Pays d'Enhaut Lebendige Geschichte 2019 (SW10547.1001.2001.3022de)

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Lebendige Geschichte Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut


Die architektonische Landschaft: Entschlüsselung unseres Erbes

Bis 1555 gehörte die Region Pays-d’Enhaut den Grafen von Gruyère, anschließend stand sie unter der Herrschaft Berns, bevor sie schließlich dem Kanton Waadt angeschlossen wurde.

Das Pays-d’Enhaut ist eine einladende Region, geformt von Landwirtschaft in Harmonie mit der Natur. Rougemont, Château-d’Oex und Rossinière, die drei Bevölkerungszentren, sind von kleineren Ortschaften wie Flendruz, Gérignoz, Le Pré, Les Moulins und La Tine umgeben. Diese Weiher entstanden entlang der Wasserwege, die die Kornmühlen der Region antrieben, bevor sie im 18. Jahrhundert durch die Sägemühlen ersetzt wurden, die bis heute in Betrieb sind.

Dieser Teil der Schweiz, der zwischen der Gemeinde Haut-Intyamon im Kanton Freiburg und dem Berner Saanenland liegt, folgt dem Verlauf des Flusses Sarine. Das relativ kleine Gebiet hat sowohl eine herrliche Landschaft als auch ein architektonisches Erbe von herausragender Qualität. Dieses authentische Erbe bedeutet aber nicht, dass die Region in der Vergangenheit stehen geblieben und ein lebendiges Museum längst vergangener Tage ist. Es ist das Ergebnis von 1.000 Jahren Harmonie zwischen Mensch und Natur, von t­ raditionellen Techniken und Kenntnissen, die auf dem sorgfältigen Umgang mit natürlichen ­Ressourcen basieren. Die wichtigste Ressource der Region ist Holz, und die hiesigen Gebäude, die oft ­hunderte Jahre alt sind, sind hauptsächlich aus lokalem Holz gebaut. Die Fundamente sind Mauerwerk aus mit Kalkmörtel gebundenen Steinen, darauf wurden die Holzbalken horizontal fixiert. An den Fassaden sind diese Balken oft mit großer Sorgfalt geschnitzt oder graviert. Die flachen Dächer sind mit Schindeln gedeckt, die mit Latten und Steinen gesichert sind. Die steileren Dächer, beispielsweise das des Grand Chalets in Rossinière, tragen dünnere Schindeln, die angenagelt wurden, um so der Form des großen Daches angepasst zu werden. Die Fassaden der Häuser, an denen sich die Fenster befinden, sind von tiefen Vordächern geschützt, die auf Stützen ruhen, die ganz nach dem Geschmack des jeweiligen Besitzers gestaltet wurden. Trotz einiger vernichtender Feuer, insbesondere in Château-d’Oex, haben viele Chalets aus dem 17. und 18. Jahrhundert bis heute überlebt. Sie zeugen vom Bestreben der Bewohner des Tals, Bauwerke zu schaffen, die nicht nur langlebig, sondern auch schön und harmonisch sind und mit ihrer natürlichen Umgebung eine Einheit bilden. Den lokalen und kommunalen Behörden des 21. Jahrhunderts ist dieses reiche ­architektonische Erbe bewusst, und mehrere Gebäude wurden unter Schutz gestellt. Mit Blick sowohl in die Vergangenheit als auch die Zukunft haben sie zudem Richtlinien für die Gestaltung neuer Bauten in den drei Kommunen der Region Pays-d’Enhaut erstellt. Diese sind von den vorhandenen baulichen Strukturen und dem Charakter unserer Landschaft inspiriert und gewährleisten eine stimmige Architektur, die in ihre Umgebung passt und Tradition und Erfahrung mit modernen Techniken kombiniert. Viel Spaß beim Besuch unserer Dörfer und Weiher - herzlich willkommen im Pays-d’Enhaut ! Jean-Pierre Neff, Zimmermann & Bürgermeister von Rossinière.

Der Lebensraum an den Hängen des Tals der Sarine und der ­angrenzenden Täler ist weit verstreut. Es ist das typische Merkmal des Tals von L’Etivaz, wo man aller paar hundert Meter Wohnhäuser und die dazugehörigen Scheunen und Ställe entdecken kann. Die festen Wohnsitze der Bauernfamilien stehen in der Mitte einer Wiese, die das Vieh im Winter mit Heu versorgt.

Château-d’Oex | S04 Die Kirchen | S10 L’Etivaz | S12 Die MOB kommt | S16

Rossinière | S18

Wohnhäuser | S26

Rougemont | S28

Ländliche Bauwerke | S34

Lebendige Architektur im Wandel der Zeiten | S38

Häuser oberhalb von 1.300 Metern sind nur im Sommer bewohnt. Die Rinder beginnen und beenden die warme Jahreszeit auf Bergwiesen in tieferen Lagen, im Hochsommer wandern sie weit hinauf in die Berge, bis in eine Höhe zwischen 1.600 und 2.000 Metern. Hier finden sie das Gras von außergewöhnlicher Qualität, das dem lokalen Käse seinen ganz speziellen, fantastischen Geschmack verleiht. Denyse Raymond, Kunsthistorikerin.


Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

Château-d’Oex DAS ORTSZENTRUM UND ÖFFENTLICHE GEBÄUDE

Das architektonische Erbe von Château-d’Oex

Das Dorf ist am Fuße des Hügels unterhalb der Kirche gewachsen. Die Steingebäude, die dort entlang der Straße und des Place du Village stehen, wurden nach dem großen Feuer vom 28. Juli 1800 erbaut. „Das Feuer lief wie ein Fluss über die Dächer, die mit dünnen Schindeln gedeckt waren“, schrieb M. Bridel, damals Pfarrer in Château-d’Oex. Von da an wurden die Gebäude des Dorfes, die vorher aus Holz waren, aus Stein erbaut und mit Dachziegeln gedeckt. Das Hôtel de Ville (1) und verschiedene benachbarte Häuser sind mit Stein verkleidet und haben ein Walmdach.

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Das Hôtel de Ville (1)

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1856 zog die Grundschule in ein Gebäude um, das seit 1913 das Bahnhofsrestaurant ist (2). In der Nähe entstand eine imposante neue Schule im so genannten „Heimatstil“, wie viele andere Schulen im Kanton Waadt im frühen 20. Jahrhundert auch. Zur gleichen Zeit wurde ein großer Versammlungsraum gebaut. Das Verwaltungsgebäude (3), in dem sich stets auch eine Apotheke befand, wurde ebenfalls 1913 fertiggestellt. In seiner Fassade gibt es einen Stein von 1742, der aus dem früheren Hôtel de Ville stammt. Nachdem Kranken zunächst nur eine simple Unterkunft zur Verfügung stand, öffnete im Ortsteil Petit-Pré 1880 ein Krankenzimmer,

und das erste richtige Krankenhaus erhielt Château-d’Oex im Jahr 1926. Es befand sich 1 km östlich vom Ortszentrum. Seit 1979 ist es ein Seniorenheim, und das Krankenhaus ist in ein modernes Gebäude unterhalb s­ eines ursprünglichen Standortes umgezogen.

sich deutlich von der traditionellen Architektur unterscheidet, eine Orgel eingebaut.

r DIE EVANGELISCHE KIRCHE

Der Friedhof umgab die Kirche bis 1875, dann zog er in den Osten des Dorfes in Richtung Les Moulins um.

Mit ihrer markanten Silhouette prägt sie das Bild von Château-d’Oex. Im Mittelalter errichteten die Grafen von Gruyère auf dem Hügel eine kleine Burg oder einen Wachturm. Die Burg ist zwar verschwunden, aber der ursprüngliche Name ist geblieben : Ogo. Daraus wurde im Laufe der Zeit Oey, später Oex. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde die Kirche, die bis dahin vermutlich in der Nähe von La Villa-d’Oex stand, auf dem Hügel neu errichtet. Der solide Glockenturm kam an die Stelle der Ruine des Bergfrieds. Der Chor wurde im gotischen Stil errichtet, der seit 1450 populär war. Vermutlich um 1580 wurde das Schiff in Richtung Norden erweitert. 1555, nach dem Bankrott des letzten Grafen von Gruyère, stand die Region Pays-d’Enhaut unter der Herrschaft von Bern. Die Stadt brachte der Region die Reformation.

