dena magazin - Chinas Weg in die Zukunft

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dena magazin

#01 Ausgabe 11 / 2013

Der Impuls für Energieeffizienz in der Wirtschaft

方地 新市

Chinas Weg in die Zukunft In puncto Energiewende und nachhaltige Stadtentwicklung setzt die aufstrebende Wirtschaftsmacht auf Technologien und Knowhow aus Deutschland Seite 16

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menschen Gewinner des 100.

Good Practice Energieeffizienz-Labels

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projekte Rennfahrerin Jutta

Kleinschmidt testet Erdgasauto

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innovationen Einheimische

Solarbranche im Fokus


inhalt Titel: Igor Demchenkov/Getty Images Fotos: Seite 2-3: Getty Images, Martin Lengemann/laif, Fotolia, Frederik Laux Illustration: Julian Rentzsch Grafik: KircherBurkhardt Infografik

Ausgabe 01/2013 – Das Magazin der dena

„In der Energiewelt hängt alles mit allem zusammen: Erzeugung, Transport, Speicher und Nachfrage. Die dena trägt dazu bei, dass diese Bereiche zu einem intelligenten, tragfähigen System vernetzt werden.“ Stephan Kohler

4 einblick

Heiter bis wolkig Der Himmelssimulator der Universität Cardiff unterstützt Architekten bei der Planung von energieeffizientem Lichtdesign

34 extro

Schillernder Auftritt

Neugierig: Besucher einer Immobilienmesse in Qinhuang, Nordchina

! Superlativ: Im chinesischen Dezhou steht das weltgrößte mit Solarenergie betriebene Hotel „Micro-E“.

@ www.dena.de/ projekte

Anna Thalbach setzt ihre kreative Energie vielfältig ein, als Schauspielerin, Vorleserin und Malerin. Und sie hat eine Vorliebe für Horrorfilme

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innovationen

Modul und mehr Alles, was Sie schon immer über Deutschlands Solarbranche wissen wollten

projekte

16 projekte

Effizienzhäuser für das Reich der Mitte Der Trend zum energieeffizienten Bauen hat Chinas Metropolen erreicht. Mit Partnern vor Ort plant die dena einzelne Projekte und ganze Stadtkonzepte

Optimal versorgt

22 projekte

Gemeinsamer Markt Günther H. Oettinger, EU-Kommissar für Energie in Brüssel, über die Eckpfeiler einer europäischen Energiepolitik

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Im Auswärtigen Amt und im Kulturforum in Berlin wird EnergiesparContracting praktiziert

menschen

Besuch beim Preisträger Die Dirk Rossmann GmbH wurde für ihr Energie­ datenmanagement mit dem Label Good Practice Energieeffizienz der dena ausgezeichnet

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projekte

navigation

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infotext

@ internet-Link zitat weiterleitung ins magazin

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standards 6 news 12 kohler trifft ... 15 menschen news 27 events und termine  34 kreative energie 36 dena.de 36 impressum

Probefahrt Die Rallye-Ikone Jutta Kleinschmidt stieg um: Im VW eco up! testete sie einen Wagen mit Erdgasantrieb auf rasanter Tour

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innovationen

Speichern mit System In der Power to Gas-Pilotanlage von E.ON im brandenburgischen Falkenhagen wird überschüssige regenerative Energie aus Wind und Sonne in Wasserstoff umgewandelt

Power to Gas: „Diese Technologie eröffnet neue Möglichkeiten für eine nachhaltige Mobilität und die Energiewirtschaft der Zukunft.“

editorial

Treibende Kräfte der Wende

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eim Aufbau eines neuen nachhaltigen Energiesystems sind Kompetenz, Innovationen und politische Entscheidungskraft gefragt – aber auch Fantasie, Mut zur Veränderung und individuelles Engagement. Die dena begleitet den gesamten Prozess intensiv und kommt bei der Suche nach Lösungen gemeinsam mit ihren Partnern voran. Das belegen aktuelle Beispiele, von denen Sie in dieser ersten Ausgabe des dena magazins erfahren. Stichwort Power to Gas: Wir stellen Projekte vor, die einen Beitrag zur Integration erneuerbarer Energien leisten. Auch lohnt es sich, die für den Industriestandort Deutschland wichtige Solarbranche zu beleuchten. Ebenso die Energieeffizienzmärkte der Zukunft am Beispiel China. Darüber hinaus geben wir Diskussionen und Positionen Raum – und Ihnen hoffnungsvoll einen spannenden Überblick und neue Impulse.

Reiner Mangold, Leiter nachhaltige Produktentwicklung bei Audi

Stephan Kohler

Seite 12: Kohler trifft ... Dr. Armin Sandhövel, CEO Allianz Climate Solutions

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blickfang wissenschaft

Dem Himmel so nah

Foto: James King-Holmes/SPL/Agentur Focus

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er sogenannte SkyDome in der Architekturschule der Wali­ ser Universität Cardiff leistet spezielle Dienste für Planer und For­ scher: Mit den insgesamt 640 einzeln dimmbaren Leuchtstoffröhren lassen sich die Lichtverhältnisse in Gebäuden maßstabsgetreu am Modell simulieren – für jeden Punkt der Erde und unter Berücksichtigung wechselnder Jahres­ zeiten und Wetterbedingungen. Per Endoskop verschafft sich der Nutzer Einblick ins Innere des Mo­ dells. „Der SkyDome ist ein wichtiges Werkzeug für energieeffizientes Licht­ design“, sagt Huw Jenkins, kaufmän­ nischer Leiter des Instituts, „und auch die optimale Position für Photovoltaik­ module lässt sich damit ermitteln.“ Mit einem Durchmesser von acht Metern gehört der 1999 eröffnete künstliche Himmel zu den größten seiner Art in Europa, so Jenkins. „Die Simulatoren bilden die realen Lichtbe­ dingungen deutlich besser ab als jedes virtuelle Modell am Rechner.“  (mb)

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Heiter bis wolkig: Die Simulatoren bestehen stets aus einer stabilen Himmelshalbkugel und einer fahrbaren künstlichen Sonne

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intro

90.000

Relationen: Das größte Windrad der Welt, der Rotor-Riese namens E-126, steht im Windpark Ellern im Hunsrück.

zusätzliche Fachkräfte werden in Deutschland bis 2020 im Bereich der energetischen Sanierung benötigt. Das hat die Europäische Bauinitiative BUILD UP Skills ermittelt.

modellprojekt

Bilaterales Energieabkommen

Die gelungene energetische Sanierung einer historischen Kölner Stadtvilla ist eines der Leuchtturmprojekte des denaModellvorhabens „Auf dem Weg zum Effizienzhaus Plus“

Der Verband der französischen Stromwirtschaft und die Deutsche Energie-Agentur vertreten ihre Länder bei der jetzt vertraglich vereinbarten Zusammenarbeit

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ie Idee zu seinem „Effizienzhaus Plus“ kam Martin Hennrich bei einem Gespräch mit einem Studienfreund, der in Paris Passivhäuser baut. „Als er von unseren Überlegungen hörte, sagte er: Warum machst du daraus nicht auch ein Passivhaus?“ Hennrich, selbst Architekt, wurde mitgerissen. Alles, was technisch möglich ist, wollte er bei der Modernisierung der vierstöckigen Villa von 1913 mit ihren 320 Quadratmetern umsetzen. „Das hat übrigens mit Hightech gar nichts zu tun. Das ist alles Lowtech“, sagt er. Eine erfreuliche Mitteilung. Denn soll Deutschland 2050 klimaneutral sein, geht das nur, wenn alle Häuser energetisch saniert werden können. Das Kölner Haus ist eines von 40 Projekten, die derzeit im dena-Modellvorhaben „Auf dem Weg zum Effizienzhaus Plus“ hocheffizient saniert oder neu gebaut werden. „Ziel ist es, Leuchtturmprojekte für nahezu klimaneutrale Gebäude zu schaffen“, sagt dena-Projektleiterin Heike Marcinek.

