F.G.Messenbaeck - Ausstellungen IOS

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AUS STEL LUN GEN PHOTOGALERIE

KRANKENHAUS SCHWARZACH

2006 � 2009

F. G. MESSENBAECK



PHOTOGALERIE KRANKENHAUS SCHWARZACH Ausstellungen 2006 − 2009

F. G. MESSENBAECK



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ÜBER CHIRURGIE UND ÄSTHETIK

Bilder spielen in der Chirurgie eine zentrale Rolle, denn ohne anatomisches Vorstellungsvermögen und ohne bildgebende Diagnostik sind Planung und exakte Durchführung der operativen Behandlung undenkbar. Ästhetisches Empfinden, detailgenaues Vorgehen und saubere Operationstechnik verhelfen dem Chirurgen zu besserer Übersicht im Operationsfeld, vermeiden Blutverlust, verringern die Komplikationsrate und schaffen somit die Voraussetzung für ein zufriedenstellendes funktionelles und kosmetisches Ergebnis ‒ Faktoren, die letztendlich dem Patienten zugute kommen. Auch Photographie ist ein technischer und zugleich kreativer Prozess. Die Übertragung der aus der Chirurgie gewohnten und praktizierten Präzision auf die photographische Tätigkeit begünstigt eine Standardisierung der Arbeitsweise. Seit 1984 beschäftige ich mich intensiv mit dem Medium Photographie. Nach und nach entstanden dabei u.a. Serien über englische Kathedralen, über die Hebriden und Neuseeland. Beide Themen, Chirurgie und Photographie, bestimmen so seit nunmehr über zwei Jahrzehnten meinen Lebensweg und beeinflussen sich in starkem Maße gegenseitig. Photographie bewirkt Entspannung und Rekreation von chirurgischen Anforderungen und liefert gleichzeitig wichtige Impulse für das medizinische Betätigungsfeld. Wie wichtig ästhetisches Vorgehen für die operative Medizin ist, zeigt sich am deutlichsten in der Entwicklung bzw. Modifizierung neuer und narbenvermeidender Methoden. So nimmt die Abteilung Chirurgie Schwarzach weltweit eine führende Position auf dem Gebiet der endoskopischen Schilddrüsenoperation ein. Eingriffe an der Schilddrüse gehören zu den am häufigsten durchgeführten chirurgischen Operationen. Die Hauptgründe dafür sind meist Knotenbildungen unterschiedlichster


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Größe. Um exakt bestimmen zu können, ob ein Knoten gutartig oder bösartig ist, müssen auch kleine Knoten chirurgisch entfernt werden. Dafür wird in der Regel ein Hautschnitt verwendet, der an gut sichtbarer Stelle im vorderen Bereich des Halses zu liegen kommt. Bei Problemen der Wundheilung können kosmetisch ungünstige Verhältnisse in einem Körperbereich entstehen, der den Blicken anderer direkt preisgegeben ist. In Schwarzach werden kleine Knoten unter videoendoskopischer Sicht über drei kleine Stiche operiert. Wie auch bei anderen „Schlüssellochoperationen“ besteht so bei Eingriffen im Halsbereich die Option auf bessere Kosmetik in Bezug auf Wundgröße, Wundlage und Schonung der Haut. Chirurgie ist mehr als der operative Eingriff in den Körper, und Photographie ist mehr als das Abbilden von Objekten. Beide Disziplinen verlangen nach Gesetzmäßigkeiten und nach harmonischem Einsatz von Technik und Kreativität. Regelmäßige Ausstellungen in der speziell dafür ins Leben gerufenen Photogalerie und die Gestaltung von Jahreskalendern sollen diesen Zusammenhang aufzeigen und helfen, den Stellenwert ästhetischer Werte auch im Bereich der Chirurgie erkennbar zu machen. F. G. MESSENBAECK, Oktober 2009


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ZEITLOS 12. Oktober 2006 bis 14. Jänner 2007

Photographische Aufnahmen spiegeln einen schmalen Ausschnitt von Raum und Zeit wider, denn dem Menschen hinter der Kamera gelingt es lediglich, subjektive Beziehungen zwischen Inhalten, Formen, Strukturen, Tonwerten, dem eigenen Blickwinkel und den eigenen Empfindungen herzustellen. Der Faktor Licht spielt dabei eine entscheidende Rolle, viel mehr aber noch die Dimension Zeit, geht es doch darum, Flüchtiges, nur für einen kurzen Zeitraum in dieser Weise Vorhandenes sowie in der Vielfalt der visuellen Eindrücke Verborgenes oder seit Jahrtausenden Bestehendes zu erkennen und in Form einer zweidimensionalen Abbildung zu materialisieren und für andere sichtbar zu machen.