2010 wurde mit einem neuen Außenverputz das Bild der Kirche wieder so hergestellt, wie es vor 1952 ausgesehen hatte.

t DAS PFARRHAUS Der Pfarrer lebte mit seiner Familie bis 1745 in verschiedenen Gebäuden, von denen einige überlebt haben. Dann gab die Regierung in Bern eine imposante Residenz für den Pfarrer in Auftrag, ein Steinhaus mit Walmdach. Als der Pfarrer 1747 einzog, beschrieb er es als „das Versailles der Berge“.

 DIE ENGLISCHE KIRCHE Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde Châteaud’Oex bei englischen Touristen immer beliebter. Die anglikanische Kirche, die 1899 erbaut wurde, musste 1911 vergrößert werden, so populär war der Ort als Reiseziel

u DIE KATHOLISCHE KIRCHE Nachdem die Kirche den zwei Feuern getrotzt hatte, die das Dorf 1664 und 1741 verwüsteten, fiel sie dem großen Feuer von 1800 zum Opfer. Alle Holzteile der Kirche verbrannten, und die Holzarbeiten und Emporen mussten erneuert werden. Um Geld zu sparen, erhielt der Glockenturm ein simples Zwiebeldach, keinen Kirchturm wie vorher. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen mehre Buntglasfenster hinzu. 2006 wurde auf einer modernen Empore, die

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es in Petit-Pré eine katholische Gemeinde. 1935 baute ihr der Architekt Augustin Genoud eine Kirche.

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Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

i MUSÉE DU PAYS-D’ENHAUT Das Museum befindet sich in einem Ende des 18. Jahrhunderts errichteten Gebäude. Es diente seinem letzten Besitzer, dem Beamten Auguste Cottier, als Büro und Wohnhaus. 1931 wurde es vererbt, um fortan den Sammlungen des Museums als Heimat zu dienen. Im Anbau im Nordwesten befindet sich die Rekonstruktion der Küche einer Berghütte. Sie wurde 1962 mit Balken aus einem Chalet aus La Forclaz gebaut, das abgerissen wurde. Die Scheune im Osten wurde ebenfalls 1962 hierher transportiert – aus Flendruz. Sie hatte ihren vier ursprünglichen Besitzern als Lagerhaus gedient, in denen alle separat ihre Wertsachen deponiert hatten. Eine Inschrift an der Rückseite lautet „ HONORABLE ABRAHAM MARTIN A FAIT BATIS CE GRENIER“ („Diese Scheune ließ der ehrenwerte Abraham Martin bauen“). Die Fenster und das innere Treppenhaus wurden installiert, als das Gebäude mit der Übergabe an das Museum einen anderen Zweck bekam. Wenn Sie mehr über das Leben in der Region im 18. und 19. Jahrhundert erfahren wollen, sollten Sie eine oder zwei Stunden im Museum verbringen. Es besitzt eine Sammlung von Zeichnungen von Abram-David Pilet (1745-1810), einem Lehrer, der die Region um 1780 genau wiedergab. Seine Bilder beinhalten auch faszinierende Details des landwirt-

Das Haus von of L’Etambeau (9) mit seiner Schutzmauer und Elementen aus verschiedenen Zeiten. Das Innere wurde nicht modernisiert.

schaftlichen Lebens. Nicolas Gachet (1736-1817), Gerichtsvollzieher und Maler von Aquarellen, zeigt uns die drei Dörfer des Tals mit ihren wichtigsten Gebäuden. Die Arbeiten dieser beiden Künstler gehören zu den wenigen Zeugnissen, die Châteaud’Oex und seine Kirche vor dem großen Feuer von 1800 zeigen.

DIE ANKUNFT DES TOURISMUS Die ersten Touristen entdeckten das Pays-­ d’Enhaut im 19. Jahrhundert. Die meisten waren Engländer, die zu Fuß über den Alpenpass Col de Jaman aus Montreux kamen, später auch mit der Kutsche aus Bulle, sobald die Straßenverhältnisse dies zuließen.

Weitere Einblicke geben die Stiche von Samuel Weibel (1771-1846), die Drucke von Gustave Spengler (1818-1876) und die alten Fotos (ca. 1910), die einen versprengten Lebensraum zeigen, der typisch für Gegenden mit Rinderzucht ist. Das Museum hat mehrere Räume, die das Leben in vergangenen Zeiten nachbilden. Dort finden Sie verschiedene hochwertige kunsthandwerkliche Arbeiten, beispielsweise Buntglas (vor allem weltlichen Ursprungs), sowie eine Auswahl an Alltagsgegenständen, die liebevoll gestaltet sind, u.a. Geschirr, Werkzeuge, Kuhglocken, Töpfe, Spiele und Spitzenarbeiten. Das Museum besitzt auch eine bekannte Découpagen-Sammlung der Künstler Jean-Jacques Hauswirth (1809-1871) und Louis Saugy (1871-1952). Diese zwei lokalen Découpage-Künstler hauchten diesem traditionellen Handwerk neues Leben ein. Jeden Sommer organisiert das Museum eine temporäre Ausstellung im Haus von L’Etambeau (9). Als eins der wenigen Häuser im Tal, die nicht modernisiert wurden, hat es noch immer seine ­originale Küche mit Herd und offenem Kamin, riesigen Stützbalken und einem gewaltigen Käse-Keller. Rund um mehrere Chalets in verschiedenen Höhenlagen gab es eine organisierte Rinderzucht, die es den Bauern ermöglichte, die Herden auf unterschiedlichen Weiden grasen zu lassen. Das Bauernhaus von L’Etambeau befindet sich auf 1.000 m Höhe, und das Vieh überwinterte hier jedes Jahr vom 1. Oktober bis zum 20. Juni in einer Scheune. Im Sommer wanderte die Herde zwischen 4 Chalets umher. Das Chalet de Paray, auf 1.666 m das höchstgelegene, konnte im Sommer 40 Kühe aufnehmen.

DIE TRADITIONELLE HOLZBAUWEISE, 16. BIS 19. JAHRHUNDERT Zwischen dem Ortszentrum von Châteaud’Oex mit seinen nach dem großen Feuer erbauten Steinhäusern und den Bauten, die im 20. Jahrhundert rund um das Dorf entstanden, verläuft ein Ring schöner Holzgebäude. Es handelt sich dabei nicht um „Chalets“, denn diese Bezeichnung ist traditionell den Häusern auf den Almwiesen vorbehalten. Im Allgemeinen haben sie zwei Wohnungen, eine unter jedem Flügel des Daches. Dabei gehen die Schlafzimmer in Richtung Vorderseite des Hauses und die Küche nach hinten hinaus.

Die Gasthäuser von l’Ours (11) und das Hôtel de Ville (1) boten nicht länger ausreichend Quartiere. Schon 1819 eröffneten deshalb zwei weitere Pensionen : Berthod und Lenoir. Erstere gibt es nicht mehr, die zweite ist heute das „Clos des Abeilles“ (12) in La Villa-d’Oex. Die Pension Rosat, eröffnet 1845, wurde ein Hotel und mehrfach erweitert.

 L’ESPACE BALLON Das 1742 erbaute ehemalige Hôtel de Ville überlebte das Feuer von 1800 mit intakten Mauern. Nach der Reparatur diente es bis 1856 als Schule und hatte dann bis 1990 verschiedene Funktionen inne, u.a. als Feuerwache.

Mit der Ankunft der Montreux–Berner ­Oberland-Bahn im Jahr 1904 stand das Pays-d’Enhaut der Welt offen. Der ­Bahnhof (13) ist ein Holzgebäude im Stil eines S ­ chweizer Chalets, eine urbane Interpretation der ­regionalen Bauweise.

Das Gebäude, in dem sich jetzt ein Museum zur Ballonfahrt befindet, hat bis heute sein imposantes Holzdach behalten. Das Mikroklima der Region Pays-d’Enhaut zieht seit 1978 ganze Heerscharen von Ballonfahrern an, die sich jedes Jahr zum Festival International de Ballons treffen. 1999 machten sich Bertrand Piccard und Brian Jones von Château-d’Oex aus auf den Weg, um als erste Menschen die Welt non-stop in einem Heißluftballon zu umrunden.

Scheune von 1732 (18), mit Rosetten verziert. Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem Wohnhaus umgebaut.

