STA ATSOPER DAS MAGAZIN N º 1 — Se pt e m be r 2014 b i s Feb r u ar 2015
Inhalt
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e s s ay VON ELIS A BETH BRON F EN
Zukunft
IntervieW mit claus guth
leuchtet heller uns entgegen
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ICH WILL
ERZÄHLEN
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T h e ma T h e r e s i e n s ta d t
s taat s k a p e l l e b e r l i n
DAS
Poème de
NICHTS und DAS
ETWAS
l’amour
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Portrait Maria Bengtsson
UND DIESER ZARTE HAUCH VON MELANCHOLIE
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Bühne Martin Zehetgruber
ICH habe einen
r aum
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Ausblick
was kommt …
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J u n g e S taat s o p e r
Wanderer
phantasie
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Service
Service & Tickets Impressum Ausstellung
Fotos Monika Rittershaus (4) | Jonas Unger (24) | Bernd Uhlig (14) | Clärchen und Matthias Baus (18) | Boros—Paul Troppmair (30)
Die
Kolumne
Fragen Sie Professor Flimm » L i e b e r H e r r P r o f e s s o r, w a s m a c h e n D i r i g e n t e n e i g e n t l i c h t a g s ü b e r ? S c h l a f e n s i e s i c h a u s ?« — fragt Herr R. aus V., Sachbearbeiter.
Dazu wird er kaum kommen, lieber Herr R. aus V. Der Dirigent ist ja schon am nächsten Tag auf den Proben für eine neue Premiere! Er übt mit dem Orchester alle Feinheiten der neuen Partitur, so auch mit Sängerinnen und Sängern, mit dem Chor, und sitzt oft genug auf den vielen Proben des Regisseurs, der die Geschichte des neuen Stückes — fein abgestimmt mit den Musikern — auf die Bühne schaffen soll. Der Dirigent hat also alle Hände voll zu tun, von morgens bis nachts, so er noch eine Vorstellung des Spielplans zu leiten hat … Aber nicht nur er hat einen Fulltime-Job: Alle, die an einer vollständig neuen Produktion mit arbeiten, die Werkstätten, die Techniker auf der Bühne. Ein bemerkenswertes Völkchen, die Theaterleute, lieber Herr R. aus V. Im scharfen Gegensatz zum größten Teil unserer werktätigen Schlaumeier und Obergurus sind diese Workaholics in ihre Arbeit total verliebt! Kann man sich denn vorstellen, dass der Schauspieler lieber den endlosen Hamlet spielt als den Güldenstern und sich so viele Proben mehr und 100te von Versen mehr in den Kopf drückt? Und die Tenöre viele Arien mehr singen wollen, gespickt mit so vielen anstrengenden hohen Cs wie ein Weihnachtsbaum mit Kerzen? Und erst unsere Techniker, Kostümschneiderinnen! Der berühmte Satz, dass etwas nicht ginge, fällt denen weder ein noch aus dem Kopf. Sie nehmen Schwierigkeiten zu gerne an, die zu lösen ist deren Lieblingstätigkeit. Als wir kürzlich in einem alten Saal auf der Staatsopernbaustelle Unter den Linden die Oper M a c b e t h von Sciarrino aufführten, war Improvisation das oberste Gebot der Stunde! Wie wird der alte Saal bloß hell? Gute Frage an unsere neugierigen Beleuchter: Sie machten sich sogleich ans Werk, stellten auf Baugerüste Lampen, die durch die Fenster leuchteten, und kletterten auf einen hochhaushohen Kran, und in schwindliger Höhe von so 25 Metern hängten sie einen ganz dicken Pott, mit dem man Stadien erhellen könnte! Irgendwie crazy, aber ganz, ganz toll: Der schickte sein Licht von Ferne in des Lord Macbeth alten Saal, dass die Zuschauer sich wunderten, wie lange die Sonne an diesem Abend in Mitte schien. Fantastisch! Unser oberster Lichtkünstler Olaf Freese hätte sich freilich sein Leben viel leichter machen können, als auf hohen Kränen herumzusteigen, braver Mann! Was macht so ein Beleuchter eigentlich tagsüber, Herr R. aus V.? In Erwartung Ihrer Fragen bin ich wie immer Ihr Professor
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ICH WILL ERZÄHLEN M a g az i n Und, wie ist es Ihrer Ansicht nach geworden? c l a u s g u t h Nun, ich habe die beiden vorherigen Inszenierungen miteinander vermischt: das Ab strakte und das Verspielte. Mit Letzterem habe ich begonnen, um am Schluss die Schraube weiterzudrehen; indem ich im zweiten Teil ganz entschieden darauf hinweise, dass die beiden Paare sich erkennen. Das Finale II geriet so zu einem Wutausbruch, in dessen Verlauf die Enttäuschung der Frauen über das abgeschmackte Spiel der Männer in aller Schärfe hervortritt. Das hatte, wie ich finde, ganz schön viel Power. M a g az i n D’accord. Bleibt die grundsätzliche Frage, wie es ist, wenn man ein Stück mehrfach inszeniert. Wird es einem vertrauter? Oder vergrößert sich im Gegenteil das Rätsel, weil sich, je näher man einem Gegenstand oder einem Menschen kommt, der Blick auf das Objekt der Begierde desto mehr verengt und man nurmehr Ausschnitte des Ganzen sieht? c l a u s g u t h Eigentlich kann ich diese Frage nicht abschließend beantworten, denn ich hatte mit mir selbst einen Deal ausgehandelt: jedes Stück nur einmal. Mozarts C o s ì ist diesbezüglich eine merkwürdige Ausnahme. Und es ist wirklich so: Der Salat im Kopf wächst eher, als dass es sich stärker sortieren würde. Und insbesondere dieses Stück macht mich wahnsinnig. M a g az i n Warum? c l a u s g u t h Weil ich es nicht geknackt kriege, weil ich immer wieder dagegen anrenne. Und es ist erstaunlich, an wie vielen verschiedenen Stellen ich abpralle. Aber ich gebe mich damit zufrieden, dass ich sehr nahe herangekommen bin. Und damit ist es auch gut.
Claus Guth zählt seit langem zu den international arriviertesten Opernregisseuren. An der Staatsoper im Schiller Theater inszeniert er in dieser Spielzeit Benjamin Brittens T h e T u r n o f t h e S c r e w. Wir sprachen mit Claus Guth über seine Liebe zu Mozart, narrative Energien, den Unterschied zwischen Einfällen und Ideen sowie die Frage, was eigentlich Realität ist. M a g az i n Lieber Claus Guth, es fällt auf, dass Sie Mozarts Dramma giocoso C o s ì fa n t u t t e binnen fünf Jahren drei Mal inszeniert haben, zuletzt an der Mailander Scala. Besitzen Sie eine besondere Affinität zu diesem Stück? c l a u s g u t h In gewisser Weise, ja. Die beiden anderen Da Ponte-Opern, L e N o z z e d i F i ga r o und D o n G i o va n n i , sind sofort eingeschlagen, beide Salzburger Arbeiten waren auf dem Punkt, da habe ich meine Tür gefunden. Mit meiner C o s ì fa n t u t t e von 2009 war ich hingegen leicht unzufrieden, mir hing das zu sehr an Äußerlichkeiten, ich drang nicht richtig zum Kern vor. Als die Idee aufkam, noch einmal alle drei Opern en bloc aufzuführen, habe ich Markus Hinterhäuser gebeten, die C o s ì revidieren zu dürfen. Ich habe dann eine völlig neue Regie gemacht, so eine Art choreographisches Experiment im Don Alfonso-Labor, gewissermaßen eine Operation am offenen Herzen. Und das Verrückte war: Es war wieder nicht ganz so, wie ich es erhofft hatte. Beim ersten Mal war ich dem Spielerischen zu sehr auf den Leim gegangen, beim zweiten Mal dem Theorielastigen. Deswegen stand der Entschluss fest: Nie wieder dieses Stück! Dann aber bot Daniel Barenboim mir mit Engelszungen an, das Stück in Mailand zu inszenieren. Da konnte ich einfach nicht widerstehen.
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Foto Monika Rittershaus
Interview mit claus guth
Interview
M a g az i n Sie sind ziemlich lange im Geschäft, Sie können viel und haben damit das Privileg, aussuchen zu dürfen. Schauen Sie jetzt nur noch nach neuen Stücken, oder streben Sie mehr nach ästhetisch-theatraler Vervollkommnung? Und: Worin liegt noch die Herausforderung? c l a u s g u t h Ich nehme die Energie schon daraus, dass ich immer wieder aufs Neue versuche, mir ein Stück »vor die Flinte zu holen«, von dem ich denke: Das kann ich eigentlich nicht oder: Das ist mir zu schwierig, zu fremd. Ein zweiter Weg sieht dergestalt aus, dass ich mir permanent Widerstände suche, um mich selbst aus jedwedem Anflug von Routine wieder herauszuschubsen. Und ein dritter, dass ich, wie im letzten Jahr, bewusst nur Projekte mache, wie eine F l i e ge n d e r Ho l l ä n d e r -Überschreibung: S e h n S u c h t M E E R und L a z a r u s [Schubert / Ives] in Wien, wie A s c h e M o nd o d e r T h e F a i r y Q u ee n im Schiller Theater. In allen drei Fällen habe ich die Regisseurs-Rolle anders, neu definiert: Ich reagiere dabei nicht nur auf ein existierendes Werk, sondern schlüpfe vielmehr in die Autorenrolle und versuche, direkt zu erzählen. Dieses Modell bildet in meiner Zukunftsplanung eine wichtige Komponente. Ich möchte mindestens ein Projekt pro Spielzeit realisieren: als eine Art theatralische Forschung, bei der ich mit erzählerischen und musikalischen Formen experimentiere. Und einen Teil der dabei gewonnenen Erkennt nisse nehme ich dann mit, wenn ich einen so genannten »Klassiker« inszeniere. M a g az i n Das klingt fast so, als wäre Ihnen dieser Prozess einer Transgression hin zu einer freien Autorenschaft wichtig, um nicht als Regisseur zu ermüden. c l a u s g u t h Ja, das Bedürfnis danach habe ich. Denn manchmal kommt mir das Regietheater, in dem ich ja leidenschaftlich tätig bin [s c h m u n z e l t ] , schon absurd vor in seiner Routiniertheit und beinahe reflexhaften Art der Reaktion, die doch erstaunliche Konstanten aufweist. Das Forschen ist sozusagen meine Antwort darauf: dass es eine Verpflichtung gibt, sich auf die Suche nach Alternativen zu begeben. In dieser neugefundenen Rolle kann man sich eher an seinem eigenen Anspruch messen, wenn man fragt: Wie gut hat eigentlich der Regisseur den Autor umgesetzt? Ein fast schizophrener Akt. Da juckt mich einiges, und da durchstreift auch mich manchmal, wenn ich eine klassische Oper ansehe, die Ahnung, dass der Schluss eines bestimmten Aktes eigentlich Quatsch ist oder die Musik ungenügend. Mir fällt es in solchen Momenten schwer, den herkömmlichen Werkbegriff zu akzeptieren, den wir uns nicht trauen anzutasten. Und das irritiert mich zunehmend. M a g az i n Aber geht es nicht auch in der Oper wesentlich darum, Geschichten zu erzählen, in einem ebenso magischen wie hermetischen Raum? In einem Raum, darin der Sultan sprich: das Publikum, sitzt, und die Oper ihn als Scheherazade mit einer schönen oder traurigen, jedenfalls spannenden Geschichte nach der anderen einwickelt? Ist es womöglich nicht sogar genau das, was die bürgerliche Kunstform Oper am Leben erhält?