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Partner in Russland: Eine Projektgruppe unter Leitung der dena plant die energetische Modernisierung des Fernwärmenetzes von Jekaterinenburg, der viertgrößten Stadt Russlands.

kooperation

Einsatz für vier Wände

Wertsicherung: Architekt Martin Hennrich und seine Familie fühlen sich nach Umbau und Modernisierung noch wohler in ihrem Kölner Domizil

Mehr geht nicht: Das 1913 erbaute vierstöckige Haus wurde energetisch auf den neuesten Stand der Technik gebracht

Fotos: Martin Hennrich (2), imagebroker/Alamy

Als wichtigste Maßnahme nennt Hennrich die Dämmung. „Das ist wie beim Skifahren: Dicke Kleidung hilft am besten.“ Daher hat er sich für sagenhafte 30 Zentimeter Dämmung entschieden. Ein weiterer Vorteil: Durch die Dämmung sind die Wände so warm, dass gar kein Schimmel entstehen kann. Vom Dachstuhl bis zum Keller wurde das Haus in den dicken Mantel gepackt,

intro

Berliner Fernsehturm 368 m Eiffelturm 325 m Windrad E-126 200 m Kölner Dom 157 m Freiheitsstatue 92,99 m

hinzu kamen dreifach verglaste Fenster und eine Belüftungsanlage. „Normalerweise erzeugen Sie in einem Passivhaus genügend Wärme durchs Kochen, den Fernseher und die Beleuchtung. Allerdings ist das Haus nach dem Umbau fast 400 Quadratmeter groß, einschließlich Büro und Tischtenniskeller. „So viel fernsehen können Sie gar nicht“, sagt Hennrich. Da braucht er denn doch noch eine Zusatzheizung. Die Ölheizung von 1988 flog raus, es kam eine Fußbodenheizung, die über eine Wärmepumpe betrieben wird. Und die Bilanz? Geplant sind ein Endenergieverbrauch von 12 statt wie zuvor 150 Kilowattstunden und ein Ausstoß von nur noch 10 Kilo CO2, jeweils pro Quadratmeter und Jahr. „Das ist annähernd klimaneutral und insofern ein vorbildliches Modellprojekt“, erklärt Heike Marcinek. Wertsicherung auf Jahrzehnte ist es obendrein. (hs)

Heike Marcinek, dena: „Das Kölner Beispiel zeigt: Auch Altbauten können nahezu klimaneutrale Gebäude werden.“

ie dena wird mit dem Verband der französischen Stromwirtschaft Union Française de l’Electricité (UFE) die deutsch-französische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energiewende unterstützen. Annegret-Cl. Agricola, Bereichsleiterin für Energiesysteme und Energiedienstleistungen bei der dena, fasst die Ziele der Kooperation zusammen: „Es geht darum, gemeinsame Beiträge zur Steigerung der Energieeffizienz, zur Integration der erneuerbaren Energien in das Stromsystem, zur Entwicklung neuer Strommarktmodelle und zur Vertiefung der bilateralen Energiebeziehungen zu erarbeiten.“

Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten Vertreter von UFE und dena Anfang Juli in Paris – am Rande der ersten Deutsch-Französischen Energiekonferenz – und im Beisein der verantwortlichen Minister beider Länder. „Sowohl Deutschland als auch Frankreich durchlaufen einen Prozess der Energiewende, der unser industrielles und wirtschaftliches Umfeld tiefgreifend verändern wird“, erklärte UFE-Präsident Robert Durdilly. „In dieser Partnerschaft können wir die bevorstehenden Herausforderungen mit vereinten Kräften angehen und uns bei der Suche nach tragfähigen und nachhaltigen Lösungen gegenseitig unterstützen.“  (sg)

Schauplatz Paris: Die erste Französisch-Deutsche Energiekonferenz fand im Juli statt

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intro

5.000

qualifizierte Energieberater, darunter Architekten und Handwerker, stehen in der dena-Datenbank zur Verfügung: www.energie-effizienz-experten.de

intro Zukunftsszenario: So kann das Ziel der Bundesregierung im Wohngebäudebestand erreicht werden: 60 Prozent Endenergieeinsparung plus 20 Prozent erneuerbare Energien macht zusammen 80 Prozent weniger fossile Energieträger.

Einsparung Gebäudehülle Einsparung Anlagentechnik in % 0 20 40

erneuerbare Energien fossil erzeugte Wärme 60 80 100

2010

erdgasmobilität

Verwirrung an der Tankstelle

-20 %

2020

-60 %

2050

vergleich

Schweiz als Vorreiter

Die Preise klimafreundlicher Kraftstoffe wie Erdgas sind mit denen konventioneller Kraftstoffe nicht vergleichbar. Erdgas oder Wasserstoff sehen teurer aus, als sie sind. Initiativen und Verbände fordern eine Reform Auswirkung der Verkaufseinheit auf die Preisdarstellung. Euro je Liter (Status quo) Euro je Benzinliter-Äquivalent (siehe Text „Schweiz als Vorreiter“)

Super Diesel

was mich beschäftigt

Autogas

Zielregion Zentralasien

Die Autorin: Nargis Wieck, geboren 1976 in Duschanbe/Tadschikistan. Die Betriebswirtin koordiniert bei der dena Projekte in Zentralasien und der Türkei

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Erdgas Wasserstoff

Super Diesel Autogas Erdgas Wasserstoff

1.649 1.329 0.929 0.749 2.629

33,3

„Für die Verbraucher ist nicht direkt ersichtlich, dass Erdgas und Bioerdgas die derzeit günstigsten Kraftstoffe sind.“

Im Aufwind: Die Aussichten haben sich bei den Befragten insgesamt leicht verbessert

13,0 deutscher energiewende-index

Positive Stimmung – klare Forderungen

So weit kommen Sie für 10 Euro im Tank Zur Berechnung der Reichweiten diente der Opel Zafira Tourer (vergleichbare Motorisierung, 130 bis 150 PS) durchschnittliche Kraftstoffpreise (Stand August 2013)

Die Wirtschaft verlangt rasche Reformen und eine verstärkte Bündelung der energiepolitischen Kompetenzen auf Bundesebene

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er Deutsche EnergiewendeIndex lieferte im dritten Quartal 2013 aufschlussreiche Ergebnisse über die Stimmung bei den Beteiligten der Energiewende, darunter Energiewirtschaft und Energiezulieferindustrie, Verbraucher, Investoren und Verbände. Aus der von der Ernst & Young GmbH und der dena durchgeführten Befragung ergeben sich klare Postulate an die Politik. Bei den Unternehmen etwa besitzt die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die höchste Priorität – mit dem Spitzenwert 182,9. Die Mehrheit der wirtschaftlichen Akteure sieht zudem großen Handlungsbedarf beim Ausbau der Verteilnetze durch stärkere Investitionsanreize und der Schaffung eines neuen Marktdesigns für konventionel-

le Erzeugungskapazitäten. „Allgemein herrscht jedoch Zuversicht, dass der Reformstau in diesen Bereichen nun rasch gelöst wird. Zudem werden die Rufe lauter, energiepolitische Kompetenzen auf Bundesebene zu bündeln, damit das Gelingen der Energiewende wieder in den Vordergrund rückt – anstatt der jeweiligen Interessen der Bundesländer“, so das Fazit von dena-Geschäftsführer Stephan Kohler. „Darüber hinaus wird eine stärkere Koordination mit den europäischen Nachbarn in den wichtigsten Punkten der Energiewende von Politik und Wirtschaft gefordert.“  (sg)

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Der Index besteht aus drei Komponenten: Bewertung der aktuellen Situation, der vorangegangenen drei und der kommenden zwölf Monate

Super

Dr. Timm Kehler, Geschäftsführer der Initiative Erdgas mobil

95 km

Diesel

134 km

Autogas

151 km

Erdgas Foto: Shutterstock Illustration: Julian Rentzsch Grafik: KircherBurkhardt Infografik

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u weißt doch, wie das hier läuft“, höre ich in Zentralasien des Öfteren. Heißt: Energiesparen war bei uns doch nie ein Thema – unsere Partner wissen, dass ich aus Tadschikistan stamme. Umso beeindruckender ist das Tempo, mit dem Regierung und Unternehmen jetzt Maßnahmen für Energieeffizienz umsetzen. Wenn 2017 in Astana die Expo zum Thema „Energie der Zukunft“ stattfindet, will sich das große, rohstoffreiche Land als junge Industrienation präsentieren, die auf nachhaltige Energieversorgung und erneuerbare Energien setzt. Anders ist die Situation in Tadschikistan. In dem kleinen Gebirgsland ist Energie knapp. Hier sind dezentrale Lösungen gefragt, wie die kürzlich eingeweihte Solaranlage und das geplante Blockheizkraftwerk für ein Krankenhaus in Duschanbe. Maßgeschneiderte Konzepte sind die Stärke der dena und in Zentralasien willkommen. Denn das Beeindruckende ist auch, wie offen die Menschen dort für neue Wege sind.

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1.649 1.489 0.809 1.089 9.899

203 km 13,0

Energiegehalt pro Verkaufseinheit Mit einem Kilogramm Erdgas kommt man weiter als mit einem Liter Benzin. Das liegt am unterschiedlichen Energiegehalt. Dieser kann für alle Kraftstoffe in der Einheit Kilowattstunde dargestellt werden. 9,1 8,9 8,7

10,0

6,3

1 E85

Autogas

Super E10

Super/ Super Plus

Biodisel

Diesel

Erdgas L

Mehr Biomethan im Erdgastank Von 2011 bis 2013 ist der Anteil von Biomethan am Kraftstoff Erdgas von 6 auf 20 Prozent gestiegen. Das regenerative Pendant gibt es inzwischen bereits an jeder dritten Erdgastankstelle in Deutschland.

10,5

7,7

Strom

In der Schweiz wird seit 2004 die Vergleichseinheit Benzinliter-Äquivalent genutzt. Dabei wird der Energiegehalt eines Liters Benzin als Maßstab genommen: Ein Benzinliter-Äquivalent entspricht der Menge Erdgas, die den gleichen Energiegehalt hat wie ein Liter Benzin. Der Erdgas- und der Benzinpreis sind dann direkt miteinander vergleichbar. Dieses Prinzip lässt sich auch für die anderen Kraftstoffe anwenden.

