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Konstantin Sigov, Jurij Vestel’
Die ukrainische Orthodoxie und die Vermittlung christlicher Werte In letzter Zeit gab es Anzeichen für verstärkte Vereinigungsbemühungen der drei orthodoxen Kirchen in der Ukraine: Doch obwohl alle drei nach einer einzigen autokephalen Ukrainischen Orthodoxen Kirche streben, sind sie sich über den Weg zum Ziel uneinig und müssen sich gleichzeitig von politischen Vereinnahmungsversuchen distanzieren. Gegenwärtig sind es vor allem orthodoxe Bildungsinstitutionen, die Brücken zwischen den Kirchen, Konfessionen und zur Gesellschaft bauen. – R. Z.
Die Ukraine ist ein Land mit einer reichen geistigen Tradition. Im Gegensatz zur gesamteuropäischen Tendenz ist die Zahl der religiösen Bevölkerung in den letzten zehn Jahren nicht gesunken, sondern sogar von 58 % auf 71 % angestiegen.1 Die größte Konfession in der Ukraine ist die Orthodoxie, auch wenn ihr Anteil gegenüber anderen christlichen Konfessionen in den letzten Jahren etwas abgenommen hat. Wie alle Kirchen in Europa ist die orthodoxe Kirche in der Ukraine heute dazu aufgerufen, auf neue Herausforderungen Antworten zu finden: auf die Säkularisierung, die Entwertung christlicher Traditionen, die drohende Kluft zwischen Glaube und Geisteskultur, die Tendenz, den grundlegenden Unterschied zwischen dem Zeitlichen und dem Ewigen zu verwischen, die – gemäß der Diagnose Dietrich Bonhoeffers – zur Abhängigkeit von den Dingen dieser Welt und zu neuen Formen von «Götzendiensten» führt. Eine erneute Aufmerksamkeit für das erste der Zehn Gebote, das «Prinzip der Divinität», wie es Kardinal Kurt Koch bezeichnet hat, fordert von den Christen viel Mut, Klugheit und Entschlossenheit angesichts der neuen «Götterdämmerung» in Europa.2 Die Spaltungen der ukrainischen Orthodoxie
Der Versuch, die Werte der christlichen Kultur in säkulare, rein pragmatische Prinzipien zu verwandeln, hat in der ukrainischen Orthodoxie eine besondere Situation hervorgebracht: Aus national-politischen Gründen ist sie in drei rivalisierende Gruppen aufgespalten, wovon jede den Anspruch erhebt, das geistige Lebens des Volkes anzuleiten: Erstens die Ukrainische Orthodoxe Kirche – Moskauer Patriarchat (UOK-MP), die ein Glied der Russischen Orthodoxen Kirche ist, und der Metropolit Volodymyr (Sabodan) von Kiew und der ganzen Ukraine vorsteht; zweitens die Ukrainische Orthodoxe Kirche – Kiewer Patriarchat (UOK-KP) mit Filaret (Denisenko), dem Patriarch von Kiew und der ganzen Rus’-Ukraine, als Oberhaupt; und drittens die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche (UAOK) mit Patriarchenstatthalter Mefodij (Kudrjakov) an der Spitze. Allerdings wird als einzige die UOK-MP von den kanonischen orthodoxen Kirchen der Welt als rechtmäßige Kirche anerkannt. Sie verfügt über die größte Anzahl an Gemeinden in der Ukraine, nämlich 11 790. An zweiter Stelle steht die UOK-KP mit 4281 Gemeinden und an dritter Stelle die UAOK mit 1197 Gemeinden. Die traurige Spaltung, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auftrat, beunruhigt sowohl die Gläubigen wie auch den Staat und die Leitungen der orthodoxen Kirchen in letzter Zeit immer stärker. 1996 wurde deshalb der Allukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften geschaffen. Mitglieder des Rats sind alle drei orthodoxen Kirchen, die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche (UGKK), die römischkatholische Kirche, alle wichtigen protestantischen Konfessionen sowie die muslimischen und jüdischen Religionsgemein-
