätsschaumwein. Sie garantiert vor allem die österreichische Herkunft der Trauben und Grundweine als geschützte Ursprungsbezeichnung, g.U., sowie eine Mindestlagerzeit des Sekts auf der Hefe von neun Monaten.

Stufe 3: Große Reserve Für die höchste Stufe der flaschenvergorenen Spitzensekte dürfen die Trauben nur in einer einzigen Weinbaugemeinde gelesen und nach dieser bezeichnet werden (z. B. Poysdorf, Langenlois, Gols, Gamlitz …), wobei Lagenbezeichnungen möglich sind. Nach der Flaschengärung kommen die Sekte dieser Kategorie erst drei Jahre nach der Ernte und nach mindestens 30 Monaten Hefelagerung auf den Markt. Ausschließlich brut und extra brut/brut nature – in dieser höchsten Kategorie sind auch die Jahrgangsbezeichnung sowie die spezielle Auslobung „alles aus einer Hand“ erlaubt.

Aufschäumen zu vermeiden. Beim Einschenken das Glas leicht geneigt halten, und den Sekt gegen den Glasrand perlen lassen, damit Geschmack, Aroma und das elegante Mousseux bestmöglich erhalten bleiben. Je schonender Sekt eingeschenkt wird, desto besser für den Sektgenuss: • langsam und regelmäßig, damit sich ein harmonischer „Kranz“ bilden kann. • das Einschenken in zwei Stufen ist schonender für das Mousseux.

• Die ideale Trinktemperatur Nur gekühlter Sekt bietet das volle Genusserlebnis. Zu große Kälte wiederum lässt den Geschmack schwinden. Wenn der Sekt zu kalt getrunken wird, ist er oft „verschlossen“. Ist der Sekt zu warm, erscheint er „schwerer“, das heißt, weniger lebhaft und erfrischend. Die Farbe bestimmt die perfekte Trinktemperatur: • bei weißem Sekt zwischen 5–7°C • bei Rosé-Sekt zwischen 6–8°C • bei rotem Sekt zwischen 9–11°C

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QUALITÄTSPYRAMIDE ÖSTERREICHISCHER SEKT G.U. Ernte und Pressung der zugrundeliegenden Trauben in einer einzigen Gemeinde, ausschließlich traditionelle Flaschengärung, mind. 30 Monate auf der Hefe

G Re roße se rve

Ernte und Pressung der zugrundeliegenden Trauben in einem einzigen Bundesland, ausschließlich traditionelle Flaschengärung, mind. 18 Monate auf der Hefe

Ernte der zugrundeliegenden Trauben in einem Bundesland, alle Methoden zur Sekterzeugung sind erlaubt, mind. 9 Monate auf der Hefe

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© ARCHIV

Die einzelnen Stufen umfassen weitere qualitätssichernde Standards. Dazu gehören die Arbeit im Weingarten, Ernte, Handlese, Schütthöhe, Ausbeutesatz sowie die schonende Pressung.

• Die richtige Verkostung – 3 Phasen

Trockenfrüchte, Hefe, Toast, Butter oder Gewürze …

Was sehen Sie? Beobachtung der Farbe, des Mousseux und der Klarheit. Sind die Bläschen lebhaft, fein, elegant oder üppig?

Was schmecken Sie? Wahrnehmung des Geschmacks und des dominierenden Eindrucks am Gaumen und Beurteilung der Per­lage.

Was riechen Sie? Wahrnehmung der Aromen in der Nase, woran erinnert das Bukett? Blumige oder fruchtige Aromen, pflanzliche Gerüche, Nüsse, Honig,

• Richtiges Aufbewahren: Wie lange hält sich Sekt in der Flasche? Sekt wird auf dem Höhepunkt seiner Reife ausgeliefert und sollte deshalb möglichst jung getrunken werden. Wird

jedoch eine größere M ­ enge auf Vorrat gekauft, ist der Sekt kühl und dunkel zu lagern. Er kann aufgrund der neuen Korktechnologie mit mehrteiligen Naturkorken bis zu drei Jahren pro­blemlos aufbewahrt werden, er sollte vor allem aber stehend gelagert werden.

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Sekt – Herstellung & Methoden Méthode Traditionnelle/Champagner-Methode Die aufwendigste und traditionsreichste Methode ist die Méthode Traditionnelle/Champagner-Methode. Die Cuvéebereitung/Assemblage Nach Lese und erster Gärung der Jungweine werden die fertigen Weine nach Sorten und Qualitäten getrennt gelagert. Die Grundweine werden dann zu einer Cuvée vereint. Die große Kunst besteht darin, Weine verschiedener Jahrgänge, Rebsorten und Lagen so miteinander zu vermählen, dass eine harmonische und ausgeglichene Komposition erzielt wird, die so genannte Assemblage. Die Zusammenstellung der Cuvée erfolgt in Abhängigkeit der Jahrgänge und aufgrund jahrelanger Erfahrung des Kellermeisters. Der Tiragelikör Die ausgewogene Cuvée wird als Wein in Flaschen abgefüllt. Was der edlen Cuvée zur Verwandlung in den kostbaren Sekt noch fehlt, ist der „Tiragelikör“ und die Champagner-Hefe, welche eine weitere Gärung einleitet. Traditionsreiche Champagner und Sekt-Häuser haben im Laufe der Jahrzehnte oft spezielle, eigene Reinzuchthefen entwickelt. Die Flaschen werden nun mit einem Kronenkork verschlossen und die zweite Gärung setzt ein. Zweite Gärung/Lagerung auf der Hefe Die zweite Gärung in der Flasche hat das Ziel, den Wein zum großen Schaumwein zu veredeln. Während dieses Prozesses verwandelt die Hefe den hinzugefügten Tiragelikör in Alkohol und Kohlensäure, die in der verschlossenen Flasche aber nicht entweichen kann. So wird sie in den Sekt eingebunden, ein fein perliges Mousseux entsteht. Nach 4–6 wöchiger Gärungszeit entsteht der so genannte Rohsekt. Die in Österreich gesetzlich vorgeschriebene Lagerzeit auf der Hefe dauert mindestens 9 Monate in der Sekt-Kellerei. Bei österreichischem Sekt in den beiden oberen Qualitätsstufen der neuen Pyramide beträgt die Mindestreifezeit 18 Monate (Reserve) beziehungsweise 30 Monate (Große Reserve). Die Lagerung erfolgt in dunklen, kühlen Kellern bei Temperaturen von etwa 15 Grad.

Das Rütteln Während der zweiten Gärung bildet sich ein Hefedepot in den Flaschen, das entfernt werden muss. Dazu werden die Flaschen kopfüber auf Rüttelpulte gesteckt, in denen sie schräg lagern. Auf diese Weise kann sich die Hefe absetzen. Die Flaschen werden insgesamt 32 Mal gerüttelt, hierbei um ein Achtel gedreht und jedes Mal eine Nuance steiler gestellt. Dies hat zur Folge, dass sich auch feinste Hefepartikel im Flaschenhals und letztlich beim Kronenkorken absetzen. Das Degorgieren Das Hefedepot, welches in den Flaschenhals gerüttelt wurde, soll nun entfernt werden. Dazu wird der Flaschenhals kopfüber für ca. 10 Minuten in ein Kälte­bad mit –24°C Grad getaucht, und die im Flaschenhals gesammelte Hefe friert mit einem kleinen Teil des Sektes zu einem Pfropfen. Beim Degorgieren wird der Kronenkork entfernt und durch den 5 bis 6 bar starken Druck in der Flasche wird der Eispfropfen mit der eingeschlossenen Hefe hinausgeschleudert. Dosage Nach dem Degorgieren fehlen in der Flasche geringe Mengen Flüssigkeit. Diese Menge wird mit einer so genannten Versanddosage oder Dosage­ likör aufgefüllt. Der „Dosagelikör“ kann aus Traubenmost oder in Wein gelöstem Zucker bestehen. Die Formel des Dosagelikörs, „Liqueur d’expédition“ bestimmt die Geschmacksrichtung des Sektes und gilt als Geheimnis des Kellermeisters. Sie gibt dem Sekt die ­finale Note und entscheidet über die ­Geschmacksrichtung. Soll keine Dosage erfolgen, wie bei Ultra Brut, wird zum Auffüllen Sekt aus derselben Charge genommen. Geschmacksrichtungen nach Restzuckergehalt • brut nature, naturherb, Ultra brut (ohne Dosage) 0 bis 3 g/l • extra brut/brut nature/extra herb 0–6 g/l • brut/herb bis 12 g/l • extra trocken/très sec/extra dry 12–17 g/l • trocken/sec/dry/secco 17–32 g/l • halbtrocken/demi sec/medium dry 32–50 g/l • mild/dolce/doux/sweet über 50 g/l