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Zwischen freier Arbeit und professioneller Auftragserfüllung besteht ein Unterschied wie zwischen der Lust am gemütlichen Wandern um des Wandern willen und der Vorgabe nach schnellstmöglicher Erreichung eines Zieles. Die Erfahrung zeigt, dass die besten Bilder am Wegesrand liegen. Was immer ich ablichte, es handelt sich um Resultate von Entdeckungen auf realen und auf Gedankenreisen, die ein Gefühl von Dauerhaftigkeit im Fluss und von Flüchtigem im Bestand vermitteln. Manche Szenerien oder Ansichten erinnern an Bekanntes und Geläufiges und rufen so bestimmte Reaktionen in uns hervor. Ein Ziel meiner photographischen Arbeit ist es, die Existenz von Ästhetik und Struktur in scheinbar Chaotischem zu beweisen. Die entsprechenden Eindrücke tauchen meist unerwartet auf, an verschiedenen Orten und bei vielfältigen Gelegenheiten. Solche „visuellen Geschenke“ sind Erlebnisse, verfügbar für jeden, der bereit ist, die Welt um ihn mit offenen Augen und unvoreingenommenem Geist zu betrachten, für jeden, der nicht nur „schauen“, sondern auch „sehen“ will. Ein gewisses Maß an Anstrengung und Übung bildet die Voraussetzung, um eigene Bilder zu gestalten ‒ sei es in Gedanken oder auf Papier. Auch das Los-

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lösen von eingefahrenen, durch die Einflüsse von anderen geprägten Seh- und Sichtweisen scheint empfehlenswert. Fest steht, dass jeder Photograph mit künstlerischem Anspruch mit seinen Bildwelten Teile seines Innersten preisgibt und so ‒ ähnlich wie ein Komponist ‒ ohne Worte und ohne Sprachbarrieren zu kommunizieren vermag. Photographische Betätigung bedeutet Teilnahme an und Vermittlung von Sterblichkeit und Verletzlichkeit, aber auch an Wandel und Neubeginn. Durch das Aufzeigen und Festhalten eines einzigartigen Momentes bezeugt eine Photographie das unerbittliche Verfließen der Zeit. Sie gibt einen kurzen Augenblick wieder, präsentiert aber auch seit Tausenden von Jahren Bestehendes. Dieses Portfolio thematisiert Erscheinungen, die sich über den Faktor Zeit erheben, sei es durch die immer wiederkehrende Abfolge rhythmischer Veränderungen wie Wind und Wolken, Ebbe und Flut, sei es durch das unaufhörliche Fließen des Wassers oder durch die statische Beharrlichkeit eines einzelnen Steins ‒ Inbegriffe irdischer Zeitlosigkeit. Es ist der Versuch, mit einer anderen, uns fremder werdenden Wirklichkeit Kontakt aufzunehmen, Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen zu fühlen und auf den Bruchteil einer Sekunde komprimiert auf Film zu bannen ‒ begleitet vom Wissen, jeweils nur einen winzigen Anteil von Raum und Zeit zu erfassen, bestimmt von eigenen Gedanken, Erfahrungen, Vorstellungen und Gefühlen.

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GESTERN 20. April bis 15. September 2007

Das Bild und die Vergangenheit

Als retrospektiv erzählendes Medium wendet sich Photographie einem Augenblick der Gegenwart zu, um Vergangenes bildhaft darzustellen. Seit Bestehen dieser Aufnahmetechnik werden unsere Erfahrungen und unser Weltbild damit auch von Bilddokumenten bestimmt, photographiert zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten. Historie und Wirklichkeiten außerhalb des eigenen Horizontes werden maßgeblich von öffentlichen, aber auch privaten Photographien geprägt, die somit als wertvolle Informationsquellen dienen.



