Ticinomoments (DE - 2022)

Geschichten aus dem Süden der Schweiz

Achtsames Tessin Eine Destination, der Nachhaltigkeit am Herzen liegt. Immer mehr Angebote erlauben es, Ferien im Einklang mit der Natur zu geniessen.

NATÜRLICHES GLEICHGEWICHT

Im Val Mara entstehen Bio-Produkte dank Spürsinn und Mondphasen.

VOM KUNSTHANDWERKER LERNEN

In einem Atelier bei Lugano wird Holz lebendig.

ANSTECKENDER ENTHUSIASMUS

Mit Monoski und Handbike unterwegs im Tessin.

Responsiva / Foto: Elisa Colusso

Auf Ihrer Entdeckungsreise durch das Paradies bekommen Sie bestimmt Appetit. BLU Restaurant & Lounge befindet sich in Locarno direkt am See. Es bietet mediterrane Köstlichkeiten, das beste Sushi der Region, eine gemütliche Lounge, Locarno’s schönste Terrasse und vieles mehr.

WILLKOMMEN IM TESSIN. Restaurant / Pizzeria / Lounge Bar / Japanese / Sushi & Sashimi Bar Coffee Area / Gedeckte Terrasse / Musik / Events / 170+ Weine

www.blu-locarno.ch +41 (0)91 759 00 90 Via Respini 9, 6600 Locarno

E D I TO R I A L

3

Im Hintergrund die Alpen: Angelo Trotta bei der Monte-Bar-Hütte auf 1'600 Metern.

Cara lettrice, caro lettore Nehmen wir uns einen Moment Zeit, darüber nachzudenken, wie das Reisen sich verändert. Die grosse Anzahl an Schiffsverbindungen, Flügen, Autos und Zugreisen bis zu Beginn des Jahres 2020 lässt den Schluss zu, dass das Reisen zwar einerseits zu den schönsten Dingen des Lebens gehört, anderseits aber auch zu einer Neurose werden kann. Ein kultureller Imperativ: Nicht zu reisen, war undenkbar.

Der Stillstand, den die Pandemie mit sich brachte, gab Gelegenheit, über die Zukunft einer Branche nachzudenken, die nicht ohne Auswirkung auf die Umwelt ist. Heute sind wir uns unserer Verantwortung bewusst, die jeder einzelne mitträgt, für die Zukunft des Planeten.

Und manchmal wird gerade der Tourismus zum Sprachrohr, wenn es um Verantwortung, Inklusion, Wandel und Bewusstsein geht.

Es sind Themen, die auch die Geschichten in diesem Magazin bestimmen. Denn ein nachhaltiges, umweltfreundliches Tessin hat viele Gesichter, die es zu entdecken lohnt. Wir bringen Sie ins Val Mara, wo die Brüder Gabriele und Martino biodynamische Landwirtschaft betreiben und sogar die Mondphasen berücksichtigen. Wir besuchen mit Ihnen die erste Tessiner Mälzerei, die es lokalen Brauereien ermöglicht, reines Bio-Bier und Bio-Whisky herzustellen.

Wir erzählen von Menschen, die traditionelles Kunsthandwerk beherrschen und fortführen.

Auf den kommenden Seiten lesen Sie zudem von Anekdoten rund um das neue Albergo Diffuso im kleinen Dörfchen Corippo, das heute nur noch 13 Einwohner zählt. Und Sie erfahren mehr über das Museum unter freiem Himmel, dass sich seit 40 Jahren für den Erhalt der Landschaft einsetzt. Entdecken Sie neue Arten mit der Natur in Kontakt zu treten, mit Meditation, freiem Tanz – und Kopfhörern. Und nicht zu vergessen das Sportangebot und der barrierefreie Tourismus, der nicht nur Slogan ist, sondern einen Weg zeigt, den das Tessin bereits eingeschlagen hat.

Fernglas: Eine neue Erfahrung wartet auf Sie. Das Tessin bietet an allen Ecken einzigartige Erlebnisse. Wir haben eine Auswahl für Sie zusammengestellt. ticino.ch/erlebnisse

TOP5: 5 Vorschläge, um sich inspirieren zu lassen. Denn Sie haben die Wahl: Das Tessin bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten. Hier finden Sie eine Übersicht. ticino.ch/top5

Ich wünsche Ihnen viel Lesefreude!

Angelo Trotta Direktor Ticino Turismo

QR-Codes: Dürfen wir vorstellen? Damit Sie die Protagonisten besser kennenlernen, haben wir sie gebeten, ihre Geschichte selber zu erzählen. Daraus haben wir Videos gemacht, die sich hinter den QRCodes verstecken. ticino.ch/video

T I C I N O .C H

4

8

12

22

32

I N H A LT

6

5

Kreative Kochkünste.

Die Natur liefert die besten Zutaten.

8

GENIESSEN

12

ERLEBEN

16

E N T D EC K E N

Ein unschlagbares Team Im Mendrisiotto bringt Innovation und biologischer Anbau den Erfolg.

Ticino MTB Trailbuilding Spass und Adrenalin im Luganese auf zwei Rädern.

Ein Dorf wird zum Hotel Im Verzascatal, in Corippo, warten alte Rustici auf neue Gäste.

16

20

22

GENIESSEN

26

S TAU N E N

32

ERLEBEN

38

E N T D EC K E N

Innerwalk Project Die eigenen Grenzen überwinden im Kontakt mit der Natur an Kraftorten im Onsernonetal.

Sport ohne Grenzen Paralympics-Athlet Murat Pelit im Geschwindigkeitsrausch in Airolo.

Kunsthandwerk zum Erlernen Nahe Lugano verwandelt ein Drechsler Holzreste in Luxusgüter.

Ideen für Erlebnisse mit Kindern: Eine Familie empfiehlt …

42

Kleine Beiträge mit grosser Wirkung: Bewusstes Reisen.

44

48

50

44

Zu Besuch in der ersten Mälzerei im Tessin Im Bellinzonese entsteht aus Bio-Gerste 100 % lokales Bio-Malz.

41 26

38

Schlafen unter freiem Himmel im Tessin, dem Paradies für Camper.

LERNEN

Kulturlandschaft im Muggiotal Historische Gebäude, Zeugnisse der Vergangenheit und eine einzigartige Artenvielfalt charakterisieren das Tal. #ticinomoments: Inspiration zu neuen Abenteuern.

Caro Ticino: Ein Brief von Regina Bucher, Direktorin des Museums Hermann Hesse in Montagnola.

6

T I C I N O.C H / R E Z E P T E

DAS TESSIN KOSTEN AROMA UND TRADITION Bescheidene Zutaten kommen in Rezepten der Vergangenheit so richtig zur Geltung. Typische Produkte aus nächster Nähe und mit kurzen Wegen aus den umliegenden Regionen sind unersetzlich, um Grossmutters Rezepte nachzukochen.

Der Brotkuchen darf dabei nicht fehlen. Immer noch so gut wie damals zählt die Torta di pane heute zu den Desserts, die ganz besonders viel Tessiner Aroma verbreiten. ticino.ch/r27

7

REIN PFL ANZLICH

Kulinarischer Luxus aus der Natur Die Tessiner Küche ist bekannt für ihre frischen,

aromatischen Zutaten. Traditionelle Speisen und der

Wunsch nach nachhaltiger, pflanzenbasierter Ernährung schliessen sich längst nicht mehr aus.

Vom Grotto bis zur gehobenen Gastronomie, von der Pizza bis zum Gelato: Bei einer Vielzahl von Gerichten wird bewusst auf tierische Produkte verzichtet. Für die Umwelt und für ganz neue Geschmackserlebnisse.

KREATIV KOMBINIEREN «Moving Mountains» heisst das Konzept im Hotel Eden Roc in Ascona, dem Tessiner 5-SterneHaus der Tschuggen Hotel Group. Chefköchin Caterina Vosti im Ristorante Eden Roc setzt das Konzept individuell mit viel Kreativität und Freude um. «Ich bin im Tessin in einer Bauernfamilie gross geworden. Bei mir kam immer schon ganz frisches Gemüse auf den Tisch.»

Tä g l ich steht ei n neue s, meh rgä ng iges «plant based» Menü auf ihrer Karte, ganz auf Augenhöhe mit dem klassischen Tagesmenü. Jedem Gast steht es frei, zu kombinieren, wenn gewünscht auch mit Fisch und Fleisch.

Der typische Tessiner Geschmack kommt aus nächster Umgebung. Pilze aus den nahen Wäldern als «Luxus der veganen Küche», Kastanien, Beeren, Wildkräuter. Caterina Vosti sammelt in ihrer Freizeit auch selbst. Die traditionelle Küche liefert mit Polenta, Gartengemüse, Feigen und Khaki viele Gerichte, die in den Händen der international erfahrenen Köchin zum vollwertigen kulinarischen Erlebnis werden: Kürbis-Capaccio oder -tartar, Auberginen-Tempura, gebratener Lattich-Salat mit veganer Mayonnaise und vieles mehr.

ALTERNATIVE PRODUKTE Auch Tofu als wandelbare Protein-Quelle findet Verwendung in der Küche von Caterina Vosti. Und das Besondere: Er ist ebenfalls zu 100 % ein Tessiner Bio-Produkt. Hersteller ist der Betrieb Tigusto in der Magadinoebene, der seit über 30 Jahren Bio-Soja lokaler Landwirtschaftsbetriebe verarbeitet.

Tofu und Tempeh, aber auch Seitan aus Schweizer Dinkelmehl sind zum wichtigen Bestandteil der Gastronomie im Tessin geworden. Auch weil sie gut schmecken, wie Inhaber Pierluigi Zanchi betont. «Wer für einen Hamburger das Fleisch zur Hälfte durch Tofu ersetzt, leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag für Gesundheit und Umwelt, sondern macht ihn auch saftiger.»

Caterina Vosti bei der Arbeit mit ihrem Team. Eines ihrer Tofu-Rezepte: ticino.ch/r40

8

T I C I N O.C H /A Z I E N DA B I O

«Der Sambì ist

eine Tradition des Mendrisiotto, die drohte, in Vergessenheit zu geraten.»

G E N I E S S E N – A RO G N O

IM VAL MAR A SETZT EIN FAMILIENUNTERNEHMEN AUF BIO UND INNOVATIVE IDEEN

Mit dem Gespür für Pflanzen Biologischer Anbau und innovative Ideen zeichnen die Azienda Bianchi aus. Die Brüder Gabriele und Martino haben früh gelernt, Pflanzen zu lesen und sich die Kraft des Mondes zunutze zu machen. Mit einem Traditionsgetränk erobern sie die junge Gastro-Szene.

AROG NO

In einem familiengeführten Betrieb hat jedes Mitglied des Haushaltes eine fest zugeschriebene Aufgabe. Die Gänse, die im Wassertrog Abkühlung von der Hitze des Tages suchen, bilden da keine Ausnahme. «Sie halten das Gras unter den Weinreben kurz», sagt Martino Bianchi, 27-jähriger Winzer, der gemeinsam mit seinem Bruder Gabriele (30) die Azienda führt. Er selbst habe die Küken aufgezogen und an Menschen gewöhnt. Ersetzen die Tiere tatsächlich eine Arbeitskraft? «Wir sehen es eher von der romantischen Seite.

Die Gänse sind vor allem da, um uns Gesellschaft zu leisten.» Auch Hühner leben im Garten. 4 Schafe grasen die Weiden ab. Bienen sammeln an 5 verschiedenen Standorten Honig.

Die enge Verbundenheit mit der Natur, den Tieren und den angebauten Produkten ist das Grundprinzip des Weinguts, das in Arogno am Hang liegt, im Val Mara, einem idyllischen kleinen Seitental unweit des Lago di Lugano. Gegründet wurde der BioAgrarbetrieb im Jahr 1998 von Marcy und Alberto Bianchi, die auch heute noch mithelfen. Vor 8 und 7 Jahren stiegen die Söhne Vollzeit in den Betrieb ein. Wein, Grappa und Honig gehören zu den Spezialitäten der Bianchi. Zudem gelang den Brüdern die Kunst, mit einem alten Rezept der Nonna die Tessiner Gastro- und Nightlifeszene zu erobern.

9

10

#ticinomoments

«Sambì heisst unser Drink aus fermentierten Holunderblüten mit 4.2 Promille Alkohol», sagt Gabriele, der als Önologe für die technische Herstellung zuständig ist. Vor allem bei jungen Leuten sei der prickelnde, süsse Drink beliebt und könne pur, aber auch als Mixgetränk genossen werden.