ERNÄHRUNG | NUTRITION  volume 39 | 06. 2015

Kork und Agraffe Nach Befüllen der Flasche wird diese mit einem Natur­ kork verschlossen. Eine Agraffe, das Drahtkörbchen, sichert den Kork in der ­Flasche. Bei der Méthode Traditionnelle bleibt der Sekt vom ersten bis zum letzten Produktionsschritt in derselben ­Flasche. Méthode Charmat/Großraum­ gärverfahren Die Méthode Charmat, oder Großraumgärverfahren wurde vom französischen Önologen Eugène Charmat entwickelt. Der Sekt wird nicht in der Flasche, sondern in Gärbehältern hergestellt, weshalb das Verfahren Großraumgärverfahren genannt wird. Auch bei der Méthode Charmat wird der Sektgrundwein mit Hefe und dem Tiragelikör versetzt und in den druckfesten Stahltank gepumpt, wo die zweite Gärung stattfindet. Die Sekthefe verarbeitet den Tiragelikör zu Kohlensäure und Alkohol, wobei die Kohlensäure nicht entweichen kann, sondern sich im Rohsekt bindet. Nach Abschluss des Reifungsprozesses wird der Rohsekt filtriert und einer 2–3 wöchigen Kühlung unterzogen, anschließend mit der entsprechenden Dosage versehen und mittels eines speziellen Sektgegendruckabfüllers in die Flasche gefüllt. Dieses Verfahren bietet den Vorteil, die Qualität überwachen und optimieren zu können. Da die Temperatur in den Behältern kontrolliert gesteuert werden kann, ist es auch möglich, unmittelbar auf den Vergärungsverlauf Einfluss zu nehmen. Die eingebauten Rührwerke ermöglichen es, den Rohsekt in intensiven Kontakt mit der Hefe zu bringen, sodass die Reifung optimal erfolgt. Auch die Vergärungsgeschwindigkeit kann hier durch Temperaturveränderungen geregelt werden. Nach der Gärung erfolgt die Lagerung auf der Hefe, gesetzlich sind in Österreich mindestens 6 Monate vorgeschrieben. Im Unterschied zur Méthode Traditionnelle sind die Perlen von ein wenig größerer Konsistenz. Das Verfahren ermöglicht es, sowohl klassische Sektsorten herzustellen als auch sortenbetonte fruchtige Sekte. Diese Methode ist zeitund personalsparend und somit eine gängige Produktionsmethode für Sekt.


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BIO-BOARD Green Paper Coating for Sustainable Packaging NACHHALTIGE BARRIERE-COATINGS FÜR VERBUNDKARTON KATHARINA KOSSDORFF

Die Lösung Forschungsergebnisse zeigten, dass Beschichtungen auf Basis von Molkenproteinen als abbaubare Barriereschichten in Mehrschichtpackstoffen eingesetzt werden können. Damit können bestehende Kunststoffbeschichtungen ersetzt und die Recyclingfähigkeit verbessert werden. BIO-BOARD ist ein nachhaltiges barrierecoating-Material für kartonbasierte Packstoffe, das sowohl für flüssige als auch feste Lebensmittel verwendet werden kann. Es besteht aus Proteinen aus Molke oder Kartoffelrückständen und wird mittels Ex­ trusion verarbeitet.

Im Projekt BIO-BOARD wurden maßgeschneiderte Coatingsysteme basierend auf nachwachsenden Rohstoffen aus Nebenprodukten der Agrar- und Lebensmittelindustrie und die technologische Anwendungsmöglichkeit als Extrusionscoatingmaterial für Papier, Pappe und Karton entwickelt. Es wurden Materialien erforscht, die einen wesentlichen Beitrag zur verbesserten Ökobilanz von Lebensmittelverpackungen leisten. Die Forschungsarbeiten werden durch Fördermittel des siebten Rahmenprogrammes der Europäischen Gemeinschaft (FP7/2007–2013) unter dem Grant Agreement nº 315313 unterstützt. Mag. Katharina Koßdorff Geschäftsführerin des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie k.kossdorff@dielebensmittel.at www.dielebensmittel.at

Nähere ­Informationen — www.bioboard.eu

volume 39 | 06. 2015  ERNÄHRUNG | NUTRITION

© BIO-BOARD

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er Bedarf  Zurzeit werden über 7 Millionen Tonnen Verbundkarton weltweit produziert. Das Standard-Beschichtungsmaterial ist dabei Poly­ethylen (PE). Um die Abhängigkeit von Kunststoffen basierend auf fossilen Brennstoffen zu reduzieren und um effiziente Recyclingsysteme implementieren zu können, werden neue umweltfreundliche Materialien benötigt, die vergleichbare Produktschutzeigenschaften wie konventionelle Kunststoffe aufweisen. Im Gegenzug fallen in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft hohe Mengen an Nebenprodukten an. Über 20 Millionen Tonnen Molke, über 65 Millionen Tonnen getrocknetes Fruchtwasserprotein und 140.000 Tonnen getrocknete Kartoffelpulpe, letztere Nebenprodukte der Stärkeproduktion, werden jährlich in Europa entsorgt.


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GOOD JOBS FOR WELL TRAINED YOUNG PEOPLE SOCIAL PARTNERS OF THE FOOD AND DRINK MANUFACTURING INDUSTRY ON THE EUROPEAN LEVEL SHOW GREAT INTEREST IN THE NEW APPRENTICESHIP SCHEME “FOOD TECHNICIAN” IN AUSTRIA. ESTELLE BRENTNALL, LORENZO FERRUCCI

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ERNÄHRUNG | NUTRITION

For Estelle Brentnall of EFFAT and Lorenzo Ferrucci of FoodDrinkEurope this initiative which is giving young people the opportunity to start a career in the food and drink manufacturing industry is highly interesting. Both social partners emphasize that “apprenticeships offer opportunities for young people and businesses therefore we need to continue to foster apprenticeships. The Austrian social partners Pro-Ge and Fachverband Lebensmittel joint approach is a good example of a quality apprenticeships programme”. In their joint pledge on apprenticeships, EFFAT and FoodDrink­Europe call upon all actors in the industry to provide high quality apprenticeship and traineeship positions, to organize readiness for work programmes in close coordination with educational institutions and youth organizations and to share knowledge and experiences with educational providers, authorities, trade unions, business organizations and youth organizations. Their pledge raises awareness amongst members of EFFAT and FoodDrinkEurope throughout Europe of the valuable contribution that apprentices and trainees can make

© INDUSTRIEBLICK

he European social partners of the food industry FoodDrinkEurope and EFFAT are actively working in the project “Bringing in new talents and managing an ageing workforce: two sides of the same coin – implementing good practices for a more attractive food and drink industry in Europe” from 2014 until 2016. Among the various project activities, the steering group actively discusses and exchanges views on good practice initiatives in the food industry to successfully attract new talents and to handle an ageing workforce. Especially the joint approach of the Austrian social partners Pro-Ge and Fachverband Lebensmittel on how to initiate and establish a completely new apprenticeship scheme, matching the actual and current skills needs of the industry was perceived very positively. The apprenticeship scheme “food technician” in Austria goes back to idea of very committed stakeholders at the employers organization Fachverband Lebensmittel Austria and trade union Pro-Ge Austria, who have jointly initiated a new apprenticeship scheme for the Austrian food industry in 2009. Since then, 135 young people have successfully completed their apprenticeship and are all well trained, highly qualified workers with specific and detailed knowledge on all phases of the entire production process. In order to take a closer look and to learn more about the whereabouts of the new apprenticeship scheme and especially why and how all began, the team of experts supporting FoodDrinkEurope and EFFAT in this project are elaborating a case study report on the apprenticeship scheme in Austria.

and encourages them to provide more opportunities for young people to work in their business. The project is supported by a European team of consultants from the Hamburg based consulting firm Wilke, Maack and Partner (wmp consult) and Syndex Europe from Brussels and coordinated by Kim Schütze (wmp consult) and Fabrice Warneck (Syndex Europe). The team of researchers base their work on a methodological approach including a survey, nine more detailed case study reports and a toolbox with practical hints and recommendations addressed to HR representatives and employee representatives in the food and drink industry. The survey among all FoodDrinkEurope and EFFAT member organisations and affiliates in the EU member states on good practice initiatives focusing on new talents and an ageing workforce was completed in early summer 2015. The team of experts is currently working on nine case study reports – from different EU countries and addressing different focus areas, each is a particularly interesting initiative resulting from the survey among the European social partners. In a final step,