c l a u s g u t h Ich bin da ganz Ihrer Meinung. Und genau das ist, was ich dem Publikum in letzter Zeit verstärkt »zumute«. Ich versuche, es extrem narrativ an die Hand zu nehmen, aber nicht kleinteilig, in einer Arie oder in einem Ensemble, sondern dieses Publikum als Ganzes über eine ganz andere Erzähllinie zu erreichen, die frei schwebt, teilweise enge Berührungen hat und sich dann doch wieder sehr weit weg bewegt. Mit einem Wort: Ich will erzählen, aber eben nicht unbedingt d i e Geschichte, die im Opernführer abgedruckt ist. M a g az i n Lassen Sie sich dabei stärker vom Text oder von der Musik inspirieren? c l a u s g u t h Ganz klar von der Musik. Ich fälle sogar meine Entscheidung, ob ich ein Stück mache oder nicht, immer — und das fast körperlich — anhand der Musik: Entweder sie berührt mich, oder sie berührt mich nicht. M a g az i n Am Anfang steht also gleichsam die aristotelische Erschütterung? c l a u s g u t h Wenn Sie so wollen, ja. Zunächst blende ich aus, was da gerade jemand mit gesungenen Worten zum Ausdruck bringt. Die Musik an sich muss mich berühren und interessieren. M a g az i n Der Regisseur Michael Thalheimer hat einmal den bedenkenswerten Satz gesagt, er hasse Regieeinfälle. Stimmen Sie ihm zu?
Ich fälle meine Entscheidung, ob ich ein Stück mache oder nicht, immer — und das fast körperlich — anhand der Musik: Entweder sie berührt mich, oder sie berührt mich nicht. c l a u s g u t h Sagen wir es mal so: Es genügt nicht, eine Oper in ein modernes Ambiente zu verfrachten, ohne eine weitreichende Vision dahinter zu haben, oder wenn Regieeinfälle etwas sind, um nur punktuell eine Situation zu knacken. Derlei Mogelpackungen gibt es leider sehr häufig, das ist simuliertes, abgestandenes Operntheater. Wenn ich aber, um ein Beispiel zu nennen, im D o n G i o va n n i die Behauptung aufstelle, dass er im ersten Aufeinandertreffen mit dem Vater Donna Annas tödlich verwundet wird und sich daraus alles Weitere anders definiert … M a g az i n … dann ist das eine These zum Stück, eine Idee: Don Giovanni stirbt: definitiv, unausweichlich. Was aber die Ideen a n s i c h betrifft: Haben Sie manchmal das Gefühl, sich zu wiederholen? c l a u s g u t h Eine Zeitlang trugen dergleichen Beurteilungen schon fast das Gepräge des Skurrilen. Da hieß es dann im Bezug auf meinen Bühnenbildner Christian Schmidt und mich zunächst: Die machen ja immer ein Treppenhaus, dann: Die machen immer Drehbühnen, und schließlich: Die machen immer gespiegelte
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Interview
Räume oder arbeiten immer mit Doubles und Masken … Das ist im Ganzen schon ein erstaunliches Repertoire des ewig Gleichen. M a g az i n Wie wichtig ist Ihnen die öffentliche Meinung? c l a u s g u t h Eine schwierige Frage. Ich bin da gerade an einem Wendepunkt. Bislang habe ich mich immer der Kritik geöffnet und jede Zeitung gelesen. Es gibt ja auch intelligente Menschen, die schreiben, und was solche Menschen schreiben, gibt mir zu denken, es regt mich an. Im Moment ist es aber eher so, dass ich beschlossen habe, mich mehr schützen zu müssen, da die Wiederholung gewisser Vorwürfe und Reaktionsweisen nicht mehr produktiv und konstruktiv sind. M a g az i n Es bleibt ja das Theater selbst. Peter Konwitschny hat einmal gesagt, Theater sei der letzte Ort der Realität. Dialektisch gesehen, ein wunderbarer Satz, oder? c l a u s g u t h Ursprünglich wollte ich als Regisseur zum Film. Ich habe zwei Anläufe an der Filmhochschule gemacht, leider vergeblich. Dann, nach einigen Umwegen, kam ich zur Oper. Gleichwohl ist es manchmal so, dass ich spüre, wie sehr ich Teil dieses inzestuösen Systems bin, und in solchen Augenblicken weht mich der Gedanke an, dass ich eigentlich lieber Film machen möchte. Wenn ich dann vor mir selber rechtfertige, dass ich Oper und nicht Film mache, dann ist es schon immer wieder ein Faszinosum, dass ich in dieser direkten Überprüfung mit dem Zuschauer eine Welt kreiere, die ihre völlig eigenen Gesetzmäßigkeiten hat; solche, die ich erfinden kann. Und dann liebe ich es schon sehr, dass ich diese Welt kreieren kann, eine Welt übrigens, in die ich während der Proben relativ früh mir nahestehende Menschen einlade, die zuschauen und mir einfach nur sagen, was sie sehen. Und auf diese Eindrücke reagiere ich oft im Inszenieren. Das Spiel mit der Realität, die man erfindet, ist im Film völlig anders. Im Film kann ich am Ende, wenn ich die gedrehten Puzzlestücke aneinandergeklebt habe, nichts mehr machen, dann ist es zu spät. M a g az i n Es gibt noch einen Unterschied zur Realität des Theaters. Beim Theater müssen, wenn es stattfindet, im Gegensatz zur virtuellmedialisierten Bilderwelt alle da sein, müssen mit dem Auto oder mit der U-Bahn hinfahren. Sich topisch auseinandersetzen. c l a u s g u t h Ich habe manchmal den Verdacht, dass ich bei der Oper gelandet bin, weil ich als Jugendlicher in Frankfurt in Inszenierungen von Ruth Berghaus und Hans Neuenfels hineingeriet. Ich habe seinerzeit nicht viel verstanden, aber es hat mich fasziniert. Es war unfassbar, was da schon während, aber mehr noch am Ende der Premiere im Publikum los war. Da sind extreme Emotionen aufgeplatzt, und diese erregte Reaktion hat mich fast mehr ergriffen als die Oper selbst. Entweder lasse ich mich mitreißen oder ich rege mich auf. Aber ich spüre etwas. Ich will einen Austausch. Und das ist schon erstaunlich, wie heftig das sein kann. M a g az i n Ein Beispiel, bitte. c l a u s g u t h Gerne: Nach meinem Ta n n h ä u s e r in Wien fegte ein Buh-Orkan über mich weg, den ich in
dieser Massivität auch noch nicht erlebt hatte. Dann kamen die Kritiken, und sie waren teils euphorisch, teils extrem hart. Ein Rezensent schlug vor, Claus Guth endlich mal eine Psychoanalyse zu schenken, damit er das Publikum in Ruhe lässt. M a g az i n Der Wiener Schmäh ist unerreicht. c l a u s g u t h Trotzdem hat die Reaktion des Publikums mich nicht schockiert, im Gegenteil: Das Ganze kam aus einer Liebe zur Kunstform Oper. M a g az i n Aber Anarchisten sind bittschön nicht gestattet. c l a u s g u t h Das ist egal. Entscheidend war das Level an Emotionalität. Das hat mich berührt. M a g az i n Dann sind wir mal gespannt, wie es in Berlin sein wird, wo Sie im Schiller Theater erstmals Brittens T h e Tu r n o f t h e S c re w inszenieren. Die Fragestellung des Stückes scheint ja hochgradig aktuell: Was ist eigentlich real? c l a u s g u t h Das ist das Thema, ja. Wobei Henry James dieser Fragestellung wesentlich nähergekommen ist als Benjamin Britten. In der Erzählung von Henry James, auf der die Oper basiert, ist ein vollkommener Schwebezustand erreicht: Wir können nicht mehr unterscheiden, ob die Protagonistin unheimlichen Vorgängen auf die Spur kommt oder alles nur eine bizarre Erfindung ihrer Phantasie ist. Diesen Schwebezustand möchte ich für den Zuschauer auch in Brittens Oper erreichen. M a g az i n Die Stimmen der Geister können Sie nicht eliminieren. c l a u s g u t h Nein. Aber ich muss ja nicht unbedingt einen singenden Sänger auf der Bühne sehen. Wie auch immer, ich hadere mit dem Stück, da es das, was ich oft erst zu einer Oper erfinde, mir schon auf dem Serviertablett entgegenbringt. Gleichviel: Es ist ein Meisterwerk. Und viele Menschen sind der Meinung, ich sei als Experte für Abgründigkeit und Kindheit genau der richtige Mann für dieses Stück. M a g az i n Sind Sie es denn nicht? c l a u s g u t h Ich hoffe, doch. Aber es ist eine lange, schwierige Reise.
— Da s G e s p r ä c h m i t C l a u s G u t h f ü h r t e J ü r g e n O t t e n
— Oper von Benjamin Britten Musikalische Leitung Ivor Bolton Inszenierung Claus Guth mit Richard Croft, Maria Bengtsson, Anna Samuil, Marie McLaughlin u. a. STA ATSK APELLE BERLIN Premiere 15. NOVEMBER 2014 19. | 22. | 27. | 30. November || 05. DEZEMBER 2014
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Foto Monika Rittershaus
THE TURN OF THE SCREW
Interview
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Rätselhafte Reise ins Innere des Ichs: AscheMond oder The Fairy Queen, 2013 im Schiller theater uraufgeführt, zählt zu den inspiriertesten, psychologisch feinsinnigsten Arbeiten des Regisseurs Claus Guth. In dieser Spielzeit inszeniert er Benjamin Brittens tief in die menschliche Seele hineingreifenden Zweiakter The Turn of the Screw auf eine Novelle von Henry James. Premiere ist am 15. November 2014.