schaften. Der Rat wendet sich immer wieder mit Aufrufen zu Frieden und Solidarität, zu Wohltätigkeits- und Sozialdiensten, zu Religionsfrieden und Maßnahmen zur Stärkung der Moral an die Gesellschaft, die Gläubigen und die Regierung. Zudem hat der Rat an der Erörterung einiger Gesetzesakte mitgewirkt, die sich auf den Glauben und die Moral beziehen – insbesondere am neuen Gesetzesprojekt zur Gewissensfreiheit und den religiösen Organisationen (s. G2W 4/2011, S. 11). Außerdem gehören die orthodoxen Kirchen zusammen mit den wichtigsten protestantischen Gemeinschaften zum Vertreterrat der christlichen Kirchen der Ukraine, der 2003 gegründet worden ist. 3 Die orthodoxen Kirchen haben weitere Schritte unternommen, um die Spaltungen zu überwinden und freundschaftliche Beziehungen zu anderen christlichen Konfessionen und staatlichen Strukturen zu entwickeln. So fand zum Beispiel am 1. Dezember 2011 an der Kiewer Mohyla-Akademie ein Treffen der Oberhäupter der UOK-MP, der UOK-KP und der UGKK mit Vertretern der ukrainischen Intelligencija statt, in Folge dessen ein gemeinsamer Aufruf zur Stärkung der Prinzipien der Liebe, Gerechtigkeit und gegenseitiger Hilfe veröffentlicht wurde, welche den besten Schutz vor politischen und ökonomischen Krisen darstellten. Daraus entstand die «Initiative des Ersten Dezembers» mit weiteren Folgetreffen in demselben Geist.4 Erst vor kurzem, zu Weihnachten 2011/12, ist in Rom auf dem Platz vor dem Petersdom ein Weihnachtsbaum aus der Ukraine aufgestellt worden; dieses Ereignis war ein gemeinsamer Akt von griechisch-katholischen, römisch-katholischen und orthodoxen Gläubigen aus der Ukraine. Die Ursachen der Spaltungen und zwischenkirchlichen Konflikte in der ukrainischen Orthodoxie sowie die Spannungen in ihren Beziehungen zum Staat sind eigentlich dieselben wie die Ursachen für die Krise der christlichen Werte in ganz Europa: der bewusste oder halb bewusste Abschied von den Idealen des christlichen Lebens, die Unwilligkeit oder Unfähigkeit, die christlichen Grundlagen der säkularen Kultur und der bürgerlichen Gesellschaft zu sehen, der Vorrang von Komfort und Wohlergehen vor geistigen Bedürfnissen. Die Spezifik des ukrainischen Falls liegt aber in der tragischen Geschichte eines Volks, das bis 1991 fast nie einen eigenen Staat hatte und als Pufferzone zwischen mehreren rivalisierenden Staaten herhalten musste: Zu dieser Geschichte gehören das Erwachen eines nationalen Selbstbewusstseins Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts innerhalb des Russländischen Imperiums, der kurze Versuch, nach 1917 einen eigenen ukrainischen Staat zu schaffen, der mit der Etablierung der Sowjetmacht ein jähes Ende fand sowie die 70-jährige Herrschaft des totalitären atheistischen Regimes. Heute sind alle drei orthodoxen Kirchen der Ukraine redlich, oder zumindest rhetorisch darum besorgt, Wege der Ver-
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söhnung zu finden (s. RGOW 1/2012, S. 11). Einig sind sie sich vor allem darüber, dass in Zukunft eine einzige autokephale Ukrainische Kirche möglich und wünschbar ist. Den Weg zu diesem Ziel sehen aber alle drei Kirchen anders: Während die UOK-KP und die UAOK sich bereits als autokephale Kirchen betrachten und deren Anerkennung von den anderen orthodoxen Kirchen fordern, so anerkennt die UOK-MP eine Vereinigung nur auf dem Weg der Rückkehr der ‹abgespaltenen› Gemeinden (der UOK-KP und der UAOK). Aus ihrer Sicht kann die Autokephalie ausschließlich auf kanonische Weise erlangt werden – als Gabe von der Russischen Orthodoxen Kirche. Gegenwärtig hält aber die Mehrheit der Geistlichen und Gläubigen der UOK-MP die Frage der Autokephalie nicht für vordringlich. Das Verhältnis zu anderen Konfessionen und zum Staat