Erdgas H Wasserstoff

Seite 26: Der Praxistest: Testpilotin Jutta Kleinschmidt macht Station an einer Erdgastankstelle

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menschen

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enn man die Herausforderungen des Energiemanagements mit einer Segelregatta vergleichen würde, dann wäre der begeisterte Wassersportler Thomas Müller auf Rekordkurs. Denn Energieeffizienz bedeutet Wettbewerbsvorteil, und der 50-Jährige hat die Dirk Rossmann GmbH mit einer neu entwickelten Energiedatenbank für das gesamte Unternehmen weit nach vorn gebracht. Das „Cockpit“, wie Müller sein Büro im niedersächsischen Burgwedel nennt, ist die Steuerungszentrale. „Wir erfassen die Verbrauchsdaten aus jeder einzelnen Verkaufsstelle und prüfen die Lastprofile auf Auffälligkeiten“, erklärt er am Beispiel einer Grafik. „In dieser Filiale war der Lastgang an Sonntagen erhöht – obwohl sie geschlossen war. Die Prüfung vor Ort ergab, dass sich die Klimaanlage nicht abschaltete.“ Technische Defekte, Regelungsund Bedienfehler gehörten zu den häufigsten Ursachen für überhöhten Stromverbrauch, die seit dem Rollout des Projekts Ende 2011 ermittelt und beseitigt wurden. Das Ergebnis: Im Jahr 2012 konnte Rossmann 2500 Megawattstunden Strom – und damit rund eine halbe Million Euro Energiekosten einsparen. Zudem produzierte das Unternehmen 1.651 Tonnen weniger CO2. Die dena verhalf Müllers Produkt zu öffentlicher Anerkennung: Im Juli wurde die Dirk Rossmann GmbH dafür mit dem 100. Good Practice Energieeffizienz Award ausgezeichnet – dem Label, das die dena für vorbildliche Wege zur Endenergieeinsparung vergibt. „Dieses Projekt zeigt, dass eigenständige Energiemanagementsysteme für die Entwicklung des Energieeffizienzmarktes nicht nur notwendig, sondern auch wirtschaftlich sind“, erklärte denaGeschäftsführer Andreas Jung bei der Verleihung des Jubiläumspreises.

2013

technik

Von der Verbrauchserfassung zum Lastprofil Stationsantenne Stromzähler

Modem Flachantenne

Modulsystem: Die digitalen Stromzähler wurden für die Verbrauchsmessungen in den RossmannVerkaufsstellen konfiguriert. Über Modem und Antennen werden die Daten in die Operationszentrale gesendet und dort ausgewertet

Hutkurve: Müller skizziert, wie die Verbrauchskurven für Beleuchtung und Klima in einer Filiale ab der morgendlichen Warenanlieferung verlaufen. Die typische Hutform resultiert aus den Öffnungszeiten

Der StromDetektiv Die Dirk Rossmann GmbH senkt mit einem eigenen Datenmanagementsystem den Stromverbrauch in ihren Filialen – und erhält dafür das 100. dena-Label Good Practice Energieeffizienz. Ein Besuch bei Projektentwickler Thomas Müller 10

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Fotos: Michael Löwa (4), Rossmann

Alles im Griff: Von der Unternehmenszentrale aus steuert Thomas Müller den Messstellenbetrieb

Müller sieht sich in seiner Arbeit bestätigt. „Eine transparente Datenlage ist die Basis für Energie-Controlling“, weiß der gebürtige Hamburger, der das Metier „von der Pike auf“ kennt: Nach einer Installateurslehre absolvierte er ein Ingenieursstudium und arbeitete zuletzt als Berater beim Energieversor-

Im besten Licht: Die technischen Anlagen in den Märkten werden systematisch auf „Stromlecks“ geprüft

ger E.ON, bevor er 2010 zum Drogeriemarktunternehmen Rossmann wechselte. Das Anbringen neuer Stromzähler in dessen bundesweit 1.750 Filialen bezeichnet Müller als „Bugwelle“ des Rollouts. Darüber hinaus sollen alle Standorte weitere Zähler für Feinmessungen erhalten. In der Filiale im nahen Burgdorf ist dies bereits geschehen. Nicht nur die Gesamtenergieverbrauchsdaten werden aus dem Betriebsraum viertelstündlich nach Burgwedel gefunkt, sondern allein im Bereich Licht zahlreiche Unterpositionen von der Regal- bis zur Außen-

beleuchtung erfasst. Müller: „Es geht darum, neue Parameter für künftige Einsparpotenziale zu entwickeln, etwa aus der Frage, wann genau die Beleuchtung der Schaufenster an die Sonneneinstrahlung angepasst werden kann.“ Rund 1,5 Millionen Euro hat das Unternehmen bis Mitte 2013 in die Energiedatenbank investiert. „Was künftige Einspareffekte angeht, stehen wir erst am Anfang“, ist auch Rossmann-Geschäftsführer Roland Frobel überzeugt: „Das dena-Label trägt dazu bei, dass das Thema Energieeffizienz bei uns eine noch breitere Basis erhält. Schließlich sollen die Mitarbeiter durch automatisierte Prozesse in der Gebäudetechnik ja auch entlastet werden.“ Müllers Ziel: „In fünf Jahren möchten wir den Messstellenbetrieb so nutzen, dass wir alle Anlagen energieeffizient steuern.“ Dann werde Rossmann noch zehn Mal weniger CO2 produzieren. Um im Bild zu bleiben: Müllers Boot hat bei dieser Regatta gerade erst Fahrt aufgenommen.  (mb)

@ Auffällig: Müller zeigt, wie sich der Lastgang in einer Filiale nach der Optimierung verändert

Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.energieeffizienz-online.info Seite 4: In der Universität von Cardiff/Wales werden die Lichtbedingungen für Gebäude unter einem künstlichen Himmel simuliert

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menschen

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„Nicht noch ein Soli“

rivatkunden wie Unterneh­ men klagen über steigende Strompreise. Wird die Energiewende zu teuer? Kohler: Geld in regenerative Energien und energieeffiziente Projekte zu stecken, ist eine sinnvolle Investition. Sie verschafft uns ökologisch saubere Energieträger. Das verursacht jetzt höhere Kosten, die sich im Laufe der Zeit aber reduzieren und von denen wir alle profitieren. Sandhövel: Der Ausstieg aus der Kernenergie und der Ausbau regenerativer Energien war gesamtgesellschaftlich gewollt. Und wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, müssen beispielsweise Kohlekraftwerke nachgerüstet werden. Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif.

Kreative Energie

Energiewende Wer soll das bezahlen? Verstärkt private Finanzinvestoren, sagen Stephan Kohler und Armin Sandhövel. Allerdings fordern sie erst politische Korrekturen Text: Dr. Anton Notz, Tina Henze | Fotos: Markus Hintzen

Serie Kohler trifft ... : ... Armin Sandhövel, der sich als CEO von Allianz Climate Solutions mit Energiefragen beschäftigt

Über den Dächern: In Frankfurt begegnen sich Stephan Kohler und Armin Sandhövel zum Gespräch über hohe Energiepreise und Investitionskosten

Wie hoch veranschlagen Sie die Kosten der Energiewende? Kohler: Wir haben gemeinsam mit dem Energiewirtschaftlichen Institut in Köln eine Kostenschätzung erstellt. Bis 2020 sind demnach Investitionen von insgesamt 250 Milliarden Euro erforderlich. Durch Energieeffizienz kann der Primärenergieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent sinken. Investitionskosten von 100 Milliarden Euro stehen einer Energiekosteneinsparung von 130 Milliarden Euro gegenüber. Ein immenser Investitionsbedarf … Kohler: … der sich rechnet, denn bei Investitionen in Wärmedämmung oder neue Heizkessel bleibt die Wertschöpfung zu einem großen Teil in Deutsch-

zu den personen

Dr. Armin Sandhövel Der promovierte Ressourcenökonom ist Vorstandschef der Allianz Climate Solutions GmbH. Zuvor leitete der denaAufsichtsrat als Head of Carbon Risk das Risikomanagement für Erneuerbare Energien der Dresdner Bank AG

Fotos: Markus Hintzen

Stephan Kohler

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Der studierte Maschinenbauingenieur ist Vorsitzender der Geschäftsführung und leitet die dena seit ihrer Gründung im September 2002. Vorher war er unter anderem am Ökoinstitut Freiburg tätig. Er ist Autor zahlreicher Schriften und Bücher zur Energiepolitik

Versicherungen und Pensionskassen dürfen nur bestimmte Risiken eingehen“ Armin Sandhövel, Allianz Climate Solutions

land, hier entstehen Arbeitsplätze. Das ist besser, als durch steigende Ölimporte ständig mehr Geld ins Ausland zu tragen. Wer soll diese riesigen Geldsummen aufbringen? Sandhövel: Bei der Aufgabe, die Energiewende zu stemmen, kommt den privaten Haushalten eine große Bedeutung zu. Mittlerweile gehören 40 Prozent der Anlagen aus erneuerbaren Energien den privaten Haushalten, etwa Eigenheimbesitzern. Und beim weiteren Ausbau werden private Finanzinvestoren künftig eine sehr viel größere Rolle spielen – Lebensversicherungen, Pensionskassen und institutionelle Fonds. Ist es nicht zu riskant, die Alters­ vorsorge mit den Unwägbarkeiten der Energiewende zu verknüpfen? Sandhövel: Es wird nur investiert werden, wenn die Politik verlässliche Rahmenbedingungen schafft. Dann lösen wir auf diese Weise zwei gesellschaftliche Herausforderungen: die Energiewende zu finanzieren und die Altersvorsorge zu garantieren. Letzteres wird ja auch immer schwieriger angesichts der demografischen Entwicklung, wonach auf weniger Jüngere immer mehr Ältere kommen, und der niedrigen Renditen, die mit herkömmlichen Anlagen noch für die Altersvorsorge zu erzielen sind. dena magazin  #01 2013