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Adolfo Hohensteins Plakat zur Uraufführung von Giacomo Puccinis TOSCA (1900)
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Die
Zukunft
leuchtet heller uns entgegen To s c a o d e r E i n e w e i b l i c h e Ä s t h e t i k des Widerstandes—Essay von Elisabeth Bronfen
Reine Männersache ist in Puccinis To s c a der Kampf um politische Macht, der sich im römischen Kirchenstaat, vor dem Hintergrund von Napoleons Feldzug gegen Österreich im Juni 1800, abspielt. Die Titelheldin ist die einzige weibliche Stimme, die sich auf der Bühne Gehör verschafft. Weder die Königin, um deren Machtanspruch gekämpft wird, noch die Schwester des gestürzten Konsuls, die den Sturz der neapolitanischen Herrschaft bewirken will, treten in Erscheinung. Stattdessen steht Tosca im Zentrum jener erotischen Rivalität zwischen dem Polizeichef Scarpia und dem Maler Cavaradossi, welche, im Sinne einer privaten Widerspiegelung des öffentlichen Krieges, in den Vordergrund des dramatischen Geschehens rückt. Der Kampf ist zugleich und in mehr als einem Sinn eine nächtliche Affäre. Am Ende des Tages, an dem die Bevölkerung Roms aufgrund einer falschen Nachricht die Niederlage des französischen Heeres in der Schlacht bei Marengo feiert, eilt der aus der Engelsburg geflohene Angelotti in die Kirche Sant’Andrea della Valle. Dort hat die Attavanti hinter dem Altar ihrer Kapelle Frauenkleider versteckt, damit ihr Bruder auf der Flucht nicht erkannt wird. Als Frau verkleidet sehen wir den für politische Freiheit einstehenden Mann jedoch nie. Ein Kanonenschuss vom Kastell kündigt an, man habe sein Entkommen bereits entdeckt. So verlässt er zusammen mit seinem Waffenbruder Cavaradossi, der dort an einem Gemälde arbeitet, die Kirche. Der eine wird sich noch in dieser Nacht angesichts der Vereitelung seiner Fluchtpläne das Leben nehmen, der andere hinterhältig bei Morgengrauen erschossen. Nächtlich ist dieser Wettstreit jedoch auch, weil er die dunkle Kehrseite einer auf Polizeigewalt basierenden Politik offenlegt. Der plötzliche Auftritt Scarpias mit seinem Trupp lässt das ausgelassene Lachen des Mesners und seiner Geistlichen ob des vermeintlichen Sieges über Napoleon sofort erstarren. Während diese die Bühne verlassen, um sich für das Te d e u m vorzubereiten, setzt der Polizeichef mit Tosca, die auf der Suche nach ihrem Geliebten nochmals erschienen ist, jene Intrige in Gang, welche im zweiten Akt in einem grausamen Verhör münden wird. Das glänzende Fest, auf dem Tosca zu Ehren der Königin Maria Carolina eine Kantate singt, bildet lediglich den Hintergrund für die Erpressung, welche Scarpia einzusetzen bereit ist, um seine politischen Gegner zu vernichten. Doch am skrupellosen Einsatz von Folter wird auch deutlich, dass die Nachtseite des Gesetzes keine eindeutige Unterscheidung zwischen erduldendem Opfer und selbstbemächtigtem Handeln erlaubt. Ist Floria Tosca der Star jener Galagesellschaft, mit der nicht nur der Sieg über Napoleon gefeiert, sondern auch die Staatsgewalt, auf der die politische Macht der neapolitanischen Herrscher basiert, ausgeblendet werden soll, sorgt die berühmte Sängerin auch dafür, dass unser Blick, auf das gerichtet wird, was sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit abspielt, und in ihr die einzig valable Position des Widerstands erkennt.
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Weil sich Toscas Leidenschaft der Vernunft eigensinnig widersetzt, erscheint sie Scarpia nicht nur als geeigneter Spielball seiner dunklen Machenschaften. Den Umschwung der Gefühle, den sie im Zuge ihrer Konfrontation mit seiner Polizeigewalt vollzieht, stellt auch eine Szene gegenseitiger Verführung zur Schau, in der sich die Grenze zwischen privatem Begehren und öffentlicher Auflehnung verflüchtigt. Verweigerung aus Liebe bietet ihr die einzige Möglichkeit, sich inmitten dieses Männerbundes der Macht zu behaupten. Dabei ist die Eifersucht, mit der sie Cavaradossi traktiert, mehr als nur die exaltierte Allüre einer Operndiva. Sie irrt sich lediglich in der Figur, die sie als Störung bezichtigt, und nicht darin, dass sie einen Rivalen hat. Cavaradossi schwört, seine Liebe gelte in aller Ewigkeit nur Tosca als Entschuldigung dafür, dass er die Attavanti als Vorbild für seine Maria Magdalena gewählt hat. Dabei verschweigt er seine Liebe zu deren Bruder, für den er ohne Bedenken sein Leben zu opfern bereit ist. Scarpias Einsatz des Fächers der Attavanti ruft Shakespeares Iago in Erinnerung. Würde in Tosca der ihr eingeflößte Verdacht keinen Widerhall finden, bliebe seine List wirkungslos. Auch sein Wortgift kann nur deshalb ihre Eifersucht schüren, weil der visuelle Beweis ihr jenes Wissen um die Fragilität ihrer Liebe, welches sie direkt nicht annehmen will, als Verdächtigung Cavaradossis Treue auszudrücken erlaubt. Doch wenn er ihr nachruft: »Geh, Tosca! Dir im Herzen nistet Scarpia«, lässt dies nicht nur danach fragen, wie es ihm gelungen ist, sich in ihrem Herzen festzusetzen. Es lenkt auch Aufmerksamkeit auf die Konsequenzen dieser Transplantation gefährlicher Regungen. Die Komplizenschaft, die sich Wie so viele Heldinnen des im Dunkeln der Kirche plötzlich aufgetan hat, lässt mehr als nur Toscas Ambivalenz der Gefühle gegen19. Jahrhunderts ist Tosca der über ihrem Geliebten erkennen. Einmal im Herzen der berühmten Sängerin aufgenommen, kann dieses Einsatz in einem Spiel, welGift auch den Adressaten ändern. Komplizenschaft zeichnet sich zudem daches Scarpias uneingeschränkte durch ab, dass auch Tosca in Scarpias Herzen Eingang Macht widerspiegeln und gefunden hat. Er mag sich zwar für den Verführer halten, weil er ihre Eifersucht zu instrumentalisieren bestätigen soll. weiß, erweist sich aber zugleich als der Verführte. Offen gesteht er die doppelte Beute, die er begehrt: »das Haupt des Rebellen und die schöne Tosca«. Dabei verwischt seine Überzeugung, die Hinrichtung des Feindes würde ihm die Liebe der berühmten Sängerin sichern, die Grenze zwischen öffentlichem Interesse und privatem Begehren. Wird der politische Gegner von Scarpia als romantischer Rivale begriffen, wird zugleich deutlich, dass seine grausame Liebeswerbung politische Züge enthält. Sein Plan, Tosca zu besiegen statt ihr nur zu erliegen, macht aus einem privaten Anliegen einen militärischen Akt. Die Schönheit, die zu Ehren der Königin eine Kantate singt, und der Kirchenstaat, den Scarpia mit allen Mitteln in seiner Gewalt behalten will, sind austauschbar. Tosca zu besiegen hieße sowohl einen erotischen wie politischen Kampf gewonnen zu haben. Wie so viele Heldinnen des 19. Jahrhunderts ist Tosca der Einsatz in einem Spiel, welches Scarpias uneingeschränkte Macht widerspiegeln und bestätigen soll. Die Reduktion der Frau auf eine durch List zu gewinnende Beute erweist sich jedoch als gefährliche Verblendung. Diese bezieht in die Berechnung nicht ein, dass Tosca als eine eigenständige Person ihr Schicksal selbst zu bestimmen beansprucht. Spät in der Nacht entpuppt sich das obere Stockwerk des Palazzo Farnese als zweite Bühne, auf der — vor dem Hintergrund von Napoleons militärischer Kampagne — jede Handlung nur kämpferisch sein kann. Der rebellische Maler, die berühmte Sängerin und der Polizeichef sind zwar in einem privaten Liebesdreieck gefangen, behaupten sich aber zugleich als öffentliche Figuren in einem politischen Spiel. Die Folter, die Tosca an den Schreien ihres Geliebten mitbezeugen muss, wird nicht nur als dunkle Seite jener Staatsmacht dargeboten, welche zeitgleich in den unteren Räumen des Palazzo als Festakt prunkvoll zur Schau gestellt wird. Auf dieser klandestinen Bühne wird auch die Schlacht um Marengo als Zweikampf zwischen Scarpia und Cavaradossi re-inszeniert. In dem Augenblick, in dem der Maler Tosca verflucht, weil sie sich seinem Sprech-Verbot widersetzt und das Versteck des verfolgten Konsuls preisgegeben hat, erhalten wir die Botschaft von der Niederlage und Flucht des Heerführers Melas. Mit seinem Gesang über die Freiheit reiht Cavaradossi sich in Gedanken bereits übermütig in die Reihen des siegreichen Napoleon ein. Dass auf dieser Bühne nicht Cavaradossis Seite, sondern die Scarpias Gewinnerin bleibt, weist nicht nur darauf hin, dass die systemische Staatsgewalt vom Ausgang einzelner Schlachten nicht tangiert wird. Es eröffnet auch jene zweite Schlacht, in deren Folge Tosca sich einen Passierschein erbeutet, der ihr und ihrem Geliebten erlauben würde, aus dem Kirchenstaat zu fliehen, bevor sie Scarpia statt der Liebesnacht, die er sich erkämpft zu haben glaubt, einen tödlichen Messerstoß in die Brust gibt. Ungeduldig blickt sie auf den gefallenen Körper ihres Peinigers und ruft ihm wiederholt zu, »stirb doch«. Entscheidend an dem Widerstand, den Tosca mit diesem Tyrannenmord zur Schau stellt, ist jedoch nicht nur der Umstand, dass er das politische System nicht umstürzen wird. Vielmehr lässt er sich als tragische Selbstbehauptung in einem doppelten Sinn verstehen. Ist Tosca für Scarpia der Einsatz, an
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oyster perpetual