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the researchers will present a toolbox, serving as a manual for new and innovative ways on – for example – how to effectively address skills development and upskilling on a company level or how to implement a demography project or ways on how to recruit new talents. Two European dissemination conferences in Brussels and in Bratislava in summer 2017 are next steps of the project. Literatur www.ernaehrung-nutrition.at For more information please contact Estelle Brentnall Food, Drink & Tobacco Sector Political Secretary EFFAT (European Federation of Food, ­Agriculture and Tourism Trade Unions) e.brentnall@effat.org www.effat.org Lorenzo Ferrucci Manager Sustainability and CSR FoodDrinkEurope l.ferrucci@fooddrinkeurope.eu www.fooddrinkeurope.eu

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volume 39 | 06. 2015  ERNÄHRUNG | NUTRITION


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WELTFACHMESSE FÜR ERNÄHRUNG ANUGA 130 ÖSTERREICHISCHE AUSSTELLER AUF DER WELTFACHMESSE FÜR ERNÄHRUNG ANUGA KÖLN 2015 – ÖSTERREICH AM 15. RANG UNTER 108 AUSSTELLERLÄNDERN FRANZ ERNSTBRUNNER

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euer beteiligten sich 130 Exporteure der österreichischen Nahrungsmittelwirtschaft an der Weltleitmesse ANUGA Köln (10.–14.10.). 69 Firmen stellten auf fünf Österreich-Ständen der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) in den Bereichen ANUGA Fine Food, ANUGA Meat, ANUGA Fresh Meat, ANUGA Organic und ANUGA Drinks aus. Die Beteiligung wurde gemeinsam mit dem österreichischen Außenwirtschafts­ Center Frankfurt mit Unterstützung der Firma Gesell, Vertretung der Koelnmesse in Österreich, organisiert. Der Österreich-Stand in der Halle 11.2 (Fine Food) umfasste 32 Aussteller auf 646 m2, in Halle 8.1 (Drinks) 18 Aussteller auf 316 m2, in Halle 5.1 (Organic) 8 Aussteller auf 87 m2, in Halle 6.1 (Fresh Meat) 6 Aussteller auf 132 m2 und in Halle 5.2 (Meat) 5 Aussteller auf 161 m2. Die Gesamtfläche betrug somit 1.342 m2. Die Anzahl der Aussteller hat sich gegenüber der ANUGA 2013 um 8 Firmen erhöht. 19 Aussteller stellten zum ersten Mal auf einem der Österreich-Stände auf der ANUGA aus. Das repräsentative Produktangebot umfasste Bio-Produkte, wie gentechnikfreies regionales Soja, Bio-Naschfrüchte und Bio-Knabber­ snacks, Kürbiskernöl und Kürbiskerne,

Bio-Freilandeier, Meatchips, Grillmarinaden und Tapas, Fleisch- und Wurstwaren, Frischfleisch, „Algendrink HELGA“, Qualitätsweine aus Österreich, „Omi’s Apfelstrudel“ Fruchtsaft, Ohnly-Bio-Erfrischungsgetränke mit pflanzlicher Kraft aus Kräutern und Gewürzen ohne Süßmittel, Vitamin- und Energy-Drink „Happy-Drink“, Mostfruchtsäfte und Bio-Fruchtsäfte „Multicultis und Culti-Chips“, Herstellung von gekühlten Dips und Salaten, kaltgepresste Öle und Pesto, Feinkost, Gourmet und Grundnahrungsmittel, Nüsse, Trockenfrüchte und Hülsenfrüchte sowie „Styria-Drop – hochwertige Öle“. 16 Unternehmen der österreichischen Käse- und Milchwirtschaft präsentierten sich auf einem Gemeinschaftsstand der AGRARMARKT AUSTRIA (AMA). Über 40 österreichische Unternehmen beteiligten sich als Einzelaussteller. Mit 130 Ausstellern belegte Österreich den 15. Rang unter den 108 Ausstellerländern. Im Rahmen der Sonderschau „TASTE_15“ wurden zehn österreichische Top-Innovationen als Gewinner ihrer Produktgruppe ausgezeichnet. Insgesamt beteiligten sich 830 internationale Unternehmen mit mehr als 2.000 Produktideen. Eine internationale Fachjury wählte aus den 2.000 Einreichungen für die Sonderschau 61 Top-Neuheiten aus. Ein Sechstel der letztlich prämierten Innovationen kamen aus Österreich – ein

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toller Beweis für die Innovationskraft und die Ideenvielfalt der österreichischen Lebensmittelwirtschaft. Weitere 140 Produktneuheiten aus Österreich wurden in die Neuheiten-Datenbank der ANUGA aufgenommen. Die Bedeutung Österreichs auf der ANUGA wurde durch den offiziellen Besuch der indischen Ministerin Harsimart Kaur Badal, Minister of Food Processing Industries of India, eindrucksvoll unterstrichen. Die Ministerin konnte sich ein Bild über die Vielfalt der österreichischen Produkte machen. Kooperationsmöglichkeiten mit indischen Partnern wurden im Rahmen des Gesprächs erörtert. Wenige Wochen vorher gab es bereits einen go-international Österreich-Stand auf der ANNAPOORNA World of Food, Mumbai, 14.–16.9.2015. Dort präsentierten acht österreichische Aussteller, die auch auf der ANUGA anwesend waren, Produktinnovationen für den indischen Lebensmittelmarkt. Für die Betreuung der österreichischen Aussteller kamen Branchenexperten der österreichischen Außenwirtschafts­ Center Barcelona, Frankfurt, Den Haag, New York und Sydney auf die ANUGA. Es wurden dabei Termine mit internationalen Handelsketten koordiniert und Beratungsgespräche im Hinblick auf die Marktbearbeitung in den einzelnen Lebens­mittelmärkten durchgeführt.


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Höhepunkt der Präsenz Österreichs auf der ANUGA war der Österreich-Abend am dritten Messetag. 280 Gäste, darunter die österreichischen Gruppen- und Einzelaussteller mit ihren Geschäftspartnern, österreichische Fachbesucher, die nationale Fachpresse, internationale Messeveranstalter sowie der geschäftsführende Vorstand der ANUGA Köln mit seinem ANUGA-Projektteam konnten begrüßt werden und verbrachten einen entspannten Messeausklang mit vielen Fachgesprächen am Österreich-Stand im Bereich Feinkost der ­Halle 11.2. Die ANUGA KÖLN ist unangefochten die bedeutendste internationale Fachmesse für die österreichische Nahrungsmittelwirtschaft. Die österreichischen Aussteller nützten hier ihre Präsenz für intensive Kontakte zum deutschen Handel, zur Kundenpflege, zur Beobachtung des internationalen Wettbewerbs, zur Präsentation von Neuprodukten und zur Anbahnung von Geschäftskontakten zu Interessenten aus dem EU-Raum, Osteuropa, dem Mittleren Osten, Asien sowie Nord- und Südamerika. Die ANUGA 2015 umfasste elf Hallen mit 7.063 Ausstellern, 89 % aus dem Ausland und 108 Ländern. Die drei bedeutendsten

das vegane Angebot sowie Health- und Halal-Produkte. Einer der deutlichsten aktuellen Trends ist das Thema „Convenience“. Immer mehr Single- bzw. kleine Haushalte greifen zu vorgefertigten Gerichten, bevorzugt auch in kleineren Verpackungen. Das hält den Verbraucher allerdings nicht davon ab, auch hier auf Qualität, nachhaltige Produktion oder zielgruppenspezifische Angebote, also „Free From“-Produkte, zu achten. Diese Trends haben sich weiter verstärkt und wurden von den österreichischen Ausstellern und dem Handel ebenso wie von führenden Marktforschungsinstituten bestätigt.

Ausstellungsbereiche waren Finefood, Meat und Frozen Products, gefolgt von Drinks und Bread & Bakery. 155.000 internationale Fachbesucher, über 65 % aus dem Ausland, aus 150 Ländern besuchten die ANUGA 2015. Die bestimmenden Produkttrends der ANUGA waren Handelsmarken (Private Label), Gourmetprodukte, Biowaren,

Die ANUGA präsentierte sich mit der Steigerung der Anzahl an Ausstellern von 300 Firmen gegenüber 2013 erneut als die Weltleitmesse der Lebensmittelwirtschaft. Franz Ernstbrunner AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA, WKÖ, Messen, Nahrungsmittel und Getränke franz.ernstbrunner@wko.at www.wko.at/aussenwirtschaft

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SCHRECKENS­ KABINETT FCM? OSKAR WAWSCHINEK

wie entscheidend die als „soft skills“ unterschätzte Kunst der Menschenführung auf Unternehmensleistung und Unternehmenskultur einwirkt. Selbstreflexion war schon bei Marc Aurel nützlich. Unterschätzt wird auch die Notwendigkeit eines professionellen Krisenmanagements, das nicht immer gelebt wird.