GESTERN

Auf Photomaterial Gebanntes ist gewesen und unwiderlegbar. Photographien haben bewahrenden Charakter, sie sind Zeitzeugen und Vermittlungsmedium im Kontext der kollektiven Erinnerung. Die Sprache der Photographie ist eine präzise Wiedergabe in dem Sinne, dass sie sichtbare Dinge wie Formen und Konturen erhält. Sie tritt damit in Diskurs mit anderen Quellen der Bildvorstellung, mit Gedächtnis-, Imaginations-, Kunst- und Sprachbildern, die konstruierte Kombinationen erschaffen. Durch die Art seiner Entstehung ist ein photographisches Bild jedoch aus dem Zusammenhang gelöst. Es isoliert Augenblicke, isoliert sie aus einem Kontinuum von Erscheinungen. Photographien sind somit Fragmente, sind nur Teile der Wirklichkeit, deren Ergänzungen sich aus den Erinnerungen und Erfahrungen des Betrachters ergeben. Photographie ist ein Medium, das besagt, dass etwas „da war“, nicht, dass es „da ist“. Gerade dieses Raum-Zeit-Verhältnis ermöglicht andere Ebenen und Dimensionen des Sehens und eröffnet, abhängig von Erfahrungen und Erlebnissen, Spielräume für eigene Interpretationen und Ergänzungen. Durch die

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enge Beziehung zwischen erstarrter Vergangenheit, der Gegenwart der Bilder und der Gegenwart des Betrachters entsteht ein interaktiver Prozess. Jeder Augenblick wird eingerahmt von einer Geschichte davor und einer Geschichte danach. Aus dem Zusammenhang gerissen ist die Photographie offen für unterschiedliche Deutungen. Die Realität liegt weniger im Bild selbst, sondern vielmehr im Kontext, in den das Bild gestellt wird. Das photographische Bild verlangt nach einer Bedeutungszuweisung. Es kommt darauf an, von welchem Standpunkt aus man es betrachtet, vom heutigen oder geprägt durch historische (Selbst-)Erfahrung. Daraus ergibt sich entweder eine Momentbetrachtung oder ein Teil einer ‒ auch imaginären ‒ Bilderfolge. Der photographische Prozess ist unausweichlich an etwas Vorhandenes, an etwas Gegenwärtiges, an ein bestimmtes Objekt gebunden. Dieses Objekt (Motiv, Situation) hält er fest. Photos führen zu einem Gegenstand hin, zu ihrem Motiv. Den Betrachter verleitet dies dazu, anstatt des Bildes nur den Gegenstand zu betrachten. Wenn Blick und Geist an der Oberfläche haften bleiben, wird der große Raum für ergänzende Erfahrungen oder Interpretationen übersehen. Jedes Bild hat ein Davor, ein Dahinter und ein Außerhalb. Löst man sich erst vom Objekt, bietet sich viel Raum für Gedanken und Schlussfolgerungen.

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Die Bilder dieses Portfolios versuchen im Kleinen, was im Großen zum Thema Vergangenheit und Erinnern bereits realisiert wurde. Sie sind in Räumen entstanden, die durch Abtragung und Wiedererrichtung den Zähnen der Vergänglichkeit entrissen und ins Heute gerettet wurden. Andere sind in der dargestellten Form bereits nicht mehr existent und somit Einzelstücke für (persönliche) Erinnerungen, rechtzeitig photographisch konserviert. Das Salzburger Freilichtmuseum, hier entstand der Großteil der Bilder, ist ein weitläufiges, jedoch überschaubares Areal mit baulichen Zeitzeugen aus der Vergangenheit unseres Lebensraums. Das Gestern begegnet einem sowohl im Großen als auch in zahllosen Details, wird erlebbar und spürbar. Um dem Zeitcharakter zu entsprechen und um die Patina zu bewahren, wurde ausschließlich unter natürlichen Lichtverhältnissen photographiert, meist in dunklen Räumen, die Motive von minimalem Licht durch winzige Fenster beleuchtet. Alle Gegenstände wurden wie vorgefunden belassen, graphisch komponiert wurde nur mittels Ausschnitt und Perspektive. Es war eine reizvolle Herausforderung, die vorhandenen Lichtverhältnisse und die gegebenen Kontraste zu bewältigen, um dem Zeitcharakter der Motive zu entsprechen. Die dunklen Beleuchtungssituationen erforderten, den Verschluss bis zu 10 Minuten offen zu halten, um das Bild auf Film zu bannen. Zehn Minuten, in denen nicht nur für das Motiv, sondern auch für die Kamera und den Photographen die Zeit stillstand, Zeit, die für zehn Minuten der Vergangenheit entrissen wurde.

