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40 . f erdinand b erthold

(1799 Meißen – 1838 Dresden)

Der Sonntag. Gedicht in sechs Gesängen von Ludwig Bechstein, erfunden und radiert von Ferdinand Berthold

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6 Radierungen. Je ca. 23 x 32,7 cm. Leipzig, Verlag

C. G. Boerner, (1832). Meyers Allgemeines Künstlerlexikon 2–7, Andresen 2–7, je IV.

Ferdinand Berthold war Schüler an der Dresdener Akademie, wo er unter Franz Gerhard von Kügelgen studierte. Eine frühzeitige Krankheit fesselte den Künstler beständig an sein Zimmer, so dass er in erster Linie Autodidakt war und es nur sehr wenige Arbeiten von ihm gibt. Sein Hauptwerk ist zweifelsohne der Graphikzyklus Der Sonntag, der in Anlehnung an die Faustillustrationen von Peter Cornelius entstanden ist und zu dem der Dichter und Altertumsforscher Ludwig Bechstein (1801–1860) erklärende Lieder verfasste. Andresen beschrieb die Folge 1866 ganz im Vokabular des 19. Jahrhunderts als „reiche, schöne und edle Darstellungen aus dem Sonntagsleben einer wohlhabenden, bürgerlichen Familie vom frühen Kirchengang bis zum Abendsegen, im Stil des 16. Jahrhunderts, ebenso wahr charakterisiert als warm, lebendig und poetisch aufgefasst“ (Die Deutschen Maler-Radirer des neunzehnten Jahrhunderts nach ihren Leben und Werken, Leipzig 1866; Bd. I, S. 61f).

Unbestritten handelt es sich um ein druckgraphisches Meisterwerk der deutschen Frühromantik. Die einzelnen Darstellungen bestechen durch eine bemerkenswerte Detailfreude und durch ihre feinsinnige Beobachtungsgabe für das menschliche, erzä hlerische Detail, so dass sich der Betrachter buchstäblich in das Alltagsleben der Lutherzeit zurückversetzt fühlt. Vielleicht hat die durch Krankheit auferlegte innere Immigration den Sinn des Künstlers für das Leben draußen und für menschliche Begebenheiten geschärft. Man folgt der wohlhabenden Bürgerfamilie auf Schritt und Tritt. Auf jedem einzelnen Blatt sieht man die Hauptprotagonisten mit ihrer umfangreichen Kinderschar in unterschiedlichen, realistisch geschilderten Lebenssituationen: vom Kirchenbesuch und andächtigen Zuhören der Predigt bis zur Zerstreuung im Freien, dem Sonntagsbesuch bei einer befreundeten Familie und schließlich dem Abendgebet im häuslichen Kreis. Berthold schildert verklärend eine harmonische, gottesfürchtige und friedliche Welt und thematisiert auf diese Weise die romantische Sehnsucht nach einer längst verflossenen Epoche. Sehr trefflich und humorvoll ist das unschuldige, fröhliche Treiben der Kinder dargestellt, ihr unbekümmertes Agieren verleiht der anmutigen Folge einen ganz besonderen Reiz.

Prachtvolle, herrlich klare und kräftige Drucke mit Rand, wohl auf dem vollen Bogen. Ganz vereinzelt schwach stockfleckig, sonst in vollkommener und unberührter Erhaltung. Jeweils auf einen Untersatzkarton montiert, dort alt bez. „Ferdinand Berthold“. Provenienz: Sammlung Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen; C. G. Boerner, Düsseldorf, Neue Lagerliste Nr. 85, 1986, Nr. 88.

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