Die Einführung des Christentums in die Kiewer Rus’ gegen Ende des 10. Jahrhunderts, auch die «Taufe der Rus’» genannt, geht auf die Verkündigung der byzantinischen Missionare Kirill und Method im 9. Jahrhundert zurück. Gemäß der Überlieferung kamen sie während ihrer Reisen auf der Krim in den Besitz der Reliquien des römischen Papstes Clemens I., der dort Ende des 1. Jahrhunderts in der Verbannung gestorben war. Die Verehrung des Hl. Clemens in der ukrainischen Rus’ kennzeichnet die ökumenische Dimension des Kiewer Christentums: Dadurch ist es nicht nur mit Konstantinopel verbunden, sondern auch mit der römisch-katholischen Kirche. Hier sind auch die Wurzeln der sog. «Kiewer Idee» oder der Idee einer «Kiewer Kirche» zu finden (s. G2W 6/2010, S. 14-15), die bisweilen dem Konzept der «Russischen Welt» als Alternative gegenüber gestellt werden (s. in diesem Heft, S. 22-24). Das Verhältnis zwischen Orthodoxen und Angehörigen der römisch-katholischen. Kirche, die schon lange in der Ukraine leben (vor allem Polen), ist traditionell ausgeglichen. Seit 1992 eine Apostolische Nuntiatur eingerichtet worden ist, sind die Vertreter des Hl. Stuhls erwünschte Teilnehmer an allen bedeutenden kirchlichen Ereignissen der UOK-MP.5 In den seit 1991 höchst angespannten Beziehungen der UOKMP zu der UGKK ist seit einiger Zeit eine erfreuliche Verbesserung zu spüren. Im August 2011 trafen sich die Oberhäupter der beiden Kirchen, Metropolit Volodymyr und Großerzbischof Svjatoslav Schewtschuk, im Kiewer Höhlenkloster, um eine konstruktive Zusammenarbeit im Bereich der Bildung und des Sozialdienstes zu entwickeln (s. RGOW 1/2012, S. 10f.). Im Dezember bekräftigte der Großerzbischof, dass beide Kirchen gelernt hätten, «zum Wohle der Ukraine zusammenzuarbeiten», und dass «konfessionelle Konflikte in der Ukraine der Vergangenheit angehören». Das Zusammenleben mit protestantischen Gemeinden geht bis auf die Reformation zurück. Vor allem der gemeinsame Widerstand gegen den militanten Atheismus der Vergangenheit hat eine enge Verflechtung der christlichen Konfessionen gefördert, insbesondere zwischen Orthodoxen und Protestanten. Heute wächst auch der Wille zum gemeinsamen Zeugnis. Das aktuellste Beispiel dafür ist die Teilnahme von orthodoxen und katholischen Theologen an der hauptsächlich von Protestanten organisierten Konferenz «Forum 20. Zwanzig Jahre religiöse Freiheit und aktive Mission in den postsowjetischen Ländern» und vor allem die Mitarbeit an deren Folgepublikationen.6 Was das Verhältnis zum Staat betrifft, so hat dieses während der gesamten Zeit der Unabhängigkeit der Ukraine die orthodoxen Gläubigen immer wieder beunruhigt. Alle bisherigen Präsidenten der Ukraine befürworteten eine einzige lokale orthodoxe Kirche in der Ukraine, doch vertraten sie verschiedene Wege zum Ziel. Häufig verleitete ein unverhältnismäßiges Streben nach Vereinigung der Kirchen die staatlichen Akteure zu Schritten, die
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Kirche auf dem Areal des Kiewer Höhlenklosters (Lavra) – eines der ältesten orthodoxen Klöster der Kiewer Rus’ (12. Jhd.).
für die Gläubigen unannehmbar waren, wobei versucht wurde, den Kirchen von oben Entscheidungen aufzudrängen, welche die kirchliche Lehre und Kanones verletzen. Dabei tendierten die Regierungen entweder zur Förderung der nationalistisch orientierten Kirchen (vor allem der UOK-KP: Krawtschuk und Juschtschenko) oder der prorussisch orientierten Kirche (UOK-MP: Kutschma und Janukowitsch). Es ist aber wichtig hervorzuheben, dass bei all diesen Tendenzen immer eine unüberwindbare Distanz zwischen Staat und Kirche bestehen geblieben ist, was keiner einzigen ukrainischen orthodoxen Kirche erlaubt, Anspruch auf den Status einer Staatskirche zu erheben. Der Hl. Synod der UOK-MP hat bereits mehrmals eine sog. «politische Orthodoxie» verurteilt, das heißt Versuche, ideologische und politische Losungen (die meist prorussisch, also gegenüber allem Ukrainischen feindlich eingestellt sind) mit der Glaubenslehre oder den Kanones der Orthodoxie in Verbindung zu bringen. Vermittlung christlicher Werte und theologische Bildung