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BLICKE 25. Jänner bis 13. April 2008

Das Abbilden von Menschen zählt zu denn spannendsten Bereichen der Photographie mit hohen Anforderungen an den Photographen. Im Gegensatz zu Architektur und Stillleben geht es – noch mehr als in der Landschaftsphotographie – darum, im richtigen Augenblick zu reagieren. Neben formalen Erfordernissen wie Beleuchtung, Bildkomposition und Position im Raum sind es gerade die flüchtigen Erscheinungen und Regungen in Mimik, Gestik und Blicken, die eine Aufnahme, das Portrait, interessant und einzigartig erscheinen lassen.



BLICKE

Im Gegensatz zur flüchtigen Darstellung menschlicher Gesichter wie Schnappschuss und Momentaufnahme setzt das Portrait in klassischer Form ein dialogisches Verhältnis zwischen dem Menschen vor der Kamera und dem Photographen voraus. Verhalten, Vorgang und Ergebnis werden von beiden mitbestimmt. Beide haben unterschiedliche Ambitionen für das Bild. Das Resultat ist eine Balance zwischen der Suche nach der Identität des Portraitierten und den Vorstellungen des Photographen. Durch unterschiedliche Formen der Inszenierung und durch die Führung des Lichtes im Studio bezieht natürlich der Photograph seine eigene Position.

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Jede Sitzung beinhaltet einen Lernprozess, sowohl für den Portraitierten als auch für den Photographen. Letzterer hat über die Platzierung der Kamera, die Distanz zum Subjekt, über den Raum um die Figur und über die Wahl des Objektives zu entscheiden. Gleichzeitig beobachtet er, wie sich sein Gegenüber bewegt, reagiert und welche Ausdrücke sich in dessen Gesicht widerspiegeln. Das Modell muss lernen, sich mit dem Photographen und seinem Apparat in Beziehung zu setzen und mit dem Photographen durch die Kamera zu kommunizieren. Anders als bei der Indiskretion einer Momentaufnahme eines oft überwältigten oder ertappten Gegenübers ist hier Vertrautheit für den Moment der Sitzung die Basis für ein zufriedenstellendes Resultat. Portraitphotographie ist visuelle Kommunikation. Nicht nur zwischen Portraitiertem und Photograph, sondern auch zwischen resultierendem (Ab-) Bild und Betrachter. Auch bei konzeptionellem Vorgehen zeigen die Bilder flüchtige Augenblicke, manche wie zufällig eingefangen. Der Photograph ist darauf bedacht, etwas zu schaffen, was nicht eine belanglose Reproduktion, ein Werk aus Routine oder Zufall ist, sondern ein überzeugendes und verständnisvolles Abbild, ein Intimportrait. Es ist nicht sein Ziel, Wahrheit zu enthüllen oder die letzte Schicht zu durchdringen, nur sein Interesse, die Essenz, ein Geheimnis der Persönlichkeit oder des Charakters einzufangen. Für den Betrachter ergibt sich oft die Illusion, in das Privatleben des Portraitierten blicken zu können. Doch auch hier existiert Wahrheit nicht im Singular. Es gibt ebenso viele Wahrheiten, wie es Mikro-Augenblicke gibt, die die Existenz eines Individuums ausmachen. Eine Persönlichkeit ist zu vielschichtig, um sie in einem einzigen Bild festzuhalten. Die in der Ausstellung „Blicke“ gezeigten 30 Portraits stehen repräsentativ für über 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses Schwarzach. Weder vor noch hinter der Kamera wurde aus professionellen oder kommerziellen Überlegungen agiert. Das schuf die Basis für freiwilliges und ungezwungenes Tun, das eines zum Inhalt hat: das Interesse am Gegenüber. Sowohl Portraitierte als auch der Photograph sind Mitarbeiter des Krankenhauses, eine Institution in einer Größenordnung, die dazu verleitet, den Einzelnen in Funktionsgruppen zu anonymisieren. Um die einzelnen Persönlichkeiten aus dem beruflichen Alltag herauszunehmen, aus der Anonymität freizustellen und ihre Individualität zu betonen, wurden bewusst puristische Stilmittel gewählt: Schwarz-Weiß-Technik, dunkler Hintergrund, unaufdringliche Kleidung, ein Sessel. Durch die Isolierung aus der Umwelt werden die Photographierten symbolisch für sich selbst.