Meine sehr verehrten Herrschaften! Mein Name ist Dr. Österreicher. Die Wissenschaft schreitet unaufhaltsam fort – auch wenn Sie es nicht g­ lauben –, sogar in ­Österreich …

Also auch Exponenten der Führungsebene scheinen nicht immun gegen die „Mir san mir“-Mentalität? Österreicher: Tüchtige Unternehmen sind ohne Teamgeist und ohne Sorgfalt nicht vorstellbar. Fachliche Qualifikation vorausgesetzt, ist Vertrauen aber die Basis für jede erfolgreiche Zusammenarbeit. Auch unser Fußball-Nationalteam hat dafür ein Konzept und Zeit gebraucht. Wir gelten international als solide, Reformbereitschaft, Innovationsfreude und geschäftliche Wendigkeit sind weniger bekannt. Wir sind fleißig, aber ein ge-

S

o beginnen Carl Merz und Helmut Qualtinger ihren skurrilen Sketch „Im Schreckenskabinett des Dr. Österreicher“. Das ist inzwischen schon viele Jahrzehnte her. In diesem „Kabinettstück“ wird experimentiert, ob sich nicht doch da und dort in Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit etwas verändern ließe in Richtung mehr Vernunft und Weltoffenheit, und gegen eine latente Haltung der Ignoranz.

Die Ernährung: Herr Dr. Österreicher, gilt dieses Bild der dezenten Fortschrittsverweigerung und Ignoranz in unserem Land auch heute noch – bezogen auf Lebensmittelverpackungen? Dietmar Österreicher: Also, die Frage gefällt mir, auch wenn sie gleich mehrere Fallen enthält. Das setzt ja eigentlich schon ganz oben in der Hierarchie an, egal, ob FCM- oder Lebensmittel-Betrieb: Wie sieht es aus mit Kompetenz und charakterlicher Qualität auch im Management, das wissen sollte,

© ARCHIV

Die Ernährung fragte den zuständigen Referenten im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), was von dieser Einschätzung heutzutage im Zusammenhang mit Lebensmittelkontaktmaterialien (FCM) zu halten ist.

MR Dr. H. Dietmar Österreicher

ERNÄHRUNG | NUTRITION  volume 39 | 06. 2015

wisses statisches Sicherheitsdenken lässt Veränderungen ungern zu: Dabei ist es gerade die Veränderung, durch die jeder von uns – durch die auch ein Unternehmen – überlebensfähig und vital bleibt. Da gibt es ja genug Vorschriften und Gesetze. Allein schon um deren wachsende Zahl und Umfang zu bewältigen, muss man ziemlich flexibel sein. Österreicher: Ja, das trifft alle, auch das bedarf ständiger Anstrengung. Aber ich meine das Interesse im Sinne eines ständigen Verbesserungsprozesses, der nicht aufgezwungen sein kann. Das muss von innen kommen und ist ein Lebens­ elixier neben der notwendigen Suche nach neuen Wegen, der Forschung. Die Konkurrenz schläft ganz sicher nicht. Bildung fördert Wissen und gibt wichtige Impulse. Hier ist auch der Staat dringend gefordert. Bleiben wir bei den FCM. Sehen Sie dort die eingangs karikierten Rückständigkeiten? Heute, kurz vor dem Jahr 2016? Österreicher: Kabarett überzeichnet; aber meistens werden Zustände freigelegt und es ist eine tiefere Wahrheit enthalten, die zum Nachdenken anregt. Aber so zwingend österreichisch scheint mir der Befund gar nicht; ähnliche Verhaltensmuster entstehen wohl aus Bequemlichkeit. Nur einige wenige erkennen immer den Zug der Zeit. Ich höre doch den verpackten Tadel; worin besteht Ihre Kritik hinsichtlich FCM genau? Österreicher: Wir brauchen zu lange, um notwendige Forderungen (Gesetzgeber, Neuerungen am Markt, u.a.) professionell umzusetzen oder mit Schwung und Servicebereitschaft zu agieren. Da sind uns oft andere, wie zum Beispiel die


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US-Amerikaner, voraus. Im Zuge einer Veranstaltung der SPI (American Society of Plastics Industry) in Baltimore, bei der ich einen Vortrag halten durfte, wurde deutlich, wie man sich dort bemüht, die europäischen (EU) Regeln kennen und verstehen zu lernen. So können sie sich viel besser auf einen möglichen Handels­ partner einstellen – aber wesentlich ist: sie interessieren sich, bevor sie handeln! Wer kennt schon bei uns die Marktverhältnisse in den Bundesstaaten der Vereinigten Staaten betreffend Lebensmittelverpackungen oder überhaupt FCM? Dafür fürchtet man sich vor TTIP. TTIP wäre für Futtermittel, Lebensmittel und für FCM hoch relevant. Gäbe es denn in wirtschaftlich angespannten Zeiten überhaupt Alternativen? Österreicher: Ich verstehe Bedenken betreffend der Schiedsgerichte und regulatorischen Zusammenarbeit, weil hier die hohen Europäischen Standards am Staat/der EU vorbei ausgehebelt würden; Details sind noch recht wenige bekannt. Ich glaube nicht, dass sowas für die Europäer ein Vorteil wäre. Und wo bleiben unsere kleinen und mittleren Unternehmen? Man muss auch die unterschiedlichen Rechtssysteme im Blick haben: Siehe den unangenehmen Fall VW, eine teure Sache. Und ich frage mich: Kann man überhaupt gut verhandeln, wenn das Gegenüber „eh schon alles weiß“. Handelsvereinbarungen sollten aber getroffen werden. Außerdem dürfen wir nicht auf beispielsweise Asien (TTP-Abkommen mit US) und Afrika vergessen. Die EU muss in diesen Märkten am Ball bleiben bzw. überhaupt an den Ball kommen. Bleiben wir im Lande. Sind die FCM hier wirklich von Ignoranz betroffen? Österreicher: Naja, das seh ich so: Wir erzeugen in Österreich hervorragende Lebensmittel – egal, ob mehr bio oder industriell. Aber ein Top-Lebensmittel durch ungeeignete Verpackung in Frage zu stellen, wäre ein Selbstfaller. Dem muss mit maximalem Interesse, Achtsamkeit und Wissen begegnet werden. Was kann das genau heißen? Geben Sie dazu ein Beispiel. Österreicher: Nehmen Sie nur einmal unser leidiges Thema Konformitätserklärung (KE) für FCM. Inzwischen wissen

alle, dass es sowas gibt. Leider ist so eine KE nicht einfach zu lesen, man muss das lernen. Jetzt frage ich Sie: Haben das alle unsere FCM-Hersteller und alle Lebensmittelabpacker/-abfüller wirklich im Griff?! Unsere Erfahrungen bei den amtlichen Kontrollen signalisieren manchmal noch ordentlichen Nachholbedarf! Sogar der tüchtige Vertreter, der erzählt, dass bei seinen Verpackungen ja schon seit vierzig Jahren alles passt, ist noch gesehen worden. Die meisten Unternehmer sind aber schon auf der Hut und wissen, dass sie Belege brauchen.

©  PICTURES NEWS

technik technology

Es gibt das offizielle Symbol für Lebensmittelkontaktmaterial. Hat das keinen Wert? Wird die KE nicht oft als Schikane oder Verwaltungskapriole gesehen? Österreicher: Das Symbol „Glas und Gabel“ allein sagt noch nicht sehr viel aus. Es gibt die unterschiedlichsten Materialzusammensetzungen, die auch der Experte mit freiem Auge nicht sehen kann. Es klingt ganz unglaublich, dass z. B. eine hauchdünne glasklare Folie aus sechs, acht oder mehr Schichten bestehen kann. Was migriert da wann und wieviel unter welchen Bedingungen? Das und mehr muss eine einwandfreie KE beantworten können! Sie sind im Gesundheitsministerium auch für Kontrollaktivitäten bei FCM zuständig. Wie sind diesbezüglich Ihre Erfahrungen? Österreicher: Ohne Geduld und Hartnäckigkeit geht nichts. Ich glaube an einen – auch – erzieherischen Wert von Kontrollen. Ja, die Lebensmittelaufsicht ist manchmal lästig; aber glauben Sie mir, durch die Sensibilisierung und Bewusstseinssteigerung gelingt es, unsere Unternehmen vor größerem Schaden zu bewahren. Da sehe ich sogar Ver-

braucher- und Wirtschaftsinteressen eng verknüpft. Passieren kann überall und immer was, aber der umfassende Qualitätsanspruch verlangt ständig unsere beiderseitige Aufmerksamkeit. Also bei FCM kein „Schreckenskabinett“, sondern eher Technik, Labortests und zunehmende Sachkenntnis … Österreicher: Ein Kabarettist könnte schon noch ein bissl was finden … Aber im Ernst: Ignoranz – ob in der Persönlichkeitsentwicklung oder hinsichtlich fachlicher Kompetenz – ist ein Risiko für jede Unternehmung. Wir alle unterstehen längst einem ständigen Verbesserungsprozess: Wer also nicht aufmerksam bleibt, den spülen die Entwicklungen fort. Herr Dr. Österreicher, danke fürs G ­ espräch. Kontakt: MR Dr. H. Dietmar Österreicher Bundesministerium für Gesundheit Abteilung II/B/14: Besondere Waren, neue Technologien und internationale Lebensmittelangelegenheiten dieter.oesterreicher@bmg.gv.at www.bmg.gv.at