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dem eine politische Intrige sich mit einer erotischen verschränkt, spielt sie in der Freiheitsfantasie ihres Geliebten keine tragende Rolle. In den Fluchtversuch Angelottis nicht eingeweiht, wird sie nur zufällig Zeugin seines Verstecks, weil sie aus Eifersucht zur Villa Cavaradossis geeilt ist. Der Befehl ihres Geliebten, während seinem blutigen Verhör zu schweigen, nimmt ihr zudem nicht nur die Stimme, sondern auch die an dieser verhandelten Handlungsbefähigung. Auf Toscas Bitte, er solle ihretwillen nicht weiter den Märtyrertod heraufbeschwören, hört er nicht, ist sein romantisches Begehren doch von seinem politischen Aufbegehren klar getrennt. Aus Toscas Position betrachtet, erscheint die Auflehnung, die sie im Obergeschoss des Palazzo Farnese vorführt, weit ambivalenter. So taktisch unklug ihre eigensinnige Eifersucht auch sein mag [führt diese doch zur Verhaftung der beiden Verschwörer], so sehr bringt sie ein Widersprechen zum Ausdruck. Der agitatorischen Begeisterung, welche ihren Geliebten mit dem verfolgten Konsul verbindet, verweigert sie sich und beharrt stattdessen auf ihrer Forderung nach privatem Liebesglück. Diese blendet das Politische jedoch nicht aus, sondern bietet eine Antwort darauf, dass sie als Frau, auf ihre Schönheit reduziert, von der männerbündlerischen Intrige ausgeschlossen bleibt. Man könnte die Vermutung aufstellen: Vielleicht verrät sie das Versteck Angelottis nicht nur deshalb, weil sie die Folterszene nicht länger ertragen kann, sondern auch, weil sie sich anders als in der von Cavaradossi ihr zugewiesenen Rolle ins Spiel bringen will. Sie lässt sich vom Geliebten die Stimme nicht nehmen, will nicht lediglich mit ihrem Schweigen dessen mutigen Freiheitsfuror bezeugen. Doch sie nimmt auch nicht die Rolle der verlorenen Frau an, die, um den Geliebten zu retten, einen ihr widerstrebenden Liebespakt eingeht. Die Mordszene, die sie so unerwartet zur politischen Diva werden lässt, zeugt von einer Auflehnung in zwei Richtungen. Tosca widersetzt sich dem lüsternen Scarpia und schaltet sich zugleich als aktiv Handelnde in das Freiheitspiel des Malers ein. Sie vollzieht jene Tat, von der er nur singt, stellt als einzige in dieser Nacht erfolgreich im Palazzo Farnese den Sieg Napoleons nach. Ihre stolze Behauptung, »ein Weib hat ihn getötet«, unterstreicht, dass dieser Widerstand geschlechtsspezifisch zu verstehen ist. Vom politischen Kampf zwischen Männern ausgeschlossen, steht sie weder auf der einen noch der anderen Seite. Sie eröffnet eine weitere Front, von der aus sie — einem Tarnkappenbomber vergleichbar — so erfolgreich kämpfen kann, weil der Tyrann sich gegen eine Gefahr, die er nicht kommen sieht, weil er Tosca eine Bedrohung nicht zutraut, auch nicht zur Wehr setzen kann. Der Messerstoß bringt für Scarpia eine Anagnorisis, die ihn anzuerkennen zwingt, wie sehr er sich in dieser Frau geirrt hat. Die gefährliche Leidenschaft, die er zu seinem Gewinn einsetzen wollte, hat sich gegen ihn gewandt. Bestraft wird er nicht nur für seine sadistische Gewaltlust, sondern auch dafür, dass er, indem er die schöne Sängerin ausschließlich als Spielball seiner Machtintrige behandelt hatte, er sie als eigenständigen Menschen nicht anzuerkennen bereit gewesen war. Wenn Tosca für sich nur die Rolle der LiebenVerweigerung aus Liebe den zulässt, die aus Eigensinn den Geliebten mehrfach verrät und den Widersacher im Affekt tötet, verfolgt bietet ihr die einzige Mögsie damit nicht nur ein romantisches Interesse. Sie lichkeit, sich inmitten bringt auch eine partikulare politische Haltung zum Ausdruck. Sie lässt sich von keiner Seite vereinnahdieses Männerbundes der men, hält radikal am eigenen Begehren fest, kämpft ausschließlich in eigener Sache. Sie macht aus einem Macht zu behaupten. Laster — der Eifersucht — eine Tugend: den Widerstand gegen jegliche Tyrannei, die ihr eigenständiges Handeln abspricht. Sie besteht darauf, Regisseurin jenes Dramas zu sein, in welches sie von den gegnerischen Männern anfänglich unwillentlich hineingezogen worden war, und koste es ihr Leben. Am Ende der Oper kündigt das Morgengrauen keine neue politische Ordnung an. Scarpia ist zwar tot, doch sein Polizeisystem operiert intakt weiter, obgleich Tosca, mit ihrem Geliebten ein letztes Mal vereint, verkündet: »die Zukunft leuchtet heller uns entgegen«. Noch einmal meint sie, in das Geschehen eingreifen zu können, inszeniert ein Spiel falscher Hoffnungen und gibt Cavaradossi genaue Bühnenanweisungen, wie er den Erschossenen zu spielen hat, damit es echt wirkt. Und noch einmal wohnt sie ungeduldig einer Sterbeszene bei, ruft auf die gleiche Weise, wie sie es bei Scarpia tat: »nun stirb doch«. Die unheimliche Wortwahl zeigt, wie ambivalent bis zum Schluss ihr Widerstand bleibt. Stellt sie für einen Augenblick [und sei es nur unbewusst] den Geliebten dem Widersacher gleich? Will sie sein Überleben? Oder hat sie bereits begriffen, dass eine Wahl zwischen Freiheit und Tod nur einer falschen Wahl entsprechen kann? Auf Spolettas Drohung »Tosca, für das Leben Scarpias wirst du büßen!« antwortet sie, indem sie seinen Satz aufgreift: »Mit dem meinen! O Scarpia, uns richtet Gott«. Man kann diese Wahl fatalistisch deuten, als erschütternde Einsicht, dass in einem totalitären Machtsystem der Freitod eine radikale Geste politischer Freiheit signalisiert. Für den spezifisch weiblichen Widerstand bezeichnend ist jedoch, dass Tosca bis zum Schluss als Spielleiterin ihres Dramas auf der Bühne steht: diejenige, die a l s We i b dem Tyrannen das Leben nahm und nun sich selbst zum Einsatz eines Vergeltungsaktes deklariert. Zuerst dem Tyrannen und dann sich den Tod geben bedeutet
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einen doppelten Sieg. Scarpia stirbt nicht nur durch ihre Hand, sondern Tosca widersetzt sich auch jeglicher irdischen Gerichtsbarkeit. Es mag zwar sein, dass der Kampf um die Staatsgewalt in Puccinis Oper Männersache ist, doch den entscheidenden politischen Akt, der uns auf der Bühne dargeboten wird, führt Tosca aus. Sie hat zudem das letzte Wort, welches durch den Sturz von der Engelsburg begleitet, in seiner Autorität erhöht wird. Zwar vereitelt dieser Sprung jeglichen Anschluss an zukunftsträchtiges politisches Handeln, zugleich jedoch zementiert der Ruf, mit dem Tosca ihn begleitet, jene schillernde Geste des Widerstands, für die sie eingestanden ist. Die Bühnenanweisungen sehen vor, der Vorhang habe schnell zu fallen. Vor dem erstarrten Blick der Polizei verflüchtigt sich die Tyrannenmörderin im Nichts. Jeder nachträgliche Urteilsspruch ist irrelevant. Stattdessen triumphiert eine zwischen Ertönen und Erlöschen in der Schwebe gehaltene Stimme als fragiles Sinnbild des Aufbegehrens.
— Elisabeth Bronfen, Professorin für Anglistik an der Universität Zürich, zählt zu den profiliertesten Kulturwissenschaftlern unserer Zeit. Sie hat zahlreiche Aufsätze in den Bereichen Gender Studies, Psychoanalyse, Literatur, Film und Oper veröffentlicht sowie einige weithin gelobte Bücher publiziert, darunter L i e b e s t o d u n d F e m m e fa t a l e , T i e fe r a l s d e r Ta g ged a c h t . E i n e K u l t u r ge s c h i c h t e d e r N a c h t und N u r ü b e r i h re L e i c h e . To d , We i b l i c h k e i t u n d Ä s t h e t i k .
— TOSCA Oper von Giacomo Puccini Musikalische Leitung Daniel Barenboim / Domingo Hindoyan [ 22. | 25. oktober ] Inszenierung Alvis Hermanis mit Anja Kampe, Fabio Sartori, Michael Volle, Tobias Schabel u. a. Staatskapelle Berlin / Staatsopernchor Premiere 03. Oktober 2014 06. | 12. | 16. | 19. | 22. | 25. Oktober 2014
ICH habe einen
raum Bühnenbilder von Martin Zehetgruber
— Wozzeck | STAATSOPER IM SCHILLER THEATER | 2011 Regie Andrea Breth Foto Bernd Uhlig
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bühne
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Eugen Onegin | Salzburger Festspiele | 2007 Regie Andrea Breth Foto Bernd Uhlig
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Gespenstersonate | Thalia Theater | 2000 Regie Martin Kušej Foto Hermann und Clärchen Baus
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bühne
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Don Carlos | Burgtheater Wien | 2004 Regie Andrea Breth Foto Bernd Uhlig
Ein hermetischer Ort, irgendwo im Nirgendwo, Heimstatt für die Personage von Bergs Oper Wo z z e c k , für ihren Antititelhelden. Drinnen der Hauch von Liebesmöglichkeit, draußen Wozzecks unwirtliche Wirklichkeit: Nacht, Ausweglosigkeit, Exklusion. Und Trostlosigkeit. Zehetgrubers Raum zeigt, was schon Büchner mit seinem Wo z z ec k schildern wollte: das soziale Elend eines nach Authentizität und Halt [ und, ja, auch: n a c h U m a r m u n g ! ] strebenden Menschen, der von der Gesellschaft niedergedrückt und zerquetscht wird. Im Wald, den uns Tschaikowskys E u ge n O n e g i n auf die Bühne zaubert, ist alles [ un ]heimlich, verborgen, diffus: Puschkins Welt. Doch hinter den Bäumen offenbart sich die ernüchternde Kühle der Zivilisation. Der Raum macht den Gegensatz evident: Hier passt etwas nicht zusammen, hier wird etwas zerrissen. Vermutlich Identität. Dialektisches geschieht. Der Prozess der Aufklärung gebiert die Kinder der Vernunft. Aber auch die Kinder, die auf der Nachtseite der Vernunft agieren. G e s p e n s t e r s o n a t e. Allein der Titel dieses von düsterer Vergeblichkeit angewehten Stücks gebiert Ungeheuer. Ungeheuerlich ist auch das Ambiente, in dem Strindbergs Protagonisten agieren, reagieren, west- und ostwärts, süd- und nordwärts scheiternd. Der Raum entspricht dem. Wie Moleküle stürzen die Menschen durch
das matt beleuchtete Innere, fliehen vor sich selbst, dem [ unsichtbaren ] Abgrund entgegen. Menschliche [ Ver ]Irrungen und [ Ver ]Wirrungen: Schillers D o n C a r l o s ist voll davon. Und stets hängt die Wahrheit vom Blickwinkel ab und von dem, der sie für sich und [ gegen ] andere formuliert. Die mal tatsächliche, mal vorgebliche Transparenz des Raumes bildet das ab: wie sich Perspektiven verschieben, je nach dem, wo sich der jeweilige Darsteller befindet, an wessen Seite, wem gegenüber; wer hinter ihm, vor ihm, neben ihm steht. Im Glashaus fällt [ fast ] jeder Stein auf, der geworfen wird.