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Dadurch erfolgte auch eine Reduktion auf das Wesentliche – auf das Gesicht und letztlich auf die Augen. Bewusst wurde für diese Portraitserie der direkte Blick gewählt. Obwohl vieles konzeptionell vorgegeben war, ergaben sich Intensität und Ausdruck überraschend, zufällig aus der Kommunikation heraus. Vor allem durch den Blick in die Kamera wird der Betrachter dazu gezwungen, sich neben der Betrachtung der Oberfläche des Gesichtes mit einem Teil der Persönlichkeit seines „Gegenübers“ direkt auseinanderzusetzen ‒ der Betrachter muss sich dessen Blick stellen. Der Photographierte überlässt sich weder der Kamera noch dem Betrachter. Die einzelnen Sitzungen waren jeweils auf circa 30 Minuten begrenzt. 107 mal 30 Minuten, die dazu genutzt wurden, um Kommunikation aufzubauen, die Beleuchtung individuell zu setzen, im Sucher der Kamera das Bild zu komponieren, Ausschnitte zu wählen, auf Körperbewegungen zu reagieren, Details fortwährend zu korrigieren und dann in angenehmer Gesprächsatmosphäre das zu erhalten, was über diese 30 Minuten hinweg Bestand haben könnte, nämlich (Augen-)Blicke, die zumindest einen Teil der Persönlichkeit widerspiegeln.

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PASSING BY 23. Jänner bis 19. April 2009

Es ist, als würde man jemandem auf der Straße begegnen, für einen Moment Seite an Seite mit ihm gehen oder ihm im Entgegenkommen ausweichen, ihn aber sofort wieder aus den Augen verlieren, um dem nächsten flüchtigen Eindruck ‒ wenn überhaupt ‒ für den Bruchteil einer Sekunde oberflächliche Beachtung zu schenken ‒ unbedeutsame Geschehnisse, in die periphersten Bereiche unseres Gesichtsfeldes projiziert, weit entfernt vom Fokus unserer tatsächlichen Interessen. Alles erscheint unscharf, verschwommen, schemenhaft. Im besten Fall lassen sich schwache Umrisse ausmachen, die Bilder jedoch setzen sich nicht in unserem Bewusstsein fest. Kurze Sequenzen tauchen auf und werden noch im Entschwinden aus den Augenwinkeln wahrgenommen. Visualisierte Anonymität begleitet den städtischen Spaziergänger auf Schritt und Tritt.


