Prof. Dr. Klemens Skibicki - Treffpunkt Tourismus 2014

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10 10 DIE (M O BI L E ) S O CIAL M E DIA RE V O L UT IO N: FACE BO O K , T W I T T ER & CO V E RS T E H EN O D E R UNT E RG E H E N!

Die sagenhafte Geschwindigkeit, mit der sich Social Media wie Facebook, Twitter & Co seit rund 10 Jahren ausbreiten, hat dazu geführt, dass Menschen dieses Phänomen nicht mehr ignorieren können, selbst wenn sie als Nutzer außen vor bleiben. Für viele – auch Unternehmen und ihre Führungskräfte – sind dies jedoch oft noch „irgendwelche“ Plattformen im Internet oder „für junge Leute“. Tatsächlich aber handelt es sich um die

tiefgreifendste Veränderung der Kommunikationswelt seit Erfindung des Massendrucks vor 600 Jahren und damit auch der Art wie Märkte funktionieren. Dies zu begreifen fällt naturgemäß vor allem denjenigen schwerer, die noch in der Welt der klassischen Medien mit TV, Radio, Print oder dem „alten E-Mail Internet“ groß geworden sind und dabei „nichts vermissen“. Für private Bereiche mag ein Verständnis und die Tragweite der Vor-

gänge nicht unbedingt notwendig sein, für Unternehmen und Institutionen aller Art ist es jedoch elementar wichtig zu verinnerlichen, dass und wie sich die Rahmenbedingungen aller Branchen massiv und nachhaltig verändern. Kunden sind jetzt König – nicht, weil Unternehmen sie so behandeln, sondern, weil sie jetzt die Macht dazu haben!

Auf das Wesentlichste reduziert haben Menschen über Social Media Zugriff auf die Nachrichten in Form von Text, Bildern oder Videos von anderen Menschen, mit denen sie sich selbst verknüpft haben oder diesen einfach nur folgen. Auf diese Botschaften kann man wiederum reagieren, in dem man einfach nur den „Like-Button“ drückt – also sein Gefallen ausdrückt, einen Kommentar verfasst oder die Nachricht mit einem Klick

Fotos: vege – Fotolia.com, Convidera

Von Klemens Skibicki


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an die eigenen vernetzten Freunde weiter- men wie Holidaycheck oder Tripadvisor beleitet. Im Prinzip ist dies nichts anderes als gonnen. Der gewaltige Unterschied zu heudas, was immer schon auf Schulhöfen, Gar- te bestand jedoch darin, dass Kunden vor tenparties oder beim Abendessen stattfand: wenigen Jahren meist noch auf stationäre Menschen führen Gespräche untereinan- Computer angewiesen waren und folglich der. Und dennoch handelt es sich hierbei vor allem in der Suchphase eines Urlaubs auf um eine Revolution, die die Kräfte auf allen die Bewertungen Rücksicht nahmen. Diese Märkten verschiebt und neue Risiken aber waren auch wertvoll, denn sie kamen nicht genauso Chancen eröffnet. Zum einen liegt vom Anbieter, sondern von der gleichen der Sprengstoff darin, dass Menschen sich ja Marktseite. Dennoch waren sie mit Vorsicht nicht nur über Trivialitäten wie das Wetter zu genießen – entweder, weil der Urlauber oder den neuesten Nachbarschaftsklatsch nicht sicher sein konnte, ob die Bewertung unterhalten können, sondern eben genauso echt war oder weil dieser andere Kunde eiMeinungen zu Produkten und Marken aus- nem nicht ähnlich genug war als dass wirktauschen. In der Zeit vor Social Media und lich relevante Hinweise herauskamen. Erst Smartphones war man, wenn es um Emp- das Social Web mit dem massenhaften Zufehlungen aus dem eigenen Bekanntenkreis lauf zu Facebook & Co brachte einem Kunging, auf die wenigen Leute beschränkt, die den mehr Sicherheit, dass die Empfehlungen gerade vor Ort waren, oder die paar die man relevant wurden. Zwar kann man auch hier noch zusätzlich angerufen hat. Diese Grenze Fake-Profile anlegen, die sind aber leichter zu entlarven und die ist heute aufgehoben meisten Menschen und die Gespräche Unternehmen müssen sich mit können unbeschränkt dem Umstand auseinandersetzen, verknüpfen sich ja mit Menschen, die sie divon Raum und Zeit dass ihre Kunden jetzt immer mit denen geführt rekt oder wenigstens und überall Zugriff haben auf die werden, die man sich über mehrere Ecken Meinung von anderen, denen sie selbst auswählt. Der kennen. Die SmartUnterschied zu den mehr vertrauen und denen sie im phones wiederum haTipps der eigenen Be- Zweifelsfall lieber zuhören. ben diese Information kannten im Vergleich überall verfügbar gezu den „Verbraucherinformationen“ der macht – also nicht nur an wenigen TouchFirmen ist so simpel wie unschlagbar: Be- points einer Customer Journey, sondern perkannte empfehlen einem nur das Produkt, manent. Folglich greifen Vorstellungen eines von dem sie überzeugt sind, dass es gut ist. Multi-Channel oder Verbindungen zum KunSie lassen sich nicht von Unternehmen kau- den vor allem im Vorfeld einer Buchung viel fen oder durch noch so hohe Werbebudgets zu kurz. überreden, denn sonst riskieren sie ihr „soziales Kapital“, also die Freundschaft. Firmen Empfehlungsmarketing war immer die wollen einfach nur verkaufen und erzählen wirksamste Form des Verkaufens – das deswegen ziemlich viel. Aus diesem Grund muss man nutzen! haben Menschen immer schon den eige- Genau hier liegen die Chancen für den Tounen Bekannten mehr vertraut – nur hatten rismus, allen voran die der Destinationen! sie früher meist diese wichtigen Informatio- Wenn Menschen die wichtigsten Quellen von nen nicht zur Verfügung, heute über Social Informationen bezüglich einer KaufentscheiMedia und mobiles Internet aber praktisch dung sind, dann kann und muss man das immer. Dies bedeutet, Unternehmen müssen nutzen, um im Kommunikations-Mix neu zu sich mit dem Umstand auseinandersetzen, priorisieren und effizienter zu verknüpfen. In dass ihre Kunden jetzt immer und überall kaum einem anderen Markt wäre dies besser Zugriff haben auf die Meinung von anderen, möglich als im Tourismus: Menschen lieben denen sie mehr vertrauen und denen sie im ihren Urlaub und darüber zu sprechen – über Zweifelsfall lieber zuhören als jeglicher an- kein anderes Thema wird nachweislich so viel bietergesteuerter Kommunikation – eine auf Facebook gesprochen wie über Reisen Marktmachtverschiebung hin zum Kunden und Urlaub! Zudem haben nur in wenigen sondergleichen, denn gegen die Meinung Branchen Anbieter die Chance, ihre Kunden der Freunde und Bekannten kommt keine so viel Zeit während des Konsums zu begleiten, zu beobachten oder mit ihnen zu interWerbung an! agieren. Dies bietet viele Möglichkeiten, sie als die glaubwürdigste Informationsquelle Wenn nicht der Tourismus, wer dann? Gerade im Tourismus hat diese Veränderung für deren Soziale Netzwerke einzubinden. schon früh durch Hotelbewertungsplattfor- Um diese Chancen zu realisieren erfordert