Die Technik, Balken in den Ecken des G ­ ebäudes ineinander zu verzahnen, war typisch für die örtliche Bauweise. An neue Nutzungen angepasst, wurde sie auch im 20. Jahr­hundert noch verwendet. Auf diese Weise blieb das Dorfzentrum von Château-d’Oex seinen Randgemeinden verbunden, in denen eine ganze Reihe neuer Häuser und Ferien­residenzen entstand. Einige der um 1920 erbauten Häuser, insbesondere in Villa-d‘Oex, zeigen, wie jahrhundertealte Fähigkeiten den Bedürfnissen einer neuen Zeit angepasst wurden. Die Ankunft der Eisenbahn beschleunigte die Entwicklung weiter, und es wurden neue Hotels gebaut, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden: das Beau-Séjour ­eröffnete 1905 und das Grand-Hôtel 1906, (1989 wurde es abgerissen). Das 1907 erbaute La Soldanelle (14) erinnert noch heute an diese Epoche. Es wurde von Doktor Constant Delachaux eröffnet, der es als „Wellnesshotel“ konzipierte, in dem man in der frischen Luft und der Sonne der Voralpen etwas für seine Gesundheit tun konnte.

Die horizontalen Balken der Wände sind im ersten Stockwerk in jeder Ecke an den Pfosten befestigt und überschneiden sich im zweiten Stock. Die Dächer mit ihren zwei flachen Seiten wurden mit Schindeln gedeckt, die von Latten und Steinen gehalten wurden.

Aquarell von Abram-David Pilet : Châteaud’Oex 1783. Das Dorf liegt am Fuße des Hügels unterhalb der Kirche. Die meisten Bewohner leben auf den Bauernhöfen im Tal. Die von Latten und Steinen gehaltenen Schindeldächer dominieren, man sieht nur wenige steilere, neuere Dächer mit angenagelten Schindeln oder Dachziegeln, darunter das erste Hôtel de Ville im Herzen des Dorfes, heute das Espace Ballon (10), und das Pfarrhaus (5).

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Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

Rechts das Vieille Cure des Poses (15) aus dem 16. Jahrhundert. Das Haus auf der linken Seite (20) ist von 1730 und wurde um 1920 aus Flendruz hierher transportiert.

Wenn Sie der Straße folgen, können Sie sehen, dass mehrere in Richtung Westen schauende Fassaden mit Schindeln geschützt sind. Nachdem Sie die zu Beginn des 20.­ Jahrhunderts erbauten Häuser passiert haben, erreichen Sie das ehemalige Gasthaus Clos des Abeilles (12) aus dem Jahr 1819. Jenseits des Flusses befindet sich ein großes Haus (19), das noch immer eine dicke Mauer in Richtung Westen hat. Der mehrfach erweiterte Hauptteil könnte laut einer Markierung unter dem First aus dem 16. Jahrhundert stammen, damals noch ohne Dachflügel. Man kann ein Holzgebäude mit großer Sorgfalt auseinander nehmen und an anderer Stelle wieder aufbauen. Auf diese Weise wurden viele Scheunen und einige Häuser transportiert. Unterhalb des Vieille Cure des Poses steht ein aus dem Jahr 1730 stammendes Haus, das so seinen Weg aus Flendruz hierher gefunden hat. Der Kirchhügel bietet einen exzellenten Aussichtspunkt, von dem aus man die Umgebung bewundern und sehen kann, wie sie von den Bewohnern geprägt wurde. Inmitten der Felder stehen Scheunen und Ställe, die alle mit einem Bauernhaus aus Holz verbunden sind.

Das Vieille Cure des Poses (15) zeigt die Kunst der Zimmerleute des 16. Jahrhunderts. Unterhalb der Kirche am Fuß des Hügels in Richtung Süden gelegen, war es vor dem Feuer geschützt. In der Mitte der Fassade ist die Jahreszahl 1551 eingraviert. Große Flügel tragen die Dachkonstruktion. Es sind die ältesten datierten Flügel. Ihre simple diagonale Form ist typisch für den Anfang des 17. Jahrhunderts, später wird die Form runder und verzierter. Im Osten des Dorfes, in Bossens, befindet sich das Haus mit der frühesten großen Inschrift, die bisher entdeckt wurde. Sie stammt von 1608 und zeigt trotz vieler Nacharbeiten,

dass Humet Goballet dieses Haus mit seinen Söhnen Jean und Claude erbaut hat. Sie waren die Vorfahren einer Zimmermanns-­ Familie, die über Generationen hinweg bis ins 18. ­Jahrhundert tätig war. Im Norden des Dorfes befindet sich der interessante Ortsteil La Villa-d’Oex. Das erste Gebäude (16) ist in Richtung Westen durch eine Mauer geschützt, die das Wappen der Familie Descoullayes aus dem Jahr 1621 zeigt. Das mit Holzbalken erbaute Haus stammt von 1624. Die Zimmerleute Claude und Jacques Goballet schufen die reiche Dekoration. Das Nachbarhaus weiter oben am Hügel (17) wurde 1660 von der dritten Generation der

Großes Bauernhaus (19). Wie viele Holzhäuser wurde es im Laufe der Jahrhunderte erweitert (rechts).

La Maison des Monnaires (21), heute ein Kindergarten. Die verzierte Fassade (1753) blickt nach Norden, wo der Weg entlangführte.

Zimmerleute Goballet erbaut, von Claudes Söhnen Jean und Joseph. Es gehörte Jacob Zulauff, einem örtlichen Tuchfärber.

Die Rinder verbringen den Sommer auf den Bergweiden, wo die Chalets oft aus Stein gebaut sind. Dort wird auch der berühmte Käse L’Etivaz produziert.

Viele Holzscheunen dienten zur Lagerung von Nahrungsmitteln, wertvollen Gegenständen und Familienerbstücken. Bauern, die von ihren Höfen aus zur Kirche gingen, bewahrten dort auch ihre Sonntagskleidung auf. In La Villa-d’Oex gibt es seltene ­Exemplare : An einer kleinen Scheune, teilweise rekonstruiert, findet sich das Datum 1574. Eine weitere Scheune stammt aus dem Jahr 1732, ist aber seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein Wohnhaus (18).

Rund um das Dorf findet man noch andere schöne Holzbauten : in Petit-Pré und La Frasse im Westen, in Quartiers und Bettens im Norden und in ­L’­Etambeau im Osten. Der Weg nach Grangesd’Oex im Süden führt durch Les Monnaires (21) und Les Riaux. Die Turrian-Brücke (22) überquert die Sarine. Erbaut 1883, ist sie die älteste Hängebrücke der französisch­sprachigen Schweiz. Das Haus von Doktor Favrod-Coune (16), fertiggestellt 1624.

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Gstaad

L’Etivaz

Rougemont

Château-d’Oex

Vier Dörfer, vier bemerkenswerte Kirchen. Die Kirchen des Pays-d’Enhaut zeugen von der Geschichte der Region, insbesondere von den Auswirkungen der Reformation. Sie hielt 1555 hier Einzug, nachdem die Region unter die Herrschaft von Bern gekommen war.

Rossinière

Die Kirchen

Gruyère - Bulle

Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

ROUGEMONT Diese romanische Kirche in der Form eines lateinischen Kreuzes blickt nach Osten. Erbaut um 1080 von den ­Mönchen der Abtei Cluny, wurde sie während der Reformation von den Berner Behörden zu einer evangelischen Kirche erklärt. Heute finden hier regelmäßig Konzerte und andere Veranstaltungen statt.

ROSSINIÈRE (linke Seite) Die romanische Kirche, deren Existenz schon 1316 nachgewiesen ist, wurde am Standort einer früheren Kapelle mit halbrunder Apsis erbaut, die bei Ausgrabungen entdeckt wurde. Die Malerei eines Bären im Inneren steht für die Berner Herrschaft. 1910 und 1975 wurde die Kirche restauriert.

L’ETIVAZ Die massiven Steinmauern der Kirche und das Fenster der Kapelle stammen vermutlich aus der Zeit der ersten Kapelle (Ende 15. Jh.). Der helle Putz bildet einen starken Kontrast zu den dunklen Schindeln des Glockenturms.

CHÂTEAU-D’OEX Die unverkennbare Silhouette der nach dem großen Feuer von 1800 wieder aufgebauten Kirche bestimmt das Bild von Château-d’Oex. Von den katholischen Grafen von Gruyère dem heiligen Donatus gewidmet, wurde sie nach der Reformation eine evangelische Kirche, als die sie heute noch dient.