Was vor 6 Jahren als Projekt begann, um eine Tradition aus dem Mendrisiotto zu bewahren, wurde zum wirtschaftlichen Standbein: «30'000 Flaschen produzieren wir im Jahr.» Restaurants im ganzen Tessin haben Sambì auf der Karte.

Die Ernte der weissen Holunderblüten erfolgt im Mai und Juni. Die Blüten kommen anschliessend in grosse Kessel und werden mit Wasser, Zucker und Zitronensaft aufgefüllt. Das Gemisch muss dann 2 Wochen lang ziehen, bevor der Saft gefiltert und zur weiteren Fermentierung in Flaschen abgefüllt wird.

MAXIMALES GLEICHGEWICHT Nicht nur Holunder, sondern auch Weinreben, Olivenhaine und diverse Obstbäume umgeben die Azienda und das Wohnhaus der Familie. Gabriele zupft die Ranken einer Americana-Traube von der Pergola, die Schatten spendet für Apéro und Degustationen. Sein Blick schweift über das Val Mara. «Hier geht immer ein leichter Wind, dadurch ist das Klima weniger feucht.» Die Standorte der verschiedenen Weinsorten seien den jeweiligen Bedürfnissen der Reben angepasst.

Ein kleines Paradies hat sich die Familie in Arogno geschaffen. «Als wir herzogen, stand hier nur ein verfallenes Gebäude.» Heute wachsen im Garten üppig Obst- und Gemüsesorten. Die frischen Kräuter unter den Weinreben sind Zutat für den hausgemachten Essig und halten Unkraut fern.

Gabriele: «Wir versuchen bei allem ein maximales Gleichgewicht herzustellen.»

DIE PFLANZEN LESEN Schon seit 1998 ist der Betrieb biozertifiziert.

«Es geht uns um Gesundheit, Qualität und Verantwortung. So geben wir dem Tal etwas zurück und fördern die Artenvielfalt.» Dass nachhaltiger Anbau aufwendiger als konventioneller sei, würden sie in Kauf nehmen. Gabriele: «Es braucht viel Erfahrung. Das wichtigste ist, immer nah an den Pflanzen dran zu sein, sie zu lesen und ihre Entwicklung zu beobachten.» Für Eingriffe gelte: so viel wie nötig und so wenig wie möglich.

Flexibilität sei gefragt, kein Jahr verlaufe wie das andere. «Die Abhängigkeit vom Wetter macht die Arbeit in dieser Branche so schwer.»

Zweifel hinsichtlich der Berufswahl gab es bei den Brüdern dennoch nie. Das bestätigt Martino, der mit 20 Jahren seine Ausbildung als Winzer abschloss und seitdem für die Arbeiten im Weinberg verantwortlich ist: «Wir sind mit der Nähe zur Natur aufgewachsen. Ich habe es immer geliebt, draussen zu sein.» Die Arbeitsaufteilung der Geschwister habe sich früh angedeutet. «Gabriele war schon immer Experte für Gerüche. Wenn wir als Kinder zur Nonna gingen, wusste er schon aufgrund des Duftes ganz genau, was es zu essen gibt.» Als Önologe ist Gabriele heute für die Weinherstellung verantwortlich – und damit für Geschmack und Qualität.

MIT DER KRAFT DES MONDES Tradition schliesst Innovation nicht aus. Das beweist das Familienunternehmen mit immer neuen Ideen. Dazu gehört auch ein ganz exklusives Produkt, das nicht im Handel, sondern limitiert nur im Weingut erhältlich ist: der Marà del Lago.

Dieser korallenrosa Sekt reift jeweils für ein Jahr 20 Meter tief im Lago di Lugano. «Bei beständigen 6-8 Grad Wassertemperatur sind die Flaschen dort immer leicht in Bewegung. Dadurch setzt sich die Hefe nicht am Boden ab.» Das Ergebnis ist ein cremiger, fein prickelnder Prosecco.

Doch auch ihr Gesamtkonzept des nachhaltigen Anbaus optimieren sie Schritt für Schritt. «Wir legen die Messlatte immer höher», sagt Gabriele.

Es ist fast wörtlich zu verstehen, setzen sie doch auf die Unterstützung von Himmelskörpern. «Wir versuchen, zunehmend Prinzipien der biodynamischen Landwirtschaft zu integrieren», erläutert Gabriele. Neben Achtung der charakteristischen Eigenschaften von Pflanzen und Tieren gehöre auch das Befolgen des Mondkalenders dazu. Der positive Effekt sei messbar. «Mit Esoterik hat das nichts zu tun, wir wissen, dass es funktioniert.»

Erlebnis auf dem Weingut Die Azienda Bianchi legt Wert auf Transparenz und lädt zu einer Vielzahl von Aktivitäten ein: Degustationen und Einblick in den ökologischen Anbau, Besichtigungen des gesamten Betriebes und lehrreiche Besuche bei den Bienen (bianchi.bio).

02

01

11

6 Hektar Weinreben besitzt die Azienda Bianchi.

Biodynamische Landwirtschaft berücksichtigt den Einfluss der Mondphasen.

Die Blüten von 1'000 Sträuchern werden für den Sambì geerntet.

Der Bach gibt dem Val Mara den Namen und entspringt am Monte Sighignola.

03

01. Die Brüder Bianchi pflücken die Holunderblüten im späten Frühjahr.

02. Der prickelnde Sambì ist ein leicht alkoholisches Getränk aus fermentierten Holunderblüten.

03. Ein wahres Heilmittel und vielseitig einsetzbar.

Aus den Blüten, Blättern, der Rinde und den Früchten entstehen Sirup und Marmelade.

12

T I C I N O.C H / M T B T R A I L

«Wir setzen auf Flowtrails.»

E R L E B E N – A RO S I O

13

MOUNTAIN BIKE TR AILBUILDING IM TESSIN

Für mehr Spass im Wald Mit modernen Flowtrails wollen die Mountainbiker Alessandro Pollini, Luca Reichlin und Damiano Mengozzi mehr Fun und Action in die Tessiner MTBSzene bringen. Aus einem Spass unter Freunden ist ein kompetenter Verein entstanden, der im Malcantone erste Projekte verwirklicht hat.

AROSIO

Wenn Alessandro Pollini, Luca Reichlin und Damiano Mengozzi sich auf ihre Mountainbikes schwingen, geht es ihnen vor allem darum, Spass zu haben. Kurzweilige Downhill-Strecken sind die Leidenschaft der drei Jugendfreunde aus Lugano, die seit über zehn Jahren MTB fahren.

Ihre Erfahrung und Fachkenntnis nutzen sie aus, um mit neuen Flowtrails, die sicher und nachhaltig sind, das MTB-Angebot im Tessin, speziell im Malcantone, zu erweitern.

Ihr Verein Ticino Mountain Bike Trailbuilding ist für Behörden und Tourismusverbände zu einem wichtigen Ansprechpartner geworden. Erste Projekte sind bereits Teil des offiziellen MTBStreckennetzes, weitere Wege rund um Arosio in Arbeit.

14

#ticinomoments

Ihr engagiert euch für neue MTB-Trails im Tessin.

Wie kam es dazu?

Damiano: Wir sind seit vielen Jahren leidenschaftliche Mountainbiker, Alessandro fuhr sogar Rennen. Uns fiel auf, dass es im Tessin zwar viel Angebot im Stile Cross Country, Rundtouren und für Leistungssport gibt, aber zu wenig für Fun und Action.

Wegenetz für Mountainbike Der 2 km Flowtrail Arosio-Bedano im Malcantone ist Teil der Rundtour Monte Tamaro Bike, aber kann auch einzeln gefahren werden (ticino.ch/bike362). Alle offiziellen Mountainbikestrecken des Tessins sind in der App von SchweizMobil verfügbar (schweizmobil.ch).

Weitere Tipps gibt es auch in der Community und über die sozialen Medien (ticinotrailbuilding.com).

Was genau fehlte euch im Tessin?

Alessandro: Wir setzen auf Flowtrails, flüssig fahrbare Downhill-Strecken, Parabelkurven und Sprungschanzen.

Damiano: Wir sahen, dass durch den E-Bike-Boom immer mehr Leute in die Berge kamen, auch nicht so erfahrene Mountainbiker. Nicht alle wünschen sich technisch anspruchsvolle Wege. Wir wollen etwas haben, das Spass macht, sicher ist und Wanderer nicht stört.

Alessandro: Auch die Technik der Räder hat sich weiterentwickelt. Die Infrastruktur muss nachkommen.

Wie sieht denn der ideale Downhill-Trail aus?

Damiano: Fahrdauer etwa 5 Minuten, in schöner Umgebung. Mit Kurven, Sprüngen und verschiedenen Sektionen: schnelle Abschnitte, dann wieder steinig. Der Biker kommt am Ziel an und hatte Spass. Der Weg muss ein reiner MTB-Trail sein, mit schnell erreichbarem Startpunkt.

Luca: Wichtig ist auch, dass Anfänger schwierige Passagen umfahren können.

Ihr habt also anfangs auf eigene Faust MTB-Trails angelegt?

Damiano: Ja. Einige bauten wir neu, andere besserten wir aus. Unser Glück war, dass es hier schon alte Wege aus den 2000er Jahren gab.

Unsere Aktivität sprach sich über Social Media herum und es kamen immer mehr Leute.

01

02

Luca: Für mehr Fachkenntnis belegten wir Kurse zum Bau von nachhaltigen MTBTrails. Es gibt viele Aspekte zu beachten, wie die Sicherheit. Wir begannen, andere dafür zu sensibilisieren, beispielsweise Jugendliche im Wald, die sich Sprungrampen bastelten.

verbieten, konnten es aber auch nicht einfach genehmigen. Weil die administrativen Aspekte immer dringlicher wurden, gründeten wir 2019 die Vereinigung Ticino Mountain Bike Trailbuilding.

Kanton, Gemeinden und Patriziate hatten in uns nun seriöse Ansprechpartner.

Wie habt ihr die rechtliche Seite gelöst?

Damiano: Anfangs haben wir ja von der Basis aus agiert.

Ohne spezielle Genehmigungen. Es wurde weitgehend toleriert.

Wie hat die Kommunikation funktioniert?

Luca: Sehr gut. Wir sind Anfang 2020 sogar selbst von der zuständigen Kantonsbehörde für eine Zusammenarbeit kontaktiert worden.

Alessandro: Wir bekamen Unterstützung aus der Bevölkerung. Das hat uns motiviert.

Damiano: Es wurde erkannt, dass wir gut aufgestellt sind und uns in der MTB-Szene auskennen. Gemeinsam schufen wir in 2020/21 unseren ersten offiziellen MTB-Trail.

Luca: Die Wege wurden ja nicht nur von uns genutzt.

Es kamen auch viele Familien mit Kindern oder ältere Leute.

Damiano: Die Nachfrage war da, das erkannten die Behörden. Sie wollten es uns nicht

Luca: Er ist Teil eines Wegenetzes, das von Lugano Region und Ticino Turismo promotet wird.

Wo befindet sich dieser Weg?

Alessandro: Unser Trail führt von Arosio nach Bedano. Im Malcantone gibt es noch 2 weitere offizielle Flowtrails: am Monte Mondini in Pura und Bedea in Novaggio.

Luca: Aktuell sind wir mit Gemeinden, Patriziaten und Kanton im Gespräch, um weitere Wege offiziell zu machen.

Warum ist das Malcantone unter MTB-Fahrern so beliebt?

Damiano: Dank der Morphologie und es ist gut zu erreichen. Hier gibt es viele kleine Hügel mit verschiedenen Waldtypen. Die Landschaft ist nicht zu unwegsam, Hänge nicht zu steil.

Luca: Die Gegend hat sich auf natürliche Weise zur MTBDestination entwickelt, wir bauen das Potential nur aus.

Alessandro: Der Vorteil im Tessin ist zudem, dass ganzjährig Rad gefahren werden kann.

E R L E B E N – A RO S I O

15

AUF DEM VELO Wer mit dem Rad das Tessin erleben will, findet Rundtouren, Single- und Downhilltrails in allen Regionen. ticino.ch/bike Aufgeladen Das E-MTB macht den Zugang in die Bergwelt leichter. Voraussetzung ist allerdings ein voller Akku. Im ganzen Kanton gibt es Möglichkeiten, sein E-Bike aufzuladen. Sogar an abgelegenen Orten. ticino.ch/ebike Geschicklichkeit Auf Pumptracks können Mountainbiker, aber auch andere Velo-, Roller- und Skateboard-Fahrer, ihr Können testen und ihre Fähigkeiten ausbauen. Im Tessin gibt es eine Vielzahl dieser fest installierten Parcours, aber auch mobile Einrichtungen. ticino.ch/pumptrack Fahrrad überall Öffentliche Verkehrsmittel und Seilbahnen sind an vielen Orten auf den Transport der Velos eingestellt. Hotels bieten speziellen Service an. Räder können ausgeliehen werden. ticino.ch/bike-services

03

01. Die Instandhaltung der MTB-Routen ist wichtig für die Sicherheit und geht einher mit den saisonalen Veränderungen der Natur.

