Entwurf der Voranschläge 2025 und 2026
Stellungnahme des StRH zu den Voranschlagsentwürfen 2025/2026
Die Voranschlagsentwürfe 2025 und 2026 der Landeshauptstadt Graz sind wirtschaftlich nicht nachhaltig.
Bereits im Jahr 2013 zeigte die Finanzierungs- und Zinsrisikostrategie: Die Stadt Graz konnte sich die laufende Rückzahlung neuer Schulden nicht mehr leisten – und wollte daher möglichst endfällige Finanzierungen aufnehmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste allen Entscheidungsträger:innen klar gewesen sein, dass die Stadt Graz einen strukturellen Reformbedarf hat.
Trotz laufender Warnungen, Hinweise und Empfehlungen des StRH verpasste die Stadt Graz bislang die Chance nachhaltiger Reformen. Sie stützte ihre Liquidität bzw. die Liquidität des Hauses Graz mit
• neuen und zunehmend endfälligen Darlehen,
• Transaktionen mit den Beteiligungen,
• zweckgebundenen Beiträgen der Grazer Bürger:innen sowie
• Verschiebungen von Rückzahlungen bestehender Darlehen.
Piktogramme plausibel teilweise plausibel nicht plausibel
Fotohinweis Cover:
Unsplash/Leonhard Niederwimmer
Impressum:
GZ.: StRH-162650/2024 Graz, 10. Dezember 2024
Stadtrechnungshof der Landeshauptstadt Graz
A-8011 Graz � Kaiserfeldgasse 19
Diesem Bericht liegt der Stand der vorliegenden Unterlagen und Auskünfte bis zum 10.12.2024 zugrunde. Werte sind auf Millionen Euro gerundet.
Die Voranschlagsentwürfe 2025 und 2026 der Landeshauptstadt Graz erfüllen nicht alle Kriterien der Ordnungsmäßigkeit.
Gleichzeitig verlor das Haus Graz immer weiter an wirtschaftlicher Substanz.
Umso heftiger wirkten die Covid-19-Pandemie sowie die Verwerfungen auf den Energiemärkten und ihre Folgeeffekte auf die Stadt Graz. Im November 2022 warnte der StRH, dass die akute Zahlungsunfähigkeit drohte. Vor der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit bewahrten die Stadt Graz nicht Reformen oder eine Aufgabenkritik – sondern inflationsbedingte Steuereinnahmen als Einmaleffekt. Wiederum versäumte die Stadt Graz, ihren Haushalt strukturell zu konsolidieren. Die „Entlastungs- und Einnahmen-Potenzialanalyse des Produkt- und Leistungsportfolios“ („Kommunales Plus“) aus dem Jahr 2024 war aus Sicht des StRH weitgehend ungeeignet, die erforderlichen Einsparungen nachhaltig zu lukrieren.
Unerledigte Hausaufgaben bedrohen nun gemeinsam mit externen Faktoren (Steuerreform, Rezession, etc.) das wirtschaftliche Überleben der Stadt Graz. Das vorgelegte Budget für 2025/2026 zeigt dies.
Die Berichte an den Gemeinderat stellen die finanzielle Situation der Stadt Graz zutreffend dar. Die Finanzund Vermögensdirektion stützte sich bei der Budgetierung auf Erfahrungswerte innerhalb der Stadt Graz. Daher setzte sie einige Positionen vorsichtiger als vorgegeben an.
Die vorgelegte Mittelfristplanung 2027 bis 2030 zeigt, dass aus derzeitiger Sicht kein ausfinanziertes Budget darstellbar ist. Um die Liquidität des Hauses Graz
kurzfristig steuern zu können, schlägt die Finanz- und Vermögensdirektion dem Gemeinderat eine Haushaltssperre in der Höhe von 12 Millionen Euro ab 1. Jänner 2025 vor. Weiters soll der Gemeinderat auch schon mit dem Budgetbeschluss eine allgemeine Haushaltssperre verfügen, sofern die Liquiditätslage der Stadt Graz dies notwendig macht.
Der StRH hat in seiner Stellungnahme die Nachhaltigkeit und Ordnungsmäßigkeit der vorgelegten Voranschlagsentwürfe zu beurteilen.
Die Voranschlagsentwürfe 2025 und 2026 sind wirtschaftlich nicht nachhaltig.
Die Liquidität der Stadt Graz ist bedroht. Darlehen darf die Stadt Graz im Wesentlichen nur für (im Voranschlag vorgesehene) investive Vorhaben aufnehmen. Folglich muss die Stadt Graz alle laufenden Auszahlungen (inkl. Zinsen) sowie die Tilgungen bestehender Darlehen mit ihren laufenden Einzahlungen decken. Die Budgets der Stadt Graz verfehlen dieses Er-
fordernis in den Jahren 2025 (-1 Million Euro) und 2026 (-85 Millionen Euro). Das Land Steiermark gestattet der Stadt Graz, Kassenstärker in Anspruch zu nehmen. Kassenstärker sind kurzfristige Kredite. Sie sollen die Liquidität der Stadt Graz sicherstellen. Der maximale Rahmen liegt – gemäß Interpretation der Finanz- und Vermögensdirektion – per 31.12.2024 bei 104 Millionen Euro. In den Folgejahren reduziert er sich jeweils um rund 5 Millionen Euro. Sobald die Stadt Graz den Rahmen ausgeschöpft hat, steht sie still. Dieser Rahmen der Stadt Graz kann mit Beschluss der Landesregierung auf 180 Millionen Euro erhöht werden.