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20 firmenbericht company report

FRISCH AUS DEM OFEN Vakuum revolutioniert die Backindustrie

KNUSPRIGES BROT ODER SÜSSER BLÄTTERTEIG, DER EINEM FÖRMLICH AUF DER ZUNGE ZERGEHT – BACKWAREN ZÄHLEN ZWEIFELSOHNE ZU DEN GENÜSSEN ­UNSERES LEBENS. UND DAS SCHON SEIT JAHRTAUSENDEN. bold Vacuum in Köln. Das Problem: Frisch aus dem 175 bis 220 Grad heißen Ofen sind Backwaren schlichtweg „too hot to handle“ – sprich: zu heiß, um sogleich verpackt, versandt oder halbgebacken gefroren zu werden. Aus diesem Grund müssen sie zunächst im Kühlregal zwischengelagert werden. Wird in großen Stückzahlen produziert, bedarf es einer umfangreichen Kühlausstattung, die erhebliche Energie­kosten verursacht. Da nicht jedes Backprodukt gleich lange benötigt, bis es auskühlt, brauchen Bäckereien mit einer breiten Produktpalette viel Kühlraum, was eine Menge Fläche bindet und die Betriebsund Anlagekosten in die Höhe treibt. Gleichzeitig muss die Kühlung schnell erfolgen, denn bei der Abkühlung von 60 auf 30 Grad herrschen optimale Bedingungen für Schimmel und Bakterien. Erfolgt die Kühlung zu langsam und bleiben Backwaren über längere Zeit einer hohen Temperatur ausgesetzt, können gar gesundheitsschädliche ­S toffe, wie Acryl­amid oder Hydroxymethylfurfural, entstehen.

Schwachpunkt langsame Kühlung „Der Kühlprozess ist eine der größten Herausforderungen der kommerziellen Backindustrie“, sagt Klaus Buhlmann von Oerlikon Ley-

Va k u u m a l s Lösung Es existieren verschiedene Verfahren, um Objekten Wärme zu entziehen. Aller-

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dings eignet sich keine der herkömmlichen Vorgehensweisen, wie Konvektion (Bewegung von Flüssigkeit oder Gas, wobei Wärme von einem Ort zum anderen übertragen wird), Leitung (direkte Übertragung von Körperkontakt) oder Strahlung (Ausstrahlung von Infrarotstrahlung) für empfindliche Backwaren. Doch nun gibt es eine Lösung: Für Backwaren, bei denen Wasser verdampfen muss, damit sie am Ende nicht schwammig werden, bietet sich eine Vakuumkammer an. Mittels eines Vakuums lässt sich die Auskühlung heißer Backwaren massiv beschleunigen. Und das funktioniert so: Pumpen mit integriertem Frequenzwandler erzeugen ein Vakuum. In diesem ­Vakuum ist der Luftdruck so tief, dass Wasser schon bei 30 statt 100 Grad verdampft.

Backware, die sich in einer ­Vakuumkammer befindet, wird somit bereits bei 30 Grad „entwässert“. Um die Backware dann weiter zu kühlen reichen zwei bis sechs Minuten. Gegenüber der herkömmlichen Kühlmethode entspricht dies einer Ersparnis von mehreren Stunden. Durch die markante Verkürzung der Kühlzeiten fallen Energiekosten weg und das Risiko von Schimmelbefall wird gesenkt, womit sich teure Sterilisationsverfahren erübrigen. Entscheidende Vorteile der Vakuumkühlung sind die deutlich längere Haltbarkeit sowie die verbesserte Lagerfähigkeit. So wird die Haltbarkeit bei vorgebackenen Produkten sogar bei Raumtemperatur für bis zu vier Tage gewährleistet. Das ermöglicht das Vorbacken in den Bäckereien, wodurch sich

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amals wurden im Orient die ersten Brote in Form eines Fladens gebacken. Die ersten Bäckereien entstanden bereits vor 8.000 Jahren im Nahen Osten und in der Türkei, und der Beruf des Bäckers wurde bereits im Römischen Reich anerkannt. Im Laufe der Zeit entwickelte der Mensch neue Backwaren, wie beispielsweise das Scheibenbrot, das 1928 erfunden wurde. Hinzu kamen neue Technologien wie der Mixer, der den Bäckern das Mischen und Kneten des Teiges erleichterte, die Gärkammern oder Umluft-Backöfen. Letztere wurden Ende der 1960er Jahre entwickelt und sind heute in jeder guten Backstube zu finden. Jede dieser Erfindungen hat den Backprozess noch effizienter, noch kostengünstiger und noch umweltfreundlicher gemacht. In ihrer Gesamtheit haben sie letztlich dazu geführt, dass wir heute an fast jeder Ecke und beinahe rund um die Uhr frische Backwaren kaufen können. Nun hat die Bäckerzunft in der Vakuumtechnologie die Lösung für eines ihrer bislang noch ungelösten Probleme gefunden: die kostspielige und hygienisch problematische Dauer des Kühlprozesses.


21 firmenbericht company report

NEUE PRAXISTAUGLICHE NACHWEISMETHODE FÜR PHOSPHONSÄURE CELINE LESUEUR

Vakuumverfahren erweisen sich bei der Kühlung von Nahrungsmitteln als außerordentlich nützlich. Die Verwendung der Vakuumkühlung in der Lebensmittelverarbeitung, basierend auf den fortschrittlichen Lösungen von Oerlikon Leybold Vacuum, ist indes nicht auf ­Bäckereien beschränkt. Jedes Lebens­mittel, das vor der Lieferung gekühlt werden muss, kann von dieser Technologie profitieren. Längst wird das Vakuum­k ühlverfahren beispielsweise auch von Sushi-Herstellern zur Kühlung von Reis angewandt.

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urch Zufall wurde in den 1970er Jahren entdeckt, dass Pflanzen, die mit Phosphonsäure behandelt wurden, sehr gut gegen Pilze aus der Gruppe der Oomyceten geschützt waren. Neben der vorbeugenden, konnte auch eine heilende Wirkung bis einige Tage nach der Infektion durch den Pilz festgestellt werden. So wird z. B. Kaliumphosphonat im Ökobereich als Pflanzenstärkungsmittel zur Vorbeugung gegen Falschen Mehltau eingesetzt. Phosphonsäure wird sehr leicht von der Pflanze aufgenommen und in die Gescheine und Früchte eingelagert. Ziel des LVA-Projekts war es, eine praxistaugliche Nachweismethode für Phosphonsäure in pflanzlichen Lebensmitteln zu entwickeln. Dabei sollte eine Bestimmungsgrenze von 0,30 bis 0,50 mg/kg in pflanzlichen Lebensmitteln erreicht werden. Methodenentwicklung und Herausforderungen Innerhalb des Projektes wurde eine umfassende Grundlagenrecherche durchgeführt. Darauf folgten Versuche im Labormaßstab mit verschiedenen Warengruppen und unter-

schiedlichen Trennmitteln, um erste Erfolgsraten für die Auffindung in einer Probe zu erhalten. Ebenso wurde das Interferenzpotential in den verschiedenen Warengruppen ermittelt, Gegenstrategien im Analysenlauf entwickelt und für die Praxisanwendung festgelegt. Bei der Methodenentwicklung musste berücksichtigt werden, dass Phosphonsäure aufgrund ihrer einfachen Formel und Struktur relativ leicht als Abbauprodukt von mehreren Pflanzenschutzmitteln (z. B. Fosetyl-Aluminun oder Ethephon) entstehen und auch noch zusätzlich mit ähnlichen Substanzen (z. B. Phosphor­säure) verwechselt werden kann. Aus diesem Grund wurde als Extraktionsmittel ein Gemisch aus Wasser und Methanol ausgewählt. Es wurden keine Reinigungsschritte, sondern eine Verdünnung eingesetzt, um die Matrixeffekte zu mindern. Zusätzlich hat man sich, um die verbleibenden Matrixeffekte zu umgehen, für einen isotopenmarkierten Standard entschieden.