Die Hauptaufgaben der gegenwärtigen Orthodoxie in der Ukraine sind: Christliche Mission in der Gesellschaft und an Bildungsinstitutionen, geistige Aufklärung und Katechese sowie die Entwicklung der Theologie als Wissenschaft und universitäre Disziplin. In der Tat bemüht sich die Kirche seit Beginn der ukrainischen Unabhängigkeit darum, auch wenn die erwähnten zwischenkirchlichen Konflikte, die Spannungen im KircheStaat-Verhältnis wie auch eine gewisse aus der sowjetischen und vorrevolutionären Zeit geerbte Passivität diese Aktivitäten bisher gebremst haben. In der Folge betrachten wir drei gegenwärtige Aktionsbereiche: a) Publikation christlicher Literatur und Massenmedien Einer der größten Herausgeber orthodoxer theologischer Literatur in der Ukraine ist die wissenschaftliche Vereinigung Duch i Litera (Geist und Buchstabe), die 1992 an der Kiewer MohylaAkademie gegründet wurde.7 Hier werden theologische Bücher aus einem weiten humanwissenschaftlichen und ökumenischen Kontext übersetzt und publiziert. Gemeinsam mit dem Hl. ClemensZentrum wird die Serie Bibliotheca Clementina herausgegeben. Zu anderen wichtigen Publikationsprojekten gehören eine Neuauflage der Zeitschrift Trudy Kievskoj Duchovnoj Akademii (Arbeiten der Kiewer Geistlichen Akademie) wie auch die Jugendzeitschrift Otrok vom Hl. Dreifaltigkeitskloster Jona und die philosophisch-theologische Zeitschrift Kojnonija der Universität Charkiv. Zunehmend wichtiger werden auch Internetportale wie die missionarische Website «Kievskaja Rus’» und die Informationsportale «Orthodoxie in der Ukraine», «Religion in der Ukraine» und das «Theologische Portal».8 b) Geistliche und theologische Bildung In der postsowjetischen Epoche sind viele neue orthodoxe geistliche Bildungsstätten, Seminare und Akademien eröffnet worden, und in der letzten Zeit verstärken die orthodoxen Kirchen ihre Bemühungen, den Bildungsprozess dem Bologna-System anzupassen. Für die geistlich-theologische Aufklärung der Gesellschaft ist es aber besonders wichtig, theologisches Wissen
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nicht nur in ausschließlich geistlichen Lehrstätten, die der Priesterausbildung dienen, erlangen zu können, sondern auch in säkularen Institutionen. Bis heute gibt es an den Hochschulen jedoch keine theologischen Lehrstühle und Fakultäten. Einer der interessantesten Versuche, eine Alternative zu bieten und entsprechende Erfahrungen zu sammeln, ist das Kiewer theologische Sommerinstitut, das seit 2003 jährlich stattfindet. Zwei Wochen verbringen Studierende und Lehrende gemeinsam auf dem Gelände einer orthodoxen Gemeinde vor Kiew. Das ökumenisch ausgerichtete Sommerinstitut richtet sich vor allem an Jugendliche, die an orthodoxen geistlichen Institutionen studieren, aber auch an Laien und junge Christen anderer Konfessionen. Es ermöglicht allen Teilnehmenden, das Niveau ihres theologischen Wissens zu erhöhen und Freundschaften über Konfessionsgrenzen hinweg zu schließen. In den Vorlesungen und Seminaren werden diverse Themen behandelt: Theologie und Philosophie, Liturgik und eucharistische Anthropologie, der orthodox-katholisch-protestantische Dialog, Geschichte und Literatur, Kulturologie und Ethik usw. Die Dozierenden des Instituts sind nicht nur bekannte Spezialisten aus der Ukraine, sondern auch aus Russland, Frankreich, Polen, Deutschland, Italien, England und den USA.9 Inzwischen gibt es auch andere missionarisch ausgerichtete Ausbildungsstätten, die Laien zugänglich sind: das Fernstudium der höheren orthodoxen theologischen St. Vladimir-Kurse, die Allukrainische orthodoxe pädagogische Gesellschaft in Kiew und die Theologisch-pädagogischen Kurse der Eparchie Charkiv. In den letzten Jahren sind in der Ukraine entscheidende Schritte eingeleitet worden, um die Theologie an säkularen Hochschulen einzuführen: Die Theologie ist als ein Fach im Bereich der Humanwissenschaften anerkannt worden, in dem Bachelor- und Magisterabschlüsse sowie Dissertationen und Habilitationen erarbeitet werden können. Allererste Erfahrungen gibt es aber erst am orthodox-theologischen Institut in Tscherniwzy und an der Ukrainischen Theologischen Akademie der hl. Kirill und Method in Uschgorod. c) Konferenzen zur theologischen Aufklärung Seit 2001 finden jährlich in Kiew im Herbst die internationalen «Mariä Himmelfahrts-Lesungen» statt, die von Wissenschaftlern aus vielen Ländern besucht werden. Der Austausch gilt theologischen und humanwissenschaftlichen Themen sowie dem christlichen Dienst an der Gesellschaft im Bereich Bildung, Wohltätigkeit und Seelsorge. Die Konferenz dient der Annäherung von Christen aus West und Ost, dem gegenseitigen Verständnis von Vertretern verschiedener Konfessionen, der Zusammenarbeit von Universität und Kirche und der Verbesserung der theologischen Bildung in der Ukraine. Der ökumenische und praktische Cha-