02. Adrenalinreiche Abfahrten entlang der Route Monte Tamaro Bike. Schnelligkeit, Konzentration und Ausdauer sind gefragt.

03. Damiano, Alessandro und Luca: 3 Freunde und Gründer des Vereins Ticino Mountain Bike Trailbuilding.

16

T I C I N O .C H /C O R I P P O

EIN DORF WIRD ZUM HOTEL

In die Geschichte Corippos eintauchen Dank des neuen Albergo Diffuso lebt das kleine Dorf Corippo im Verzascatal wieder auf. Historische Häuser mit authentischem Charme und eine wunderschön restaurierte Osteria laden zu einem einzigartigen Ferienerlebnis ein.

«Das Hotel passt in keine Kategorie.»

E N T D EC K E N – C O R I P P O

17

CORIPPO

01. Das Heim von Jeremy, Désirée und dem kleinen Ernesto ist ein rustikales Haus mit authentischem Charme und Holzterrasse.

02. Im Info-Raum von Corippo erfährt man mehr über die Geschichte des Dorfes, das zum Hotel wurde.

03. Die Corippo-Mühle, die nach der Restaurierung wieder in ihrem alten Glanz erstrahlt, ist ein idealer Ort für einen Aperitif.

02

03

01

Die älteren Einwohner kennen die Namen noch: Angiolina, Martino, Luigino und Siro. Über 50 Jahre ist es her, dass sie ihre Häuser in Corippo verliessen. Aus ganz unterschiedlichen Gründen – und nicht immer blieb genug Zeit, die Küche aufzuräumen. Doch die Erinnerung an sie und alle anderen, die einst das kleine Bergdörfchen mit Leben füllten, wird nie ganz verloren gehen: Denn heute sind es die Unterkünfte des Albergo Diffuso, die nach ihren ehemaligen Bewohnern benannt sind. Das neue Hotel in Corippo, das nach italienischem Konzept im ganzen Ort verteilt ist, öffnet in diesem Jahr seine Pforten. Und soll das Leben in das pittoreske Dörfchen mit seinen vielen Gässchen und Treppen, der kleinen Piazza und der historischen Pfarrkirche zurückholen.

DAS ERSTE KIND SEIT JAHRZEHNTEN Mit Ernesto sind dafür die besten Voraussetzungen geschaffen. Der Zweijährige ist neu der jüngste Einwohner von Corippo. «Für uns stand immer fest, dass wir als Hotelbetreiber hier leben werden», sagen Ernestos Eltern, Jeremy Gehring und Désirée Voitle. «Ruhe, Natur und Frieden» verbinden sie mit dem Leben in dem kleinen Dorf, das seit 1975 unter Denkmalschutz steht. «Die alten Häuser haben einen Charme, der sonst nirgends mehr zu finden ist.» Ihr Rustico liegt in Sichtweite zur Osteria, dem Herzstück des Albergo Diffuso – und dem traditionellen Lebensmittelpunkt des Dorfes.

18

#ticinomoments

RESTAURANT UND REZEPTION Als Koch kümmert sich Jeremy in dem neu restaurierten Lokal, das gleichzeitig die Rezeption des Hotels ist, um die Bewirtung der Gäste. «Südalpine Küche mit Produkten aus der Region», lautet sein Gastrokonzept. «Es gibt eine kleine Menükarte, saisonal wechselnd, mit besonderen Zubereitungsarten.» Désirée, international erfahrene Hotelfachfrau, ist für Empfang und Zimmerservice verantwortlich.

6 Rustici mit 12 Zimmern gehören zum Hotel, alle liegen im unteren Bereich des Dorfes.

Langfristig sollen noch mehr dazu kommen.

Von den Holzbalkons und der Terrasse des Lokals reicht der Blick über die wilde Natur der steilen Berghänge und den rauschenden Bach aus dem Seitental. Ein kleiner Pfad führt in wenigen Minuten hinunter nach «Costarippo», wie das Hotelier-Paar die blau glitzernden Wasserbecken in den ausgewaschenen Felsen nennt. Jeremy: «An der restaurierten Mühle dort unten organisieren wir Aperitifs.»

DIE ABWANDERUNG STOPPEN Die Mühle befindet sich, wie das Albergo Diffuso, im Besitz der Fondazione Corippo 1975, die 1976 gegründet wurde, mit dem Ziel, das Dorf in seiner historischen Form zu bewahren. Corippo war damals ins Inventar der Ortsbilder von nationaler Bedeutung aufgenommen worden. Die Stiftung kaufte mit staatlichen Geldern leerstehende Gebäude und sanierte sie.

«Der demografische Rückgang sollte aufgehalten werden», erläutert Stiftungspräsident Fabio Giacomazzi. Lebten Mitte des 19. Jahrhunderts noch rund 300 Menschen in Corippo, waren es 1950 rund 70. Doch der Trend hielt an. Heute zählt der Ort 13 Einwohner – die drei Zugezogenen eingeschlossen.

Die Häuser im Dorf stammen teilweise aus dem 18. Jahrhundert, einige sind noch älter.

Sie erzählen aus Zeiten, als die Familien von der Viehwirtschaft lebten. «Bei der Planung von Corippos Zukunft hat der Denkmalschutz höchste Priorität», betont Giacomazzi. Eines sei aber klar: «Es soll kein Museum entstehen, sondern ein lebendiges Dorf.»

DRAUSSEN LEBEN «Der Vorteil eines Hotels ist, dass in die Häuser keine Innentreppen und Küchen eingebaut werden müssen», ergänzt der Stiftungspräsident. Der Ausbau sei so vorsichtig wie möglich erfolgt, nur originale Materialien kamen zum Einsatz. Nicht jede Schramme an den Balken oder Mauern wurde ausgebessert.

Gemütliche kleine Zimmer sind entstanden.

Das Leben jedoch, früher wie heute, findet draussen statt: vor den Häusern, auf den Balkonen, rund um die Osteria und in den Gassen. Auf den Spuren von Angiolina, Martino, Luigino und Siro.

01

Das Verzascatal erleben Im Albergo Diffuso gibt es Auskünfte über die verschiedenen Aktivitäten in der Umgebung: Bike- und Wanderwege, smaragdgrüne Schluchten und Felsbecken (corippoalbergodiffuso.ch).

Wer tiefer in die Geschichte des Verzascatals eintauchen möchte, kann dies im Museum Val Verzasca in Sonogno tun (museovalverzasca.ch).

563

Höhenmeter.

1224

Corippo wird als Culipo erstmals erwähnt.

294

Höchste Einwohnerzahl 1850.

02

E N T D EC K E N – C O R I P P O

19

DÖRFER MIT EINZIGARTIGEM CHARAKTER Antike Siedlungen Malvaglia ist Ausgangspunkt, um mit der Seilbahn die fünf «ville» (Siedlungen) des gleichnamigen Tals zu erreichen. In Dagro (Bergstation auf 1'400 m ü. M.), Ciavasch, Madra, Dandrio und Anzano stehen einige der ältesten Bauten des Tessins.

Zu finden sind auch Mühle, Brotofen und Oratorien. bellinzonaevalli.ch Reise in die Urzeit Meride am Monte San Giorgio, UNESCOWelterbe, ist bekannt für seinen gut erhaltenen Ortskern mit Häusern teils aus dem 16. Jahrhundert.

Berühmtheit erlangte das Dorf vor allem durch seine paläontologischen Funde, die im Fossilienmuseum ausgestellt sind. mendrisiottoturismo.ch

03

01. Das Leben spielt sich draussen ab: vor den Häusern, auf dem Balkon oder in nachbarschaftlicher Gesellschaft an einem Granittisch.

02. In der Corippo-Mühle ist der Müller wieder am Werk und mahlt Roggen- und Kastanienmehl.

03. Costarippo: natürlich sprudelnde und blau funkelnde Whirlpools in Felsenbecken.

Autofrei Rasa ist ein reines Fussgängerdorf im Centovalli auf 900 m ü. M. mit ganz besonderem Charme.

Wer den Blumen geschmückten, gut erhaltenen Ortskern besichtigen möchte, kann ihn leicht mit der Seilbahn erreichen oder erwandern. ascona-locarno.com

20

#ticinomoments

Schlafen unter freiem Himmel Das Tessin ist ein Paradies für Camping-Ferien - egal, ob nur für ein Wochenende, eine Woche oder gleich eine ganze Saison. Die Region mit Wohnwagen, Zelt oder Van zu entdecken, ist längst ein Trend. ticino.ch/camping MIT STIL IN DIE FERIEN. Mehrere Tessiner Campingplätze bieten Glamping. Dazu gehört der Camping Bellinzona am Ufer des Ticino, der zu einem ganz besonderen Schlaferlebnis in Jurte, Sahara-Zelt oder Zirkuswagen einlädt.

GLAMPING. Der Begriff ergibt sich aus der Kombination der Worte Glamour und Camping. Eine neue Variante des Aufenthalts: in besonderen Unterkünften, die teilweise richtig möbliert sind. Die Auswahl ist so gross wie originell: Family Pods, Biwaks, Nomadenzelte und Nostalgiewagen. Auf Komfort und Luxus muss niemand verzichten.

KEINE CO2-EMISSIONEN. Natur und Umwelt werden auf dem Camping Monte Generoso am Lago di Lugano grossgeschrieben.

Gäste hinterlassen quasi keine ökologischen Fussabdrücke. Denn die CO2-Emissionen des Aufenthalts können kompensiert werden.

FAMILIENFREUNDLICH. Campofelice Camping Village in Tenero am Lago Maggiore, mit 150'000 m2 Fläche ist der grösste Platz im Tessin. Zusätzlich zum See gibt es weitere 500 m2, der Wellness gewidmet und ein vielseitiges Animationsprogramm für Kinder.

GLAMPING UND MEHR. Der Camping Lugano – La Piodella mit 47'000 m2 Fläche am Ufer des Lago di Lugano verfügt über einen eigenen Hafen und bietet jede Menge Programm auf und im Wasser für echten Aktivurlaub.

+25

CAMPINGPLÄTZE IM TESSIN ERLAUBEN AUCH HAUSTIERE.

Ticino Ticket Freie Fahrt im ganzen Kanton Alle Gäste, die in Hotels, Jugendherbergen und auf Campingplätzen übernachten, können die öffentlichen Verkehrsmittel im gesamten Kanton frei nutzen und erhalten ausserdem Vergünstigungen bei Bergbahnen, Schifffahrten im Schweizer Seenbecken und touristischen

ticino.ch/ticket

Hauptattraktionen des Tessins.

Das Ticino Ticket wird beim Einchecken in der Unterkunft ausgestellt und ist bis Mitternacht des Abreisetages gültig.

Seen, Flüsse und Berge – zum Greifen nah mit Ticino Ticket!

22

T I C I N O.C H / M A E L Z E R E I

BESUCH BEI DER ERSTEN MÄL ZEREI IM TESSIN

Bierkultur mit Landleben Inmitten bäuerlicher Idylle, zwischen Feldern von Bio-Braugerste und solarbetriebenen Tierställen, ist neu die erste Tessiner Mälzerei entstanden.

Dank dieser Anlage auf dem Hof der Masseria Ramello können Brauereien 100 % lokal produzieren. Degustationen von Tessiner Bieren sind vor Ort möglich. Fachmännische Beratung und Landleben inklusive.

«Ziel ist es, eine

Bierkultur aufzubauen.

Denn Bier ist ein Klasseprodukt und soll auch entsprechend geschätzt werden.»

G E N I E S S E N – C A D E N A Z ZO

CADE NA ZZO

23

Ein Bauernhof wie aus einem Bilderbuch. Gänse schnattern an der Hofeinfahrt, eine Kuh muht in der Ferne. Vor dem Eingang des Landhauses erheben sich neugierig mehrere Hunde und laufen dem vorgefahrenen Besuch entgegen.

Die Masseria Ramello, der Biohof der Familie Feitknecht mit über 100-jähriger Tradition, liegt auf dem Gemeindegebiet von Cadenazzo mitten in der Magadinoebene, umrahmt von weiten Feldern mit Gerste, Weizen, Mais und Soja. Gelbe Blumen schauen zwischen den Halmen hervor – und dienen als Beweis für die ökologische Landwirtschaft des Betriebes. «Wir benötigen weder Herbizide noch Fungizide, da wir auf Fruchtfolge achten und resistente Sorten einsetzen», sagt Adrian Feitknecht, Jahrgang 1988, der in dritter Generation den Hof führt. Die Äcker würden mit wechselnden Kulturen bepflanzt, um die Böden fruchtbar und gesund zu halten. «Und dort fliegt unser Insektenschutzmittel», ergänzt er mit Blick auf die kreisenden Schwalben.