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Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

L’Etivaz Das architektonische Erbe eines für seinen Käse berühmten Dorfes

DAS TAL VON L’ETIVAZ, EIN ZEUGNIS LÄNDLICHEN LEBENS

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Die Holzbauten von L’Etivaz, von denen einige aus dem 16. Jahrhundert stammen, zeugen von einem reichen architektonischen Erbe. Im 7 km langen Tal der Torneresse verstreut, zeigen sie, wie die Bedürfnisse eines von der Landwirtschaft bestimmten Lebens die Landschaft prägten. Wohnhäuser, Scheunen und Kuhställe waren im Winter das Zuhause der Menschen, die in dieser Region ihren Lebensunterhalt verdienten.

Plan de l’Ouge Le Fond de L’Etivaz Vallée de la Torneresse 5

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Die Ortschaften Devant, Vers-la-Chapelle (1) und Les Pérolles, die alle einen eigenen Ofen zum Brotbacken besaßen, dienten den Einheimischen als Versammlungsorte. In der Nähe gibt es einige Berg-Chalets, die größten findet man jedoch auf den weitläufigen Bergwiesen, die das Tal dominieren und für seine wichtigste Ressource sorgen : den Käse.

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w CHALET DE LA BAZINE 12

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Vallée de l’Eau Froide

Le Devant Château-d’Oex

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In der Nähe des Weilers Le Contour wurde 1883 das Chalet de La Bazine errichtet. Es ist eins der letzten Beispiele für die Ver­ änderung in der Bauweise der Chalets, die im 16. Jahrhundert begonnen hatte. Die stetig wachsende Käseproduktion und der steigende Export verlangten, die Herden an weniger Orten mit größeren Gebäuden zu halten.

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Das Chalet de La Bazine ist wie viele andere Chalets in T-Form erbaut. Es ist aus Stein, mit Kalkmörtel verputzt und hat

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ERKUNDEN SIE DAS DORF ZU FUSS La Lécherette Col des Mosses

Ein leichter, 60-minütiger Spaziergang zeigt Ihnen die unterschiedlichen Facetten von L’Etivaz und seine architektonischen Eigenheiten. Er führt vom Maison de L’Etivaz zur Kirche und folgt dem Verlauf des Dorfes über den Fluss Torneresse hinauf nach Cierne du Pont und durch das Vallée de l‘Eau Froide vorbei am Chalet de la Bazine und dem Wildpark.

Typisches Haus (3)

ein Schindeldach. Der praktische Grundriss sorgte dafür, dass sich die Melkstände in der Nähe des Raums befanden, in dem der Käse hergestellt wurde. Der große Stall bot Platz für 40 Kühe. Türen an beiden Enden erleichterten den Zugang. In einem Zwischengeschoss konnte man Heu lagern und schlafen.

DIE TRADITIONELLEN GEBÄUDE VON L’ETIVAZ Die meisten Häuser von L’Etivaz sind in der klassischen Holzbauweise errichtet, die bis Ende des 19. Jahrhunderts üblich war.

Dieses Haus (3) ist ein typisches Beispiel. Sein Steinfundament ist teilweise in den Hang gebaut und beherbergt den Keller, konnte aber auch als Werkstatt dienen. Manchmal fanden hier sogar die Tiere Unterschlupf, obwohl die bäuerlichen Arbeitsbereiche sich normalerweise separat vom Wohnhaus befanden. Mit einer Axt behauene Baumstämme ­wurden aufgestapelt und bildeten die Wände. Im ersten Stock, wo sich auf der Vorderseite die beiden Haupträume und hinten die Küche befanden, wurden die Baumstämme von den Eckpfosten fixiert.

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Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

Dieses System machte es möglich, einzelne Stämme zu ersetzen, ohne dabei einen Großteil der Konstruktion demontieren zu müssen.

Die Scheune aus dem 18. Jahrhundert (4) besteht teilweise aus Stämmen, die nicht zu Kantholz verarbeitet wurden.

Im zweiten Stock waren die Schlafzimmer. Sie hatten die gleiche Größe wie die Haupträume, aber eine niedrigere Decke. Vom tiefen Vordach geschützt, wurden die Balken hier in den Ecken miteinander verzahnt, was dem Bau mehr Stabilität gab.

Die weiter weg liegenden Scheunen (5) stammen aus dem 19. Jahrhundert. Sie sind größer und haben eine glattere Oberfläche, die bezeugt, dass die Stämme aus einer Sägemühle bezogen wurden. In der Mitte der Fassade gibt es schmale Lücken zwischen den Balken, durch die Luft in die Scheune gelangen kann. Dadurch wird eine Entzündung des Heus vermieden, da die Fermentation entflammbare Gase erzeugt.

Die auf das Tal blickende Fassade war mit Jahres­zahlen, Inschriften, Friesen und ­Skulpturen verziert. Die Winkelstücke, die das Vordach trugen, waren ursprünglich diagonal und wurden im 18. Jahrhundert runder. Die den Elementen ausgesetzte West-Fassade war zum Schutz oft mit Brettern verkleidet. Auch die Scheunen wurden mit verzahnten Balken konstruiert. Unten wurden die Tiere untergebracht, oben das Heu. Unter den Vordächern auf beiden Seiten lagerte Einstreu, für die lange Gräser von Feuchtwiesen verwendet wurden, da Stroh nicht verfügbar war.

 DIE KIRCHE VON L’ETIVAZ Die Kirche und ihre umliegenden Gebäude schmiegen sich in den Hang unterhalb des Forsts von Coumatta (6). Seit dem 17. Jahrhundert ist das Fällen der Bäume verboten, da sie als Schutz vor Lawinen dienen. Die heutige Kirche wurde 1589 errichtet, evangelische Gottesdienste fanden hier jedoch schon seit dem Einzug der Reformation 1555 statt.

Die massiven Steinmauern und das ­Fenster des Chors waren vermutlich Teil der ­originalen Kapelle, deren Existenz Ende des 15. Jahrhunderts dokumentiert wurde. Das Innere ist mit holzverkleideten Decken und Kiefernholz von 1590 gestaltet, das die Frauen des Dorfes über die Jahrhunderte hinweg durch das Reinigen mit schwarzer Seife bewahrten. Einige der alten Bänke haben Inschriften. Die Buntglasfenster wurden Mitte des 20. Jahrhunderts eingesetzt. Obwohl das Gesetz im 19. Jahrhundert ver­langte, dass Friedhöfe sich in einiger ­Entfernung von den Wohnhäusern ­befanden, um damit die Hygiene zu verbessern, liegt der Friedhof von L’Etivaz in der Nähe der Kirche. Neben der Kirche steht das Pfarrhaus (8), das 1707 vom Zimmermann Joseph Goballet erbaut wurde. Dieses Haus, vorher in Privatbesitz, wurde 1713 von der nun unabhängig ge­wordenen Gemeinde von Château-d’Oex erworben.

TOURISMUS 1867 erhielt die Straße über den Col des Mosses einen Belag, und Kutschen konnten fortan nach L’Etivaz fahren. Aus diesem Grund wurde ein neuer Zwischenstopp errichtet und ein neuer Ort entstand : Le Contour (9). Das Tal von L’Etivaz stand der Welt nun offen, und bald kamen die ersten Touristen. Vor allem, um eine Kur in Vieux-Bains zu machen, das bereits im 18. Jahrhundert bekannt war. Noch heute kann man an der Stelle des ehemaligen Hôtel des Bains einen Hauch von Schwefelgeruch ausmachen. Die lokalen Bauernfamilien hießen die ersten Reisenden gern willkommen, die ihr ländliches Leben mit ihnen teilten und ihre Produkte kauften. 1871 wurde das Hôtel du Chamois gebaut (10), in dem seither vier Generationen der Familie Mollien sowohl Touristen als auch Ortsansässigen ihre Gastfreundschaft erweisen. Nicht selten sieht man Einheimi-

sche („Tzams“) im Hotel bei einem regional­ typischen Kartenspiel sitzen. Um 1900 gab es mehrere neue Pensionen, die die immer reichlicher strömenden Touristen aufnahmen. Die örtlichen Zimmerleute entwickelten ihre traditionellen Bauweisen weiter, um Gebäude zu errichten, die diesem neuen Nutzungszweck entsprachen.