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forschung

Unternehmer Dr. Martin Viessmann zieht Bilanz

Neuer Index des Instituts für Energieeffizienz

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rfolg und Verantwortung bedingen einander. Das bisherige Lebenswerk von Dr. Martin Viessmann spiegelt diese Maxime auf besondere Weise wider. Denn der promovierte Betriebswirt, der im Oktober seinen 60. Geburtstag feierte, hat die Viessmann Werke in dritter Generation zu einem international erfolgreichen Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 1,86 Milliarden Euro und einem Auslandsanteil von 54 Prozent entwickelt. Das wichtigste Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens ist ein Komplettangebot effizienter Heiztechnik-Systeme. „Ich bin stolz darauf, dass wir heute mit unseren Produkten nicht nur alle Energieträger abdecken, sondern auch alle Anwendungsbereiche, vom Einfamilienhaus über große Wohnbauten sowie gewerbliche Objekte bis hin zur Nahwärmeversorgung“, sagt der ebenso geradlinig wie überlegt wirkende Viessmann.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz schafft keine sicheren Rahmenbedin­ gungen? Kohler: Das EEG hat gute Rahmenbedingungen geschaffen. Aber es ist allen Beteiligten klar, dass es geändert werden muss. Es sollte viel stärker auf die direkte Vermarktung des regenerativen Stroms umgestellt werden. Sandhövel: Die politischen Rahmenbedingungen gehen nicht immer Hand in Hand mit dem, was Investoren benötigen. Pensionskassen und Versicherungen dürfen aufgrund aufsichtsrechtlicher Verpflichtungen nur bestimmte Risiken eingehen. Sie sind schließlich in erster Linie dem Wohl von Millionen von Menschen verpflichtet, die im Alter eine sichere Vorsorge erwarten. Wo muss die Politik konkret ansetzen, um für mehr Investitionssicherheit zu sorgen und Pensionskassen und Versicherungen ein stärkeres Engage­ ment zu ermöglichen? Sandhövel: Vor allem bei der Risikobewertung. Wenn wir beispielsweise in Staatsanleihen südeuropäischer Länder investieren, die mit deutlich höherem 14

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Ich würde die Bürgeranleihe kaufen, wenn sie mir angeboten würde.“ Stephan Kohler, dena

Risiko behaftet sind als eine Bundesanleihe, muss kein Risikokapital hinterlegt werden. Bei Investitionen in erneuerbare Energien dagegen wird bisher verlangt, fast 50 Prozent zu hinterlegen. Das ist ein zentrales Problem. Außerdem sollte für solche Investitionen eine eigene Assetklasse geschaffen werden. Denn Investitionen in den regulierten Markt für erneuerbare Energien mit einer geringen Volatilität werden sogar noch schlechter behandelt als Aktien. Kohler: Außerdem darf es bei Investitionen in Stromnetze und Energieerzeugung kein Entweder-oder mehr geben. Dieses Verbot ist überholt, es schränkt die Finanzindustrie zu stark ein und behindert die Energiewende. Es geistern noch andere Ideen herum, um die Energiewende zu finanzieren. Zum Beispiel ein Energie-Soli.

Sandhövel: Das wäre nichts anderes als eine Steuererhöhung. Ich glaube nicht, dass das der Königsweg ist. Kohler: Davon halte ich auch nichts. Aber der Emissionshandel sollte wieder auf eine vernünftige Basis gestellt werden. Zum einen, um mittel- bis langfristig ambitionierte Klimaziele zu erreichen. Zum anderen, um Projekte finanzieren zu können, die momentan zu kurz kommen, weil die Verschmutzungsrechte viel zu billig sind. Die erste Stromleitungs-Bürgeranlei­ he ist auf dem Markt, Anwohner der Netztrasse können sich beteiligen. Verbraucherverbände halten sie für zu riskant. Würden Sie einsteigen, wenn Sie könnten? Kohler: Ich würde nicht gleich mein Haus drauf setzen. Aber ich würde die Anleihe kaufen, wenn sie mir angeboten würde.

Seite 22: EU-Kommissar Günther H. Oettinger setzt auf eine europäische Energiestrategie

Fotos: Markus Hintzen, Andri Pol/Agentur Focus, EEP, ista, Hoffotografen Illustration: Name Nachname

Kritik am EEG: Sowohl Stephan Kohler (li.) als auch Armin Sandhövel halten das Erneuerbare-Energien-Gesetz für überarbeitungsbedürftig

„Die aktuelle Herausforderung – die Energiewende – ist zugleich die größte. Sie ist aber auch eine große Chance für uns, weil der Wärmemarkt das bedeutendste Potenzial zur Lösung der Energie- und Klimaprobleme hat und somit

zum Gelingen der Energiewende.“ Am Beispiel des eigenen Stammsitzes hat er vorgeführt, wie es geht: Im Rahmen eines strategischen Nachhaltigkeitsprojekts ließ Viessmann seinen Standort im hessischen Allendorf (Eder) von Grund auf modernisieren. Damit wurde der Verbrauch fossiler Energien um zwei Drittel gesenkt und der CO2Ausstoß um mehr als 80 Prozent. Und es wurde der Beweis angetreten, dass die energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung für 2050 schon heute erreichbar sind. „Alle erforderlichen Technologien stehen zur Verfügung – und sie sind wirtschaftlich“, so Viessmann, der für sein Leuchtturmprojekt „Effizienz Plus“ unter anderem mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis und dem Energy Efficiency Award der dena ausgezeichnet wurde. „Die Zusammenarbeit mit der dena, zum Beispiel in Fragen der Gebäudeenergieeffizienz und Zukunftstechnologien wie Power to Gas, hat sich bestens bewährt und sie ist wichtig für uns“, sagt Viessmann. „Als Institution, die sachkompetent und ideologiefrei in Energiefragen berät, sollte die dena auch in der Politik noch mehr Gehör finden.“

Das von Unternehmer Heinz Dürr (80), ehemaliger Vorstandschef der Deutschen Bahn AG und des AEGKonzerns, gegründete Stuttgarter Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) erstellt im Dezember erstmals den Energieeffizienz-Index der deutschen Industrie – in Kooperation mit dem Bundesverband der Industrie, dem TÜV Rheinland und der dena. Der Index soll künftig halbjährlich Vergleichsdaten für produzierende deutsche Unternehmen liefern. Finanziert wird das EEP von der Heinz und Heide Dürr Stiftung, die sich besonders im Bereich Energieeffizienz engagiert.

dienstleistung

ista-Chef Walter Schmidt stellt Modellprojekt vor „Für viele Verbraucher ist die Energiewende abstrakt, solange sie nicht selbst zu Akteuren werden“, weiß Walter Schmidt (46), Geschäftsführer des Essener Energiedienstleisters ista international GmbH, der gemeinsam mit der dena das Modellprojekt Energiedatenmanagement anbietet. „Moderne funkbasierte Zähler von der ista übermitteln Wohnungseigentümern und Mietern zeitnah und bequem über ein Onlineportal oder eine App mobil ihre Verbrauchsdaten. Monatlich kann man jetzt reagieren und Energie und Kosten gezielt sparen.“

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Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.ista.de und www.bewusst-heizen.de

verkehrssysteme

Neuer Bereichsleiter bei der dena

Heiztechnik in dritter Generation: Martin Viessmann stieg 1979 ins Familienunternehmen ein und schärfte dessen Nachhaltigkeitsprofil konsequent durch besonders schadstoffarme und energieeffiziente Produkte

Stefan Siegemund (33) hat den Fachbereich Energieeffiziente Verkehrssysteme bei der dena übernommen. Der Diplom-Geograph war zuletzt beim Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg für die strategische Konzeption einer nachhaltigen Logistik verantwortlich. dena magazin  #01 2013

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projekte

projekte

Wandel auf breiter Spur Chinas Regierung fördert nachhaltige Stadtentwicklung und energieeffizientes Bauen im Zeichen der sogenannten sauberen industriellen Revolution. Als strategischer Partner koordiniert die dena Pilotprojekte, bei denen Technologien und Erfahrungen aus Deutschland gefragt sind Text: Xifan Yang

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Wang Zhen, Immobilienunternehmer, Qinhuangdao

„China hat vor allem in spektakuläre Showarchitektur investiert. Nun öffnet sich das Land nachhaltigen Maßnahmen.“ Stephan Schütz, Architekt, Peking

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Brückenschlag: In den nordchinesischen Hafenstädten Tianjin (Foto) und Qinhuangdao entstehen ganze Wohnviertel nach ökologischen Baustandards

Foto: Tomohiro Ohsumi/Getty Images Grafik: KircherBurkhardt Infografik

„Im Effizienzhaus können Familien jeden Winter umgerechnet 500 Euro Heizkosten sparen.“

ie Wohnungen in den ersten vier Häusern sind schon nahezu ausverkauft. Wang Zhen, 58, ist stolz. Der Geschäftsführer des Immobilienentwicklers Hebei Wuxing Group führt über die Baustelle, wo derzeit das „Wasserfront“-Viertel entsteht: eine Wohnanlage in der nordchinesischen DreiMillionen-Stadt Qinhuangdao, 270 Kilometer von Peking entfernt. Ein in China bislang noch seltenes Pilotprojekt: Wangs Unternehmen baut energieeffiziente Niedrigenergiehäuser mit Passivhaustechnologien, acht Hochhäuser à 18 Stockwerke. Insgesamt rund 80.000 Quadratmeter Wohnfläche, die ausgezeichnet sind mit dem neuen Energieausweis, den Experten der dena in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Bauministerium entwickelt haben.