— WOZZECK Oper von Alban Berg Musikalische Leitung Daniel Barenboim Inszenierung Andrea Breth | bühne Martin Zehetgruber mit Michael Volle, Marina Prudenskaya u. a. Staatsk apelle Berlin / Staatsopernchor 27. Februar || 06. | 14. März 2015 ALBAN-BERG-ZYKLUS »Ein Stück Berliner Musikgeschichte — ein Triumph!« — Financial Times London
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UND DIESER ZARTE HAUCH VON MELANCHOLIE
Ein Portrait der schwedischen Sopranistin Maria Bengtsson
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Foto Clärchen und Matthias Baus
text von jürgen otten
Portrait
Ach, Fiordiligi! Welche Qualen musst du durchleiden, welche Zerrissenheit erdulden, welch großen Kampf ausfechten. Willst dich der heftig aufflackernden Emotionen erwehren, kannst es aber nicht. Zu stark ist der Sog der Gefühle, die du hegst für diesen anderen, leider falschen Mann. Eines immerhin aber steht dir zu: dein Gesang. Vielleicht kannst du mit ihm die Götter besänftigen und den Pfeil des Eros aus deinem verwundeten Herzen herausziehen — vielleicht. Die Musik wäre dazu imstande, denn komponiert hat sie ein von Gott Gesandter. In der Tat. Es gibt wohl kaum eine Arie aus der Feder Wolfgang Amadé Mozarts, die tiefer berührt als das E-Dur-Rondo Pe r p i e t à , b e n m i o , p e rd o n a aus dem zweiten Akt des Dramma giocoso C o s ì fa n t u t t e; selbst Paminens markerschütternd intensiver Z a u b e r f l ö t e Klagegesang A c h , i c h f ü h l’s kommt gegen solche Innigkeit und Unausweichlichkeit nicht an. Die ganze Welt hört dieser Arie zu, muss es tun, kann gar nicht anders, als stillzustehen und mitanzusehen, wie der granitene Fels Fiordiligi zerbröckelt [ übrigens nicht ganz zufällig im Tritonus-Abstand zu jener Willensbekundung, die der schönen Dame aus Ferrara noch im ersten Akt aus der Kehle entwichen war, in ihrer B-Dur-Arie C o m e s c o g l i o]. Nun aber zerfließt buchstäblich alles, die Zeit, der Raum, die Beständigkeit der Treue, wer weiß, wahrscheinlich sogar das ganze Leben. Möglich wird dies aber nur, weil dort oben, auf der Bühne der Mailänder Scala, eine Frau steht [und abwechselnd mal kniet und mal liegt], der man in diesen Sekunden sein ganzes [so vorhandenes] Vermögen überschreiben würde, nur um sie noch einmal oder zwei Mal oder am besten die ganze Nacht hindurch mit dieser Arie zu hören, so tiefbewegt und transparent, so fragil und so wunderbar anmutig und wehmütig singt Maria Bengtsson dieses himmlischtriste Rondo. Wer nicht ein steinernes Herz sein eigen nennt, der kommt um Tränen der aristotelischen Rührung kaum herum. Q u o d e ra t d e m o n s t ra n d u m : Sogar das hartgesottene, mit Mozart nicht eben glücklich verheiratete Scala-Publikum lässt sich von dieser Interpretation in den Bann ziehen. Die berühmte Stecknadel fällt. Und keiner hört sie. Danach, wie später, am Ende der Vorstellung: donnernder Applaus. Für solche Momente [ manche nennen sie unsterblich ] wird man wohl Sängerin. Verlässt seine geliebte Heimat [ wobei die Liebe im Sommer riesig ist, im Winter eher kleinwüchsig ], zieht in die Fremde, nimmt die Strapazen einer langwierigen Ausbildung in Kauf, arbeitet diszipliniert tagein, tagaus, um die Stimme zu flexibilisieren und zu sensibilieren und zu stabilisieren, führt [ je besser man wird, umso häufiger ] das Leben einer Nomadin [ allerdings mit Hauptwohnsitz Berlin ], die dazu noch liebende Ehefrau und Mutter ist [ und dies, Skype und Facetime sei Dank, auch so gut wie möglich sein kann ] — und muss dazu noch den ständig wachsenden Druck ertragen, der indes in den meisten Fällen selbsterzeugt ist. Ja, gütiger Himmel, lohnt sich das denn wirklich? Es lohnt sich, sagt Maria Bengtsson, und zwar deswegen, weil Singen [ neben der Familie, die aber eine Treppenstufe höher steht! ] das Schönste im Leben ist, vor allem dann, wenn es sich um Musik von Mozart
handelt. Mozart, sagt sie, besitzt beides zugleich: »so viel Tiefe und so viel Leichtigkeit«. Mozart beschwingt sie, Mozart [ ver ]führt sie in ungeahnte Höhen [ die Sphäre der Königin der Nacht einmal ausgenommen, das ist etwas für Koloratursopranistinnen], Mozart befreit sie sogar von ihrer virulenten Schwermut. Kein anderer Komponist, nicht einmal Richard Strauss, zu dem sich die charmante Schwedin mehr und mehr hingezogen fühlt, wäre imstande, den Planeten Melancholia von der Erde fernzuhalten. Mozart schon. Es gibt in der Welt des Gesangs wenige Künstlerinnen, die derart viele Mozart-Rollen verkörpern können [ oder auch: verkörpert haben ] wie Maria Bengtsson. Früh sang sie die Pamina, und dies sehr fein, im D o n G i o va n n i war sie erst Zerlina, danach Donna Anna [ wer wollte sich nicht an ihr Debüt 2012 im Schiller Theater erinnern, als sie für Anna Netrebko einsprang und nicht nur die Herzen des Berliner Publikums im Sturm eroberte, sondern auch den von ihr bewunderten Dirigenten Daniel Barenboim derart beeindruckte, dass er sie seither künstlerisch auf Händen trägt, zum Beispiel auch bis nach Mailand], schließlich die Furie Donna Elvira. Die F i ga r o -Comtessa zählt zu ihren Lieblingspartien — diese Figur, sagt Maria Bengtsson, liegt ihr, wie Straussens Marschallin, auch menschlich sehr nahe — , als Konstanze in der legendären E n t f ü h r u n g a u s d e m S e ra i l -Inszenierung von Calixto Bieito an der Komischen Oper Berlin, wo sie, auch und gerade wegen eines »wunderbaren Kirill Petrenko«, fünf Jahre mit Wonne Ensemblemitglied war, ist sie unvergesslich, mit der rasenden Elettra in Id o m e n e o debütiert sie in dieser
Nun aber zerfließt buchs täblich alles, die Zeit, der Raum, die Beständigkeit der Treue, wer weiß, wahrscheinlich sogar das ganze Leben. Spielzeit an der Wiener Staatsoper, und Fiordiligi lieh sie schon in London, Berlin, Wien, Lyon, Venedig und jetzt eben auch im Tea t r o a l l a S c a l a ihre leicht-zarte, hell-strahlende und so wunderbar kristallin-schwebende Stimme. Dergleichen Erfolgsspur könnte verändern, warum sonst zählte s u p e r b i a zu den sieben Todsünden. Der Verdacht, dass eine Sängerin aufgrund ihrer steil aufwärts führenden »Karriere« zur Diva mutiert, wird ja schnell geäußert, gerne auch, weil da eine weitere Todsünde ins Spiel kommt, i n v i d i a mit Namen. Aber Maria Bengtsson? Nein. Rien. Nada. Niente. Nothing. Sie taugt nicht zur Diva, nicht zum »Star«. Um das zu wissen, genügt zweierlei. Erstens: ein Blick in ihre melancholisch getränkten Augen. Zweitens: die Erinnerung an Höllviken. Höllviken? Ja, Höllviken. Ein Marktflecken in Südschweden, neun Autominuten von der dänischen Grenze entfernt, direkt am von unglaublich weißen Sandstränden gesäumten Meer gelegen.
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Portrait
In diesem Paradies, wie sie es nennt, ist Maria Bengtsson geboren. Und dorthin fährt sie jeden Sommer, um die geliebte Familie wiederzusehen [ die sich mit Fug und Recht eine Musiker-Familie nennen darf ]. Allen voran die Mutter, ihre unangefochten beste Freundin, mit der sie noch heute zweimal täglich telefoniert,
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2011 gab Maria Bengtsson ihr Rollendebüt als Cunegonde in der Neuinszenierung von Leonard Bernsteins CANDIDE an der Berliner Staatsoper. In dieser Spielzeit debütiert sie als Governess in Claus Guths Inszenierung von The Turn of the Screw. Premiere ist am 15. November.