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PASSING BY

Photographie widmet sich im Grunde dem bewusst Gesehenen, dem bewusst Erlebten. Eindrücke, die nur Randbereiche unserer Aufmerksamkeit tangieren, werden selten als bedeutsam genug erachtet, um bildhaft festgehalten zu werden. Einzelne Details und die Ästhetik des (rasch) Vergänglichen können zwar durchaus das Interesse des Photographen wecken, führen dann allerdings über die künstlerische Gestaltung zum Bild, während Eindrücke ohne Erinnerungswert selten zum Gebrauch der Kamera verleiten. Die Bilder dieser Serie entstanden auf der Straße und in Fußgängerzonen ‒ Sammelstellen flüchtiger Episoden, Orte, an denen sich mehr Zufälliges als Planbares aufspüren lässt. Unerwartete Konstellationen und Ereignisse verbunden mit der der Kamera eigenen Realität werden zum Hauptstilisierungsmittel bei der Abstraktion von Nebensächlichem und Unbewusstem. Der Blick durch den Sucher, ja sogar das Scharfstellen wird vermieden, die Kamera auf eine fixe Entfernung von circa einem Meter ausgerichtet, die Belichtung der Automatik überlassen. Der einzige Moment, in dem der Photograph eingreift, ist der, wenn er den Verschluss auslöst. Dient in der „präzisen“ Photographie die Kamera als Werkzeug, so wandelt sie sich hier zum Kollegen, wenn nicht gar zum Komplizen. Alle Gesetze des „richtigen“ Photographierens werden gebrochen, allein der Faktor Zufall bestimmt das Bild: Zufall ist die Ausrichtung der Kamera, Zufall die Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit der Passanten, Zufall die automatische Verschlussgeschwindigkeit. Durch dieses Vorgehen entsteht gänzlich Neues: Wo Ruhe herrscht, findet Bewegung statt. Wo Bewegung anzutreffen ist, wird sie verstärkt, verändert, beschleunigt. Alle hier gezeigten Aufnahmen geben die flüchtige Wirklichkeit selbst und nicht nur Augenblicke flüchtiger Wirklichkeit wieder. Seit über zwei Jahrzehnten beschäftige ich mich mit konventioneller SchwarzWeiß-Photographie, nehme Bedacht auf korrekte Grautonabstufungen und Bildschärfe ohne Wenn und Aber. Exakte manuelle Belichtungsmessung und die Komposition des Bildes auf der Mattscheibe der stativgebundenen Kamera sind für mich nach wie vor der Inbegriff photographischen Handwerks. Die Bilderserie „Passing by“ setzt hingegen einen Kontrapunkt zu meiner bisherigen Art des Photographierens und kann als radikale Abkehr von allen selbst gestellten Ansprüchen angesehen werden ‒ als Loslösung von der Welt des fokussierten Interesses und des Vorherbestimmbaren, als Eintritt in die Welt des Nebensächlichen und scheinbar Uninteressanten. Schwarz-Weiß wird zu Farbe, Schärfe zu Unschärfe, verwischt bis zur Unkenntlichkeit, statische Arbeitsweise zu zufälliger Dynamik. Dass die Aufnahmen zustande gekommen sind, erst recht aber die Realisierung dieser Ausstellung geht weit über die Grenzen meiner persönlichen Auffassung von Photographie hinaus. Ich sehe darin einen ersten Versuch, mit den mir auferlegten Restriktionen vorübergehend zu brechen und neue Möglichkeiten innerhalb der Bandbreite dieser (Extrem-)Bereiche auszuloten.

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OF SAND AND STONES 3. Juli bis 11. Oktober 2009

Das Erscheinungsbild einer Landschaft wird durch das Verhältnis von Licht zu Linien und Formen geprägt – ein Zusammenspiel, das vielerlei Eindrücke entstehen lässt. Sie reichen von Teilnahmslosigkeit bis hin zu stärksten emotionalen Empfindungen. Ebenso kann es geschehen, dass dieselbe Landschaft zu verschiedenen Zeiten auf den Betrachter völlig unterschiedlich wirkt, bestimmt doch die Persönlichkeit des Menschen auch seine Wahrnehmung. Die einen verstehen Landschaften als Summe physischer Manifestationen: Hügel, Flüsse, Felsen, grüne Felder. Andere wiederum sind fasziniert von natürlichen Formgebungen, Anordnungen, vom Spiel zwischen Licht und Schatten.



