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LorettoWald – Mit der Försterin im Gespräch

Loretto Wald

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Naherholungsort, Lebensgrundlage, Arbeitsplatz: Seit 1907 besitzt die Spitalstiftung Konstanz den Lorettowald, seit drei Jahren ist Irmgard Weishaupt (54) dessen Försterin. Bei einem Treffen geht es direkt zu einem Einsatz: Wo WaldbesucherInnen einen naturnahen Waldpfad sehen, entdeckt sie kritische Stellen. Unterwegs erzählt sie von ihrer Arbeit sowie den schönen aber auch ernsten Momenten im Grünen.

Wie kommt man dazu, Försterin zu werden? Als Jüngste von fünf Kindern war die Zeit im Wald die einzige allein mit meiner Mutter. Sie war sehr Wald-affin und schnell wusste ich: Der Wald ist ein Ort, an dem ich sein möchte.

Sind Sie weiterhin gerne im Wald? In den Lorettowald gehe ich privat nicht mehr. Man schaut immer, wo es etwas zu tun gibt. Ein Förster hat mir in jungen Jahren schon gesagt: „Überleg es dir gut, du wirst nie wieder so unbeschwert durch den Wald laufen können. “ Daran muss ich oft denken. Trotzdem versuche ich bewusst innezuhalten und die Stimmung zu genießen, die Vögel zu hören und die Blüten zu bewundern.

Was macht den Lorettowald so besonders? Die alten, mächtigen Bäume, die enorm hoch sind und im Sommer wie ein Kirchendach wirken. Der Lorettowald ist einzigartig. Man erkennt ihn an den vielen, großen Eichen und den stolzen Buchen. Sie sorgen für eine erhabene Atmosphäre im Wald. Er ist von der Innenstadt auch schnell erreichbar. Welche drei Aufgaben erledigen Sie diese Woche? 1. Sturmkontrolle, das nennen wir Verkehrssicherung: Wir sichern zum Beispiel Wege ab und entfernen Äste. 2. Waldpädagogik: Eine Schulklasse begleitet mich durch den Wald und ich erkläre und zeige ihnen das Leben im Wald. 3. Holzerntemaßnahme für Herbst, sprich das Auszeichnen. Ich wähle die Bäume aus, die gefällt werden müssen, damit andere besser wachsen können und solche, die verarbeitet werden können. Zu erkennen ist das später an den typischen neonfarbenen Querstrichen auf den Baumstämmen. Das geht im Frühjahr besonders gut, da man die Baumkronen sehen kann.

Diese drei Gegenstände sind immer mit dabei: 1. Arbeitshandschuhe 2. Mülleimer: Den habe ich im Wald gefunden und nutze ihn jetzt wiederum, um Müll einzusammeln. 3. Sprühdose zum Markieren der Bäume

2Wie sieht nachhaltige Waldwirtschaft im Lorettowald aus? In Deutschland betreiben wir seit 350 Jahren nachhaltige Wald-

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ERLEBNIS-TIPP: Auf der geführten Wanderung mit Försterin Irmgard Weishaupt erleben TeilnehmerInnen den Lorettowald mit allen Sinnen und erfahren Wissenswertes darüber, wie die Zukunft des Waldes vor dem Hintergrund des Klimawandels aussieht. Einfach mal mitkommen! www.konstanz-info.com/natouren

M e n d e m A c h i –M T K F o t o :

1 Irmgard Weishaupt, Försterin im Lorettowald

2 Am Hörnle erstreckt sich der Lorettowald, dessen Bestand sich uberwiegend aus Buchen und Eichen zusammensetzt.

3 Gegen das Waldsterben: Neue Bäume werden gepflanzt oder – noch besser – durch herabgefallene oder angeflogene Samen von umstehenden Bäumen zum Gedeihen gebracht.

nutzung. Das Prinzip haben deutsche FörsterInnen erfunden. Wir achten sehr penibel darauf, dass wir nicht mehr nutzen als nachwachsen kann. Das ist unser ureigenstes Geschäft. Allerdings werden wir vom Klimawandel überrollt: Er zerstört mehr als nachwachsen kann.

Wie sieht die Zukunft des Lorettowalds aus? Wir werden uns verabschieden müssen von Waldbildern wie diesen hier. Die Mächtigkeit von Bäumen wird es, ähnlich zu südlichen Ländern, nicht mehr geben. Die größte Herausforderung für unseren Wald und mich als Försterin ist das Wasser. Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie die Bäume leiden und die Niederschläge ausbleiben. Ganz besonders im Lorettowald. Vor allem die Buchen kommen mit der Trockenheit nicht zurecht. Das sieht man sofort: In der Krone gibt es nur noch dürre Äste. Es fehlt an feinen Ästen. Das ist ein typisches Stresssymptom. Der Wasserdruck reicht nicht mehr, um die oberen Kronenteile in bis zu 40 Meter Höhe zu versorgen – die Reaktion des Baumes ist, dass er oben starke Äste kappt und unten neu austreibt. Das birgt aber eine Verletzungsgefahr für den Waldbesucher. Wir versuchen jeden Baum so lange wie möglich zu halten. An den Hauptwegen, wie der Fontainebleau-Allee, holen meine Baumpflegetrupps trockene Äste ununterbrochen herunter. Daher sieht man sie nicht am Wegesrand.

Was ist Ihr Lieblingsort im Lorettowald? Unten am Seeufer, beim Wasserwerk. Die Kombination aus Wald und See ist extrem schön.

Ihre Wünsche an Menschen im Wald: 1. Aufeinander Rücksicht nehmen und tolerant sowie respektvoll miteinander umgehen. 2. Mülleimer verwenden: Viele laufen vor allem mit ihrem Feierabendgetränk durch den Wald und werfen die Flaschen und Dosen hier weg. Auch Masken und gefüllte Hundekottüten finde ich ständig.

Welches Vorurteil stört Sie? Einige bezeichnen uns Förster als Waldmörder, was mich sehr trifft. Sie haben nicht mehr das Verständnis für die Nutzung der Natur und wünschen sich, dass wir den Wald in Ruhe lassen. Aber das funktioniert nicht. Von Natur aus würde der Wald ganz anders aussehen, man könnte nicht hindurchgehen. Der Rohstoff Holz müsste verstärkter aus dem Amazonas geliefert oder durch Kunststoffe ersetzt werden. Viele suchen in der Natur die heile Welt. Aber die gibt es nicht. Was wir als Wald kennen, ist ein Kunst- und Kulturprodukt.

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