projekte

Vielfältiges Portfolio Vom Ausbau der Metropole Harbin zur Pilotstadt für energieeffizientes Bauen bis zum Schulneubau in Mianyang: Die dena ist von Anfang an dabei

Harbin Qinhuangdao

Noch sind die Fassaden unverputzt, auf der Baustelle wird gebohrt und gehämmert. Nur auf dem Balkon im zweiten Stock von Haus 15 wachsen bereits Kräuter. Wang Zhen und seine Frau sind hier vor einem Jahr eingezogen. Zum „Testwohnen“, so der Immobilienunternehmer. Der Chef misst jeden Tag Temperatur und Feuchtigkeit. „Viele Wohnungskäufer sind skeptisch, wenn sie zum ersten Mal von Effizienzhäusern hören“, sagt er. „Sie können sich nicht vorstellen, dass man im Winter ein Haus nicht beheizen muss und es drinnen trotzdem warm ist.“ Der deutsche Passivhaus-Standard diente als Vorbild für die „Wasserfront“-Häuser: Die Wände messen 25 Zenti-

CHINA

Changzhou

Mianyang

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projekte

projekte

Grundschulgebäude

wohnungsbau

Fenster von deutschen Herstellern

meter Dicke, statt neun Zentimeter wie in China üblich. Die Fenster sind mit Dreifachglas versehen, eine ausgeklügelte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung verhindert Wärmeverluste, Wasser wird durch Solarkollektoren an den Balkonbrüstungen erwärmt. Im Vergleich zu herkömmlichen Gebäuden in China sparen die „Wasserfront“-Häuser 80 Prozent an Energie ein. Wang hat dennoch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Nicht nur bei Käufern, sondern auch bei Kollegen aus der Branche. „Viele Immobilienentwickler zögern, weil sie hohe Kosten fürchten.“ Dabei betragen die Mehrkosten für die Effizienzhaus-Bauweise pro Quadratmeter im Schnitt nur umgerechnet 72 Euro – ein Preisanstieg von nur siebeneinhalb Prozent. „Dafür werden Familien hier jeden Winter umgerechnet 500 Euro Heizkosten sparen“, sagt Wang. Das chinesische Bauministerium beobachtet das Projekt in Qinhuangdao ganz genau. Chinas Städte boomen, doch die meisten Neubauten sind weit davon entfernt, energieeffiziente Standards zu erfüllen. 500 Millionen Chinesen zogen in den letzten 30 Jahren aus der Provinz in die Städte. Jedes Jahr wächst der Gebäudebestand in der Volksrepublik um neun Prozent. In zwei Jahren entsteht so viel Wohnraum, wie insgesamt in Deutschland existiert. Eine Studie des chinesischen Bauministeriums hat allerdings ergeben, dass mehr als die Hälfte der existierenden Gebäude in China so viele Mängel aufweisen, dass sie in den nächsten zwanzig Jahren abgerissen werden müssen. „Die Regierung hat das Problem erkannt“, sagt Nicole Pillen, zuständig bei der dena für internationale Projekte im Gebäudebereich. Seit 2011 pflegt die dena eine strategische Zusammenarbeit mit dem chinesischen Bauministerium. Das Ziel: die grüne Wende im Häuserbau. Zum ersten Mal ist die Förderung von energieeffizienten Gebäuden im aktuellen Fünf-Jahres-Plan festgeschrieben. Bis 2015 sollen 20 Prozent der Neubauten in chinesischen Großstädten nachhaltige Standards erfüllen. Der Wandel im Häuserbau ist Teil der „sauberen industriellen Revolution“, die die chinesische Regierung ausgerufen hat. China investiert so viel Geld wie kein anderes Land der Welt in erneuerbare Energien. Auch die Stadtplanung wird grün: In der Elf-Millionen-Metropole 18

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Qinhuangdao: Insgesamt acht Hochhäuser, rund 80.000 Quadratmeter Wohnfläche entstehen auf Basis deutscher Standards im Rahmen des „Wasserfront“Projektes in Qinhuangdao. Die Wohnungen sind zwischen 80 und 170 Quadratmeter groß. Ein Teil der Baumaterialien wie Fensterrahmen werden von deutschen Firmen in China produziert. Anders als in China üblich erfolgt die Klimatisierung über eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, womit der CO2-Ausstoß gegenüber herkömmlichen Anlagen auf ein Prozent reduziert wird. 1.800 Tonnen CO2 und 78 Tonnen Kohleeinheiten werden so pro Jahr eingespart. Solarkollektoren an allen Balkonbrüstungen sammeln Wärme für Wasserspeicher, dazu gibt es eine Aufbereitungsstation für täglich 2.000 Kubikmeter Wasser. Die Straßenleuchten werden von Solarzellen betrieben.

„Viele Immobilienentwickler zögern, weil sie hohe Kosten fürchten.“

Erstes deutschchinesisches Effizienzhaus ausgezeichnet

Wang Zhen, CEO Hebei Wuxing Group Qinhuangdao

Fotos: Jiri Rezac/Alamy, James Wasserman (3), dena (2)

Dynamik: Auf dem Dach des Fernbahnhofs Hongqiao unmittelbar neben dem Flughafengebäude von Shanghai werden Photovoltaikelemente installiert

Mianyang: Bei einem schweren Erdbeben in der Provinz Sichuan 2008 stürzten auch viele Schulen ein, mehr als 9.000 Schüler starben. Der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier rief mit mehreren Unternehmen die Initiative „Acht Grundschulen für Sichuan“ ins Leben. In Zusammenarbeit mit der dena wurde so unter anderem in der Stadt Mianyang eine neue Grundschule gebaut – erdbebensicher und energieeffizient. Während früher im Winter die Kinder im Mantel im Klassenzimmer saßen, lernen die 3.000 Schüler heute in gut isolierten Räumen. Die Anzahl der Stockwerke wurde von sieben auf vier reduziert und auch die Klassenstärke deutlich verkleinert.

Anschaulich: Das fertige Quartier als Modell für Kaufinteressenten

Selbstversuch: Immobilienunternehmer Wang Zhen ist im „Wasserfront“-Viertel eingezogen

75 % Neue Standards: Die Fenster werden viel dichter verfugt als in China üblich

Energieeinsparung im Vergleich zu herkömmlichen Neubauten in China – das ist die Energiebilanz der neuen, in Zusammenarbeit mit der dena zertifizierten Effizienzhäuser

Chinas Energiequellen Kohle 66

andere erneuerbare Energiequellen 1 Kernenergie 1 Wasserkraft 3 Erdgas 4 Bioenergie 8 Öl 17

%

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Milliarden Quadratmeter Gebäudefläche werden in China pro Jahr neu gebaut – halb so viel, wie in ganz Deutschland existieren

Qinhuangdao: Ein 18-geschossiges Wohnhochhaus im „Wasserfront“-Viertel der Hafenstadt in der Provinz Hebei ist am 23. Oktober als erstes deutschchinesisches Effizienzhaus ausgezeichnet worden. Den neuen Energieeffizienzstandard für die gesamte Klimaregion hat die dena gemeinsam mit dem Center of Science and Technology of Construction (CSTC) entwickelt, das Chinas Bauministerium unterstellt ist.

Low Carbon Strategy Harbin: Seit 2011 entwickelt die dena mit der Regierung der Zehn-Millionen-Einwohner-Stadt eine Strategie für Energieund Ressourceneffizienz bei Energie- und Wasserversorgung, Mobilität, Abfallwirtschaft und Stadtplanung.