HANDWERK Lange Zeit versorgte der Fluss Torneresse eine Sägemühle mit der erforderlichen Kraft. Ein stillgelegtes Wasserrad erinnert an diese Vergangenheit (11). Die moderne Sägemühle Henchoz (12) produziert aus den Kiefern und Weißtannen der hiesigen Berge noch immer Nutzholz, und überall in der Umgebung liegen Stapel frisch gesägter Bretter, die auf natürliche Weise in der Bergluft trocknen.

 DIE KELLER DES L’ETIVAZ AOP In den l’Etivaz-Kellern lagern derzeit rund 35.000 Käselaibe, davon 5.000 auf dem Speicher für Hobelkäse. Die feinen, krümeligen Hobelstücke sind eine traditionelle Spezialität mit intensivem Aroma, die bis zur perfekten Reife 30 Monate reifen müssen.

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Gstaad

Rougemont

Château-d’Oex

Mit der Ankunft der Montreux–Berner Oberland-Bahn (MOB) 1904 stand das Pays-d’Enhaut der Welt offen. Idee dieser Bahnlinie ist es, Zugfahrten mit Panoramablick zu bieten. So kann man vom Komfort der GoldenPass-Züge aus die herrliche Landschaft der Region und die vielen alten Gebäude bewundern.

Rossinière

Die MOB kommt

Montbovon

Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

CHÂTEAU-D’OEX Der Holzbahnhof von Château-d’Oex wurde im Stil eines Schweizer Chalets erbaut und ist eine Neuinterpretation der lokalen Architektur. Der erste Zug fuhr hier am 28. August 1904 ein.

ROSSINIÈRE Der Abschnitt zwischen Montreux und Les Avants – der erste Teil der 75 km langen Strecke – wurde 1901 eröffnet. 1904 erreichte der Zug Rossinière, von wo aus es über eine schöne dreibogige Steinbrücke weitergeht.

ROUGEMONT Mit der MOB wurde aus Rougemont ein touristischer Ferienort, der es jedoch geschafft hat, sein historisches Zentrum und sein architektonisches Erbe zu bewahren. Bei der Weiterfahrt über Gstaad erreicht die Linie in Saanenmoser auf 1.284 m ihren höchsten Punkt.

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Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

Rossinière

Balken mit Zierleisten

Fenster-Zierleisten Flügel als Träger des Vordachs

Architektonisches Erbe und Zuhause des Künstlers Balthus

Osten

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Westen

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Schutzmauer 14

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q LE BORJOZ

w DIE MOB-BRÜCKE

Dieses große Haus scheint eine architektonische Einheit zu bilden, vereint in Wirklichkeit aber zwei Häuser aus verschiedenen Zeiten. Das erste Haus (1604) befindet sich unter dem östlichen Dach, das zweite (1731) wurde im Westen hinzugefügt und ist leicht zurückgesetzt.

Die MOB-Brücke stammt von 1904, als die Zuglinie ihren Weg in die Region fand. Die schöne Konstruktion ist 45 m lang und hat drei 15 m hohe Steinbögen.

Die Steinmauern von Haus und Garten sollen den aus Westen kommenden Wind abmildern. 2

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Charles-Victor de Bonstetten, 1779 Gerichtsvollzieher, schreibt von Weinreben, die in Rossinière wachsen. 1865 wurde in Le Borjoz eine weiße Traube geerntet, die 593g wog.

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Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

DIE PASSENDEN SCHINDELN

e LE GRAND CHALET Seit dem 19. Jahrhundert nennen die Touristen die Holzhäuser „Chalets“. Die Einheimischen bezeichneten damit jedoch nur die auf den Almen stehenden Häuser.

es sowohl innen als auch außen neu, u.a. ließ er auf der Südseite einen Balkon anbringen. Verschiedene Eigentümer führten das Hotel bis 1976. Sie nannten es das „Grand Chalet“.

Das Grande Maison wurde zwischen 1754 und 1756 von Jean-David Henchoz erbaut, einem Bauern und Käsehändler, der auch als Friedensrichter, Notar, Richter, Landeshauptmann und Anwalt agierte.

Zu den berühmten Gästen gehörten Victor Hugo und Alfred Dreyfus (Dreyfus-Affäre).

Er wollte ein Gebäude mit riesigen Kellern, in denen der lokal produzierte Käse lagern konnte, ca. 600 Laibe. Dieser Käse wurde dann an Verkäufer nach Bulle geschickt oder über Vevey und Lyon exportiert. Henchoz starb zwei Jahre nach Fertigstellung des Hauses. Jean Raynaud und Marie Perronet brauchten 43 Tage, um die Fassade mit Friesen, Blumenmalereien, symbolischen Tieren und ungefähr 2.800 Buchstaben zu verzieren. Die Widmung spiegelt die religiösen Überzeugungen von J.D. Henchoz wider. Einige Schnitzereien wurden von den Arbeiten der Dichterin Antoinette Deshoulières inspiriert, die im 17. Jahrhundert in Paris lebte.

Das Grande Maison hat einen symmetrischen Aufbau. Die Innenwände stabilisieren die Konstruktion und sorgen dafür, dass die Außenwände sich nicht biegen. Von den Originalfenstern sind nur 5 er­halten. Sie sind im Musée du Vieux Pays-d’Enhaut in Château-d’Oex ausgestellt. Der Urenkel von J.D. Henchoz baute das Haus in den 1860er Jahren zu einem Hotel um. Er gestaltete

Der Maler Balthus und seine Frau, die Gräfin Setsuko Klossowska de Rola, kauften das Haus 1976 und versetzten die Süd-Fassade in ihren ursprünglichen Zustand zurück. Sie entfernten den Balkon und die großen Fenster im Erdgeschoss und deckten das Dach mit 200.000 neuen Schindeln.

r DIE KAPELLE Erbaut 1884, wurde sie 1926 von der evangelischen Gemeinde erworben. Bis in die 1960er Jahre fanden hier Gottesdienste statt. Heute gehört die Kapelle der Fondation Balthus. Die 2007 gegründete Chapelle Balthus Association hat sie zu einem kleinen Besucherzentrum umgestaltet, das den Maler, sein Leben und seine Arbeit vorstellt.

Im Pays-d’Enhaut werden zwei Arten von Dachschindeln verwendet. Auf flacheren Dächern werden lange Schindeln Seite an Seite gelegt, während bei ­steileren Dächern kurze Schindeln horizontal aufgenagelt werden. Lange Schindeln wurden ursprüng­lich von Latten und Steinen an Ort und Stelle ge­halten. Angenagelt wurden sie erst ab dem 19. Jahrhundert.

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u DIE KIRCHE

i DAS PFARRHAUS

Die Maria Magdalena gewidmete romanische K ­ irche wurde an der Stelle einer alten Kapelle erbaut, die der heiligen Clothilde gewidmet war. Erstmals urkundlich erwähnt wurde sie 1316.

Das 1770 nach Plänen von Niklaus Sprüngli erbaute Haus kombiniert Steinbautechniken mit lokalen Bautraditionen. Das mit Schindeln gedeckte Krüppel­ walmdach schützt die Hauptfassade, und auf beiden Seiten befindet sich eine hölzerne ­Galerie – die eine mit Treppe, die andere mit Speicher.

Nach einem Orkan, der die Kirche während eines Gottesdienstes traf und bei dem glücklicherweise niemand verletzt wurde, wurde sie 1645 erweitert.

t LA FRASSE

Nur der Glockenturm und der Chor sind mittelalterlich. Die mit Intarsien geschmückte Kanzel und die Balkendecke lohnen einen Blick ins Innere.

INSCHRIFT

Diese hübschen Häuser mit ihren nach Süden blickenden Fassaden stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Um wertvolles Weideland zu erhalten, wurden sie am Feldrand nahe des Flusses La Frasse gebaut. Die Hauptfassaden sind mit geschnitzten oder gravierten Holzarbeiten verziert. Die Nordfassaden zeugen von der ländlichen Rolle der Gebäude : Am Ende oder an der Seite befinden sich Scheune und Stall. Vor dem Haus gab es einen ­separaten Gemüsegarten und einen Ort, um zu arbeiten und sich zu versammeln.

MEHRERE FAMILIEN UNTER EINEM DACH Auf dem ersten Blick scheinen sie beeindruckend große Häuser zu sein, doch in Wirklichkeit sind es mehrere Gebäude aus verschiedenen Zeiten, vereint unter einem einzigen Dach.