es jedoch anderer Schlüsselkompetenzen als Im Social Web tragen Nutzer Angebote dann im vordigitalen Zeitalter. Zuallererst muss die in ihre Gespräche, wenn diese ihnen helfen selbst gut auszusehen. technologische InfraTolle Locations, ein postruktur vor Ort als Menschen lieben ihren Urlaub sitives DestinationsGrundvoraussetzung und darüber zu sprechen – Image und Inszenieauf dem allerneuesüber kein anderes Thema wird rungsmöglichkeiten vor ten Stand sein – die nachweislich so viel auf Facebook Ort sind dafür genauso Verbreitung von Bilbeste Voraussetzungen dern und Videos im- gesprochen wie über Reisen genau wie Erfahrung in mer und überall darf und Urlaub! hervorragendem Service einfach nicht an geringen Bandbreiten oder hohen Kosten für von netten Menschen. Diese Schätze sind in den Kunden scheitern. Neben der Möglich- vielen Destinationen gegeben, man muss sie keit zum Einbinden muss aber die Motivation nur heben! der Gäste – also deren Psychologie – verstanDen Vortrag von Klemens Skibicki den und bedient werden. Dies hat ziemlich finden Sie zusammengefasst hier: wenig mit der klassischen Art des Marketing www.steiermark.com/b2b/tt2014 zu tun, wo man die eigenen Produkte statt (ab Fr., 17. Oktober 2014) seine Kunden möglichst gut aussehen lässt.

PROF. DR. K LEMEN S SK I BI CK I Prof. Dr. Klemens Skibicki (Jahrgang 1972) 72) üspromovierte nach seinen Diplomabschlüssen in BWL und VWL an der Universität zu er. Köln am gleichen Ort 2001 zum Dr. rer. eit pol. im Fach Wirtschaftsgeschichte. Seit ar2004 ist er Professor für Economics, Margketing und Marktforschung an der Cologne Business School in Köln. ng Neben der wissenschaftlichen Forschung itzum Online-Marketing beginnt er als Mitur gründer der Internet-Beratungsagentur erBrain Injection in Köln 2006 seine unternehmerische Tätigkeit in diesem Themenfeld. Später kommen der Betrieb eigener Internetplattformen und Engagements als Business Angel oder Investor in digitalen Start-ups sowie die Unternehmensberatung Convidera hinzu. Die Convidera GmbH begleitet heute mit rund 30 Beratern von den Standorten Köln und Düsseldorf aus Unternehmen vom DAX-Konzern bist zum Mittelständler auf dem Weg der digitalen Transformation der ganzen Wertschöpfungskette. Die Ergebnisse aus Forschung, Unternehmensberatung und eigenen Web-Projekten münden zwischen 2006 und 2011 in der Veröffentlichung von sechs Büchern zu den Themen digitaler Strukturwandel und Social Media.

Forschung und Beratung führt Skibicki seit Anfang 2010 als wissenschaftlicher Direktor und Mitgründer des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet (DIKRI) an der Cologne Business School zusammen. Seit Januar 2013 ist er Kernmitglied des Beirates „junge digitale Wirtschaft“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Im Juni 2014 folgte mit der Berufung in den Digitalbotschafter-Kreis des Wirtschaftsministers Nordrhein-Westfalen im Bereich „Corporates“ eine weitere Tätigkeit in der wirtschaftspolitischen Politikberatung. www.convidera.com skibicki@convidera.com


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