2030 In 17 Jahren werden 70 Prozent aller Chinesen in Großstädten wohnen, schätzt die Regierung in Peking. Das sind über eine Milliarde Menschen

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projekte

interview

„Grüner Strom muss bezahlbar werden“

„Ist der Praxistest erfolgreich, werden wir im zweiten Schritt die Normen flächendeckend einführen.“ Wen Linfeng, Entwicklungsabteilung des Bauministeriums in Peking

Professor Shi Dinghuan, Präsident der Chinesischen Gesellschaft für Erneuerbare Energien, spricht über die Energiewende in China – und die Rolle, die Deutschland dabei als Vorbild und Partner spielt

Tianjin soll ein Ökostadtteil halb so groß wie Manhattan demnächst Wohnraum für 350.000 Menschen bieten. Im nordchinesischen Changchun baut das deutsche Architekturbüro Albert Speer und Partner ein grünes Viertel für eine halbe Million Menschen. In Qingdao soll bis 2015 ein Entwurf des Hamburger Büros Gerkan, Marg und Partner (gmp) realisiert werden. „China hat bis vor Kurzem vor allem in spektakuläre Showarchitektur investiert“, sagt Stephan Schütz, Leiter der gmp-Niederlassung in Peking. „Nun öffnet sich das Land nachhaltigen Maßnahmen.“

Platz an der Sonne: Das Micro-E Hotel in Dezhou, Chinas erster „Solarstadt“, ist das größte mit Solarenergie betriebene Hotel der Welt

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Mobilität für Millionen: Der Bahnhof in Hangzhou, Hauptstadt der Provinz Zhejiang, wird zum Knotenpunkt für den öffentlichen Nahverkehr ausgebaut

Wen Linfeng, Vizedirektorin der Entwicklungsabteilung des chinesischen Bauministeriums. „Ist der Praxistest erfolgreich, werden wir im zweiten Schritt die Normen flächendeckend einführen.“ Die größte Hürde sei bislang verlässliche Qualität, sagt Nicole Pillen. Noch fehlen Fachleute und vielerorts auch das richtige Material. Pillen ist sich aber sicher: China werde in wenigen Jahren aufholen. Das „Wasserfront“-Projekt in Qinhuangdao zeigt bereits erste Erfolge. Angeregt durch die Zusammenarbeit mit der dena hat die Provinzregierung von Hebei als erste Provinz des Landes eine Richtlinie für energieeffiziente Häuser verabschiedet. Immobilienentwickler Wang bekam im vergangenen Jahr viel Besuch: Mehr als 1.500 Regierungsbeamte, Architekten und Unternehmer aus allen Teilen des Landes wollten sehen, wie seine neuen Hochhäuser gebaut werden. Die Reaktion der meisten Gäste, erzählt Wang: „Nachhaltig zu bauen ist viel einfacher als gedacht.“

Stephan Kohler: „Chinas Energieeffizienzmärkte bergen enormes Potenzial. Das neue Gütesiegel für die Baubranche stülpt nicht etwa westliche Standards über, sondern passt sie an Landesfaktoren an.“

E Fotos: Imago, Andrea Di Martino/Alamy, James Wasserman

„Das Interesse an deutschen Bautechnologien ist enorm“, sagt Nicole Pillen. Sie und ihre Kollegen reisen regelmäßig durch China, um bei lokalen Regierungen und Unternehmen für verbesserte Energiestandards zu werben und Pilotprojekte voranzutreiben. Interessierten Immobilienentwicklern bietet die dena eine Begleitung des gesamten Prozesses als Qualitätssicherung, beispielsweise „Baustellen-Workshops“: Deutsche Experten zeigen chinesischen Kollegen an Musterhäusern, wie die Theorie in praktisches Know-how umgesetzt wird. „Wir begleiten die Projekte vom ersten Entwurf an bis zur Fertigstellung“, sagt Pillen. Derzeit stehen in China neben dem Projekt in Qinhuangdao fünf weitere Pilotprojekte unter der Schirmherrschaft der dena, darunter die bereits fertiggestellte Grundschule in Mianyang in der Provinz Sichuan und ein Multifunktionsgebäude in Shijiazhuang, Provinzhauptstadt von Hebei. Im nordchinesischen Harbin entwickeln die dena und die lokale Stadtregierung eine „Low Carbon Strategy“ für neue Stadtteile der zehn Millionen Einwohner zählenden Megastadt. Bislang engagieren sich einzelne Städte freiwillig für grünes Bauen, doch schon bald könnten verbindliche Normen gelten – basierend auf deutschen Effizienzstandards. „Momentan befinden wir uns im Versuchsstadium“, sagt

Text: Xifan Yang

twa 80 Prozent der Energie in China stammen aus Kohleverbrennung. Wie will China die Energiewende schaffen? Prof Shi Dinghuan: Wir müssen den Anteil erneuerbarer Energien deutlich steigern. Momentan sind es weniger als zehn Prozent. Die Regierung hat das Ziel, diese Zahl bis 2020 auf 20 Prozent zu steigern. Und wir müssen unseren Gesamtverbrauch reduzieren. Früher galt: Wir produzieren so viel Energie, wie wir brauchen. Das wird sich ändern müssen. Die chinesische Wirtschaft boomt nach wie vor, damit steigt aber auch die Energienachfrage.

SD: Ja. Man kann die Situation Chinas nicht mit der von Deutschland vergleichen. Unsere Bevölkerung nimmt zu, unsere Wirtschaft wächst sehr schnell. Die Verstädterung verläuft rasant, ebenso die Industrialisierung. Chinas Energieverbrauch hat den Zenit noch lange nicht erreicht. Ihn zu drosseln, während sich das Land weiterentwickelt, ist eine schwere Aufgabe. Da stehen wir erst am Anfang. Worin bestehen die größten Herausforderungen? SD: Wir haben einerseits gute Voraussetzungen für die Solar- und Windindustrie. Der Westen des Landes ist weitgehend menschenleer, dort kön-

nen große Projekte realisiert werden. Das Netz, das den Strom zu den Verbrauchern in den Osten transportiert, muss aber erst ausgebaut werden. Wir müssen einen Weg finden, den grünen Strom für die Bevölkerung bezahlbar zu machen. Welche Rolle spielt Deutschland? SD: Deutschland ist unser wichtigster Partner, wirtschaftlich wie technisch. Wir können von der deutschen Energiewende viel lernen. Wir müssen wie die Deutschen feste Ziele für die nächsten Jahrzehnte formulieren. Wir brauchen konkrete Gesetze und wir müssen diese Gesetze schnell und flächendeckend umsetzen. dena magazin  #01 2013

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projekte

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Eine Vision kennt keine Grenzen Europa braucht eine gemeinsame Energiestrategie, um seine Zukunft zu sichern. Eine verbindliche Infrastruktur mit verbundenem Markt, neuen Stromkapazitäten und einem intelligenten Netz muss jetzt geschaffen werden. Denn die Zeit drängt

Wir können es uns nicht leisten, einfach abzuwarten. Nationale Politiken reichen nicht mehr aus, um einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung zu ermöglichen und unseren Wohlstand zu wahren. Jede Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat getroffen wird, hat Auswirkungen für die anderen. Fragmentierte Märkte untergraben die Versorgungssicherheit und schränken die Vorteile eines fairen Wettbewerbs ein; unsere Investitionen für die Zukunft sind jedoch nur lohnend und effizient in einem Markt, der den ganzen Kontinent umfasst. Wir müssen zu einer gemeinsamen Energiepolitik finden, die unseren gemeinsamen politischen Zielen dient: Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit. Wettbewerbsfähigkeit durch Energieeffizienz. Zunächst gibt es ein riesiges ungenutztes Potenzial für Energieeinsparungen – wenn man hier ansetzt, könnten Bürger und Unternehmen gleichermaßen Geld sparen. Angesichts der Verpflichtungen, unsere Emissionen drastisch zu senken und das Ziel einer Steigerung der Energieeffizienz 22

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zur person

Günther H. Oettinger Der 1953 geborene CDU-Politiker aus Stuttgart war von 2005 bis 2010 Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Seit Februar 2010 ist er EU-Kommissar für Energie in Brüssel. Der unter seiner Verantwortung erstellte „Energiefahrplan 2050“ zeigt mögliche Wege auf, mit denen die Europäische Union das erklärte Ziel, ihre Emissionen bis 2050 um mehr als 80 Prozent zu senken, erreichen kann.

marktes, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und die Deckung der grundlegenden Bedürfnisse aller unserer Bürger gefährden. In einem integrierten Markt müssen fairer Wettbewerb, Dienstleistungsqualität und freier Zugang gewährleistet sein. Eine wesentliche Voraussetzung ist jedoch eine angemessene Infrastruktur. Dies bedeutet, dass wir unsere Anstrengungen auf konkrete Projekte konzentrieren müssen, die erforderlich sind, um unsere Ziele zu erreichen: Solidarität, ein verbundener Markt, neue Stromkapazitäten, ein intelligentes Netz und die Erzeugung erneuerbarer Energie, die allen Menschen zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung steht, in großem Maßstab.

um 20 Prozent bis 2020 zu erreichen, lassen sich durch Maßnahmen zur Senkung des Energiebedarfs am wirkungsvollsten unmittelbare Auswirkungen für Energieeinsparungen, mehr Wirtschaftlichkeit und die Aufrechterhaltung unserer Wettbewerbsfähigkeit erzielen.

Zeit zu handeln. In diesem Jahr steht die Debatte über unsere Energie- und Klimaziele für 2030 an. Wir werden entscheiden, ob wir, wie bereits für das Jahr 2020, drei Ziele festlegen (Verringerung der CO2-Emissionen, Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien und Verbesserung der Energieeffizienz) oder nur eines oder zwei, und ob sie rechtsverbindlich sein sollten oder nicht. Diese Entscheidungen müssen wir jetzt treffen, damit die Mitgliedstaaten sich vorbereiten können und Investoren in der Industrie Rechtssicherheit haben. Wie Jean Monnet sagte: „Ohne Vision sind die Völker dem Untergang geweiht“. Unsere Generation muss die Gelegenheit nutzen, diese strategische Vision wahr werden zu lassen.