Die 2 Jugendfreunde Adrian und Manuel gründen die erste Mälzerei des Tessins.

24

#ticinomoments

Ihre Nistplätze haben die Vögel in der grossen Scheune zwischen Haupthaus und Kuhstall, die als Korn- und Materiallager dient. Doch das alte Bauerngebäude hat im vergangenen Jahr noch eine ganz neue Funktion bekommen.

Denn genau dort, inmitten der ländlichen Kulisse, haben Manuel Bolliger, 34-jähriger Solarberater und Bier-Sommelier, und Adrian Feitknecht, Freunde seit Jugendzeiten, ihren langjährigen Traum verwirklicht: die erste Mälzerei auf Tessiner Boden.

DIE MAGIE DER TECHNIK Futuristisch wie ein Rakete mutet die imposante Edelstahlanlage in einem Seitenraum der Scheune an. 500 kg Bio-Braugerste wird dort pro Woche gemälzt. Stolz öffnet Manuel Bolliger die grosse Luke der Maschine, um zu zeigen, wo das Wunder im Korn passiert, wie er es formuliert. Er erläutert dabei den komplizierten Prozess des Keimvorgangs, bei dem die Gerste getrocknet, geweicht, kontrolliert zum Keimen gebracht und wieder, durch so genanntes Schwelken und Darren, mehrstufig getrocknet wird – bei bis zu 180 Grad. Im Korn werden auf diese Weise Enzyme aktiviert, ein Teil der enthaltenen Stärke verwandelt sich in Zucker. Das ist Voraussetzung, damit Brauereien aus dem Rohstoff köstliches Bier verschiedener Geschmacksrichtungen produzieren können.

Bolliger und Feitknecht bieten dank der hohen Temperaturen ihrer Maschine neben Basismalzen auch Spezialmalze an, beispielsweise für Birra rossa (Amber Bier).

quent nach den strengen Bio-Richtlinien aus.

«Die natürlich angebauten Produkte haben viele Vorteile, messbare und nicht messbare, wie weniger Schadstoffe und mehr Geschmack.»

Zudem liess er Solarpanel auf die Stalldächer setzen. Vater Ulrico ist auch heute noch oft vor Ort und führt beispielsweise Schulklassen über den Hof. Adrian lächelt: «Transparenz war ihm schon immer wichtig. Der Konsument soll hinter die Kulissen blicken können.»

ZUM URSPRUNG DES BIERES Langfristig können sich Manuel und Adrian vorstellen, die Mälzerei noch zu vergrössern.

Die Genehmigung für eine viermal so grosse Anlage liegt ihnen bereits vor. Wer kosten möchte, wie das Malz als Endprodukt im prickelnden Bier – mit und ohne Alkohol, mit und ohne Gluten – schmeckt, bekommt dazu direkt an der Mälzerei Gelegenheit. Die Betreiber haben ein Degustationslokal mit Biershop eingerichtet und empfangen nach Anmeldung Gäste. Denn als diplomierter Bier-Sommelier will Manuel Bolliger vor allem eines vermitteln: echte Bierkultur. «Bier ist ein Klasseprodukt, das geschätzt werden soll.» Dank Besichtigungen von Feldern und Betriebsstätten, Kursen, Verkostungen und Biermenüs können Besucher in die Geheimnisse und Geschmäcker der Biere des Tessins, der Schweiz und der Welt eintauchen. Die Masseria Ramello bietet für alle diese Veranstaltungen den wunderschönen Rahmen – Landleben inklusive.

01

«Bis vor wenigen Jahren wurde Malz ausschliesslich aus dem Ausland importiert», erläutert Adrian. Inzwischen gebe es Mälzereien auch in der Schweiz. Im Tessin seien sie die ersten. «Ich baue ausschliesslich Bio-Gerste an. Brauereien können also mit unserem Produkt reine Bio-Biere herstellen. Oder echten Tessiner Whiskey.»

Welche Gerstensorten in der Magadinoebene gut gedeihen, hat Adrian Feitknecht in einer mehrjährigen Testphase ausprobiert. «Begonnen habe ich mit fünf verschiedenen Sorten und dann immer weiter reduziert.» Mit der Entscheidung zur ökologischen Landwirtschaft und Nachhaltigkeit führt der 34-Jährige eine Familientradition fort. Schon sein Vater achtete auf Biohecken, Tierwohl und Spezialkulturen im Ackerbau. Adrian ging bei Übernahme des Betriebes dann einen offiziellen Schritt weiter und richtete Anbau, Felder und Ställe konse-

02

Mälzerei, Bier und mehr Die Malteria Ticinese bietet Bier-Verkostungen, Kurse und Bierkartenberatung an.

Der Biershop auf dem Gelände der Masseria Ramello ist freitags und nach Absprache für Kunden geöffnet (malteria.ch). Der Bauernhof ist zwar kein frei zugänglicher Betrieb mit Direktverkauf, dafür aber Gäste erprobt dank B&B Zimmer, Hochzeiten und anderen Privatfeiern.

Es können verschiedenen Örtlichkeiten, von Garten über Innenhof bis zu diversen, rustikalen Innenräumen inklusive Bewirtung gebucht werden. Der Hofrundgang zu den Tieren darf bei all den Aktivitäten natürlich nicht fehlen (ramello.ch).

03

25

Braugerste erfüllt hohe Qualitätskriterien, um sich von Futtergerste zu unterscheiden.

Fruchtfolge: für fruchtbaren Boden ohne Einsatz von Pestiziden. Im BioAnbau unerlässlich.

Spezialmalze bringen Farbe und Aroma ins Bier. Je nach Herstellungsart mild, bitter, vollmundig oder stabil schäumend.

Mehr als 30 Brauereien gibt es im Tessin, von Micro- bis Grossproduzenten.

04

01. In der Bierschule! Studium von Gerstensaft unterschiedlicher Herkunft unter dem wachsamen Auge des Biersommeliers Manuel.

02. Beim Räuchern trifft die würzige Note des Rauches auf das Bier und veredelt das Aroma.

03. Was passiert beim Stacheln? Ein heisses Eisen karamellisiert den Zucker im Bier und verströmt weihnachtlich süsse Aromen.

04. Erntereif? Adrian kontrolliert die Qualität der Bio-Gerste, die er mit Leidenschaft anbaut.

Die Vorweihnachtszeit wird gleich noch gemütlicher, wenn sich hinter jedem Türchen des Adventskalenders ein Tessiner CraftBier verbirgt.

26

T I C I N O.C H / I N N E RWA L K

«Die Leute spüren, dass

es nicht nur eine spirituelle Veranstaltung ist.»

S TAU N E N – A L P E S A L E I

27

IM GESPR ÄCH MIT MICHEL A DI SAVINO

Eine Reise zu sich selbst

Wo das Tessin am schönsten ist, hilft die Kraft der Natur, die eigene Energie zu stärken: mit

Meditation, freiem Tanz und Kopfhörern. Spirituell,

aber auch ganz weltlich, voller Spass und Erlebnis.

Das Innerwalk Project garantiert eine Erfahrung, die nachhaltig verändert.

ALPE SALEI

Die Auszeit beginnt am Treffpunkt mit der Gruppe. Der Spaziergang hilft, den Alltag hinter sich zu lassen und sich auf die Natur zu konzentrieren: rauschende Wasserfälle, ruhende Bergseen.

Ankommen. Warm-up. Sich gegenseitig kennenlernen. Die Kopfhörer schalten die Aussenwelt aus und machen den Blick frei nach innen. Eine Stimme im Ohr führt durch die Meditation. Jeder lauscht an seinem Platz. Bis Musik erklingt. Dann ist der Moment gekommen, aufzustehen und zu tanzen.

Innerwalk ist ein Projekt von Michela di Savino, das Meditation, Sound Healing, Achtsamkeitsübungen, freien Tanz und touristisches Erlebnis auf neue Weise vereint. Die Expertin für Tanz und Teambuilding organisiert Ausflüge in Gruppen an Kraftorte mit Wasserfällen, Fels, Seen und imposanter Natur im ganzen Tessin.

Begleitet wird sie auf ihren Touren, die zwischen drei Stunden und einem Wochenende dauern, von DJs für die Dance-Sessions, Yoga-Lehrern/Innen und manchmal Guides. Dazwischen Picknick oder Speisen im Grotto. Urlaub im Einklang mit der Natur, der sich für jeden eignet, gerade auch wer alleine unterwegs ist.

28

#ticinomoments

Tanzen und Meditation in der Natur mit Kopfhörern: Wie entstand diese Idee?

Ich tanze, seit ich neun Jahre alt bin. Als ich in Zürich lebte, entdeckte ich durch den Conscious Dance, also das bewusste, freie Tanzen, eine ganze Community, Menschen, die dieselbe Lebensphilosophie haben. Gemeinsame Reisen und Workshops brachten mich zu einem Ecstatic Dance Festival in Goa. Dort tanzte ich das erste Mal mit Kopfhörern im Meer.

Das war wie ein Erwachen.

Zurück in Zürich besuchte ich eine Dance-Session im Wald. Dort erkannte ich das wahre Potential der Kopfhörer.

Wieso sind die NoiseCancelling-Kopfhörer so wichtig draussen in der Natur?

Sie werden für Musik eingesetzt, aber auch für Meditation, Kommunikation und Stille. Denn ich bin überzeugt, dass jeder Mensch einfacher in sich gehen kann, wenn die Ohren bedeckt sind. Die Kopfhörer haben aber noch einen weiteren wichtigen Effekt für die Teilnehmer: Sie signalisieren nach aussen, dass sie einer Aktivität nachgehen.

Zum Beispiel beim Tanzen an öffentlichen Orten?

Ja. So erkennen Passanten, dass die Personen einer Gruppe angehören, die in diesem Moment eine Erfahrung macht. Das ist sehr wichtig. Denn ich schwöre dir: Mit den Kopfhörern würden die Teilnehmer sogar auf der Piazza Grande von Locarno tanzen, ohne sich unwohl zu fühlen. Mir macht es ohnehin nichts aus.

Kostet es die Teilnehmer nicht Überwindung so frei zu agieren?

Ich bin sicher, dass jeder in der Gemeinschaft mehr schafft als alleine. Alle Teilnehmer gehen immer weiter als ihr Standard. Und das ist toll, denn das nimmt jeder mit nach Hause: Heute habe ich etwas gemacht, was ich

01

mich sonst nie getraut hätte.

Man sieht sich selbst mit ganz anderen Augen. Aber abgesehen davon wähle ich Orte aus, an denen nicht viele Leute sind.

Ecstatic Dance in der Natur ist sicher das spektakulärste Element von Innerwalk.

Aber nicht das einzige.

Wie setzt sich das Programm zusammen?

Meditation gehört immer dazu, auch das In-sich-Gehen mit Kopfhörern, manchmal Yoga. Und der Spaziergang ab Treffpunkt zum Zielort, meist schweigend, ist ein Element.

Aber das Herzstück ist der Teambuilding-Part vor Ort, meine Arbeit mit der Gruppe mit Übungen, um sich selbst und andere besser kennenzulernen. Eine Erfahrung, die innerlich verändert. Es nennt sich transformierender Tourismus. Trotzdem sind die Veranstaltungen nicht rein spirituell, sondern haben ein ganz konkretes Ziel: Gemeinsam Spass haben und die schönen Orte geniessen.

Die Veranstaltungen sind also nicht nur Selbstfindung, sondern auch touristisches Erlebnis?

Natürlich. Die Kernidee bei der Gründung von Innerwalk war, spirituelle Erfahrungen mit touristischen Aktivitäten zu vereinen. Immer an anderen spektakulären Orten und mit wechselnden DJs für grossartigen Soundtrack, individuell zusammengestellt für jeden Event und jede Location. Es begleiten mich zudem unterschiedliche Experten für Yoga, Meditation oder andere Aktivitäten, wie beispielsweise Kanufahren oder sogar Paragliding. Ich bin selbst jemand, der immer Veränderung braucht.

Das Programm wirkt wie eine Auflistung von Sehnsuchtsorten: Wasserfälle, Bergseen, Inseln. Ist das Tessin der ideale Ort für Innerwalk?

Ja. Hier gibt es wunderschöne Plätze, an denen sich die Energie regelrecht sammelt.