Die Prognosen zeigen: Für die Stadt Graz (inkl. Eigenbetrieb Wohnen Graz) steht die Ausnutzung des maximalen Rahmens gemäß ihren Planungen bevor. Der StRH sieht die Liquidität der Stadt Graz bedroht.
Das Haus Graz verschiebt die Hälfte der ausgewiesenen Investitionssumme bis nach 2030. Die Voranschlagsentwürfe gehen von Schulden in Höhe von 1.783 Millionen Euro per 31. Dezember 2024 aus.
Aufgrund der Investitionstätigkeit soll der konsolidierte Schuldenstand des Hauses Graz bis 2026 auf 2.044 Millionen Euro und bis 2030 auf 2.590 Millionen Euro anwachsen. Um diese Zahlen zu realisieren, müsste das Haus Graz jedoch rund die Hälfte der geplanten Investitionen verschieben. Führt das Haus Graz die Investitionen (Schulbauten, Straßenbahnen, Unterführungen, Küche Graz etc.) ohne diese Verschiebungen durch, so steigen die Schulden bis 2026 auf 2.571 Millionen Euro und bis 2030 auf 3.561 Millionen Euro. Der StRH sieht die Gefahr, dass die Stadt Graz und das Haus Graz aufgrund hoher Tilgungen ihre operativen Haushalte nicht mehr bestreiten können.
Beteiligungen und Eigenbetriebe verlieren zunehmend an wirtschaftlicher Substanz. Die Zuschüsse der Stadt Graz an ihre Beteiligungen und Eigenbetriebe reichen nicht aus, um deren negative Ergebnisse zu kompensieren. Folglich wird die Substanz dieser Gesellschaften dahinschmelzen. Stark betroffen sind beispielsweise die Holding Graz, die MCG Graz so-
© Adobe Firefly wie die Eigenbetriebe Geriatrische Gesundheitszentren und Wohnen Graz. Der StRH sieht daher das dringende Erfordernis erheblicher Einsparungen bei Beteiligungen und Eigenbetrieben.
Vorliegende Prognosen sind unsicher. Die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung ist ein Risiko: Einzahlungen könnten hinter den Erwartungen bleiben. Gleichzeitig könnten die Auszahlungen über den Erwartungen liegen. Die Voranschlagsentwürfe begegnen den Unsicherheiten mit vorsichtiger Budgetierung und Haushaltssperren. Der StRH sieht das dringende Erfordernis, umgehend alle freiwilligen Leistungen der Stadt Graz zu erheben, zu hinterfragen und zu reduzieren.
Die Voranschlagsentwürfe 2025 und 2026 erfüllen nicht alle Kriterien der Ordnungsmäßigkeit.
Gemäß seiner Geschäftsordnung hat der StRH vom für Finanzen zuständigen Stadtsenatsmitglied
• den Entwurf des Voranschlages sowie
• die vom Gemeinderat zu genehmigenden Wirtschaftspläne
ein Monat vor Beschluss des Voranschlages zu erhalten.
Das Stadtsenatsmitglied verletzte diese Vorgabe. Der StRH erhielt den öffentlichen Link zum Entwurf der Voranschläge erst zwei Wochen vor dem angestrebten Beschluss. Manche Unterlagen, Ausführungen und Berechnungen reichte die Finanz- und Vermögensdirektion auch trotz Nachfrage nicht nach.
Prüfhemmnis
Aufgrund der knappen Zeit konnte der StRH die Zahlen nur oberflächlich betrachten und musste Schwerpunkte setzen.
Zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit und Ordnungsmäßigkeit konnte er nur eingeschränkt Nachweise erheben.
„!“
nach Ansicht des StRH – analog zu den übrigen Nettoergebnissen – optimistisch verzerrt: Die Stadt Graz berücksichtigt – entgegen ihren statutarischen Vorgaben – keine erwartbare Dotierung von Pensionsrückstellungen und keine erwartbaren Aufwendungen aus der Bewertung von Beteiligungen. Durch eine großzügige Interpretation der Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 2015 erhöht sich das geplante Nettoergebnis im Jahr 2025 um weitere 59 Millionen Euro. Der StRH zog daraus zwei Schlüsse:
• Die Vermutung eines Haushaltsungleichgewichts gemäß Haushaltsordnung der Landeshauptstadt Graz ist wahrscheinlich. Ein Zuwarten des für Finanzen zuständigen Stadtsenatsmitglieds zur Erstellung eines Haushaltskonsolidierungskonzeptes bis zum Vorliegen des formalen Erfordernisses wäre nicht ratsam.