Ein stark integrierter europäischer Energiebinnenmarkt. Nationale Grenzen können die Vorteile des Binnen-

Gastbeitrag: Vertreter aus Politik, Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft melden sich als Gastautoren im dena magazin zu Wort

Kunst und Klimaschutz: Die Beleuchtung in den Museen des Berliner Kulturforums wurde energetisch verbessert, die Gebäudeleittechnik teilweise erneuert

Einsparung garantiert Für Gebäude der öffentlichen Hand ist Contracting ebenso sinnvoll wie attraktiv. In Berlin profitieren bereits das Kulturforum Berlin und das Auswärtige Amt vom maßgeschneiderten Energiesparpaket

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Fotos: Philipp Eder, Ingo Heine Illustration: Julian Rentzsch

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nergie ist das Lebenselixier unserer Wirtschaft. Unser Lebensstil ist ohne eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung – Elektrizität, Heizung, Kraftstoff – nicht denkbar. Noch nie hat die Welt so viel Energie gebraucht: Unser Verbrauch ist heute beinahe doppelt so hoch wie 1980. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, ist eine größere Energiekrise mit Stromausfällen und Engpässen bei der Benzin- und Erdgasversorgung kaum noch zu vermeiden.

enn der deutsche Außenminister in den Büros und Fluren des Auswärtigen Amts neuerdings eine Atmosphäre der Veränderung wahrnimmt, sind dafür nicht zwangsläufig weltpolitische Entwicklungen verantwortlich. Sozusagen hinter den Kulissen seines Dienstsitzes wurden die technischen Kälte-, Heizund Lüftungsanlagen energetisch modernisiert. Die Energiekosten sinken damit um 31 Prozent, und die jährliche CO2-Einsparung liegt bei 20 Prozent. Das Auswärtige Amt beansprucht damit als erstes Ministerium die Dienste

Obenauf: Auf dem Dach des Auswärtigen Amts werden Teile für die neue Lüftungsanlage geliefert

des Kompetenzzentrums Contracting der dena, das die energetische Voruntersuchung und das Ausschreibungsverfahren übernahm. Für Planung, Finanzierung und Realisierung der Maßnahmen ist beim Contracting ein privates Unternehmen zuständig. Die Investitionen refinanzieren sich aus den eingesparten Energiekosten der kommenden Jahre. Der Contractor, in diesem Fall das Münchener Gebäudetechnikunternehmen Caverion Deutschland GmbH, garantiert einen Einsparerfolg. „Gerade für die öffentliche Hand bietet Contracting die Chance, Effizienzmaßnahmen anstatt in Eigenregie mithilfe der Erfahrung und der finanziellen Möglichkeiten eines spezialisierten Dienstleisters umzusetzen“, erklärt dena-Projektleiterin Anne Schenker. Im Auswärtigen Amt wurden mit einer Anlage für solare Lufterwärmung auch erneuerbare Energien integriert. Das Kulturforum Berlin profitiert bereits seit 2006 vom Contracting. In

den im Stadtteil Tiergarten versammelten Museen waren die Anforderungen an Raumlufttechnik und Beleuchtungsanlagen besonders hoch, schließlich werden dort ebenso empfindsame wie wertvolle Kunstwerke präsentiert und gelagert. Ein Energiemonitoring trägt dazu bei, dass die vertraglich zugesicherten Energieeinsparungen von 30 Prozent sogar leicht übertroffen werden. Das entlastet den Haushalt um jährlich120.000 Euro. Klinik- und Justizgebäude, Schulen und Forschungsanstalten sind in der Projektdatenbank der dena bereits zu finden. Anne Schenker: „Das Kompetenzzentrum arbeitet ständig daran, neue Lösungen zu entwickeln, die Anwendung von Energiespar-Contracting zu erleichtern – und es somit als wichtiges Instrument zum Gelingen der Energiewende zu etablieren.“  (sg)

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Weitere Informationen zum Thema Contracting erhalten Sie unter: www.kompetenzzentrum-contracting.de

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projekte

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Ganz schön flott! Wer die Rallye Dakar gewinnt, kennt sich im Motorsport aus. Rennfahrerin Jutta Kleinschmidt liebt es aber, Neues zu entdecken: Für das dena magazin stieg sie in ein Erdgasauto und prüfte, was die alternative Antriebstechnik im Alltagsverkehr bietet Text: Andreas Wollny | Fotos: Frederik Laux

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Startklar: Jutta Kleinschmidt

as macht man sitzt entspannt am Steuer des nach einem Testwagens: Nachtflug über „Mal sehen, was der so alles den Atlantik? draufhat!“ Sich durch die Gepäckausgabe gähnen und ans Bett denken? Kann jeder. Sich auf eine vierstündige Autotestfahrt freuen? Eher nicht. Es sei denn, man heißt Jutta Kleinschmidt. Duschen in der Vielfliegerlounge des Frankfurter Flughafens, doppelter Espresso, Croissant. Fertig. Die Rennfahrerin steht in Jeans und Sweatshirt lässig am Ausgang: „Auf geht‘s! Wo starten wir?“ Auf dem Parkdeck wartet ein Modell, von dem Kleinschmidt nur weiß: Es hat eine Antriebsvariante, die sie bisher noch nicht ausprobiert hat – Erdgas, auch Compressed Natural Testsieger: „erdgas mobil“, eine Initiative deutscher Energieversorger stellte den VW eco up! zur Verfügung Gas (CNG) genannt. Das vierrädrige Blind Date entpuppt sich als VW eco up! – der Verkehrsclub Deutschland hat ihn 2013 zum umweltfreundlichsten Auto gekürt. Die Rallyepilotin muszur person tert den Testsieger: „Mal sehen, was der so alles draufhat.“

Profiblick: Vor der Testfahrt checkt Jutta Kleinschmidt die Einspritzanlage für Erdgas und Benzin unter der Motorhaube

Fotos: Frederik Laux (3), Jutta Kleinschmidt

Jutta Kleinschmidt

Vor dem Start noch der Profiblick unter die Motorhaube. „Das Aggregat sieht aus wie beim konventionellen Auto.“ Nur die doppelte Anzahl der Einspritzeinrichtungen verrate, „dass hier zwei Kraftstoffe zum Einsatz kommen“. Rauf aufs Gaspedal. „Der Dreizylinder gewinnt so behutsam an Tempo wie die meisten anderen Fahrzeuge mit 68 PS“, stellt Kleinschmidt sachlich fest. Auf der Autobahn bringt sie den Kleinen auf eine Höchstgeschwindigkeit von 150 Stundenkilometern. „Wie erwartet bietet dieses Modell weniger Sprinter- denn Sparerqualitäten, davon profitieren die Umwelt und der Geldbeutel des Fahrers. Außerdem ist Erdgas unter allen fossilen Brennstoffen der emissionsärmste – und hocheffizient.“ Als Physikingenieurin weiß Kleinschmidt, wovon sie spricht. Sie hat in der Fahrzeugentwicklung gearbeitet

Die gebürtige Kölnerin, Jahrgang 1962, studierte Allgemeine Physik und arbeitete als Ingenieurin in der Fahrzeug-Entwicklungsabteilung von BMW, bevor sie sich als Rallyefahrerin selbstständig machte. Ihre ersten Rennsport-Erfolge feierte sie mit dem Motorrad und gewann unter anderem 1992 die Damen-Wertung der Rallye Paris-Kapstadt. 2001 errang sie ihren größten Triumph: Als erste und bisher einzige Frau gewann sie die Gesamtwertung der schwersten und längsten Rallye der Welt, Paris-Dakar, im Mitsubishi-Geländewagen. Jutta Kleinschmidt lebt in Florida und in Monaco. dena magazin  #01 2013

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projekte events & termine

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Initiative Erdgasmobilität Kundenorganisationen und namhafte Unternehmen des Energieund Verkehrssektors haben sich in der „Initiative Erdgasmobilität – CNG und Biomethan als Kraftstoffe“ zusammengeschlossen. Sie unterstützen das Ziel der Bundesregierung, den Anteil von Erdgasfahrzeugen von aktuell 0,3 Prozent bis 2020 deutlich zu steigern, um so einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Zu den erforderlichen Maßnahmen, die die Akteure definiert haben, gehören die Erweiterung des Fahrzeugangebots, eine Erhöhung des Biomethananteils im CNG-Treibstoff, der Ausbau des Tankstellennetzes und eine Verlängerung der Energiesteuerermäßigung für Erdgas als Kraftstoff über 2018 hinaus.

Treffpunkt Energiewende 25. und 26.11.13  Berlin

dena-Energieeffizienzkongress November

02.12.13  Berlin

Debüt an der Zapfsäule: Per App hat Jutta Kleinschmidt eine Erdgastankstelle ausfindig gemacht und füllt den VW eco up! mit Compressed Natural Gas (CNG) auf

Zukunftsfähige Strommärkte, Sanierungskonzepte für Immobilienbestände und die Energiewende im Verkehr: Themen wie diese stehen im Mittelpunkt des vierten dena-Energieeffizienzkongresses im berliner congress centrum (bcc).

Diesel erhält man an mehr als 14.000 Stationen, Autogas (LPG) an 6.000. „Da müssen die Anbieter nachlegen“, sagt Kleinschmidt. Immerhin geht die Rechnung an der Zapfsäule auf: Sie tankt den Wagen für schlanke 13 Euro wieder voll. Beim urbanen Testpart in Frankfurt macht der VW den CityFlitzer und lässt sich selbst in kleinste Parklücken lenken – der Durchschnittsverbrauch sinkt sogar noch. „In diesem Umfeld fühlt er sich offenbar am wohlsten“, stellt Kleinschmidt fest. Auf der Rückfahrt zum Flughafen – die Vielbeschäftigte fliegt weiter nach Nizza – gesteht sie: Seit Jahren träume sie davon, bei einer Rallye in einem „grünen“ Auto zu starten, das die Distanzen und Offroad-Schwierigkeiten genauso bewältigen könnte wie ein Benziner oder Diesel. „Erdgas wäre eine echte Alternative. Sollte ein Rennstall diesen unbequemen und langen Weg einschlagen wollen, würde ich das Projekt unterstützen.“ Das wird bestimmt ein Abenteuer.