Verschiedene Säulen (Thermo Hypercarb, Agilent Zorbax Hilic, Agilent Zorbax Eclipse Plus C18) wurden getestet. Am Ende der Versuchsreihe blieb nur noch die Thermo Hypercarb Säule, die sowohl eine passende Retention als auch eine wiederholbare Analyse darstellte. Erfolgreich validiert wurden die Matrizen Birne, Bohnen, Erdäpfel und Kichererbsen mit einer Bestimmungsgrenze von 0,30 bis 0,50 mg/kg. Die Genauigkeit der Methode wurde ebenso mit zertifiziertem Referenzmaterial getestet. Mehrwert für die LVA und Ihre Kunden Die Neuheit liegt in der Entwicklung einer praxistauglichen und abgesicherten Nachweismethode für Phosphonsäure in pflanzlichen Lebensmitteln. Damit ist ein entscheidender Beitrag für das breitere Monitoring der Pestizidbelastung bei Lebensmitteln gegeben. Mit dieser neuen Methode kann die LVA ein innovatives und abgesichertes Service anbieten, das einen Wissens- und Technologievorsprung vor Mitbewerbern darstellt. Dr. Céline Lesueur Leitung Forschungsprojekte LVA GmbH celine.lesueur@lva.at www.lva.at

www.lhvakuum.at volume 39 | 06. 2015  ERNÄHRUNG | NUTRITION

FIRMENINFORMATION

Lager- und Logistikkosten je nach Fabrikanlage um bis zu 50% reduzieren. Dadurch, dass der Backware sehr schnell sehr viel Feuchtigkeit entzogen wird, verkürzt sich auch die Backzeit – „und zwar um bis zu einem Viertel“, wie Adolf Cermak, Gründer und Geschäftsleiter der schweizerischen Centravac AG, einem Pionier­ unternehmen im Bereich der modernen Vakuumkühlung, weiß. Entsprechend weniger Energie fällt fürs Backen an. Vakuumgekühlte Backwaren bleiben auch bis zu 12 Stunden länger knusprig als herkömmlich gekühlte Produkte. Letzteres macht das Fertigbacken in den Filialen unter Umständen überflüssig, wodurch ein Bäckereibetrieb mit 30 Filialen Personalkosten von mehreren hundert Euro pro Tag einspart.


22 technik technology

ENTWICKLUNGEN IN DER LEBENSMITTELANALYTIK DIE ENTWICKLUNGEN IN DER LEBENSMITTELANALYTIK HABEN IN DEN ­LETZTEN JAHRZEHNTEN EINEN RASANTEN WANDEL DURCHGEMACHT, DER DURCH ­UNTERSCHIEDLICHSTE FAKTOREN BEEINFLUSST WURDE. SVEN STEINHAUER

Zusammenfassung Die Lebens­ mittel­ a nalytik unterliegt immer umfangreich­eren globalen Anforderungen. Der welt­umspannende Handel mit Rohstoffen und Produkten wirft Problemstellungen auf, die sich aus den internationalen Lieferketten ergeben. Dabei wächst die Zahl der zu untersuchenden Analyten weiter an. Neue Pflanzenschutzmittel oder Kontaminanten, die bei der technischen Produktion von Lebensmitteln in das Produkt gelangen können, sind hier im Fokus. Der Verbraucher erwartet neben einer hohen Qualität auch umfangreiche Informationen über z. B. Nährwerte, Inhaltsstoffe oder die Herkunft. Durch neue Analysenmethoden bietet die ­L ebensmittelanalytik Antworten auf viele dieser Fragen. Summary Food analysis is subject to further expanding global demands. The worldwide trade with raw materials and foodstuff products cause problems that are the result of international supply chains. The number of parameters that have to be analyzed is increasing. The focus here is on new pesticides or contaminants, which spoil the product during the technical process. The consumers expect in addition to high quality comprehensive informations about nutrient con­tent, ingredients or its origin. Due to new analy­ tical methods food analysis provides answers to many of these questions.

Z

um einen hat sich das Verbraucherverhalten geändert. Wurde vor 40 Jahren noch häufig das Essen in der Familie zeitaufwändig zubereitet, so wählen heute die Konsumenten immer mehr leicht und schnell zuzubereitende Lebensmittel. Dadurch hat sich das Angebot an verarbeiteten Lebensmitteln stark vergrößert. Damit einhergehend haben sich die technologischen Prozesse zur Verarbeitung der Rohstoffe verändert und sind umfangreicher geworden. Zusätzlich erwartet der Verbraucher heute auch Produkte, die aus den unterschiedlichsten Regionen der Erde kommen. Tiefkühlpaella nach original spanischem Rezept findet sich neben Meeresfrüchten aus aller Welt und einheimischen Gemüsen. Zum anderen hat sich die Logistik dramatisch verändert und vergünstigt. Sowohl der Transport zu See als auch per Luftfracht bietet heute dem Produzenten die Möglichkeit, Rohwaren aus aller Welt zu einem günstigen Preis einzukaufen. Dies in Verbindung mit dem veränderten Verbraucherverhalten stellt neue und umfangreiche Anforderungen an die Lebensmittelanalytik. So sind Schwermetallbelastungen in pflanzlichen Rohstoffen nicht nur vom Rohstoff selbst, sondern auch vom Boden abhängig und damit von seiner Herkunft. Die Kontaminationsmög-

ERNÄHRUNG | NUTRITION  volume 39 | 06. 2015

lichkeiten bei der Ernte, der Lagerung und dem Transport sind je nach Herkunftsland unterschiedlich. Nicht zuletzt müssen in warmen oder tropischen Gebieten andere Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden als in den gemäßigten Breiten. Die dabei einzuhaltenden ­Grenzwerte werden in Europa inzwischen meist einheitlich geregelt. Weltweit betrachtet sind diese jedoch nicht aufeinander abgestimmt. Die Ansätze der toxikologischen Bewertungen unterscheiden sich zum Teil und kommen somit zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der wissen­ s chaftliche Austausch über Ländergrenzen hinweg, nicht nur zur toxikologischen Bewertung, sondern auch zur Erstellung vergleichbarer Analyseverfahren, die länderübergreifend validiert werden, ist ein Prozess, der bislang erst langsam in Bewegung kommt. Durch diese Entwicklungen gab es immer neue Anforderungen an die chemische Analytik. Der Erfolg der Lebensmittelanalytik basiert dabei maßgeblich auf den technischen Fortschritten in der Gerätetechnik. Am Beispiel der Pflanzen­ schutzmittelanalytik kann das beispielhaft nachvollzogen werden. In den Anfängen wurden zumeist unpolare, zum Teil mehrfach chlorierte Wirkstoffe, die auf die Pflanzenoberflächen appliziert wurden, analysiert. Heute werden ­immer


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©  ALEXANDER RATHS

technik technology

potentere und polarere Wirkstoffe eingesetzt. Zu Beginn der Pflanzenschutzmittel­analytik war der Aufwand der Probenvorbereitung manuell sehr groß und die Bestimmung der unpolaren Wirkstoffe erfolgte mittels Gas­chromatographen mit unterschiedlichen Detektionssystemen. Die Anzahl der bestimmbaren Wirkstoffe wurde begrenzt durch die Aufarbeitung, den jeweiligen chromatographischen Lauf und den eingesetzten Detektor. Einige Wirkstoffe waren mit dieser Technik gar nicht zu detektieren. Inzwischen wird die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie gekoppelt mit einem Massen­spektrometer (LC-MS/MS) eingesetzt, um polare Pestizide zu bestimmen. Zusätzlich konnten deutliche Vereinfachungen bei der Probenvorbereitung erzielt werden. Heute ist es möglich, mehrere hunderte Wirkstoffe innerhalb weniger Tage, und bei vielen Rohstoffen und Produkten sogar nach Stunden zu bestimmen. Immer schnellere Elektronikbauteile in den Geräten, aber auch immer bessere Software zum Steuern der Geräte und Auswerten der Chromatogramme machen diese Entwicklung möglich. Ein modern ausgestattetes Analytiklabor kann somit Waren aus aller Welt auf Pflanzenschutzmittel auf gängige Grenzwerte untersuchen. Die Rück­ s tands- und Kontaminantenanalytik (Schwermetalle, Mykotoxine, Pflanzenschutzmittel etc.) ist jedoch nur ein Teil des umfangreichen Spek­trums der Lebensmittelanalytik. Hinzu kommen Bereiche wie die Inhalts- und Zusatzstoffe. Die Verbraucher haben nicht nur ihr Kaufverhalten in Bezug auf die Produkte geändert, sondern auch die Forderungen nach umfangreichen Produktinformationen sind gestiegen. Dies drückt sich auch in den gesetzlichen Regelungen aus. Seien es die Nährwertangaben oder ausgelobte wertgebende Bestandteile. Die bei