• Ein negatives Nettoergebnis ist mittelfristig nicht auszuschließen.
Die vorliegenden Planungen machen eine Überschreitung der maximalen Höhe von Kassenstärkern gemäß Statut der Landeshauptstadt Graz 1967 in Verbindung mit der Kassenstärkeranhebungsverordnung der Stadt Graz erwartbar.
Das Statut der Landeshauptstadt Graz 1967 definiert allgemeine Haushaltsgrundsätze. Demnach hat die Stadt Graz einen Ausgleich ihres Ergebnishaushalts anzustreben. Zudem hat sie ein positives Nettovermögen (Aktiva abzüglich Fremdmittel und Sonderposten Investitionszuschüsse) auszuweisen.
Tatsächlich ist das Nettoergebnis (nach Haushaltsrücklagen) sowohl im Jahr 2026 als auch im mittelfristigen Haushaltsplan bis 2030 durchgehend negativ. Das leicht positive Nettoergebnis des Jahres 2025 ist
Weitere Bemerkungen
Für das Jahr 2025 plant die Stadt Graz, ein neues Darlehen in Höhe von 70 Millionen Euro aufzunehmen und dieses an die Holding Graz weiterzureichen. Der StRH konnte das weitergereichte Darlehen keinem investiven Vorhaben laut Voranschlag zuordnen.
Die Krankenfürsorgeanstalt ist weiterhin nicht in der Lage, ihren eigenen Verwaltungsaufwand zu tragen.
Jüngste Warnungen des StRH
Vorkontrolle des Rechnungsabschlusses 2023 (VRV) – Prüfteil
Grazer Unternehmensfinanzierungs GmbH (GUF)
Vorkontrolle des Rechnungsabschlusses 2022 (VRV) – Prüfteil
Vorkontrolle des Rechnungsabschlusses 2022 (VRV) – Analyseteil
Investitionen in die Daseinsvorsorge
Zustand Haus Graz - Magistrat (3/4)
Zustand Haus Graz (1/4):
Holding Graz und ausgewählte
Tochterunternehmen, Shared Services sowie Wasserversorgung
Was ist nun zu tun?
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Methodik
Die Geschäftsordnung des StRH gibt ihm den Auftrag, zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit des Entwurfs des städtischen Voranschlages sowie zu den vom Gemeinderat zu genehmigenden Wirtschaftsplänen eine Stellungnahme an den Kontrollausschuss abzugeben.
Die budgetäre Lage der Stadt Graz veranlasste den StRH, sich zum Entwurf der Voranschläge 2025 und 2026 zu äußern.
Der StRH legte seine Kontrolle gemäß §8 seiner Geschäftsordnung an. Den Schwerpunkt der gegenständlichen Kontrolle bildete die Frage nach der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit des Budgets der Stadt Graz. Im Speziellen ging das Kontrollteam auf das Kriterium der Ordnungsmäßigkeit der Budgetierung ein.
Im Einklang mit seiner Geschäftsordnung war der StRH berechtigt und verpflichtet, ausreichende und angemessene Nachweise zu erheben.
Die Schlüsse des StRH basieren auf einer Recherche im Buchhaltungssystem der Stadt Graz und auf Korrespondenz mit der Finanz- und Vermögensdirektion sowie dem Sozialamt. Unter anderem zog der StRH die folgenden Unterlagen heran:
Die Stadt Graz (und damit auch das Haus Graz) sind aus Sicht des StRH im wirtschaftlichen Überleben bereits kurzfristig bedroht. Aufgrund der derzeitigen finanziellen Lage erscheint ein unkontrollierbarer Stillstand möglich.
Nach Ansicht des StRH ist eine erhebliche und sehr zeitnah durchzuführende Konsolidierung von Stadt Graz und Haus Graz alternativlos. Dabei ist zumindest ein Einsparungsvolumen von nachhaltig 110 Millionen Euro pro Jahr gegenüber der derzeitigen Mittelfristplanung anzustreben.
Um das Risiko des unkontrollierbaren Stillstandes zu verringern, sieht der StRH das dringende Erfordernis
• einer umgehend beginnenden, vorbehaltlosen Aufgabenkritik und deren Umsetzung sowie
• einer weitgehenden Reduktion der freiwilligen Leistungen.
• Budgetauflage: Voranschlagsentwurf 2025 (öffentliche Einsichtnahme)
• Budgetauflage: Voranschlagsentwurf 2026 (öffentliche Einsichtnahme)
Der StRH führte am 4. Dezember 2024 ein Gespräch mit dem Finanzdirektor der Stadt Graz. Der StRH besprach seine Ergebnisse mit dem für Finanzen zuständigen Stadtsenatsmitglied sowie der Finanz- und Vermögensdirektion am 9. Dezember 2024. Explizit außerhalb der gegenständlichen Kontrolltätigkeit blieb eine Detailprüfung der Zahlen auf planerische und rechnerische Richtigkeit.