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rakter des Forums ist einerseits ein unersetzliches Instrument zur Überwindung des Isolationismus und Provinzialismus, die das ukrainische kirchliche Umfeld in den vergangenen Jahren auch nach dem Zusammenbruch des Sowjetregimes geprägt haben. Andererseits bietet die Konferenz auch Theologen und Kirchenvertretern aus dem Westen die Gelegenheit, das ukrainische christliche Denken kennenzulernen und die Grundlage für langfristige gemeinsame Projekte zu legen. Die Tagungsbände werden vom Verlag «Duch i Litera» publiziert.10 Ebenfalls jährlich finden die internationalen Lesungen der Abteilungen für Mission und für religiöse Bildung und Katechese des Hl. Synods der UOK-MP statt. Wichtig sind auch die Konferenzen zur Aufarbeitung des nationalen Erbes der religiösen Philosophie und Theologie der Emigration: in den vergangenen Jahren haben zahlreiche Konferenzen zum Werk von Nikolaj Berdjaev, Sergij Bulgakov, Vladimir Losskij, Vasilij Zen’kovskij, Aleksandr Schmeman und Ioann Mejendorf stattgefunden. * Wie alle Christen in Europa sind auch die Christen der Ukraine dazu aufgerufen, die aktuelle Verbindung des «Prinzips der Divinität» und des «menschlichen Prinzips» im Kontext der kirchlichen und staatsbürgerlichen Solidarität neu zu reflektieren. Wie alle Gemeinden der großen christlichen Tradition kämpft die ukrainische Orthodoxie heute mit den Herausforderungen der Gesellschaft, an die das Zeugnis Christi gerichtet ist. In den letzten Jahren hat die Kirche viel getan, doch es steht noch viel Arbeit bevor, um die inneren Spannungen und Spaltungen, aber auch die Isolation von den christlichen Gemeinden im Westen zu überwinden und das kirchliche Leben und die theologische Ausbildung gesunden zu lassen. Die erwähnten Aktivitäten zur Aufklärung der Gesellschaft tragen aber sichtbare Früchte und nähren die Hoffnung, dass es um die Kontinuität christlicher Werte in der Ukraine und in Europa besser steht, als es manchmal scheinen mag. Übersetzung aus dem Russischen: Regula Zwahlen. Anmerkungen
1) Centr Razumkova: http://www.uceps.org/upload/prz_2011 _Rlg_smll.pdf. 2) Koch, Kurt: Kirche ohne Zukunft? Plädoyer für neue Wege der Glaubensvermittlung. Freiburg/Br. 1993. 3) Allukrainischer Rat: http://vrciro.org.ua; Vertreterrat der christlichen Kirchen: http://old.risu.org.ua/rus/major.religions/council_of_christchurches/. 4) http://vlasti.net/news/134800; http://www.radiosvoboda. org/content/article/24422199.html. 5) Sigov, Konstantin: Der Dialog zwischen Christen in der Ukraine: http://www.renovabis.de/sites/default/files/kongressband_13_2009.pdf. 6) http://www.clement.kiev.ua/eng/taxonomy/term/84. 7) http://ru.duh-i-litera.com. 8) Vgl. http://www.kiev-orthodox.org/; http://www.religion. in.ua; http://theology.in.ua. 9) Centr sv. Klimenta «Spilkuvannja i dialog kul’tur» (http:// www.clement.kiev.ua/eng/taxonomy/term/17). 10) http://duh-i-litera.com/category/book-series/assumptionreadings/. Konstantin Sigov, Direktor des europäischen humanwissenschaftlichen Forschungszentrums der Nationalen Universität der Mohyla-Akademie in Kiew.
Teilnehmer der «Mariä Himmelfahrts-Lesungen» 2011 in Kiew. Dritter von links vorne ist unser Autor Konstantin Sigov.
Jurij Vestel’, Wissenschaftlicher Redakteur des Verlags «Duch i Litera».
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