OF SAND AND STONES

Viele Photographen verwenden eine Landschaft lediglich als Gegenstand und Quelle der künstlerischen Gestaltung, erschaffen eigene Bildwelten abseits der Realität. Die Konzentration auf weniges, die Wahl von Ausschnitt und Perspektive, die Interpretation und die Umsetzung von Farben und Kontrasten führen das photographische Bild weg vom reinen Informationsgehalt hin in Richtung Abstraktion. Aufgelöst in Linien, Formen und Helligkeitsunterschiede stimmen Abmessungen und Distanzen nicht mehr, erscheint Vertrautes fremd. Dem Wann, Wo und Womit kommt keine Bedeutung zu, was zählt, ist die individuelle Sichtweise, die Komposition. Bilder regen die Phantasie an, selbst dann, wenn sie Natur wiedergeben, die Wirklichkeit ist und wenig mit Imaginärem zu tun hat. Der Photograph greift zwar nach eigenem Gutdünken das heraus, was er sichtbar machen möchte, jedoch bedingen Sehgewohnheiten, Erfahrungen und die Sensibilität des jeweiligen Betrachters, welche Vorstellungen letzten Endes in diesem geweckt werden. Jeder Mensch nimmt eine Landschaft, sei es im Realen oder auf Film und Leinwand gebannt, mit unterschiedlichen Emotionen wahr. In gleicher Weise können auch Aufnahmen ein und derselben Gegend, ausgeführt von verschiedenen Photographen, nie identisch sein. Sie werden dem inneren Wesen gemäß gestaltet und spiegeln wider, was am stärksten berührt. Erst Zugang und Auffassung des Photographen verleihen den Bildern ihre Individualität. Reale Landschaft und künstlerische Wiedergabe unterscheiden sich oft beträchtlich. Was den Photographen dazu bewegt, diese oder jene Aufnahme zu machen, kann auf logischer Ebene nur schwer erklärt werden, doch Bilder vorherzusehen, die sich von den Gegebenheiten weitgehend entfernen, ist Ausdruck höchster Kreativität. Die bildhafte Darstellung entspricht niemals der Wirklichkeit: Interessante Details werden hervorgehoben, Licht und Schatten so manipuliert, dass sie drucktechnisch bestmöglich reproduziert werden können, Kontraste abgeschwächt oder verstärkt. Jede Szene erfährt ihre Interpretation bereits bei der Aufnahme – auf diese Weise werden all die Unzulänglichkeiten ausgeglichen, die entstehen, wenn die dreidimensionale Welt in ein flaches Abbild transformiert wird.

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OF SAND AND STONES

Will er den Betrachter fesseln und nicht nur flüchtig an Momenten teilhaben lassen, die längst der Vergangenheit angehören und in gleicher Weise nie wieder einzufangen sind, darf der Photograph keine bloße Kopie der Natur vorlegen. Das Geschaute ist vielmehr zu verändern, zu betonen, zu überzeichnen, eindringlicher zu gestalten. Um künstlerischen Ansprüchen genügen zu können, ist es daher nötig, die Umgebung bis ins kleinste Detail zu studieren, sich in sie einzufühlen, Nebensächliches auszuschließen und mit geschultem Blick jene Phänomene auszuwählen, die Bestand haben sollen. Im Mittelpunkt der photographischen Aufnahme steht das Motiv, seine Wahrnehmung und Umsetzung, die Technik – gleichgültig, ob es sich dabei um Kamera, Dunkelkammer, Computer oder Inkjet-Drucker handelt – dient lediglich als Hilfsmittel bei der Übertragung der eigenen Vorstellungen auf Papier. Ohne das richtige Verständnis für Licht, ohne bewusstes Sehen, ohne korrekte Bewertung der Beziehung von Linien und Formen, ohne Ideen und den Willen zu persönlichem Ausdruck lassen die Ergebnisse trotz bester Ausrüstung zu wünschen übrig. Die Aufnahmen dieses Portfolios entstanden in den Dünen und in den imposanten Canyons des Death Valley sowie in der östlichen High Sierra Kaliforniens. Diese Landschaften haben bereits in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Photographen wie Edward Weston und Ansel Adams zu wahren Meisterwerken inspiriert. Im März 2009 habe ich dort einen Workshop besucht. Sein Leiter, Bruce Barnbaum, ein Schüler von Ansel Adams, gab dabei nicht nur sein photographisches Wissen, sondern auch seine philosophischen Überlegungen an die Teilnehmer weiter. Seinem Einfluss ist es zu verdanken, dass sich durch das Weglassen von Informationen im Bild („don‘t show how high are the mountains“), durch das Denken und Sehen in Ebenen sowie mittels gekrümmter Linien als kompositorische Elemente so manche Abstraktion in meinen Aufnahmen findet.