und die ihren Angaben zufolge eine tolle Jazzstimme hat[ te ]. Dann der Vater, ein gewiefter, inzwischen berenteter Barock-Trompeter, der aber, wie seine Tochter erzählt, überdies immer ein begnadeter Jazzer war. Und schließlich ihr Bruder, gleicher Beruf wie der Vater, gegenwärtig in einem Stockholmer Orchester beschäftigt. Kurz und gut: Sie habe eine tolle Kindheit gehabt. Und doch: Die Schwermut wollte einfach nicht von ihr weichen, dagegen halfen keine Wellen, half kein Jazz, keine mütterliche oder väterliche oder brüderliche Umarmung, nicht einmal Mozart. Sie sei nun einmal ein düsteres Kind gewesen, habe sich diese Düsterkeit aber zum Glück über die Jahre hinweg, über die Stationen Freiburg [ Studium ], Wien [ erstes Engagement ] und Berlin Stück für Stück weggemeißelt, um schließlich jene Kontur einer kontrollierten, in ihrer Nachdenklichkeit
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THE TURN OF THE SCREW Oper von Benjamin Britten Musikalische Leitung Ivor Bolton | Inszenierung Claus Guth mit Richard Croft, Maria Bengtsson, Anna Samuil, Marie McLaughlin u. a. STA ATSKAPELLE BERLIN Premiere 15. NOVEMBER 2014 19. | 22. | 27. | 30. November || 05. DEZEMBER 2014
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Foto Clärchen und Matthias Baus
geerdeten Persönlichkeit zu gewinnen, die sie heute besitzt. Besonders im Winter, wenn sie mit dem Fahrrad sowohl morgens als auch am Nachmittag durch die Dunkelheit zur Schule fahren musste, wurde ihre Seele beschwert. Und gegen Blei in der Seele kommt man nicht so einfach an, das lässt sich nicht einfach so wegschlucken oder vertreiben wie ein Gespenst [ es sei denn, man schlüpft in die Rolle wie die der nachgerade schrillsurrealen Cunegonde in Leonard Bernsteins C a n d i d e]. Vielleicht ist es das, was man nicht nur im Gespräch direkt mitkriegt [ wie gesagt: d e r B l i c k ! ], sondern auch auf der Bühne spürt: diesen zarten Hauch von Melancholie, der Maria Bengtsson umgibt. Für eine Sekunde oder auch ein bisschen länger stellt man sich dann vor, wie es wäre, wenn die Hauptdarstellerin in Lars von Triers unsagbar traurigem Film Me l a n c h o l i a nicht nur schweigen und sprechen, sondern auch schweigen und s i n g e n würde [ was ja schon allein deswegen funktioniert, weil Maria Bengtsson durchaus Ähnlichkeiten mit der gazehaft schönen Kirsten Dunst aufweist ], und man weiß im Grunde auf der Stelle, wen man in dieser Rolle gerne sehen und hören würde. Ja, das wäre gewiss etwas für die Frau vom Meer. Nun, sie hat es hinter sich gelassen. Berlin liegt nicht am Meer, und all jene Opernhäuser, in denen sie auftritt [ Staatsoper Wien und Berlin, Covent Garden, Oper Frankfurt, Oper Köln, Lyon ] auch nicht. Es sind inzwischen ausnahmslos so genannte erste Adressen. Aber das ficht Maria Bengtsson nicht an, dergleichen betrachtet sie nüchtern: »Es ist egal, wo ich singe. Ich möchte einfach meine Qualitäten zeigen, so gut es geht.« Punkt. Und Gedankenstrich: Natürlich sei sie beispielsweise stolz auf ihr Scala-Debüt, natürlich freue sie sich auf lukrative Angebote [ an denen es beileibe nicht mangelt ], am Ende aber zähle nur die Leistung. Das Singen selbst. Was das betrifft, beschreitet Maria Bengtsson seit Kurzem neue Pfade, auch abseits von Mozart. Strauss-Partien rücken stärker in den Fokus; nach der Marschallin steht nun die Arabella an, es folgt die Desdemona in Verdis O t e l l o. Zuvor streift sie sich am Schiller Theater eine zweite Haut über, die mehr erfordert als nur ätherischen Gesang: In Brittens Kammeroper T h e Tu r n o f t h e S c re w ist sie die Governess; eine Rolle, die sie fasziniert, und dazu eine Arbeit, die sie wieder einmal mit einem ihrer Lieblingsregisseure zusammenführt, mit Claus Guth, dessen D a p h n e -Inszenierung in Frankfurt sie zu den unbestrittenen Höhepunkten ihrer Laufbahn zählt. Es ist wohl kaum spekulativ, wenn man annimmt, dass auch dies eine Partie ist, die sie wunderbar authentisch und zugleich erschütternd ehrlich verkörpern wird, die schüchterne Schöne aus Höllviken.
DAS
NICHTS
t e x t v o n J ü r g e n O t t e n
und DAS
ETWAS
Über die ambivalente Rolle der (klingenden) Kunst im Konzentrationslager Theresienstadt
S o l a n ge w i r n i c h t a u c h d a s U n re c h t , we l c h e s u n s ge s c h i e h t u n d u n s d i e k ü h l e n b re n n e n d e n T h rä n e n a u s p re s s t , f ü r R e c h t e h a l t e n , s i n d w i r n o c h i n d e r d i c k s t e n F i n s t e r n i s , o h n e D ä m m e r u n g .— Rahel Levin-Varnhagen, 1799
Nachts, wenn die Kinder schliefen, griff Ilse Weber zur Gitarre. Und sie tat das, was sie den ganzen Tag nicht hatte tun können als Schwester auf der Krankenstation des Konzentrationslagers Theresienstadt. Sie sang. Doch nicht irgendeine vertraute Melodie. Ilse Weber sang Lieder, deren Texte sie selbst gedichtet und dessen Klänge sie selbst erfunden hatte, Lieder, die davon erzählten, was um sie herum und in ihr selbst vorging, Lieder, die zum Berührendsten zählen, was in Theresienstadt zu Papier gebracht wurde, weil sie in knapp gefassten Versen die tiefe Verzweiflung ihrer Protagonistin schildern, Lieder wie dieses: »Ich wandre durch Theresienstadt, / das Herz so schwer wie Blei. / Bis jäh mein Weg ein Ende hat, / dort knapp an der Bastei.« Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager ist reich an Grausamkeiten jeglicher Coleur. Ihren zynischsten Ausdruck aber erfuhr diese Geschichte in Theresienstadt. Menschlichabgründige Bosheit wurde hier zum existentiellen Experiment, der Absolutismus einer heuchlerisch gefälschten Wirklichkeit zum determinierenden systemischen Faktor. Theresienstadt bedeutete den harten Aufprall des jüdischen Individuums auf die Totalität der Vernichtungsdiktatur, wobei es von diesem Aufprall zwei Geschichten gab: eine wahre und eine falsche. Die falsche wurde von Hitlers Schergen nach allen Regeln der Kunst und absichtsvoll als Illusionstheater inszeniert. In seiner pervertiertesten Form geschah dies in jenem von der SS in Auftrag gegebenen Dokumentarfilm des jüdischen [1944 in Auschwitz ermordeten] Schauspielers, Regisseurs und Kabarettisten Kurt Gerron, der irrigerweise unter dem Titel D e r F ü h re r s c h e n k t d e n J u d e n e i n e S t a d t kursierte, in Gänze gleichwohl nie im Kino zu sehen war. Theresienstadt erscheint darin als »Paradiesghetto« für ehemalige jüdische Patrioten, die dort einen geruhsamen Lebensabend verbringen, sanft umgürtet von Kunst und Kultur und anderen Vergnügungen. Theresienstadt als Hollywood-Traumfabrik der SS-Opfer. Dem Traum stand die wahre Geschichte gegenüber wie eine zweite, wahnhaft verworfene Realität. In dieser Realität war Freiheit gleichbedeutend mit dem Tod oder, in negativer Dialektik, der Tod eine beinahe Kirilowsche Form der Freiheit — und das Leben im KZ nur Nichtswürdigkeit, Demütigung, Deprivation. Der Zynismus der Herrschenden wollte es so. Er spiegelte den Menschen im Lager eine Normalität der Gegenwart vor, wusste aber doch zu jedem Zeitpunkt, dass dieser Gegenwart eine Zukunft folgen würde, die Auschwitz hieß. Und doch: Die Menschen in Theresienstadt hofften. Sehnsucht war ihr einziges Prinzip. Sehnsucht nach einem D e u s e x m a c h i n a , der das Grauen beenden und sie befreien würde. Nie war der Satz von der Hoffnung, die zuletzt stirbt, gültiger als in Theresienstadt, Jurek Becker hat das in seinem faszinierend tristen Roman Ja k o b d e r L ü g n e r in triftige Worte gesetzt. Jakob, der Titelheld des Romans, lügt ja nicht, weil er ein schlechter Mensch wäre. Nein. Er lügt, um die Hoffnung sämtlicher Lagerinsassen am Leben zu erhalten. Deswegen ist etwas dran an der These des Historikers H. G. Adler, Theresienstadt sei auch eine Geschichte der Selbstbehauptung des Etwas in einer Negation seiner selbst gewesen. Denn das Etwas habe sich, so Adler, in einem für gewöhnlich nicht erforderlichen Maße Werte verleihen müssen. Je mehr diese Werte verneint worden seien, desto sorgfältiger habe man nach
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t h e ma
ihnen getrachtet. Und genau aus diesem [zureichenden] Grund entstand in Theresienstadt Kunst. Deswegen wurden Gedichte und Theaterstücke und Lieder und Symphonien und sogar Opern geschrieben und aufgeführt. Zugegeben, es war fürwahr ein schauerlicher Karneval, der zudem fast niemandem der Beteiligten ganz zu Bewusstsein kam, dieses Ausgestellt-Werden von Kunst kurz vor und in Gedanken an Auschwitz. Aber es war eben auch die einzige Chance für die Kunstschaffenden, ihrem ausweglosen Leben einen wie auch immer gearteten Sinn zu verleihen; einen Sinn, den das Leben an sich nicht mehr besaß. Und so widerwärtig war diese Welt in jenen Tagen beschaffen, dass es sogar einen feinen Unterschied zwischen den schicksalhaft miteinander verknüpften Konzentrationslagern gab: In Auschwitz herrschte bloße Verzweiflung, und mochte sich die Seele selbst dort noch durch Verwandlungszauber in holde Truggefilde flüchten, so war eine Täuschung der Welt schlechterdings unmöglich. Anders in Theresienstadt. Hier konnte die Illusion wild wuchern, hier überstrahlte die von angstvollen Gefühlen nur gering gedämpfte Hoffnung alles, was sich unter undurchsichtigem Nebel verbarg. Und hier trat buchstäblich hervor, was Nietzsche einst formuliert hatte: Wir haben die Kunst, um nicht an der Wirklichkeit zugrunde zu gehen. Oder wie dichtete ehedem Eichendorff in seiner Mo n d n a c h t : »Und meine Seele spannte / Weit ihre Flügel aus.« Musste es auch tun, als Kultur in der Barbarei, um nicht zu verlöschen. Musste sich ausleben, um den physischen wie psychischen Deformationen, denen jeder KZ-Insasse in ausgesetzt war, etwas entgegensetzen zu können. Wie zum Beleg stürzten sich die Theresienstädter Künstler mit doppeltem Eifer in ihre Arbeit, wenn wieder einmal ein Transport nach Auschwitz abgegangen war — so, als sei nichts Außergewöhnliches geschehen. Das Außergewöhnliche aber war für sie, weit mehr als in ihrer vormaligen bürgerlichen Existenz, c o n d i t i o s i n e q u a n o n ihres Daseins im Warte- und Sterbensraum. Denn um sich von dieser prognostizierten und immer wieder brutal einbrechenden Wirklichkeit abzuschotten, war es — und darin liegt eines der menschenverachtendsten Paradoxa von Theresienstadt — geradezu lebensnotwendig, in den Raum der Kunst zu flüchten. Die Bedingungen dieser Kunst — die im offiziellen Sprachgebrauch mit dem Euphemismus »Freizeitgestaltung« beschrieben wurde — waren bescheiden. Musikinstrumente gab es wenige, und diese wenigen waren in einem wenig rühmlichen Zustand [auch hier wieder der real existierende Zynismus: Sie stammten meist aus jüdischem, durch die Nazis enteigneten Besitz]. Die Künstler nahmen dennoch, was sie kriegen konnten. Einen stark beschädigten Flügel etwa, dem die Beine fehlten, schaffte man in den Turnsaal der alten Schule L 417, stellte ihn auf Holzblöcke, richtete ihn notdürftig her, und dann spielten Professor Bernhard Kaff oder Gideon Klein darauf Werke der deutschen Komponisten Beethoven, Bach und Brahms. Dass Musik auch zum subversiven Element taugte, zeigte sich in jenen Konzertabenden, die mehr oder minder illegal stattfanden. Man traf sich zum Musizieren in unbewohnten Räumen, mal in einer Kanzlei des Gebäudeältesten, einmal sogar in einen Kartoffelschälraum. Das trug nicht selten das Gepräge des Surrealen. Geradezu gespenstisch aber muss die Atmosphäre im »Kaffeehaus« gewesen sein. Dichtgedrängt saßen dort ausgemergelte Gestalten beieinander, vom Lagerleben gezeichnet und doch zum Teil mit leuchtenden Augen, wenn das kleine Orchester anfing zu spielen. Es ist beeindruckend und erschütternd zugleich, welche Werke jüdischer Komponisten von Rang unter diesen Umständen in Theresienstadt entstanden und / oder gespielt wurden, allen voran die Opern D e r K a i s e r vo n A t l a n t i s von Victor Ullmann, D e r g l ä s e r n e B e r g von Franz Eugen Klein und Hans Krásas Kinderoper B r u n d i b a r, die T h e re s i e n s t ä d t e r Sy m p h o n i e von Carlo Taube, ferner Kammermusik der Komponisten Simon Laks, Pavel Haas, Józef Koffler, Sigmund Schul und Gideon Klein. Damit war die Musik aber noch nicht zu Ende. Sowohl Smetanas Ve r k a u f t e B ra u t als auch Opern von Mozart, Puccini und Bizet und sogar Verdis R e q u i e m erlebten in Theresienstadt konzertante [meist vom Klavier begleitete] Aufführungen. Und dann war da noch ein Werk, das erklang, ohne dass jemand dagegen revoltiert hätte. Johann Straußens Operette D i e F l ed e r m a u s. Es gibt darin eine heiter-unbeschwerte Melodie, der Tenor Alfred stimmt sie an, in der mit wenigen Worten die ganze zynische Tragik Theresienstadts beschrieben ist: »Glücklich ist, wer vergisst, / was doch nicht zu ändern ist.« Auschwitz aber lässt sich nicht, niemals vergessen. Fast alle Künstler aus dem »Paradiesghetto«, unter ihnen auch der 14-jährige Honza Treichlinger, der den Brundibar verkörpert hatte, wurden dorthin verschleppt wie Vieh und vergast. So auch Ilse Weber, die Dichterin. Als bekannt wurde, dass die Kinder ihrer Krankenstation deportiert würden, ging sie freiwillig mit ihnen in den Tod. Häftlinge bezeugten, sie habe in der Gaskammer gemeinsam mit den Kindern deren Lieblingslied W i e ga l a gesungen.