Bei der letzten Restaurierung wurde an einer Wand unter der Farbe das Bild eines Bären gefunden – das Symbol für Bern.

o DER GLOCKENTURM Vermutlich vor Ende des 18. Jahrhunderts erbaut, diente er als Gefängnis. Die Uhr hing vorher im Treppenhaus des Hôtel de Ville, war aber wohl sehr laut. „Wie eine Dampfmaschine“, meinten Reisende. Deshalb wurde sie in den Turm gebracht.

Neben dem Baujahr wurden in römischen Großbuchstaben die Namen des Eigentümers und der Zimmerleute angegeben. Oft gab es auch ein Glaubensbekenntnis der Erbauer.

 DAS BIENENHAUS Einzigartig in der französisch­ sprachigen Schweiz, wurde es 1930 erbaut und bietet Platz für 90 Bienenvölker.

Alle wichtigen Familien des Dorfes hatten in der Kirche einen für sie reservierten Platz, der mit ihrem Wappen gekennzeichnet war.

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 DAS EHEMALIGE PFARRHAUS SCHORNSTEINE

Das Holzhaus im Ortszentrum wurde 1643 als Wohnhaus für den Pfarrer erbaut. Es diente auch als Krankenhaus und Armenhaus

 CHALET CLOS FLEURI Dieses um 1600 erbaute Chalet wurde restauriert und hat wieder seinen ursprünglichen Zustand. Die Scheune stammt von 1716 und ist eine der ­wenigen, die von den im 19. Jahrhundert auf­ gelisteten 12 Scheunen noch existieren. Sie sollte die Ernte vor Nagern schützen. Ursprünglich befand sie sich in der Nähe des Martin-Hauses und wurde hierher transportiert. Scheunen standen abseits der Wohnhäuser, um das Risiko durch Feuerschäden zu reduzieren.

 „DEVANT LE VILLAGE‘‘

 L’HÔTEL DE VILLE

Dieses Chalet, wörtlich übersetzt „vor dem Dorf“, verlor beim Bau der Hauptstraße seinen Garten. Es wurde in zwei Phasen errichtet. Unter dem westlichen Vordach kann man einen Reiter sehen, Überbleibsel einer größeren Verzierung aus früherer Zeit. Das 1677 erbaute Haus der Familie Martin, das sich auf der Rückseite befindet, hat einen hübschen französischen Garten. In Richtung Osten gibt es zwischen Chalet und Scheune einen Platz, der mit Kieseln aus dem Bett der Sarine gepflastert ist.

Erbaut 1645 und 1890 vergrößert, beherbergt es in­zwischen ein Gasthaus, das das Zeichen eines Kranichs trägt – das Symbol von Rossinière aus den Zeiten der Grafen von Gruyère. Von den Treppenstufen blickt man auf den Dorfplatz und den Springbrunnen auf der anderen Straßenseite, dessen frühere Abdeckung entfernt wurde. Ein Glockenturm kündete von der öffentlichen Funktion des Gebäudes, bis er 1963 durch einen Brand zerstört wurde. Bei der Renovierung des Gebäudes 2010 wurde der Turm originalgetreu wiedererrichtet.

Schornsteine nahmen oft 3/4 der Decke eines Hauses ein. Sie waren gewaltige Holzsäulen, die sich nach oben hin verjüngten, um den Rauch aus der Küche abzuleiten. Bei schlechtem Wetter oder zur Verbesserung des Abzugs konnte vom Hausinneren aus eine Abdeckung bewegt werden, die bei schönem Wetter auch als Sonnenuhr diente.

 LA MAISON DE LA PLACE

 DER TURMHÜGEL

Eigentümer Ardan Martin wollte, dass sein Haus das „größte und schönste jemals gesehene“ ist. Der symmetrische Bau mit zwei Wohnungen wurde 1661 begonnen, Richtfest war 1664. Die restlichen Arbeiten – Fenster, Schmiedearbeiten, Malerei – dauerten bis 1670.

Rings um den Hügel, auf dem zu Zeiten der Grafen von Gruyère ein Turm stand, befinden sich einige Häuser. Der Turm wurde 1380 und 1518 urkundlich erwähnt.

Die üppige Dekoration und die Qualität des verwendeten Materials machen es zu einem außer­ gewöhnlichen Gebäude. Familie Martin lebte ursprünglich am Dorfplatz - La Place – und waren „die Martins von La Place“, was ihrem Wohnhaus den Namen gab.

Im Dorf gab es drei große Feuer : 1600, 1776 und 1855. Im südlichen Teil des Dorfes wurden die Holzhäuser durch Steinhäuser ersetzt. Dies zeigt, bis wohin das Feuer vordrang. Bis Ende des 19. Jahrhunderts erreichte man das Dorf hauptsächlich von der anderen Seite des Tals über eine 1650 erbaute Brücke. Die durch den Ort führende Hauptstraße wurde erst in den späten 1880er Jahren fertiggestellt.

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Gstaad

L’Etivaz

Rougemont

Flendruz

Lange bevor Mehrfamilienhäuser alltäglich wurden, gab es im Pays-d’Enhaut viele dieser großen Häuser, in denen mehrere Familien lebten. Man geht davon aus, dass sie so gebaut wurden, um Grundsteuern zu sparen. Das Ergebnis ist eine unverkennbare Architektur.

Château-d’Oex

Rossinière

Wohnhäuser

Les Moulins

Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

ROSSINIÈRE Das Maison de la Place ist sowohl wegen der Qualität seines Baumaterials als auch der reichen Verzierungen außergewöhnlich. Das symmetrische Chalet mit zwei Wohnungen wurde 1670 nach einer Bauzeit von 9 Jahren fertiggestellt.

CHÂTEAU-D’OEX Seit dem großen Feuer von 1800 ist das Zentrum von Château-d’Oex von einem Ring aus Holz­ gebäuden umgeben. Die meisten waren Zweifamilien­ häuser mit einer Wohnung unter jeder Seite des Daches. Sie beherbergten oft zwei Generationen der gleichen Familie.

L’ETIVAZ Die meisten Holzhäuser in L’Etivaz sind im traditionellen Stil errichtet, mit einem gemauerten Fundament, das teil­weise in den Hügel gebaut wurde. Dort gab es Platz für ein Lager, zum Arbeiten oder für die Tiere.

ROUGEMONT Das Haus „Les Clématites“ trägt an der Tür die Inschrift „bewegt im Jahr unseres Herrn 1647“, was darauf schließen lässt, dass es sich ursprünglich an einem anderen Ort befand. Der „Umzug“ von ganzen Häusern ist bis heute eine gängige Praxis.

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Rougemont Das architektonische Erbe des Dorfes Rougemont 1

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EINFÜHRUNG 4

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„Chalets“ nannte man ursprünglich nur die Gebäude auf den Almen, aber im 19. Jahrhundert begannen Touristen, auch andere Häuser so zu bezeichnen.  Die Gebäude von Rougemont haben verschiedene typische Merkmale : das Baujahr auf der Vorderseite, ins Holz geschnitzte Namen von Besitzer und Erbauern und oft auch einen eingeschnitzten biblischen Text. Weiterhin haben sie symmetrische Treppenaufgänge zu zwei Wohnungen, in denen oft Angehörige der gleichen Familie lebten. Die Zimmerleute des 17. und 18. Jahrhunderts traten in die Fußstapfen vieler vorheriger Generationen erfahrener Holz-Handwerker. Ihre Arbeit kann man bei einem Spaziergang durch das hübsche Dorf Rougemont bewundern.

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 LES FOISSES (1705) Auf den Treppenabsätzen dieses traditionellen Hauses sitzen unverkennbar zwei geschnitzte Raben. Sie warten darauf, dass jemand Anspruch auf sie erhebt: Ein Amerikaner hatte sie gekauft, starb aber 1912 beim Untergang der Titanic, und seitdem harren sie hier aus. In der Nähe von Les Foisses wurde 1912* eine kleine Scheune mit Pferdestall gebaut, woran eine Inschrift an der Fassade erinnert. Die Scheune brannte Silvester 1998 ab, aber die Fassade samt unbeschädigter Inschrift blieb erhalten.

 CHALET “CHALETTY”

(DATIERUNG UNBEKANNT)

Hier lebte der bekannte Découpage­Künstler Louis Saugy (1871-1953). Von Beruf Postbote, war er kontaktfreudig und eine starke Persönlichkeit. Das ländliche Leben porträtierte er mit Humor und großem Talent. Entdecken Sie seine Arbeiten im Musée du Vieux Pays-d’Enhaut in Château-d’Oex und auf dem Louis Saugy-Wander­ weg in Rougemont.