Das Tessin bietet zudem

Vielfalt auf engstem Raum: Sandstrände, Hochgebirge, Seen, Bäche. Alles mit kurzen Wegen zu erreichen. Hinzu kommt, wie ich diese Region lebe. Das Tessin ist nicht ohne Grund meine Wahlheimat.

Besonders das Locarnese strahlt etwas aus, dass die Menschen zur Ruhe kommen lässt und ihnen Geborgenheit vermittelt.

Wer sind die Teilnehmer?

Ganz unterschiedlich und international: Sie stammen aus dem Tessin, aus anderen Regionen der Schweiz und Italien. Frauen gleichermassen wie Männer. Die gemeinsame Sprache ist Englisch.

Viele kommen alleine, was die Kommunikation untereinander fördert. Jede Gruppe hat ihre eigenen Dynamiken.

Wir entwickeln uns über den Tag oder das Wochenende gemeinsam. Und wir gehen dabei nicht nur still in uns.

Bei den gemeinsamen Essen im Grotto wird auch schon mal Tränen gelacht.

S TAU N E N – A L P E S A L E I

Gemeinsam In-sich-Gehen Das Innerwalk Project bietet Events mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Geführte Touren zu Wasserfällen im Maggia- und Leventinatal, zum Ritom-See, auf den Monte Generoso oder Monte Lema, Treffen am Monte Verità oder im Parco San Grato.

Vor Ort gemeinsames Aufwärmen, Meditation, Mindfulness-Praktiken, Yoga, DJ-Set, Ecstatic Dance, Kanufahren und vieles mehr.

Dauer der Veranstaltungen: drei Stunden bis zwei Tage. Laufzeiten ab Treffpunkt zwischen 15 und 45 Minuten. Kopfhörer werden gestellt (innerwalkproject.ch).

02

29

DIE ENERGIE DER ORTE AUFNEHMEN Im Tessin gibt es eine grosse Zahl sogenannter Kraftorte mit Wasser und Fels voller spürbarer Energie.

Tosendes Wasser Die Wasserfälle in Aurigeno, Maggia und Giumaglio im Maggiatal, von Foroglio im Bavonatal oder der Wasserfall Piumogna im Leventinatal vermitteln pure Lebenskraft. Füsse ins eiskalte Wasser halten oder ganz eintauchen. ticino.ch/kraftorte Quell des Lebens Flüsse und Quellen stehen für Kraft und den Ursprung allen Lebens. Am VierQuellen-Weg rund ums Gotthard-Massiv entspringen Rhein, Reuss, Rhone und Ticino. Wanderungen in Tagesetappen zu einzelnen Quellen möglich oder gesamte Tour in 5 Tagen. Im Lukmaniergebiet lässt sich der Ursprung des Brenno entdecken. ticino.ch/quellen Überraschende Frische Wo kann man besser Energie tanken als in der Natur? Kleine Wassertropfen sorgen für Erfrischung beim Botto-Wasserfall, den man über einen Wanderweg von Rovio aus erreichen kann. ticino.ch/botto

03

01. In sich selbst ruhen. Genau diese Erfahrung lässt Michela mit dem Innerwalk Project erleben.

02. Musik in den Ohren und eine magische Kulisse geben den Takt für befreienden Tanz.

03. Die positive Energie der Alpe Salei sorgt für bewegende Momente bei den Teilnehmern.

30

#ticinomoments

Alles im Fluss

+130

Das Tessin ist ein Wasserpark: mit Flüssen, die die Täler durchqueren und in die Seen münden,

BERGSEEN. Ihre besonderen Eigenschaften machen sie zu Schatzkammern der Artenvielfalt. ticino.ch/tomeo

Wasserfällen und Bergseen. Klar und glitzernd, erfrischend und belebend: Das Tessin ist zu grossen Teilen von Wasser bedeckt, eine wichtige Ressource und Lebensgrundlage. ticino.ch/gewaesser

A W SSER UND STADT

120

BRUNNEN LIDO

Im Tessin gibt es über 30 Badeanlagen. Wer beim Schwimmen den Adrenalinkick sucht, kann den Sprung aus der Höhe wagen: In Lugano, Carona, Bellinzona und Locarno stehen 10-Meter-Türme für Mutige bereit. ticino.ch/lido

SICHERHEIT

Vorsicht ist immer geboten, das gilt auch für Experten. acquesicure.ch

Es gibt zahlreiche Brunnen, an denen Passanten sich erfrischen und Wasser bester Qualität trinken können. 5 schöne Beispiele. ticino.ch/top5.14

193 M Ü.M.

HÖHENLAGE DES LAGO MAGGIORE. Der tiefste Punkt der Schweiz heisst auch Lago Verbano.

BADEPLÄTZE IN 4 REGIONEN. Zusammengestellt im Buch «Tessin – die schönsten Badeplätze». Flüsse, Wasserfälle und Seen laden zum Baden und Erfrischen ein.

288 M Ü.M.

DER TIEFSTE PUNKT DES LAGO DI LUGANO befindet sich im oberen Seebecken nur wenige Kilometer von Gandria entfernt, zwischen Schweizer und italienischer Grenze.

31

DIE ENERGIE DES A W SSERS STAUMAUERN

Im Tessin gibt es über 30 Kraftwerke, die Wasser als Hauptantrieb verwenden. Beim Kraftwerk Morobbia können sich Besucher auf einem 8 km langen Rundweg mit 9 Infotafeln einen guten Einblick in die Funktionsweise von Wasserkraft verschaffen. ticino.ch/hike109

60

MÜHLEN

Mit Wasser werden auch die noch aktiven Mühlen im Tessin angetrieben.

Anlässlich des Schweizer Mühlentages öffnen auch im Tessin die Mühlen alljährlich ihre Pforten für Besucher. Dazu gehört auch die Mühle und Stampfe des Precassino, wichtiges Kulturdenkmal an der «Via del Ceneri». ticino.ch/top5.25

METER

TOSENDES, SCHÄUMENDES WASSER. Der Wasserfall Cascata del Salto im Maggiatal, etwa 13 km von Locarno entfernt, ist ein wahrer Kraftort und berühmt für seinen Regenbogen. ticino.ch/top5.15

9 DIE GRÖSSTEN FLÜSSE IM TESSIN. Der Ticino entspringt am Gotthardmassiv und ist mit 91 km der längte Fluss auf Tessiner Boden.

Brenno, Maggia, Verzasca, Cassarate, Laveggio, Magliasina, Tresa und Vedeggio strömen auf insgesamt 191 km durch das Tessin. Das ist etwa die Distanz Lugano-Zürich.

PROJEKTE AUFWERTUNG VON GEWÄSSERN In der Schweiz gibt es über 500 Projekte im Bereich Gewässerschutz.

Quellen: Bundesamt für Umwelt (BAFU), Amt der Gewässer (UCA), Amt der Energie (UE) und Amt der Statistik des Kantons Tessin (USTAT).

Die Bolle di Magadino, eines der 11 Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung, wurde 1982 in die RamsarKonvention aufgenommen.

Das Naturreservat von 600 Hektar Fläche liegt an der Ticino- und Verzasca-Mündung am Lago Maggiore und ist Lebensraum für über 300 Tierarten. ticino.ch/bolle Nach der endgültigen Schliessung der Zementfabrik Saceba im Jahr 2003 ist ein Projekt zur Wiederaufwertung des Territoriums eingeleitet worden. Heute kann der gesamte Park der BreggiaSchluchten besichtigt werden, der schon 1998 zum Schutzgebiet ernannt wurde. ticino.ch/breggiaschluchten

32

T I C I N O.C H / T I - R E X

«Ich möchte auch

anderen Menschen die Möglichkeit geben, Sport zu treiben und in die Berge zurückzukehren.»

E R L E B E N – A I RO LO

IN DEN TESSINER BERGEN UNTERWEGS

Pistenerlebnis ohne Grenzen Auf dem Monoski hebelt der paralympische Skirennfahrer Murat Pelit die Gesetze der Schwerkraft aus.

Als Mitgründer von Ti-Rex Sport will er auch anderen Menschen mit Einschränkung die Möglichkeit geben, die Bergwelt zu erobern.

AIROLO

33

34

#ticinomoments

Ein kurzes Rauschen ist zu hören, wenn Murat Pelit auf der Piste vorbeizieht. In scharfen Schwüngen und mit hoher Geschwindigkeit fegt er den Hang hinunter. Wenn sich die Schneewolke hinter ihm gelegt hat, herrscht wieder Stille in der glitzernden Schneelandschaft Airolos, ganz im Norden des Tessins.

Das Skigebiet am Gotthard ist für dem Spitzensportler, der aus dem Mendrisiotto stammt, der heimatliche Trainingsplatz. Doch als Mitglied des Swiss Paralympic Ski Teams bleibt ihm nie viel Zeit für nostalgische Fahrten zu Hause. «Während der Skisaison bin ich in der ganzen Welt für Training und Wettkämpfe unterwegs.» Und die Saison dauert immerhin von August bis April.

Pelit fährt Monoski, eine anspruchsvolle Skivariante für Rollstuhlfahrer, bei welcher der Sportler sitzt, während er auf einer einzelnen Kufe durch den Schnee gleitet. Statt Stöcke werden Oberarm-Stützen mit Mini-Kufen eingesetzt für die bessere Stabilisierung. Für den zuschauenden Laien scheinen beim Monoskifahren die Kräfte der Schwerkraft ausgehebelt, vor allem wenn sich Murat in die Kurve legt.

«Um es zu erlernen, braucht man tatsächlich etwas länger als beim klassischen Ski», sagt der Paralympic-Teilnehmer. «Realistisch ist etwa eine Woche.» Bei ihm seien es damals drei Stunden gewesen.

EIN NEUES LEBEN «Man darf vor der Abfahrt keine Angst haben, nur Respekt.» Der 40-Jährige gilt im Nationalteam als Draufgänger. Wenn er spricht, mit seinem offenen Lachen und den unternehmungslustig blitzenden Augen, wird auch schnell klar, warum. Keine Piste ist zu steil, kein Gebirge zu hoch, kein Weg zu unwegsam.

«Ich bin immer unterwegs, immer in Bewegung.

Und am liebsten draussen in den Bergen.»

Es war diese Liebe zur alpinen Natur, die ihn nach einer schweren Zeit zum Spitzensport brachte. Und eine Zukunft für ihn eröffnete, die so ganz anders ist, als ursprünglich geplant. Bei dem ehemaligen Offiziersanwärter und diplomierten Förster wurde im Jahr 2003 ein Tumor im Kreuzbein diagnostiziert, was nach diversen Eingriffen und Behandlungen zu einer inkompletten Querschnittslähmung führte. In den nachfolgenden Jahren verbrachte Pelit viel Zeit in Kliniken, musste über 80 Operationen über sich ergehen lassen.

Als es ihm besser ging, informierte er sich im Paraplegiker Zentrum über Sportarten für Menschen mit Beeinträchtigungen. «Als ich die Ski alpin-Fahrer sah, wollte ich mich sofort auf die Piste stürzen. Endlich wieder ins Gebirge.» Er nahm an Kursen teil, anfangs noch zurückhaltend, und startete ab 2010 voll durch. Er trat dem nationalen ParalympicsNachwuchs bei, fuhr 2011 sein erstes Rennen und schaffte es bis zu den Paralympischen Spielen in PyeongChang 2018.

UNVORSTELLBARE SPORTARTEN Sport ist sein Leben. Auch im Sommer. Mit dem Downhill-Handbike, das er auch in der OffroadVersion fährt, erobert er in der schneefreien Zeit die Berge. Oder er lebt seinen Drang nach Adrenalin auf den grossen Seen aus und lässt sich auf seinem Sit-Wakeboard von einem Boot ziehen. Doch nicht nur diese ungebremste Energie zeichnet Murat Pelit aus, sondern auch das Bedürfnis, andere Menschen daran teilhaben zu lassen. «Mir fiel auf, dass solche Sportangebote für Menschen mit Einschränkungen fehlen.»

Gemeinsam mit Freunden gründete er 2018 die Vereinigung Ti-Rex Sport mit Sitz in Airolo.

«Unvorstellbare Sportarten», wie sie werben, lassen sich mit Ti-Rex Sport ausprobieren: Monoski, Dualski, Handbike, Sit-Wakeboard und Paragliding. Material und Instruktoren werden je nach Bedarf gestellt. «Die Handbikes sind unkompliziert und können auch alleine gefahren werden», erläutert Pelit. Und zwar nicht nur von Menschen mit Gehbehinderung.

«Jeder hat daran Spass. Wir wollen niemanden ausschliessen, sondern vereinen.»

Im Winter arbeitet Ti-Rex Sport mit dem Sci Club Lugano zusammen, der speziell auf Parasport eingestellt ist. So erfordere beispielweise das Dualski-Fahren, also das Begleiten einer Person auf dem Skibob, eine spezielle Kursausbildung.