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24 technik technology

person

Zur Person

© ARCHIV

Dipl.-Chemiker; Leitung Forschung & Entwicklung der GBA – Gesellschaft für Bioanalytik mbH. Sven Steinhauer, Dr. rer. nat. Jahrgang 1970, Studium der Chemie in Marburg (1991–1997), wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische ­Forschung (IBMP), Nürnberg den modernen technischen Prozessen eingesetzten Zusatzstoffe sind ebenso von Interesse wie Allergene. Gerade bei Letzteren muss das produzierende Gewerbe einschätzen, ob im Verarbeitungsprozess die Gefahr besteht, das Produkt mit Allergenen zu kontaminieren. Die Analytik der Allergene wird derzeit mittels ELISA (Enzyme-linked Immunosorbent Assay) oder PCR (Polymerase-Kettenreaktion) durchgeführt. Beide Methoden haben ihre Anfänge in den 1970er [1,2] und haben sich seitdem als Standardmethoden etabliert. Dennoch sind der Analytik von Allergenen Grenzen gesetzt und auch hier steht die LC-MS/MS zur Ablösung bereit. Die Etablierung dieses Verfahrens bis zur genormten Methode wird jedoch noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Weiterhin kann die PCR für mikrobiologische Untersuchungen eingesetzt

(1997–2001), Tätigkeit im Bereich ­„Zulassungsstudien von Pflanzenschutzmitteln“ im Labor Dr. Specht & Partner GmbH, Hamburg (2001– 2004), 2003 Promotion in pharmazeutischer Chemie und Lebensmittel­ chemie bei Frau Prof. Holzgrabe (Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie) der Universität Würzburg, Standortleiter am Standort Hameln, Labor Dr. Kaiser & Dr. Woldmann GmbH (seit 2007 GBA Gesellschaft für Bioanalytik mbH) (2004–2011), Standortleiter der Standorte Hameln, Hildesheim und Wolfenbüttel der GBA Gesellschaft für Bioanalytik mbH (2011–2012), Forschung & Entwicklung, Außenreferent, GBA Gesellschaft für Bioanalytik mbH, Hamburg (seit 2013) Mitgliedschaften: BLL (Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.), LChG (Lebensmittelchemische Gesellschaft e.V.) und DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasser­faches e.V.) werden. Mittels der Real-Time PCR lässt sich der Nachweis von Salmonellen deutlich schneller durchführen als mit der klassischen Methode. Zudem kann die Aufarbeitung vollautomatisiert erfolgen. Zu beachten sind dabei die unterschiedlichen PCR-Kits und die generell unterschiedliche Bestimmungsart zur klassischen Mikrobiologie. Es obliegt den einzelnen Anbietern solcher Techniken nachzuweisen, dass die neuen Methoden vergleichbar mit den etablierten und durch Ringversuche unterschiedlicher Labore validierten Methoden sind. Jedoch bedingt hier die Technik selbst, dass mittels PCR DNA von Salmonella detektiert werden kann, die mittels klassischer Methoden inaktiv bleiben ­würde. Die Wahl der richtigen Methode bleibt ein entscheidender Faktor. So konnten bei einem Gastroenteritis-Ausbruch im Herbst 2012 in Deutschland Noroviren

ERNÄHRUNG | NUTRITION  volume 39 | 06. 2015

nicht mittels §64-Ultrafiltrationsmethode nachgewiesen werden. Erst als mittels Präzipitationsmethode (CEN/ISO TS 15216-2:2012) untersucht wurde, konnte das Norovirus gefunden werden. Durch Genotypisierung konnte die Herkunftsregion eingegrenzt und mit dieser Information später auf eine einzige Charge Tiefkühl-Erdbeeren aus China geschlossen werden.[3] Bei der Vielzahl der möglichen Viren, dem großen Personal- und Kostenaufwand haben nur wenige Labore die Möglichkeiten und Erfahrung, die notwendig sind, diese Analytik durchzuführen. Derzeit stehen hierfür nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung, um flächendeckende Untersuchungen stattfinden zu lassen. Da bei den heutigen Warenström e n   z . T.   ü b e r   Z w i s c h e n h ä n d ler über den gesamten Globus hinweg nicht mehr jeder Rohstoff auf alle denkbaren Risiken hin untersucht werden kann, müssen neue Wege beschritten werden, um die Risiken einzugrenzen und die notwendige Analytik zu identifizieren. Dies erfolgt heute über Softwareprogramme, die helfen, eine lückenlose Dokumentation des Rohstoffs vom Erzeuger bis hin zum Einzelhandel zu gewährleisten. Neuralgische Punkte können identifiziert und ein Probenahmekonzept erstellt werden. Selbst diese Systeme schützen jedoch nicht vor Missbrauch und Betrug. Lebens­mittelbetrug (Food Fraud) ist ein zunehmendes Problem. Dabei ist der materielle Anreiz nicht nur in Dritt- und Schwellenländern groß genug, sondern auch in westlichen Industrienationen. Ein Beispiel der jüngeren Vergangenheit war der Fund von Pferdefleischanteilen in Rindfleischerzeugnissen, bei dem Lasagneprodukte hauptsächlich betroffen waren.[4,5] Der wirtschaftliche Schaden für die gesamte Branche ist dabei erheblich. Hier kommen neue und umfangreiche Aufgaben auf die Analytik zu. Sei es die Tierartenidentifizierung in Fleisch und Fischprodukten oder Verfälschungen im Bereich Honig oder Olivenöl. Je höher der materielle Anreiz, desto größer die Gefahr von Lebensmittelbetrug. Unter den wirtschaftlichen Top 10 beim Lebensmittelbetrug finden sich somit ­neben den genannten Bioproduk-


25 technik technology

Eine zunehmende Bedeutung in diesem Zusammenhang hat die Authentizitätsprüfung bei Lebensmitteln. Die Angabe der Herkunft kann als verkaufsfördernd ausgelobt werden und besitzt damit einen wirtschaftlich hohen Stellenwert. Dabei muss gewährleistet sein, dass der Verbraucher auch die Ware erhält, die er laut Verpackung kauft. Hier werden erneut innovative Analysenstrategien angewandt. Neben der PCR (Tierartenidentifizierung, Nachweis gentechnisch veränderter Pflanzen) werden auch hochauflösende LC-MS und GC-MS Systeme verwendet. Durch die Bestimmung der exakten Masse lassen sich Fingerabdrücke bestimmen, die charakteristisch für die jeweiligen Rohstoffe sind. Weiterhin findet die Isotopen-Analyse bei der Authentizitätsprüfung Anwendung. Als Beispiel sei hier das Regenwasser genannt. Da sich das Isotopenverhältnis (18O/16O ) des Sauerstoffs entlang der Breitengrade ändert, kann durch Messungen auf das Anbaugebiet des Produktes geschlossen werden. Durch Berücksichtigung weiterer Elemente (Wasserstoff, Kohlenstoff u.a.) und deren Isotopenverhältnisse, kann die Herkunft bei ausreichender Datenlage relativ exakt bestimmt werden. Die Basis dafür bilden Messungen der Isotopenverteilungen der im Boden befindlichen Elemente der jeweiligen Region. Erste Datenbanken entstehen derzeit, die diese Informationen liefern

können. Sollte der Lebensmittelbetrug weiter an Bedeutung gewinnen, kann davon ausgegangen werden, dass in der Zukunft die Datenlage weiter ausgebaut und verfeinert wird und somit ein Herkunftsnachweis immer genauer wird. Es würden geographische Karten mit den Isotopenverhältnissen entstehen, anhand derer man Rohstoffe ortsspezifisch zuordnen könnte. Durch die Analyse von mehreren Isotopenverhältnissen könnten mit chemometrischen Methoden die Regionen ebenfalls eingegrenzt werden. Bei Produkten, die aus vielen verschiedenen Rohstoffen bestehen, stößt diese Art der Analytik jedoch derzeit noch an ihre Grenzen. Auch wenn in diesem Artikel nicht alle Aspekte der Lebensmittelanalytik aufgezeigt werden können, zeigen die Beispiele dennoch die mannigfaltigen Aufgaben, die die Analytik bereits geleistet hat und in der Zukunft noch bewältigen muss. Dabei müssen neue Wege beschritten werden. Durch Weiterentwicklungen in der Technologie werden diese, wie auch in der Vergangenheit, zu lösen sein. Die große Aufgabe der Zukunft wird sein, eine Risikoanalyse im Vorfeld durchzuführen, und damit nötige qualitätssichernde Analytik innerhalb des globalen Handels zu etablieren. Valide, vergleichbare Analysenmethoden sind ein unverzichtbarer Teil in diesem System für freien, transparenten und schnellen Handel mit Lebensmitteln und deren Rohstoffen.