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F. G. MESSENBAECK CHIRURG UND PHOTOGRAPH

1958

in wels geboren. schulbesuch in

lambach. trompetenunterricht an den musikschulen lambach und linz.

1976

matura, beginn des medizinstudiums

in wien.

1977

bis

1980

fortsetzung

steine“.

2005 abteilungskalender 2006 „natur“. 2006 ausstellung „zeitlos“, ios - galerie kh schwarzach. 2006 abteilungskalender 2007 „zeitlos“. seit 2006 leitung von workshops für

der musikalischen ausbildung an der

endoskopische schilddrüsenchirurgie im

jazzabteilung des konservatoriums

ausbildungszentrum aeskulapium, tuttlingen,

wien.

1984

beginn der autodidaktischen

beschäftigung mit s/w-photographie.

1985

promotion zum dr. med. an der universität wien.

1986 turnus im krankenhaus wels. 1987 beginn der ausbildung zum facharzt für chirurgie. 1990 ausstellung „photographien“, akh wels. 1991 ausstellung „landschaft, portrait, stillleben“, photogalerie kulturzentrum oberschützen. 1993 oberarzt an der abteilung für allgemeinchirurgie, akh wels. 1994 ausstellung „the isles of harris & lewis“, photogalerie kulturzentrum oberschützen. 1995 ausstellung „the isles of harris & lewis“, galerie burg wels. 1996 ausstellung „quiet moments – sacred places“, galerie imax, wien. seit jänner 1997 leitung der abteilung chirurgie des kardinal

schwarzenberg’schen krankenhauses,

schwarzach.

1997

ausstellung „quiet

schwarzach.

2001

erste endoskopisch-

moments – sacred places“, galerie des kh

kosmetische operation der schilddrüse im deutschsprachigen raum. abteilungskalender 2005

2004

„wasser und

deutschland.

2007

ausstellung „gestern“,

ios - galerie kh schwarzach.

2007

ausstellung „zeitlos”, ärztekammer salzburg.

2007„projekt portrait ksk“,

portraitserie

mit mitarbeitern des kh schwarzach aus allen berufssparten.

2007 abteilungskalender „quiet moments“. 2008 ausstellung „blicke“, ios - galerie kh schwarzach. seit 2008 student der prager fotoschule / österreich. 2008 abteilungskalender 2009 „still life“. 2009 ausstellung „passing by“, ios - galerie kh schwarzach. juni 2009 ablegung der

2008

befähigungsprüfung zum berufsfotografen. seit juli

2009

gewerbeberechtigung

2009 ausstellung „of sand and stones“, ios - galerie kh schwarzach. 2009 ausstellung „unendlichkeit – augenblick – vergänglichkeit“, salzburger FIS - landesskimuseum werfenweng. als berufsfotograf (handwerk).


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IMPRESSUM 2. Auflage 2009

5 - 14

Verlag:

GREYPRESS, 5500 Bischofshofen, Austria

© Copyright 2009

Bild und Text: Dr. Franz G. Messenbäck

Design und Umschlaggestaltung:

Dr. Franz G. Messenbäck

Lektorat:

www.textsite.at, 1070 Wien, Austria

Schriften:

URWClassicoTOT (Linotype) Futura Std Book (Linotype)

Druck und Bindung:

www.blurb.com



Chirurgie ist mehr als der operative Eingriff in den Körper, und Photographie ist mehr als das Abbilden von Objekten. Beide Disziplinen verlangen nach Gesetzmäßigkeiten und nach harmonischem Einsatz von Technik und Kreativität. Regelmäßige Ausstellungen in der speziell dafür ins Leben gerufenen Photogalerie und die Gestaltung von Jahreskalendern sollen diesen Zusammenhang aufzeigen und helfen, den Stellenwert ästhetischer Werte auch im Bereich der Chirurgie erkennbar zu machen.

GREYPRESS


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