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Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

 HÔTEL DE COMMUNE

UND PLACE DU VILLAGE (1709)

Während die Männer des Dorfes sich im Hôtel de Commune am Hauptplatz um die Politik kümmerten, wuschen die Frauen am öffentliche Waschplatz die Wäsche und diskutierten dabei vermutlich ganz ähnliche Themen. Das Hôtel de Commune wurde aus Bäumen erbaut, die 1706 bei einem Orkan gefallen waren. Am 15. Januar 1953 wütete bei einer Temperatur von -15 °C ein furchtbares Feuer im Dorf. Vier Häuser am Hauptplatz wurden zerstört. Les Lauriers, die Bäckerei und das Chalet „De La Poste“ wurden wieder aufgebaut. An der Seite des Gebäudes gibt es noch eine Schnitzerei, aber nach mehreren Renovierungen hat das Hôtel de Commune sein ursprüngliches Aussehen verloren.

 LA COTZE (1654)

 HAUPTSTRASSE

i LA MAISON DU CORDIER (1655)

 LES CLÉMATITES (1647)

 LES AROLLES (1701)

An der Fassade dieses Gebäudes gibt es eine bemerkenswerte Vielfalt schöner Verzierungen. Einige sind im Laufe der Zeit verschwunden, andere dagegen sind wieder zutage getreten. Beispielsweise die Berner Bären, die 1798 abgedeckt wurden, als das Pays-d’Enhaut dem Kanton Waadt beitrat. Die Ocker-Farbe wurde vermutlich von den Italienern eingeführt, um den Holzwurm ab­zuhalten.

Die Gebäude auf der Hauptstraße bildeten das Herzstück des ursprünglichen Dorfes. Eins dieser beiden Häuser stammt von 1623, einer der ältesten Datierungen, die man heute im Ort sehen kann. Das Nachbarhaus mit ­seinem charakteristischen ­Balken unter dem First stammt vermutlich aus dem 16. Jahrhundert. Es gibt noch ältere Bauten in Rougemont, die bisher aber noch nicht datiert wurden.

Dieses Haus teilten sich zwei Eigentümer aus der gleichen Familie, deshalb hat es zwei Treppenaufgänge – einen auf jeder Seite. Diese symmetrischen Treppenaufgänge und -absätze sind ein typisches Merkmal der alten Holzhäuser im Tal. Die geschlossenen Galerien auf beiden Seiten führten zu den Küchen und Toiletten auf der Rückseite des Hauses.

Die Schnitzerei „bewegt im Jahr unseres Herrn 1647“ lässt vermuten, dass dieses Haus von einem anderen Standort hierher transportiert wurde. Fassaden und andere Teile eines Hauses wurden oft für neue Häuser „recycled“. Diese Praxis ist bis heute üblich.

Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Flügel, die die überhängenden Dächer stützen, runder in der Form und erhielten oft eine Volutenverzierung.

La Cotze gehörte Isaac Saugy, einem anderen begabten lokalen Découpage-­Künstler.

Bis zum Bau der Hauptschule 1910 diente Les Arolles als Dorfschule. Im Winter brachten die Schüler jeden Morgen einen Holzscheit mit, um den Klassenraum zu heizen.

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 DIE ERSTE, VON MÖNCHEN

900 JAHRE GESCHICHTE

ERBAUTE KIRCHE

Wie alle romanischen Kirchen war sie in der Form eines lateinischen Kreuzes mit Blickrichtung Osten erbaut. Das Hochschiff ruht auf den Seitenschiffen. Der Chor hat drei Apsiden, von denen die mittlere größer als die beiden anderen ist.

 MARIES GETREIDESPEICHER (1688) Dieses kleine Bauwerk ist eine Scheune, in der Getreide und Nahrungsmittel vor Mäusen geschützt lagerten. Hier bewahrte die Familie aber auch ihre Bettwäsche und Wertsachen auf – deshalb die riesigen Schlösser. Es stand in einiger Entfernung vom Haupthaus, um im Fall eines Feuers Schaden zu vermeiden.

Vermutliches Aussehen der ersten Kirche

Die bemerkenswerte lateinische Inschrift an der Vorderseite ist die einzige Schnitzerei dieser Art in der Region.

VERÄNDERUNGEN DUCH DIE MÄCHTE AUS BERN

Einige dieser Gebäude, die „Kleiderscheune“ genannt wurden, dienten auch als Ankleideräume für Leute, die auf einem Bauernhof abseits des Dorfes lebten und hier ihre Sonntagskleider für den Kirchgang aufbewahrten.

 L‘AUBERGE DU CHEVAL BLANC Dieses Gebäude in der für Rougemont typischen traditionellen Architektur wurde von einem Gasthaus in ein Wohnhaus umgewandelt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ließ Moïse Henchoz sich von den meisterlichen Arbeiten der Zimmerleute des 17. Jahrhunderts inspirieren, insbesondere bei den Verzierungen und Schnitzereien.

Diese Texte wurden oft von dekorativen Motiven begleitet. Rosen und geschnitzte Rondelle sieht man auch auf Möbelstücken und anderen Gegenständen dieser Zeit.

Während der Berner Herrschaft wurde die Kirche signifikant verändert, insbesondere der Chor. Die burgunderfarbenen Dächer des Hauptschiffes und der Seitenschiffe wurden durch ein gemeinsames Dach in der klassischen Form des Berner Oberlandes ersetzt. Es war steiler, um Regen und Schnee effektiver abzuhalten.

Bei der letzten Restaurierung 1919 wurde das Hauptschiff basierend auf Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert bemalt, die man im Château Chillon und der Kirche von Romainmôtier gefunden hatte.

Das erhaltene Schiff der romanischen Kirche

Das 1919 entdeckte Fundament des romanischen Chores Der 1585 erbaute Chor

 DAS SCHLOSS VON ROUGEMONT Die Bauarbeiten an der Stelle des ehemaligen Prioratsgebäudes begannen 1572, und der Vogt von Saanen bezog seine neue Residenz 1578. Das Schloss wurde mehrfach umgestaltet, insbesondere nach Feuern, und gehört seit 1924 einer amerikanischen Familie.

Bevor er auf die Kreuzzüge ging, schenkte Graf Wilaire von Gruyère Rougemont den Mönchen der Abtei von Cluny. Im Jahr 1080 begann Jean, der erste Prior, mit der Hilfe von 3 oder 4 Mönchen und einigen Ein­heimischen mit dem Bau der Kirche. 1555 wechselte Rougemont seinen Besitzer und gehörte fortan den Vögten von Bern. Am Weihnachtstag 1555 sangen die Mönche hier zum letzten Mal vor ihrem Weggang „Gloria in altissimis Deo“. Die Kirche wurde ein evangelisches Gotteshaus. Fasten und Tanzen wurden verboten, eine allgemeine Bildung eingeführt, und die Region erlebte dank der Käseherstellung einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Käse wurde nach Vevey am Genfersee transportiert und dann über Lyon exportiert, u.a. nach Konstantinopel und Ägypten. Ab 1798 gehörte Rougemont wie das gesamte Pays d’Enhaut wieder zum Kanton Waadt. Die Buntglasfenster in der Apsis wurden von Louis Rivier (18851953) und Théodore Delachaux (1879-1949) geschaffen. Von Rivier ist das mittlere, von Delachaux stammen die seitlichen Fenster.

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Ländliche Bauwerke Ein Aquarell im Musée du Pays-d’Enhaut hilft, diese Landschaft zu verstehen. Es zeigt, wie sie durch traditionelle Arbeitsweisen geprägt wurde.

EIN FÜHRER ZUM VERSTÄNDNIS DER LANDSCHAFT Abram-David PILET „Blick und Perspektive auf die Bergkette im Süden von Rossinière“, ca. 1790, Aquarell-Panorama (Musée du Pays-d’Enhaut). Der Maler lässt uns vom Hügel im Nord­westen Rossinières auf das darunter liegende Dorf blicken. Die Häuser sind noch aus Holz gebaut, dazu werden sich nach dem Feuer von 1855 Steinhäuser gesellen. An das Dorf schließen sich die Weiher La Frasse und Borjoz an, dominiert vom Grande Maison.