PROMTEC MISST BERÜHRUNGSLOS

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FIRMENINFORMATION

te, Milch, Getreide, Ahornsirup, Kaffee, Tee und Gewürze. [6]

ie Firma proMtec Theisen GmbH aus Ettlingen in Deutschland ist seit 20 Jahren hauptsächlich in der Zucker­ industrie, aber zunehmend auch in anderen Branchen tätig. Gestartet in Deutschland und Österreich hat sie inzwischen mehr als 5000 Messungen in über 60 Ländern installiert. Konzentrationsmessungen in Flüssigkeiten direkt im Prozess ohne Bypass sind das Spezialgebiet. Mit dem Mikrowellen-Durchstrahlungsverfahren lässt sich in einem breiten Spektrum von wasserhaltigen Medien der Feststoffgehalt ermitteln. Überall dort, wo berührungslos die Konzentration eines flüssigen Lebensmittels bestimmt werden muss, kommt die Stärke dieser Technologie ins Spiel (Molkerei, Brauerei, Fruchtsaftherstellung). INFORMATION: www.pro-m-tec.de

Literatur www.ernaehrung-nutrition.at

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26 technik technology

TÜRÖFFNER DES FORTSCHRITTS Gewerbeordnung WARUM VERORDNUNGEN BETRIEBLICHE OPTIMIERUNG FÖRDERN

I

Vermeidung von Produktionsausfällen und Erhöhung der Sicherheit. Managementsysteme überwachen die Prozesse der Anlagensicherheit, Sicherheitskonzepte und Schutzmaßnahmen sind aufgestellt und implementiert, aber die gesetzlich vorgeschriebene Überprüfung der Betriebsanlage darf im Produktionsalltag nicht übersehen werden. Denn der § 82b der Gewerbeordnung (GewO) legt fest, dass jede gewerberechtliche Betriebsanlage alle fünf Jahre wiederkehrend dahingehend zu prüfen ist, ob sie dem Genehmigungsbescheid und den sonstigen gewerberechtlichen Bestimmungen entspricht. Jeder gewerberechtlich genehmigte Betrieb muss dieser gesetzlichen Prüfpflicht nachkommen. Eine gesonderte Aufforderung durch die Gewerbebehörde

©  MARIO PAMPEL

n Industrieanlagen werden Produkte gefertigt, die am Markt auf interessierte Käufer treffen. Während die komplexen Verhältnisse zwischen Kunden und Angebot von zeitloser Aktualität sind, wird dem Betrieb oft zu wenig Beachtung geschenkt. Doch gerade in den Anlagen kann durch gewissenhafte Prüfung schlummerndes Potential erschlossen werden, sodass die Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Prüfpflichten den ersten Schritt zu einem optimierten und für die Zukunft vorbereiteten Unternehmen bedeutet. Prinzipiell operiert eine Industrieanlage nach den Prinzipien der Effizienz und Sicherheit. Die Forderung nach „Return on Invest“ steigert die Anforderungen hinsichtlich adäquater Maßnahmen zur

GÜNTHER STROBL

ERNÄHRUNG | NUTRITION  volume 39 | 06. 2015

ist nicht erforderlich (Bringschuld des Betriebes). Das heißt, auch ohne jegliche Aufforderung behördlicherseits sind gewerberechtlich genehmigte Betriebe dieser Prüfung zu unterziehen. Begehungen durch Behördenorgane ersetzen keinesfalls diese gesetzliche Prüfpflicht. Grundsätzlich sind die gewerberechtlichen Bescheide und die dazugehörigen Einreichunterlagen (Pläne, technische Beschreibungen, udgl.) die Basis für die Prüftätigkeit. Der TÜV AUSTRIA ist die einzige in Österreich akkreditierte Stelle für Prüfungen nach § 82b GewO. Im Wesentlichen behandelt die Prüfung drei Themenschwerpunkte: • Einhaltung der gewerberechtlichen Bestimmungen. Als gewerberechtliche Bestimmungen sind grundsätzlich jene Verordnungen anzusehen, welche aufgrund der Gewerbeordnung erlassen wurden. Die Schwierigkeit der Umsetzung dieser Verordnungen, Paragraphen und Übergangsbestimmungen rücken diesen Themenschwerpunkt in den Vordergrund. • Genehmigungszustand. Hierbei gilt es festzustellen, ob der Betrieb noch entsprechend dem genehmigten Zustand existiert. Zum Beispiel sind dabei Umoder Zubauten, zusätzlich aufgestellte Maschinen oder geänderte Lagerarten bzw. Lagermengen zu berücksichtigen. Derzeit gelten ca. 45 Verordnungen auf Basis der Gewerbeordnung! • Einhaltung von Bescheidauflagen. Die Prüfung der Einhaltung von Auflagen aus gewerberechtlichen Bescheiden erfolgt zumeist durch eine Begehung des Betriebes sowie durch Einsichtnahme in notwendige Dokumentationen.


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Üblicherweise wird zunächst ein Abweichungsbericht (Mängelliste) erstellt. Diese Mängelliste wird mit dem Management besprochen, wobei Lösungsvorschläge erörtert werden. Eine Prüfung der behobenen Mängel schließt die Prüftätigkeit ab. Das Endergebnis einer Prüfung nach § 82b GewO ist eine Prüfbescheinigung. Diese stellt eine Zusammenfassung der gesamten gewerberechtlichen Situation des Betriebes dar. Als Beispiel für die Komplexität kann die Überprüfung der NÖM AG in Baden herangezogen werden. 2010 wurde die Betriebsanlage in Baden, die als europaweit konkurrenzfähiger Betrieb internationale Handelsbeziehungen führt und 2014 das komplette operative Geschäft der MONA Ungarn geholt hat, das letzte Mal gemäß Gewerbeordnung § 82b überprüft. Waren 2010 noch 100 gewerberechtliche Bescheide die Basis für die Kontrolle der Genehmigungssituation sowie die Kontrolle der darin enthaltenen Auflage, legte der NÖM-Koordinator Dipl.-Ing. Ernst Allabauer 160 Bescheide für Behördeneinreichungen und -verhandlungen zur Verifizierung vor. Für den Prüfzeitraum von April bis Mitte Juni 2015 wurde ein eigenes Büro zur Verfügung gestellt. Dem Prüfer von TÜV AUSTRIA, Ing. Wilhelm Rutter, wurden auch für den gesamten Zeitraum zwei Mitarbeiter der NÖM AG für die Bereiche Anlagen und Energie beigestellt. Aufgrund der Komplexität der Gesamtanlage wurde die Genehmigungssituation in aktuellen Maschinenaufstellplänen abgebildet, um einen effizienten Zugriff zu den betreffenden Bescheiden bei Be-

©  MARIO PAMPEL

technik technology

darf sicherzustellen. Bei den eigentlichen Anlagenbegehungen war der Brandschutzbeauftragte der NÖM dabei. Auflagen verankerter Betriebsvorschriften wurden direkt vor Ort mit dem zuständigen Anlagenpersonal geklärt. Das Thema Abfallwirtschaft und die Prüfung der elektrischen Anlage gemäß Elektroschutzverordnung 2012 wurden ebenfalls eingehend geprüft. Die bereits im Jahr 2012 erstellte Datei über die wiederkehrend vorgeschriebenen Überprüfungen aus Bescheidauflagen und sonstigen rechtlichen Bestimmungen wurde im Rahmen der § 82b Prüfung ebenfalls aktualisiert. Bei der abschließenden Präsentation des Ergebnisses der Überprüfung erklärte Vorstand und gewerberechtlicher Geschäftsführer der NÖM AG, Ing. Josef

Simon: „Durch diese regelmäßige Überprüfung erhalten wir von unabhängigen Experten nicht nur eine Bestandsaufnahme eines Ist-Zustands, sondern zahlreiche Ratschläge und Hinweise, um unsere Produktion hinsichtlich Arbeitssicherheit und Produktivität zu schärfen. Die Überprüfung gemäß § 82b ist für die NÖM AG daher nicht einfach eine Vorschrift, die wir erfüllen, sondern ein wichtiger Baustein unserer laufenden Optimierungsprozesse im Sinne der Sicherheit und der Qualität unserer Produkte, im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Prüf­ organisationen.“ Günther Strobl TÜV AUSTRIA Vertriebsleiter Technik und Recht guenther.strobl@tuv.at www.tuv.at/82b

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47 recht law

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