Das Paragliding wiederum führt ein Anbieter durch, der auf Tandemflüge mit Rollstuhlfahrer spezialisiert ist. Hebt der Skifahrer auch selbst mal in die Lüfte ab? Pelit lacht. «Es ist das Maximum an Freiheit. Und eines Tages werde ich es ausprobieren. Aber ich bleibe schon gerne mit den Füssen am Boden.»

01

02

Actionreiche Sportarten probieren Ti-Rex Sport in Airolo hat sich auf Sportarten für Menschen mit motorischer Beeinträchtigung spezialisiert und vermietet oder verkauft das Material für Mono- und Dualski, Handbike, Wakeboard und Paragliding. Instruktoren werden gestellt. Jede Anfrage wird individuell bearbeitet. Auch Gruppen-Events möglich (tirex.ch).

E R L E B E N – A I RO LO

35

BARRIEREFREI DURCHS TESSIN Für Menschen mit motorischer Einschränkung gibt es zahlreiche Möglichkeiten, auf sicheren Wegen die vielseitige Landschaft des Tessins zu erleben.

Ein spezieller Fahrradweg Der 5 km lange Rundweg «Murat Pelit» mit Startpunkt am Hotel Serpiano am Monte San Giorgio ist perfekt für die Nutzung von Handbikes geeignet, auch für Anfänger. Die Räder können im Hotel gemietet werden. Die Strecke führt vor allem durch den Wald. ticino.ch/bike402 Seen und Berge In allen Regionen gibt es Rundwege und Wanderrouten, die speziell auch für Rollstühle geeignet sind. Diese führen sowohl an den grossen Seen entlang, als auch durch das Hochgebirge, oder durch die Stadt. ticino.ch/ erlebnis-barrierefrei

03

04

01. Monoski und Dualski: Beides kann auf den Pisten von Airolo Pesciüm ausprobiert werden, macht Spass und ist für alle zugänglich.

02. Murat ist auch im Sommer in Airolo anzutreffen.

Per Handbike auf dem Alpi Bedretto Bike 390.

03. Er fährt Ski und Rad und hat vor nichts Angst. Der Sportler Murat Pelit, aufgewachsen im Mendrisiotto, lebt heute in Airolo und gibt ordentlich Gas. 04. Adrenalin pur in der Gesellschaft eines Champions.

Sicher bergauf und bergab – begleitet von einem Experten.

Eislaufen Die Eislaufpiste Resega in Lugano gehört zu den Einrichtungen, die auch Sportmaterial für Rollstuhlfahrer vermietet.

Es handelt sich um kleine Plattformen mit Kufen, auf denen Rollstühle jeden Modells befestigt werden können. Dieses Angebot entstand aus einer Zusammenarbeit mit der Stiftung Cerebral. ticino.ch/ eislaufen-barrierefrei

36

#ticinomoments

Sport rund ums Jahr

+160

Das mediterrane Klima im Tessin macht Abenteuer

BIKE SHARING STATIONEN IM GANZEN TESSIN. Kein Fahrrad dabei? Kein Problem! Im Tessin gibt es Räder an jeder Ecke. 700 Velos zum Ausleihen, darunter 400 mit E-Antrieb. ticino.ch/bike

zu jeder Jahreszeit möglich. Ob Extremsport oder sanfte Bewegung, zu Fuss, auf dem Rad, auf einem SUP oder auf Ski: Es sind Aktivitäten im Einklang mit der Natur und voller Emotionen. ticino.ch/sport

MTB DAS GANZE JAHR? SICHER! Auf der Südalpenseite zwischen Seen und schneebedeckten Gipfeln kann fast das ganze Jahr über Mountainbike gefahren werden. ticino.ch/365mtb

YOGA STAND UP PADDLE

Herrliche Ruhe liegt über dem See, wenn das Wasser still und klar ist.

Der beste Zeitpunkt, das Paddel in die Hand zu nehmen und stehend auf dem Brett über den See zu gleiten. ticino.ch/sup

Auf dem Berggipfel oder mitten auf dem See: Das Tessin gilt als idealer Ort für die Suche nach sich selbst. Hier findet sich immer ein Moment der Ruhe und Leichtigkeit. ticino.ch/yoga

CANYONING

Ein Sprung ins klare Wasser und los geht’s über Naturrutschen und Felsen. Ein actionreiches Erlebnis in wunderschöner Natur. ticino.ch/schlucht

FRÜHLING SOMMER WIE EIN GECKO AUF DEN GIPFEL. Die Staumauer Luzzone im Bleniotal ist gleichzeitig die höchste künstliche Kletterroute der Welt mit 160 m. An der Sambuco-Staumauer im Val Lavizzara gibt es 5 Kletterrouten verschiedener Schwierigkeitsgrade. ticino.ch/klettern

MIT PULVER AN DEN HÄNDEN. Beim Bouldern werden Felsblöcke und Wände erklommen. Vor 30 Jahren wurde das Tessin für diese Sportart entdeckt – und erweist sich bis heute als wahres Paradies. ticino.ch/boulder

EISLAUFEN

Warum nicht einmal Schlittschuhfahren dort, wo die grossen Stars trainieren - oder sogar in der Fankurve ein Eishockeymatch verfolgen? ticino.ch/eisbahnen

HERBST WINTER SKI

Und wenn es schneit? Dann beginnt der Betrieb auf den Skipisten. Die bekanntesten Skiorte im Tessin sind Bosco Gurin und Airolo – Pesciüm. ticino.ch/skipisten

37

SCHNEESCHUHE

Wandern im Tiefschnee mit riesigen Fussabdrücken.

Bei dieser Aktivität kann jeder mitmachen und neue Energie tanken. ticino.ch/schneeschuhe

DEN SCHWUNG FINDEN. Für Golfliebhaber ist das Tessin ein Muss.

In dieser Landschaft, die von grossen Seen bis zu Hochgebirge alles zu bieten hat, kann ganzjährig gespielt werden. ticino.ch/golf

2

1

3

SPORTSTARS AUS DEM TESSIN

Das Tessin hat viele erfolgreiche Athleten hervorgebracht. Wo stecken die Rohdiamanten unter dem Nachwuchs?

4'366 KILOMETER

WANDERWEGE IM GANZEN TESSIN. Von sanften Spaziergängen über Themenwege bis zu anspruchsvollen Wandertouren: Seilbahnen und viele Serviceangebote schaffen beste Voraussetzungen, um das Tessin zu Fuss zu erobern. ticino.ch/hike

5 IDEEN FÜR ALLE JAHRESZEITEN. Frühling, Sommer, Herbst und Winter: ganzjährig zu Fuss durchs Tessin. ticino.ch/top5.20

Schmetterling in Bronze. Im Nationalen Jugendsportzentrum in Tenero ist die Beckenbahn Nr. 3 dem Tessiner Noè Ponti gewidmet, der bei den Olympischen Spielen in Tokio über 100 m Schmetterling den 3. Platz belegte.

Weltklasse-Sprinterin.

Ajla Del Ponte, frühere Europameisterin über 60 m Indoor, ist jedes Jahr bei der Galà dei Castelli in Bellinzona dabei, einem der wichtigsten LeichtathletikTreffen der Welt.

38

T I C I N O.C H / D R EC H S L E R

TR ADITIONELLES KUNSTHANDWERK ZUM ERLERNEN

Wo aus Launen der Natur Luxusartikel werden Aus Holzabfällen der umgebenden Gärten und Wälder entstehen in Lamone wunderschöne Dekorationsartikel. Matthias Bachofen, einziger gelernter Drechsler im Tessin, formt an der Drehbank Vasen, Stifte und andere Kunstgegenstände und gibt seinen Enthusiasmus in Kursen weiter.

«Ich färbe nicht,

um bunte Sachen zu machen, sondern um etwas hervorzuheben, was schon im Holz ist.»

E N T D EC K E N – L A M O N E

39

LAMONE

Der Drechsler Matthias Bachofen wählt sein Material sorgfältig aus.

Jedes Stück Holz erzählt eine Geschichte.

Allein das Zusehen ist ein Besuch wert: Wenn Matthias Bachofen, Jahrgang 1964, die Drehbank anwirft und einen unscheinbaren Kanten Holz einspannt, eröffnet sich vor den Augen des Zuschauers ein faszinierendes Spektakel.

Die Späne fliegen, die Maschine surrt, das rotierende Holz wird dank optischer Täuschung lebendig: Es tänzelt, schlägt Wellen, wächst und schrumpft gleichzeitig – bis es sich nach nur wenigen Minuten, wenn Bachofen das Drechseleisen wieder sinken lässt, in eine formvollendete Figur verwandelt hat.

Ein kleiner Kreisel mit weichen Rundungen, feiner langen Spitze und einer so präzisen Symmetrie, dass er nicht auf hört sich zu drehen. Hohe Kunst? Bachofen wiegelt ab: «Das können Kursteilnehmer schon am Ende des ersten Tages selbst herstellen.»

MIT LUXUSARTIKELN DAS GLÜCK GEFUNDEN Mit sechs bis acht Drehbänken ist seine Werkstatt auf Lerngruppen ausgerichtet. Sogar ein kleines Multimediastudio mit vier Kameras hat er sich in einer Ecke eingerichtet für die regelmässigen Online-Vorführungen. «Die haben mit Corona angefangen, sollen aber nicht mit Corona aufhören», sagt der Kunsthandwerker. Er ist bestens vernetzt und hat sich international längst einen Namen als Experte auf seinem Gebiet verschafft.

Bachofen stammt aus Winterthur, lebt seit 1990 im Tessin und war schon immer der einzige diplomierte Drechsler im Tessin. Am Anfang produzierte er hauptsächlich Möbelknöpfe und Tischbeine für Schreiner, die mit Mustern zu ihm kamen. Das war lukrativ, aber unbefriedigend, wie der 57-Jährige im Nachhinein

feststellt. Die Zeiten änderten sich jedoch. Die Nachfrage nach den klassischen Produkten ging zurück, Möbelelemente wurden zunehmend industriell hergestellt. Bachofen begann, verstärkt auf Kunsthandwerk zu setzen. Und traf damit die richtige Entscheidung. «Heute stelle ich erfolgreich schöne Luxusartikel her.

Es macht mich glücklich.»

Sein Showroom ist an die Werkstatt in Lamone angegliedert. Ein würziger, ätherischer Duft mischt sich dort unter das Holzaroma, denn seine Frau Daniela betreibt im Nebenraum einen Tee- und Gewürzhandel. Wunderschöne Objekte sind im Ausstellungsraum zu sehen, Schalen, Vasen, Dosen, Kerzenständer, glänzend, oft farbig. Als Oberflächenfreak bezeichnet Bachofen sich selbst. «Ich liebe es, mit Farben zu spielen.» Er hebe die natürlichen Töne im Holz hervor, erläutert er. Auch edle Goldränder gehören zu seinen Spezialitäten.

Die besonderen Musterungen jedoch, die jedes Objekt zum Unikat machen, sind wiederum rein natürlichen Ursprungs.

Der Holzexperte macht sich nach eigener Aussage dabei die Launen der Natur zunutze: ein Pilz im Holz oder Verwachsungen. Vielleicht der Stamm einer Eibe, die im Wasser lag. Bei den Gärtnern der Umgebung ist Bachofen für seine Vorlieben bekannt. «Wenn sie ein besonders spezielles Stück Baumstamm haben, bringen sie es mir.» Das Holz stammt aus Gärten, Parks und Wäldern der Umgebung. Esche, Ahorn, Kastanie und Buche, aber auch Erdbeerbaum, Olive oder Calicantus, was gerade so anfällt.

Der Kunsthandwerker lässt sich inspirieren.

«Für einen Stift beispielsweise nehme ich nur Rohlinge mit ungewöhnlichen Merkmalen.»

40

#ticinomoments

WENN KUNST GESCHICHTE ERZÄHLT Jedes Holz hat seinen eigenen Charakter und eigenen Geruch. Zirbe beispielsweise duftet besonders angenehm – und gilt als schlaffördernd. Deshalb stehen bei Bachofen auch Säcke mit Zirbenspänen für Kissenfüllungen bereit. Manchmal sucht der Drechsler auch gezielt spezielles Holz, wie er sagt, und meint Goldregen oder Khakibaum. Seine Lieblingssorte ist Eibe: «Wunderschön, ideal zum Herstellen grosser Schüsseln, geschichtlich und mythologisch interessant. Aber auch rar und leicht giftig.» Dann nimmt Bachofen vorsichtig einige Gefässe in die Hand, die als ganze Serie das obere Regalbrett seines Showrooms zieren. In ihnen stecke ein Stück lokale Historie, verrät er. «Sie entstanden aus einer alten Platane, die ihren Platz vor dem Rathaus in Cadempino hatte. Als ich hörte, dass der Baum wegen Umbauarbeiten gefällt wird, sicherte ich mir das Material.» Nachhaltigkeit ist ihm sehr wichtig. Exotische Hölzer bearbeitet er nur, wenn er sie geschenkt bekommt oder von seinen Reisen rund um die Welt mitbringt.