Hinter dem bewaldeten Streifen, der dem Lauf der Sarine folgt, erstrecken sich entlang der Straße von Revers die Gebäude von Siendreys und Leytels. Große Waldstücke ziehen sich die dunklen Abhänge hinauf bis zur abschüssigen Alm von Tsamufins. Die Straße führt vorbei an La Chaudanne nach Les Moulins und überquert dann den Fluss Torneresse. Auf den grünen Wiesen von Les Chabloz am rechten Ufer kann man 2 oder 3 Bauernhöfe entdecken.

Am linken Ufer befindet sich der Weiher Montiller-Devant mit seinen Holzbauten vom Ende des 15. Jahrhunderts. Die alte Straße, die ins Tal von L’Etivaz führt, erreicht die gefährliche Schlucht von Pissot unter dem Vorgebirge Les Teisejeurs, das das ganze Jahr über bewohnt ist. Dahinter ragt die Bergkette Le Chaussy auf, wo ausgedehnte Almen gen L’Etivaz führen.

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Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

DAS DORF FLENDRUZ UND SEINE FELDSCHEUNEN Im Westen von Rougemont stehen auf einer Seite der Straße nach Ciernes-Picat und La Manche die Häuser von Flendruz. Auf der anderen Straßenseite ragt eine Klippe über den Fluss, der die Mühlen und Sägemühlen der Gegend antrieb, von denen eine heute noch in Betrieb ist. Im 19. Jahrhundert gab es rund um das Dorf zahlreiche Scheunen. In den Holzhäusern des 17. und 18. Jahrhunderts lebten oft zwei Familien, eine unter jedem Dachflügel. Die Feldscheunen standen – jeweils auf einer eigenen Wiese – weiter östlich in Richtung des Weihers Le Crêt. Die ältesten haben flache Satteldächer, steilere Dächer tauchen ab dem 19. Jahrhundert auf. Immer häufiger werden sie jetzt durch große Scheunen ersetzt, die der modernen landwirtschaftlichen Technik besser entsprechen.

In Flendruz gibt es zwei überraschende Gebäude: Im oberen Teil des Dorfes steht „das Kloster“ vermutlich an einer Stelle, an der es früher eine Außenstelle des Priorats von Rougemont gab. DAS HAUS DER ZIMMERLEUTE BERTHOLET

hatten ihr Wohnhaus zum Aushängeschild ihres Handwerks gemacht und besonders viel Wert auf die Dekoration gelegt. Die großen geschnitzten Flügel, die das Vordach an der Vorderseite tragen, demonstrieren die kreative Anwendung traditioneller Techniken ebenso wie die verzierten Pfosten und Friese an den Balken. LES MOULINS

Weiter unten steht ein riesiges Doppelhaus mit einem kleineren Mansardenfenster an der Vorderseite des gewaltigen Daches, viel­ leicht eine Referenz an das Grande ­Maison in ­Rossinière. Die Türen in der Mitte der Fassade führen zu den zwei Wohnungen, eine unter jedem Dachflügel. Laut Datum am Giebel wurde das Haus 1822 erbaut. Die kursive Inschrift sagt uns, dass die Zimmerleute Jacques-François und David Bertholet es für sich selbst errichteten. 1837 schreibt das Steueramt, dass sich im Haus eine Zimmerei befinde, „solide gebaut und mit modernem Geschmack“. Die Zimmerleute

Bereits 1809 hatten die Brüder Bertholet mit ihrem Vater Jacques-François beim Bau des schönen Hauses Les Palettes in der Nähe des Weihers Le Crêt zusammengearbeitet.

Übersetzung der Inschrift am Haus, 1822 Mit göttlicher Hilfe erbauten JacquesFrançois Bertholet, seine Ehefrau Susanne-Salomé (geborene Saugy), David Bertholet und seine Ehefrau Madeleine (geborene Saugy) dieses Haus im Jahr 1822. Möge es friedvoll, fromm und vom Allmächtigen gesegnet sein.

Das Dorf entstand rings um die einzige Stelle an der Torneresse, an der man vor ihrem Zusammenfluss mit der Sarine eine Brücke bauen konnte. Der Ort war ideal für Tätigkeiten, bei denen man Wasserkraft benötigte. Als der Anbau von Getreide zugunsten der Viehzucht zurückging, verschwanden die Kornmühlen, denen das Dorf seinen Namen verdankt. Im 18. Jahrhundert waren sie durch eine Gerberei und Sägemühlen ersetzt worden, die bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts in Betrieb waren. Les Moulins ist noch immer ein Zentrum für die Herstellung modernen Kunsthandwerks.

Im Dorf hat sich ein schönes Ensemble von Holzhäusern erhalten. Am Ortseingang oberhalb der Brücke baute David Gobalet 1689 ein Haus für David Henchoz, der während der Zeit der Berner Herrschaft Friedensrichter war. Gobalet gehörte zu einer großartigen Dynastie von Zimmerleuten. Von den r­ eichen Verzierungen an diesem und anderen ­Häusern aus dem 17. Jahrhundert ließen sich die Zimmerleute des frühen 19. Jahrhunderts gern inspirieren.

Auf der anderen Straßenseite ließ Moïse Henchoz 1814 das ehemalige Gasthaus Lion d’Or umbauen. Es hatte 1683 die Lizenz erhalten, als Gasthof zu fungieren, und bot bis 1922 Unterkunft. Ein Highlight des Dorfes ist das Restaurant Croix-d’Or mit einer schönen Fassade von 1716. In Richtung Château-d’Oex kann man auf einer Hälfte des Hauses eine interessante Inschrift von 1726 sehen. Die andere Hälfte wurde bei der Erweiterung der Hauptstraße zerstört.

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Gstaad

L’Etivaz

Rougemont

Château-d’Oex

Les Moulins

Das Pays-d’Enhaut liegt fernab industrialisierter Großstädte, und seine wirtschaftlichen Aktivitäten sind tief in seinen natürlichen Ressourcen verwurzelt. Die Architektur der Region zeugt von einer an Kreativität und Erfindergeist reichen Geschichte.

Rossinière

Lebendige Architektur im Wandel der Zeiten

Gruyère - Bulle

Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut

CHÂTEAU-D’OEX Viele Gebäude haben im Laufe der Zeit verschiedenen Zwecken gedient. Das Espace Ballon ist heute ein Museum, wurde aber 1742 als Hôtel de Ville erbaut – ein Gasthaus für Reisende. Später beherbergte es auch die Dorfschule und eine Feuerwache.

ROUGEMONT L’ETIVAZ Jahrhundertelang haben die Flüsse der Region Sägemühlen angetrieben. Die Sägemühle von L’Etivaz, die Holz aus heimischen Wäldern verarbeitet, wird noch immer von Wasser betrieben. Überall in der Umgebung kann man Stapel trocknenden Holzes sehen.

Scheunen waren multi­ funktionale Gebäude. In ihnen wurden Lebens­ mittel, Wertsachen und sogar ­Kleidung aufbewahrt. Sie waren ein sicherer Lagerort abseits der Feuergefahr, die von den Herden der Wohnhäuser ausging.

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Veröffentlicht mit finanzieller Unterstützung durch den Fonds d’Equipement Touristique du Pays-d’Enhaut

Auf Papier Inaset Plus Laser gedruckt FSC MIX

Danke an : Jean-Frédéric Henchoz, Curator of the Musée du Vieux Pays-d’Enhaut ; Christophe Moinat ; Denyse Raymond ; M. et Mme Claude Rochat ; Claude Paschoud ; François Margot ; Kevin Blake ; Gabrielle Berholet ; Isabelle Mottier; Dorothée Ramel ; Hermann Dänzer ; Pays-d’Enhaut Région ; Département cantonal de l’économie. Fotos : © Pays-d’Enhaut Tourisme ; Pays-d’Enhaut Région;  Melanie Randin ; Claude Mahon ;

François Margot ; Marc-André Marmillod - www.ateliermamco.com ; Clair de Lune ; Louis Paschoud ; Erwin Stucki. Fotos der MOB : Compagnie du Chemin de fer Montreux Oberland Bernois. Texte : © Pays-d’Enhaut Tourisme ; Aurélie Blanchard ; Valentine Lugrin ; Denyse Raymond ; Marlène Nérini – www.mncommunication.ch. Illustrationen : © Keiko Morimoto - www.morimoto.co.uk. Konzept und Design : www.meomeo.ch

Pays-d’Enhaut Tourisme Place du Village 6 | CH-1660 Château-d’Oex +41 (0)26 924 25 25 | www.chateau-doex.ch


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