— L e t z t e Ta ge . E i n Vo ra b e n d: So lautet der Titel des Musiktheaterprojekts von Christoph Marthaler, das sich einhundert Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit jener Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt und sowohl den Nationalismus von damals wie den aktuellen Rassismus thematisiert. Gewidmet ist das Projekt der aus Nazideutschland vertriebenen Musik. Premiere ist am 2. September 2014. Auch das Musiktheater T h r o u g h R o s e s von Marc Neikrug handelt vom nazistischen Terror. Erzählt wird die Geschichte eines jüdischen Geigers, der auf wundersame Weise Auschwitz überlebt. Premiere ist am 13. Februar 2015 in der Werkstatt des Schiller Theaters.
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Poème de
fotos von jonas unger
l’amour Die Staatskapelle Berlin in Paris
Jonas Unger, geboren in Cuxhaven, lebt in Paris und arbeitet als freier Fotograf u. a. für das ZEIT Magazin, Süddeutsche Magazin, brand eins, Le Monde und The New Yorker sowie für internationale Werbekampagnen. Zahlreiche Persönlichkeiten wurden von ihm portraitiert, darunter Papst Benedikt XVI, Gérard Depardieu, David Lynch und Hans-Dietrich Genscher. Seine Arbeiten wurden u. a. im Fotomuseum in Winterthur und in den Hamburger Deichtorhallen gezeigt. Für das SZ Magazin begleitete Jonas Unger Daniel Barenboim über mehrere Monate und wurde für diese Serie 2013 mit dem Hansel-Mieth-Preis ausgezeichnet. In diesem Sommer hat er die Staatskapelle Berlin und deren Chefdirigent bei ihrer Konzertreise in Paris fotografiert.
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S t aa t s k a p e l l e B e r l i n
—
Generalmusikdirektor Daniel Barenboim vor der Probe im Salle Pleyel
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S t aa t s k a p e l l e B e r l i n
1. Juli Sommerfrische: Die Saison ist beinahe beendet, da rücken Traumbilder näher: Barcelona, Madrid und, ja, Paris, Stadt der Liebe, der Poesie und der Kunst. Das Programm, das wir mit dorthin nehmen, ist anspruchsvoll: zwei Strauss-Tondichtungen, Elgars Zweite, Schuberts Unvollendete sowie das vierte Klavierkonzert von Beethoven. Aber es gibt neben der Musik auch den Fußball. Und Daniel Barenboim liebt beides sehr. Während der Busfahrt zum Hotel kommt die Ansage: »Probenbeginn eine halbe Stunde später«. Jemand mutmaßt, es habe etwas mit dem Fußballspiel Argentinien gegen Schweiz zu tun. Als unser Solo-Trompeter während der Arbeit an Straussens Don Quixote mit seinen Händen das Spielergebnis verkündet (Argentinien hat 1:0 gewonnen), kommentiert das der »Chef« diskret mit einem sanften Lächeln … 2. Juli Konzertstücke: Der erste Auftritt im renommierten Salle Pleyel verläuft großartig. Das Orchester brilliert gleich mit drei her ausragenden Solostreichern: Wolfram Brandl (Violine), Claudius Popp als Don Quixote (Cello) und Felix Schwartz als Sancho Panza (Bratsche). Das Publikum ist begeistert und belohnt sie und uns mit stehenden Ovationen. 3. Juli Kuschelkurs: Weil ein Bustransfer zum Salle Pleyel im vollgestopften Morgenverkehr zu lange dauern würde, steigen wir, um zur Probe zu kommen, in die Pariser Metro. Die Waggons sind so voll, dass man Mühe hat, überhaupt hineinzukommen. Also heißt es Einander-Drücken, Sich-Anschmiegen. Trotz der Überfüllung steigen wenig später drei Musiker samt Miniverstärker zu und rappen die U-Bahn. Wir sind also bestens eingestimmt auf Elgar und Beethoven. Das Konzert selbst ist erneut ein großer Erfolg. Vom Publikum mit frenetischem Applaus verabschiedet, verlassen wir die Seine-Metropole mit leicht wehmütigem Gefühl, aber mit der Vorfreude auf ein Wiedersehen im April 2015.
— Notiert von Katrin Schneider, seit 1990 Bratschistin der Staatskapelle Berlin.
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Was kommt … September 2014 bis Februar 2015
Wiederaufnahmen
Premieren GROSSES HAUS
WERKSTATT
LETZTE TAGE. EIN VOR ABEND (a-preise) Ein Projekt von Christoph Marthaler Inszenierung Christoph Marthaler Musikalische Leitung Uli Fussenegger Premiere 02. SEPTEMBER 2014 03. | 05. | 06. | 07. SEPtEMBER 2014
DES SIMPLICIUS SIMPLICISSIMUS JUGEND (20/15 €) Karl Amadeus Hartmann Musikalische Leitung Adrian Heger Inszenierung Friederike Heller Premiere 27. SEPTEMBER 2014 28. SEPTEMBER 2014 01. | 02. | 04. | 09. | 11. OKTOBER 2014
THE TURN OF THE SCREW (E /D /C-preise) Benjamin Britten Musikalische Leitung Ivor Bolton Inszenierung Claus Guth mit Maria Bengtsson, Richard Croft u. a. Premiere 15. NOVEMBER 2014 19. | 22. | 27. | 30. November 2014 05. DEZEMBER 2014 DER FREISCHÜTZ (E /D-preise) Carl Maria von Weber Musikalische Leitung Sebastian Weigle Inszenierung Michael Thalheimer mit Burkhard Fritz, Dorothea Röschmann, Falk Struckmann, Anna Prohaska u. a. Premiere 18. JANUAR 2015 21. | 24. | 30. JANUAR 2015 05. | 08. FEBRUAR 2015
TAGEBUCH EINES VERSCHOLLENEN | LA VOIX HUMAINE (20/15 €) Leoš Janáček | Francis Poulenc musikalische Leitung Günther Albers Inszenierung Isabel Ostermann Premiere 07. NOVEMBER 2014 08. | 14. | 16. | 22. | 23. NOVEMBER 2014 THROUGH ROSES (20/15 €) Marc Neikrug Musikalische Leitung Felix Krieger Inszenierung Neco Çelik Premiere 13. FEBRUAR 2015 15. | 17. | 20. | 22. | 26. | 28. FEBRUAR 2015
JUNGE STA ATSOPER HANS IM GLÜCK (15/10 €) David Robert Coleman Musikalische Leitung Harry Lyth Inszenierung Julia Haebler Premiere 05. DEZEMBER 2014 06. | 07. | 09. | 10. | 12. | 13. | 14. | 15. | 16. | 20. | 21. | 22. | 27. | 28. DEZEMBER 2014
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CANDIDE (D/C-preise) Leonard Bernstein Musikalische Leitung Wayne Marshall / David Robert Coleman (Dez.) Inszenierung Vincent Boussard mit Leonardo Capalbo, Graham F. Valentine, Anja Silja u. a. 18. | 21. | 26. September 2014 19. | 26. Dezember 2014 FAUST (c-preise) Charles Gounod Musikalische Leitung Leo Hussain Inszenierung Karsten Wiegand mit Marina Poplavskaya, Massimo Giordano, René Pape u. a. 23. | 26. | 29. NOVEMBER 2014 04. | 06. DEZEMBER 2014
Fotos Clärchen und Matthias Baus | Monika Rittershaus | Bernd Uhlig | jonas unger | Arno Declair
TOSCA (E /D-preise) Giacomo Puccini Musikalische Leitung Daniel Barenboim Inszenierung Alvis Hermanis mit Anja Kampe, Fabio Sartori, Michael Volle, Tobias Schabel u. a. Premiere 03. OKTOBER 2014 06. | 12. | 16. | 19. | 22. | 25. OKTOBER 2014
GROSSES HAUS
Ausblick
Sonderkonzert (k-preise) 29. JANUAR 2015 | KONZERTHAUS STA ATSKAPELLE BERLIN DIRIGENT Ton Koopman SOPRAN Anna Prohaska VIOLINE Lothar Strauß | OBOE Gregor Witt
AUS EINEM TOTENHAUS (d-preise) Leoš Janáček Musikalische Leitung Simon Rattle Inszenierung Patrice Chéreau mit Tom Fox, Pavlo Hunka, Ladislav Elgr u. a. 07. | 10. | 13. | 17. | 21. DEZEMBER 2014 MACBETH (G-preise) Giuseppe Verdi Musikalische Leitung Daniel Barenboim Inszenierung Peter Mussbach mit Plácido Domingo, René Pape, Rolando Villazón [ 0 7. | 11. | 15. Februar ], Gaston Rivero, Liudmyla Monastyrska u. a. 07. | 11. | 15. | 19. | 22. | 28. FEBRUAR 2015
Ko nzerte (Au swah l) BENEFIZKONZERT (sonderpreise) zugunsten der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden 31. AUGUST 2014 | PHILHARMONIE STA ATSK APELLE BERLIN DIRIGENT Daniel Barenboim SOPRAN Anna Netrebko BARENBOIM-ZYKLUS I (sonderpreise) 29. September 2014 | PHILHARMONIE KLAVIER Daniel Barenboim Franz Schubert Klaviersonaten II. ABONNEMENTKONZERT (l-preise) 13. Oktober 2014 | PHILHARMONIE 14. Oktober 2014 | KONZERTHAUS STA ATSKAPELLE BERLIN DIRIGENT UND KLAVIER Daniel Barenboim KLARINETTE Jörg Widmann VIOLINE Wolfram Brandl VIOLA Julia Deyneka