FERIEN MIT HANDWERK Holz gilt als Werkstoff mit einem ganz besonderen Reiz. Oft gut verfügbar, beispielsweise im eigenen Garten. Bachofen erklärt sich so auch das steigende Interesse an seinen Kursen und Online-Vorführungen. Gerade Personen aus anderen Branchen würden die Arbeit mit diesem naturnahen Material lieben. Das Interesse an der Drechselei als Hobby wachse, sagt Bachofen.

Seine Kurse würden fast ausschliesslich von Laien belegt, die einen Ausgleich zum Alltag suchen. Viele Informatiker und Banker seien darunter, die das dringende Bedürfnis hätten, mal mit den Händen zu arbeiten.

Die Kurse in Lamone richten sich sowohl an Anfänger als auch an Fortgeschrittene, Tessiner wie Touristen. «Auswärtige Teilnehmer bringe ich in den benachbarten Hotels oder Bed & Breakfast unter. Zum Essen gehen wir gemeinsam ins Grotto oder kochen selbst.» Die Kurse sind nicht immer fest ausgeschrieben.

Bei Anfragen organisiert Matthias Bachofen auch spontan etwas. Es macht ihm Spass. «Ich sehe mich nie als Lehrer, sondern als Handwerker.» Und wer sich von seinem Enthusiasmus anstecken lässt, kann mit einer kleinen Investition in eine Drehbank das neue Hobby auch zu Hause fortsetzen.

01. In Kursen, in seiner Werkstatt in der Nähe von Lugano, gibt Matthias sein Wissen weiter.

02. Jedes Holz hat seine Besonderheit. Der erfahrene Kunsthandwerker verwandelt die Launen der Natur in luxuriöse Objekte.

HANDWERKSKUNST ENTDECKEN Es gibt im Tessin viele Möglichkeiten, selbst ein Kunsthandwerk zu erlernen. ticino.ch/handwerk

01

02

90 %

des Holzes stammt aus Wäldern und Gärten der Umgebung.

3'800

Umdrehungen in der Minute schafft eine moderne Drehbank.

+60

Kunsthandwerker/Innen sind über Aticrea miteinander verbunden.

Kreativität im Tessin Drechsler Matthias Bachofen ist mit seinem Atelier in Lamone Mitglied bei Aticrea, dem Tessiner Kunsthandwerksverband (atelierdellegno.ch). Über diese Plattform lassen sich eine Vielzahl von Produkten samt Herstellern sowie Veranstaltungen im Tessin entdecken (aticrea.ch).

3'500

Jahre ist das Handwerk des Drechselns mindestens alt.

Die frühsten Fundstücke stammen von den Etruskern.

Bildhauer werden Ein Kurs an der Scuola di Scultura in Peccia verspricht ein unvergesslicher Kreativurlaub in schönster Umgebung zu werden. Die Kursauswahl ist gross und reicht von Stein- und Holzbildhauerei über kunstvolles Modellieren mit Gips bis zum Zeichnen.

Wolle aus dem Tal In der Casa della Lana wird im Frühling und bei Bedarf auch im Herbst die Schafwolle von Tessiner Schafen mit natürlichen Materialien gefärbt und später auch gesponnen. Pro Verzasca organisiert Führungen mit Einblick in den gesamten Arbeitsprozess.

Verborgene Schätze Lokales Kunsthandwerk in Lugano entdecken: bei Besichtigungen kleiner Werkstätten ganz unterschiedlicher Branchen sowie Produzenten lokaler Lebensmittel. Auch in anderen Regionen möglich. luganoregion.com

41

IDEEN FÜR ERLEBNISSE MIT KINDERN

Eine Familie empfiehlt ...

«Die Angelones» sind bekennende Tessin-Liebhaber. Als Langsamreisende nehmen sie sich für ihre Entdeckungstouren gerne viel Zeit, halten am liebsten Ausschau nach eher unbekannten Perlen und wählen für ihre Abenteuer wenn immer möglich öffentliche Verkehrsmittel.

Ihre zahlreichen Erlebnisse im Tessin halten sie auf ihrem Familienblog fest – praktische Insider-Tipps inklusive. dieangelones.ch KLEINER SPAZIERGANG, GROSSE ERFRISCHUNG Der Petronilla-Wasserfall bildet auf drei Ebenen paradiesische Naturpools, wo man sich sonnen und entspannen und - mit etwas Mut und gegebener Vorsicht - auch darin baden kann. Vom Bahnhof Biasca aus ist das Naturspektakel in einer halben Stunde Fussmarsch erreichbar.

PARADIES FÜR WASSERRATTEN In Bignasco kann man nicht nur in der Bavona und der Maggia baden, sondern auch am Fuss der fantastischen Cascata Grande – ein Wasserfall mit einem grossen Naturpool umgeben von viel Liegefläche. Wem das nicht reichen sollte, findet gleich nebenan auch ein Freibad.

URBANE SCHNITZELJAGD Via Foxtrail begibt man sich auf eine rätselhafte Spurensuche durch Lugano. Der Parcours überrascht nicht nur mit modernen, traditionellen und kulturellen Aspekten, sondern auch mit herrlichen Ausblicken und einer spannenden Hintergrundgeschichte.

Perfekt, um die Stadt (neu) zu entdecken!

KRAFTORT FÜR NATURLIEBHABER Den Monte Verità erreicht man von Ascona aus zu Fuss über einen schönen Treppenweg oder via kurzer Busfahrt. Wo einst Menschen mit alternativer Lebensphilosophie lebten, kann man heute die Natur und eine herrliche Aussicht geniessen sowie die einzige Teeplantage Europas besuchen.

BÄREN-SPOTTING Knochen. Unterkiefer, Schädel, Schienbeine, Oberarmknochen und Zähne zeugen davon: Auf dem Monte Generoso, dem imposantesten Tessiner Aussichtsberg, lebten einst Bären. Ihre Höhle kann man heute besuchen. Die geführte Tour und das AugmentedReality-Erlebnis sind ein Abenteuer der besonderen Art!

01

02

Scannen Sie den QR-Code unten und lesen Sie den ganzen Artikel.

01. Im Bavonatal, einem der grössten Seitentäler des Maggiatals, bietet die ursprüngliche Natur die beste Atmosphäre für Familienausflüge.

02. Beim Wasserfall von Foroglio, einem der schönsten Wasserfälle des Tessins, gibt es auch eine der Schaukeln von Swing the World.

42

#ticinomoments

Kleine Entscheidungen mit grossem Effekt Bewusst Ferien machen mit Rücksicht auf Umwelt, Kosten und soziale Aspekte.

Wer sich für nachhaltige Aktivitäten, Nahrungsmittel und lokale Produkte entscheidet, hilft mit, den ökologischen Fussabdruck zu verkleinern. ticino.ch/green

3

MOBILITÄT RUNDWEGE

Unter den Tessiner Routen auf SchweizMobil gibt es 3 Wege, die für Menschen mit motorischer Einschränkung zugänglich sind.

DIE MNE CERESIO 1931 ist das erste schnell aufladbare und emissionsfreie E-Motorschiff der Schweiz. Ein Projekt im Einklang mit der Natur, verwirklicht im Tessin. ticino.ch/mne-ceresio

+170 JAHRE SCHIFFFAHRT

-95 % CO2EMISSIONEN

MIT DEM ZUG UNTERWEGS Im ganzen Tessin herumfahren und dabei die Umwelt nicht belasten: Das ist ganz einfach dank Ticino Ticket. ticino.ch/ticket

WALDRESERVATE

OFFLINE UNTERWEGS

UNBERÜHRTE NATUR Es ist Zeit, die Natur zu geniessen, ohne Störungen. In den Waldreservaten entwickelt sich die Natur frei, ohne Eingriffe des Menschen. ticino.ch/top5.1

An der Talstation des Monte Generoso gibt es 14 Schliessfächer, wo man sein Handy deponieren kann, um den Berg im Digital Detox Modus zu erkunden. ticino.ch/detox

DETOX

43

AROMEN EIN TESSIN MIT

+5

Sternen LEIDENSCHAFT WEIN

EMISSIONSFREIER AUFENTHALT

Die Weinlese im September ist ein sehr wichtiger Moment für die Winzer der Region, vor allem im Mendrisiotto. Wer etwas Neues wagen will, kann bei der Weinlese mitmachen und sich von erfahrenen Experten die traditionellen Handgriffe zeigen lassen. ticino.ch/erlebnis-wein

EIN JUWEL AUS ALTEN ZEITEN Im Cà Vegia in Cerentino, einem historischen Gebäude nahe Bosco Gurin, kann man übernachten und sich auf eine umweltfreundliche Erfahrung einlassen, ohne Gas und Elektrizität. ticino.ch/cavegia

GREEN

GROSSER GESCHMACK, KLEINE WEGE «Ticino a te» ist ein Schaufenster für kleine Produzenten des Tessins und ihre Produkte, auch jene der Marke Ticino regio.garantie.

NACHHALTIG ZU TISCH Die Locanda Barbarossa in Ascona mit Küchenchef Mattias Roock hat als erstes Lokal im Tessin den grünen Michelin-Stern erhalten dank des Konzepts: «Sapori del nostro orto».

+20 SWISSTAINABLEZERTIFIZIERUNGEN

Verschiedene Tourismusbetriebe im Tessin sind mit dem Label von Schweiz Tourismus für ihr Bemühen um Nachhaltigkeit ausgezeichnet worden. ticino.ch/swisstainable

44

T I C I N O.C H / K U LT U R L A N D S C H A F T

KULTURL ANDSCHAF T IM MUGGIOTAL

Zum Schutz der Vielfalt Das Muggiotal ganz im Süden der Schweiz ist bekannt für seine Raritäten der Flora, Fauna und Agrargeschichte.

Das Ethnografische Museum des Muggiotals engagiert sich, gemeinsam mit weiteren Akteuren, für den Erhalt

«Jeder Stein da

dieser einzigartigen Kulturlandschaft.

Wie gemalt liegen die kleinen Bergdörfchen rechts und links der Breggia.

Trotz steiler Hänge, die von hellen Kalksteinschichten durchsetzt sind, wirkt die Landschaft nicht schroff, sondern lieblich mit ihren Wäldern, Lichtungen, Wiesen, Bergweiden und Weilern.

Der Artenreichtum im Muggiotal ist überdurchschnittlich hoch: Es gibt über 1’000 verschiedene Pflanzen, ein Drittel aller in der Schweiz vorkommenden Spezies.

Sogar die Pfingstrose wächst wild. Zudem ist die Region geprägt von einzigartigen Zeugnissen früheren bäuerlichen Lebens.

Doch Urbanisierung und moderne Landwirtschaft verändern die Kulturlandschaft. Wie lässt sich der besondere Charakter des Tals schützen?

Ein Gespräch mit Mark Bertogliati, Forstingenieur und Kurator des Museums.

Wo können Besucher die Besonderheiten des Muggiotals am besten erfassen?

Die Ästhetik der Kulturlandschaft mit ihrem Zusammenspiel von Wald, Weilern, terrassierten Wiesen und Weiden fällt überall auf. Auch vom Museum in Cabbio aus eröffnet sich ein schöner Blick auf das obere Tal und den Monte Generoso.

Scudellate und Roncapiano sind ideale Ausgangspunkte für Wanderungen. Es blüht überall überdurchschnittlich intensiv.

Wie kommt es zu dieser reichen Vegetation?

Es ist typisch für Kalkzone.

Es sind magere Böden, auf denen sich eine grosse Vielfalt an Pflanzen entwickeln kann, weil keine Spezies dominiert. Während der letzten Eiszeit gab es am Monte Generoso eisfreie Zonen. Dort konnten sich Flora und Fauna über einen viel längeren Zeitraum entwickeln als in anderen Regionen. Hinzu kommt das milde Klima. Doch auch der Mensch, wie er hier früher lebte, hatte Einfluss.

Wieso? Welche Rolle spielte der Mensch?

draussen erzählt eine Geschichte.

Hier haben wir eine besonders hohe Dichte an Zeugnissen bäuerlicher Aktivitäten.»