LULU (d-preise) Alban Berg Musikalische Leitung Daniel Barenboim Inszenierung Andrea Breth mit Mojca Erdmann, Deborah Polaski, Michael Volle, Stephan Rügamer u. a. 21. FEBRUAR 2015 01. | 07. | 13. MÄRZ 2015 WOZZECK (d-preise) Alban Berg Musikalische Leitung Daniel Barenboim Inszenierung Andrea Breth mit Michael Volle, Marina Prudenskaya, John Daszak, Pavlo Hunka u. a. 27. FEBRUAR 2015 || 06. | 14. MÄRZ 2015
WERKSTATT Wissen Sie, wie man Töne reinigt? Satiesfactionen (30/25 €) Texte und Musik Erik Satie Regie Jürgen Flimm mit Stefan Kurt, Jan Josef Liefers und Klaus Schreiber Klavier Harry Lyth 19. | 20. | 21. November 2014 17. | 18. | 19. Dezember 2014
BARENBOIM-ZYKLUS II (b-preise) 15. Oktober 2014 | SCHILLER THEATER KLARINETTE Jörg Widmann Mitglieder der STA ATSKAPELLE BERLIN KLAVIER Daniel Barenboim | Denis Kozhukhin III. ABONNEMENTKONZERT (k-preise) 17. November 2014 | PHILHARMONIE 18. November 2014 | KONZERTHAUS STA ATSK APELLE BERLIN DIRIGENT Paavo Järvi KLAVIER Maria João Pires
Sonderkonzert (sonderpreise) 17. FEBRUAR 2015 | PHILHARMONIE STA ATSKAPELLE BERLIN DIRIGENT Plácido Domingo tenor Rolando Villazón BARENBOIM-ZYKLUS III (b-preise) 18. Februar 2015 | SCHILLER THEATER VIOLINE Wolfram Brandl | Axel Wilczok VIOLA Julia Deyneka | VIOLONCELLO Claudius Popp KLAVIER Daniel Barenboim
— Repertoire Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (C-Preise) 16. | 23. | 25. | 31. Januar 2015 Die Zauberflöte (D/C-Preise) 23. | 31. Oktober 2014 23. | 25. | 27. Dezember 2014 04. Januar || 13. | 14. Februar 2015 For the disconnected child (43–11 €) 19. | 20. | 21. September 2014 11. | 12. Oktober 2014 22. | 23. November 2014 Schaubühne Il barbiere di Siviglia (D/C/B-Preise) 29. Oktober || 02. | 06. | 08. November 2014 14. | 18. | 20. | 30. Dezember 2014 02. Januar 2015 La traviata (D/C-Preise) 14. | 17. | 20. September 2014 04. Oktober 2014
IV. ABONNEMENTKONZERT (k-preise) 15. Dezember 2014 | KONZERTHAUS 16. Dezember 2014 | PHILHARMONIE STA ATSK APELLE BERLIN DIRIGENT Pablo Heras-Casado VIOLONCELLO Sol Gabetta V. ABONNEMENTKONZERT (L-preise) 03. Januar 2015 | KONZERTHAUS 04. Januar 2015 | PHILHARMONIE STA ATSK APELLE BERLIN DIRIGENT Daniel Barenboim VIOLINE Lisa Batiashvili
Rein Gold (B-Preise) 05. | 10. | 17. | 21. Oktober 2014 Sacre (D-Preise) 14. | 16. | 21. | 28. November 2014 Tristan und Isolde (E-Preise) 11. | 18. | 26. Oktober || 28. Dezember 2014
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J u n g e S t aa t s o p e r
Wanderer
phantasie
Zu schön, um wahr zu sein: das Märchen von Hans im Glück
Sie kennen mich nicht? Das ist nicht weiter schlimm. Ich werde Ihnen erzählen, wer ich bin und was das Besondere an mir ist. Ich bin nämlich ein Glückspilz, und deswegen nennt mich alle Welt nur Ha n s i m G l ü c k . Ein schöner Name, nicht wahr?
ich bald darauf im Graben. Das Schicksal aber meinte es gut mit mir. Gerade als ich da so lag, mit Schmerzen an allen Gliedern, kam ein Bauer mit seiner Kuh des Weges. Als er mein Dilemma sah, schlug er mir einen Handel vor: Pferd gegen Kuh. Ich war darob über die Maßen zufrieden und ritt also auf der Kuh weiter. Als ich sie aber, um meinen Durst zu stillen, melken wollte, erhielt ich zum Dank einen Tritt gegens Schienbein. Ein vorbeifahrender Metzger sagte mir daraufhin, eine solche Kuh könne man höchstens noch schlachten. Und so gelangte ich, wieder im Tausch, in den Besitz jenes Schweines, das er mit sich führte. Ein Bauersbursche, den ich kurz darauf traf, sagte mir dann, das Schwein sei gestohlen, der Dieb würde bereits gesucht. Da nahm ich schnell die Gans, die er mir hinhielt. Mit dieser im Schlepptau kam ich in ein Dorf, wo mir ein Scherenschleifer begegnete. Der hatte von meinen vorteilhaften Geschäften Kunde erhalten und gab mir für das Tier einen Wetzstein. Als ich mich kurz darauf über einen Brunnenrand beugte, stieß ich den schweren Stein versehentlich in die Tiefe. Da dankte ich Gott, dass er mich von diesem Ungetüm befreit hatte, und wanderte weiter, heim zu meiner Mutter. Und wissen Sie was? Ich war in diesem Augenblick der glücklichste Mensch auf Erden. Und eben deswegen nennen alle mich nur »Hans im Glück«. Nur eine Musik, die hätte ich gerne noch. Aber ich habe gehört, dass es diese Musik inzwischen gibt.
Um zu verstehen, warum ich diesen Namen trage, ist es notwendig, meine Geschichte zu verfolgen, von jenem Tag an, als ich beschloss, zu meiner Mutter heimzukehren. Da also sagte ich zu meinem Herrn, dem ich sieben Jahre lang treu und ehrlich gedient hatte, er möge mir meinen Lohn auszahlen. Und was tat der Gute? Er gab mir einen riesigen Klumpen Gold, so sehr hatte er mich in sein Herz geschlossen. Diesen Klumpen nahm ich und schnürte meine Wanderstiefel. Nachdem ich eine Weile über Felder und Auen und staubige Straßen einhergeschritten war, traf ich auf einen wackeren Reitersmann. Im gleichen Moment dachte ich: Wie schön wäre es doch, nicht mehr mühsam einen Fuß vor den anderen setzen zu müssen. Kaum hatte ich diesen Wunsch laut geäußert, bot mir der Berittene einen Tausch an. Er wolle mir sein Pferd geben, wenn ich ihm den Klumpen Gold überließe. Ich überlegte nicht lange und nahm das Angebot an. Was ich freilich nicht wissen konnte: Der Gaul war störrisch, und so landete
HANS IM GLÜCK Oper von David Robert Coleman Text von Rainer O. Brinkmann Musikalische Leitung Harry Lyth | Inszenierung Julia Haebler Premiere 05. DEZEMBER 2014 06. | 07. | 09. | 10. | 12. | 13. | 14. | 15. | 16. | 20. | 21. | 22. | 27. | 28. DEZEMBER 2014 WERKSTATT
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Illustration Boros—Paul Troppmair
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— Impressum Herausgeber: Staatsoper Unter den Linden Intendant: Jürgen Flimm Generalmusikdirektor: Daniel Barenboim Geschäftsführender Direktor: Ronny Unganz Chefredaktion: Jürgen Otten Redaktion: Victoria Dietrich, Chiara Roth, Jens Schroth Artdirektion: Vivien Anders, Judith Gärtner Anzeigen: actori GmbH, lenhart@actori.de Titel: Marina Prudenskaya als Azucena in Il Trovatore, 2013, Foto: Paul Green / www.thepaulgreen.com Druck: Möller Druck und Verlag GmbH, Berlin Redaktionsschluss: 15.07.2014 Änderungen vorbehalten. Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Stiftung Oper in Berlin. Wir haben uns bemüht, alle Urheberrechte zu ermitteln. Sollten darüber hinaus Ansprüche bestehen, bitten wir, uns dies mitzuteilen.
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B e h i n d t h e M a s k lautet der Arbeitstitel einer Portraitserie, die Paul Green, Cover-Fotograf dieses Magazins, 2013 in Kooperation mit der Staatsoper Berlin ins Leben gerufen hat. Eine Auswahl dieser Werke wird erstmals im Rahmen einer Benefizausstellung zu sehen sein. Der Verkaufserlös kommt der Jungen Staatsoper zugute. Das Fotoprojekt zeigt Sänger und Darsteller der Staatsoper in eindrucksvollen Nahaufnahmen — Backstage, nachdem sie sich bereits in die Bühnenfigur verwandelt haben. Die Aufnahmen legen den Blick auf die Vielschichtigkeit frei: Zunächst betrachtet man das makellose Portrait der Figur. Erst beim zweiten, genaueren Hinsehen durchdringt man die Tiefe der Figur und nimmt die Struktur der Verhüllung, die dahinter steckende technische Kunstfertigkeit, die Perücke, das Make-Up, die falsche Narbe wahr. Schließlich schaut man der Figur in die Augen; und die reale Person hinter der Maske wird sichtbar und blickt zurück. Ein Interview mit Paul Green zur Ausstellung finden Sie unter: blog.staatsoper-berlin.de
— Behind the Mask Portraits von ThePaulGreen Vernissage 26. September 2014 | 20:00 Uhr Rainmaking Loft Charlottenstr. 2, Berlin–Mitte Eintritt frei www.thepaulgreen.com
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