01

Der Artenreichtum ist besonders gross in den offenen und halboffenen Pufferzonen zwischen Wald und Siedlungen, sprich Lichtungen, Wiesen und Feldern. Ein Beispiel sind die Trockenwiesen, die hier über Jahrtausende bewirtschaftet wurden und heute von nationaler Bedeutung sind. Ein Minimum an Pflege und Schnitt ist zu ihrem Erhalt aber notwendig.

Dasselbe gilt für Kastanienselven und Ackerterrassen.

Auch Steinkonstruktionen sind Lebensräume für Kleintiere und Pflanzen.

Der Eingriff des Menschen in die Landschaft war also positiv?

Wir haben zwar keinen Vergleich zu Zeiten vor der Besiedlung, doch wir wissen, dass der Mensch schon sehr lange hier lebt und die Natur ihr Gleichgewicht damit fand. Es war bis Anfang des 20. Jahrhunderts ja ein limitierter Eingriff.

Die Landwirtschaft war nicht so intensiv wie heute, dafür vielfältig, mit kleinen Parzellen und unterschiedlichen Schnittarten. Das ist heute anders. Und das ist ein Problem.

Wieso? Was ist das Risiko?

Aus rein kommerziellen Gesichtspunkten lohnt sich das Bewirtschaften von Trockenwiesen und terrassierten Hängen nicht mehr.

L E R N E N – M U G G I OTA L

45

VA L L E D I MUGGIO

01. Im Muggiotal gibt es viele, denen das Gebiet am Herzen liegt und sich für dessen Erhalt einsetzen, wie Mark Bertogliati.

02. Das Gästebuch des Hotel Bellavista, aufbewahrt im Ethnographischen Museum des Muggiotals, enthält Unterschriften ab 1867.

Ohne Pflege jedoch gehen diese wichtigen Pufferzonen verloren. Der Wald dringt vor, auch die urbanen Zonen im Untertal werden grösser.

Bauliche Strukturen verfallen.

Was lässt sich zum Schutz des Tals tun?

Neue Akteure sind gefragt.

Sie müssen die wenigen lokalen Betriebe unterstützen, die sich bewusst um eine Aufwertung der Kulturlandschaft bemühen. Zu ihnen gehört das Ethnografische Museum des Muggiotals, das 1980 entstand. In den ersten Jahren erstellten wir Inventarlisten. Und stellten fest: Jeder Stein da draussen erzählt eine Geschichte.

02

46

#ticinomoments

AUTHENTISCH WOHNEN Das Muggiotal kennenlernen dank restaurierter Unterkünfte in Natur und schönen Dörfchen.

Traditionell In Scudellate auf 900 m ü. M., ganz am Ende des Tals, laden die traditionelle Osteria Manciana und das Ostello zum Speisen und Übernachten ein. Sie wurden im Rahmen des Projekts «Albergo Diffuso del Monte Generoso» rundum saniert. ticino.ch/scudellate

03

Heute führt das Museum diverse Projekte durch.

Welche sind das?

Wir kümmern uns um den Erhalt von Trockenmauern, Saumpfaden, Kastanienselven, Brunnen und Gebäude, wie Roccoli, Graa, Nevère.

Wir veranstalten Aktionstage mit Freiwilligen, unsere Art von Flashmobs.

Das bekannteste Projekt des Museums, die Mühle von Bruzella, hat gezeigt, wie Aufwertung erfolgreich funktioniert.

Weil die Mühle heute wieder eine richtige Funktion hat?

Ja. Es reicht nicht, nur zu sanieren. Es muss ein neuer Sinn gefunden werden und Personen, die den Betrieb übernehmen. Aktuell prüfen wir mit einer umfassenden Forschungsstudie, wie auf der Alpe Nadigh und Genor die kleinen Alpsiedlungen, typische Postkartenmotive, mit ihren Trockenwiesen neu belebt werden können.

Historisch Authentisch und stilvoll wohnen im historischen Ortskern oder einer herrschaftlichen Villa: Im Muggiotal gibt es eine Reihe schöner Bed&Breakfast-Unterkünfte, die zum Teil neu restauriert sind. Jedes Haus hat seine Geschichte. ticino.ch/ bnbmendrisiotto

04

03. Die Terrassierungen im Muggiotal: Hänge, die dank der sorgfältigen Pflege noch heute erhalten sind.

04. Früher wurden Vögel in das Roccolo gelockt, um sie anschliessend zu fangen. Heute kann man den restaurierten Vogelfängerturm von Scudellate besichtigen.

Geschichtsträchtiger Süden Wer das Muggiotal entdecken möchte, kann dies auf verschiedensten Wegen machen. Zum Beispiel auf dem neu instand gesetzten Weg ab Roncapiano über Muggiasca bis Bellavista, die Verbindung zum 1'704 m hohen Monte Generoso (ticino.ch/hike405). Und es lohnt sich die Teilnahme an einer der Veranstaltungen und der Besuch des Museums in der historischen Casa Cantoni in Cabbio (mevm.ch).

Himmlisch Romantik in wilder Natur - und trotzdem ein bequemes Bett und vier Wände: Das bietet Momò Bellavista auf 1'202 m ü. M. Das Holzhäuschen mit Glasdach liegt in der Nähe der Zwischenstation des Monte Generoso. Frühstück und Präsentkorb inklusive. ticino.ch/ momo-bellavista

48

#ticinomoments Lassen Sie sich inspirieren Ein Gebiet voller Aktivitäten und interessanter Neuigkeiten. Besondere Veranstaltungen, Neueröffnungen und Ideen, um das Tessin zu erkunden.

49

Quiz Stellen Sie sich der Herausforderung!

Wie gut kennen Sie das Tessin und seine Geschichte? Testen Sie Ihre Kenntnisse und beantworten Sie die Fragen des Quiz.

Lesen Sie das Magazin aufmerksam durch und scannen Sie den QR-Code. Wer wird unter den glücklichen Gewinnern sein und eine Reise ins Tessin oder viele andere Preise ergattern können?

50

KO LU M N E

Caro Ticino

Als ich vor langer Zeit einen Bekannten in Berlin fragte, woher genau er denn aus der Schweiz komme, und er antwortete «Montagnola», besass ich nur eine sehr ungenaue Vorstellung von der Schweiz, sowohl in geografischer als auch in historischer und kultureller Hinsicht. Aber dann tauchte ein vager Gedanke auf, etwas erinnerte mich ... Montagnola … hatte dort nicht mein Lieblingsschriftsteller aus jungen Jahren gelebt, Hermann Hesse?

Gut zwei Jahre später war ich mit dem Bekannten verheiratet, hatte meine Heimat Norddeutschland verlassen und beruflich im Kanton Tessin noch einmal ganz von vorn angefangen. Dass ich die Chance bekommen würde, das Hermann Hesse-Museum in Montagnola aufzubauen und zu leiten, dass Montagnola zu meiner neuen Heimat werden würde, schien damals in Berlin unvorstellbar.

Heute ist Hesses Tessin, in dem er über 43 Jahre lebte und in dem er sich zu Hause fühlte, auch mein Tessin. Seine Liebe zur Landschaft, zur Natur, zur Tessiner Kultur und Geschichte, zu den Menschen, die hier leben, finde ich in meinem Leben wieder, auf meine Art und Weise, in der heutigen Zeit. Und immer wieder, fast täglich bei meiner Arbeit und auf Wanderungen in freien Stunden, denke ich daran, dass dieser Landstrich Hesse zum Maler werden liess, ihn zu vielen Betrachtungen, Gedichten und Werken inspirierte.

Auch sein bekanntestes und am meisten übersetztes Werk, entstanden vor genau 100 Jahren, ist eng mit dem Ort seiner Entstehung verbunden: Siddhartha. Diese indische Dichtung, wie er sie selbst nannte, geschrieben 1922 in der Casa Camuzzi in Montagnola, verarbeitet nicht nur Hesses Kindheit und Jugend in einer pietistischen Missionarsfamilie, seine Reise in die «indischen Länder», seine Beschäftigung mit Hinduismus, Buddhismus sowie mit chinesischer Philosophie, sondern sie ist auch inspiriert vom südlichen Tessin, vom exotischen Garten, auf den Hesse von seiner Wohnung im Palazzo Camuzzi blickte. Schon in der Erzählung Klingsors letzter Sommer aus dem Jahr 1919 ruft der Protagonist auf einer Wanderung im Tessin aus: «Alles, was ich dort [in Asien] fand, das finde ich heute auch hier: Urwald, Hitze, schöne fremde Menschen ohne Nerven, Sonne, Heiligtümer. Man braucht so lang, bis man lernt, an einem einzigen Tag drei Erdteile zu besuchen. Hier sind sie. Willkommen, Indien! Willkommen, Afrika! Willkommen, Japan!»

Hermann Hesse lebte später in der Casa Rossa und verliess sein Dorf nur, um Lesereisen in die deutsche Schweiz zu unternehmen oder dort Freunde und Familie zu besuchen; im Alter verbrachte er im Sommer regelmässig mehrere Wochen im Engadin.

Auch ich fahre gern und so oft wie möglich in meine Heimatstadt Hamburg, wo ich geboren und aufgewachsen bin, oder nach Berlin, wo ich lange gelebt habe, oder ich besuche meine Familie in München; manchmal bin ich für das Museum unterwegs. Ja, liebes Tessin, auch ich komme, wie Hermann Hesse, immer sehr gern in meine Wahlheimatzurück, wirklich sehr gern!

Regina Bucher

#ticinomoments 2022 © Ticino Turismo 2022 Herausgeber: Ticino Turismo, Via Canonico Ghiringhelli 7, 6501 Bellinzona, ticino.ch Kontakt: info@ticino.ch Redaktion und Texte: Veronica Pingue, Ticino Turismo und Antje Bargmann Produktion und Grafik: Sabina Franzoni, Ticino Turismo und Variante Agenzia Creativa, Bellinzona Fotos: Luca Crivelli, Redesign Swiss Sagl, Milo Zanecchia, Alain Intraina, Nicola Demaldi, Tschuggen Hotel Group, Società Navigazione del Lago di Lugano, Alessandra Meniconzi/ Schweiz Tourismus, Michael Schrodt/Fondazione Hermann Hesse Montagnola Fotolithografie: Prestampa Taiana SA, Muzzano Druck: Tipo Aurora SA, Canobbio Quelle: BAFU, UCA, UE, USTAT Auflage: 12'000 Exemplare Das Magazin von Ticino Turismo erscheint einmal jährlich in Deutsch, Italienisch, Französisch und Englisch Printed in Switzerland.

Regina Bucher absolvierte ihr Studium der Sonderpädagogik an der Universität Hamburg und in Berlin.

Später war sie in der Erwachsenenbildung in Zürich und Lugano tätig und erwarb zudem ein Diplom als Tourismusmanagerin. Seit 1998 ist sie Direktorin des Museums und seit 2000 auch Direktorin der Fondazione Hermann Hesse Montagnola. Sie hält Vorträge, ist Herausgeberin und Autorin von Publikationen (u.a. Mit Hermann Hesse durchs Tessin, Insel Verlag Berlin) sowie Kuratorin zahlreicher Ausstellungen. Sie hat das Amt der Vizepräsidentin der Internationalen Hermann Hesse-Gesellschaft inne und ist Mitglied im Kuratorium der Udo Lindenberg-Stiftung.

Gotthard Panorama Express.

Wenn die Reise zum Erlebnis wird – dann erleben Sie Geschichte auf dem Gotthard Panorama Express. sbb.ch/gotthard-panorama-express

Erlebnis.

Reiseleitung.

Buchung.

Die Reise mit dem Gotthard Panorama Express führt von Luzern im Schiff nach Flüelen und weiter mit dem Zug über die historische Gotthard-Panoramastrecke ins Tessin.

Im Panoramazug werden Sie durch speziell geschulte und aus der Region stammende, mehrsprachige Reiseleiter betreut.

Der Gotthard Panorama Express verkehrt vom 15. April bis 16. Oktober 2022 jeweils Dienstag bis Sonntag inkl. den allgemeinen Feiertagen.

 Spektakulärer Streckenverlauf mit Kehrtunnels  Fotowagen mit Fenstern zum Öffnen und Fotografieren  Von Lugano nach Arth-Goldau in nur 3 Stunden, hier besteht die Anschlussmöglichkeit auf die Rigi Bahnen

 Infos zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten  Wissenswertes über die Regionen  Tipps für eine tolle Unterkunft oder eine passende Weiterreise

Buchen Sie Ihre Reise  online auf sbb.ch/gotthard-panoramaexpress  im SBB Reisezentrum oder  telefonisch beim SBB Contact Center 0848 44 66 88 (CHF 0.08/Min).

Das Tessin ganz nah. sbb.ch/ceneri