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Parlamentarischer Abend zu Power to Gas Partner der Stragieplattform Power of Gas und Vertreter aller politischen Fraktionen tauschen sich im Haus der Commerzbank am Pariser Platz aus.

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Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.dena-kongress.de

Frühjahr 2014 International

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Unternehmen aus elf Staaten haben sich 2013 für den mit insgesamt 30.000 Euro dotierten Energy Efficiency Award der dena beworben. Die Gewinner werden am 25. November beim denaKongress bekannt gegeben. Im Frühjahr 2014 beginnt die nächste Bewerbungsrunde

Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.erdgas-mobil.de und unter www.erdgasmobilitaet.info

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Weitere Informationen erhalten Sie unter: www. energyefficiencyaward.de

Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.powertogas.info

03.12.13  Berlin

BiogaspartnerKonferenz der dena Dezember

dena-plattform

November 2013 bis Februar 2014

Teilnehmer aus den Branchen Biogas und Erneuerbare Energien widmen sich gemeinsam mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft den aktuellen Entwicklungen auf dem Biomethanmarkt. Außerdem werden die Sieger des „Wettbewerbs der Biogaspartner“ bekannt gegeben. Ort: Deutsche Bank, Unter den Linden13

Januar

und besitzt heute ein eigenes Unternehmen, das Turbinen zur Stromerzeugung aus Meeres- und Flussströmungen an der Wasseroberfläche konstruiert. Mit dem Tüfteln verhalte es sich ähnlich wie mit ihrer Rennkarriere. „Mich spornen weniger der Nervenkitzel oder die Aussicht auf Geld an, als die Lust, etwas Neues aufzuspüren. Hätte ich vor 500 Jahren gelebt, wäre ich Entdeckerin geworden, so wie Kolumbus.“ Abenteuer liegen ihr. Das gefährlichste überstand sie nur mit Glück: Als sie als Studentin neben dem Rallye-DakarTross mitfuhr, kam sie in der Sahara von der Strecke ab und stieß nach einem Fata-Morgana-Erlebnis auf eine Spur, die sie schließlich aus der Wüste führte. Und das bisher schönste meisterte Kleinschmidt, als sie am 21. Januar 2001 nach mehr als 10.000 Kilometern quer durch Afrika mit einem Vorsprung von 159 Sekunden die Rallye Dakar gewann. Ihr Ziel hat sie auch jetzt klar vor Augen: Die Testpilotin hat die A5 verlassen und kurvt hinauf zur Burg Frankenstein an der Bergstraße bei Darmstadt. „Der Motor spielt einen ruhigen Soundtrack ab und das Auto liegt gut auf der Straße.“ Also ab ins Gelände auf ein paar gewagte Bremsmanöver. Genug davon – der eco up! braucht Treibstoff. Die App von erdgas mobil zeigt in Darmstadt eine der gut 900 Tankstellen an, die es bundesweit gibt. Zum Vergleich: Benzin und

11. bis 13.02.14  Essen

E-world energy & water 10.12.13  Jekaterinenburg

Wenn das Rallye-Gen durchschlägt: Jutta Kleinschmidt treibt den Kleinwagen auf einer kurvigen Strecke zu Höchstleistungen an

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In der Industriestadt am Uralgebirge ist die dena in Kooperationsprojekte involviert und bringt deutsche und russische Experten zusammen. Weitere Energieeinspar- und Effizienzpotenziale in allen Bereichen, von Industrie und Gewerbe, Strom- und Wärmeversorgung bis hin zu Gebäudesanierung und Neubau stehen im Mittelpunkt des Forums.

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Weitere Informationen erhalten Sie unter: www. dena.de/russland

Februar

Fotos: Frederik Laux (2), bcc, Fotolia (2), E-world

5. Deutsch-Russisches Energieeffizienzforum

Die dena ist auch in diesem Jahr als Aussteller auf dem Gemeinschaftsstand „Forum Energiewende“ in Halle 7 vertreten und beteiligt sich mit Vorträgen am Messeprogramm. Seite 32: Stephan Kohler (dena) und Dr. Armin Sandhövel (Allianz Climate Solutions) sprechen über die Kosten der Energiewende

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innovationen

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ie Nachrichten klangen alarmierend: Deutsche Hersteller von Solarmodulen wie Q-Cells und Solon mussten in den letzten Monaten reihenweise Insolvenz anmelden – obwohl der Markt weiter wächst und die Zahl der Photovoltaikanlagen in aller Welt noch immer stark zunimmt. Viele Arbeitsplätze stehen seitdem in Deutschland auf dem Spiel. Der Schuldige an den Problemen der Unternehmen schien schnell ausgemacht: Billigimporte aus China, so argumentierten die Solarmodulproduzenten, hätten die einheimischen Firmen in die Pleite getrieben. Als Reaktion forderten Vertreter des Verbands EU pro Sun von der Europäischen Union, Strafzölle auf die Module „made in China“ zu erheben. Und die EU handelte tatsächlich: Im Juni verhängte sie Strafzölle in Höhe von 11,8 Prozent auf chinesische Solarmodule. Damit schien ein Handelskrieg unvermeidlich – denn die Volksrepublik konterte mit einem Anti-DumpingVerfahren gegen Weine aus der EU. Ende Juli kam dann die Entwarnung: Die beiden Parteien einigten sich auf Mindestpreise und eine Mengenbegrenzung für die importierten Module aus China.

Glänzende Aussichten? Zur einheimischen Solarbranche gehören nicht nur die kriselnden Modulhersteller: Zahlreiche deutsche Unternehmen sind mit ihren Produkten auf den Weltmärkten sehr erfolgreich – und darum vehement gegen Handelsbarrieren zwischen China und der Europäischen Union. Die Einigung im Solarstreit sorgt für Aufatmen Text: Christian Buck

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Fotos: Bernard van Dierendonck/LOOK-foto, Wilhelm Stallmeister/Wacker Chemie

Bergkristall: Die mit einer Photovoltaikanlage ausgestattete Neue Monte-Rosa-Hütte in den Walliser Alpen gilt über die Schweiz hinaus als Symbol nachhaltiger Energienutzung in hochalpinem Gelände

Strafzölle wären ein Bumerang. Allerdings waren die Strafzölle vor allem in Deutschland von Anfang an umstritten – denn die deutsche Solarbranche besteht aus weit mehr Unternehmen als den kriselnden Modulherstellern. Sie liefern entlang der komplexen Produktionskette zahlreiche Rohmaterialien, Komponenten und Maschinen, die auch für ausländische Produzenten unverzichtbar sind. So wird beispielsweise ein Großteil der chinesischen Solarmodule mit Maschinen und Anlagen aus Deutschland hergestellt. Strafzölle auf chinesische Ware hätten darum wie ein Bumerang auch deutsche Unternehmen getroffen. Entsprechend groß war die Erleichterung, als die Einigung bekannt wurde: „Im Solarstreit zwischen der Europäischen

silizium

Rohstoff in Hülle und Fülle Für die Produktion von Solarmodulen wird Silizium benötigt. Es ist das zweithäufigste chemische Element in der Erdkruste – nach Sauerstoff. Auch das Aluminium für die Modulrahmen ist ausreichend vorhanden

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Prozent der Erdkruste bestehen aus Silizium – ein Glücksfall für die Elektronik- und Photovoltaikindustrie Weltproduktion von Polysilizium Weltproduktion von Polysilizium in Tausend Tonnen in Tausend Tonnen 2012 2012 2011 2011 2010 2010

235.000 235.000 255.000 255.000 209.000 209.000

Union und China ist jetzt ein Kompromiss gefunden“, kommentierte Rudolf Staudigl, Vorstandsvorsitzender der Wacker Chemie AG in München. „Sollte diese Lösung so zustande kommen, dann könnte das der Startschuss sein für einen weiteren weltweiten Aufschwung der Photovoltaik.“ Staudigls Unternehmen zeigt, wie sehr deutsche Hersteller vom Export auf die Weltmärkte abhängig sind: Wacker gehört mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent zu den größten Produzenten von hochreinem Polysilizium, dem wichtigsten Rohstoff für die Herstellung von Solarzellen. Und seine Kunden sitzen zum größten Teil außerhalb von Deutschland und Europa – vor allem in Asien und dort insbesondere in China. Wer den chinesischen Herstellern schadet, trifft darum auch den Münchener Chemiekonzern und seine 2.100 Mitarbeiter im Bereich Polysilizium. Markt statt Handelsbarrieren. Einen ebenso unscheinbaren wie unverzichtbaren Beitrag zur Modulherstellung leistet auch die Heraeus Precious

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Silizium ist das 14. Element im Periodensystem und ein Halbmetall

Metals GmbH & Co. KG in Hanau. Das Unternehmen produziert unter anderem Silberpasten, mit denen im Siebdruckverfahren die elektrischen Kontakte auf die Solarzellen aufgebracht werden – und die einen Weltmarktanteil von mehr als 35 Prozent haben. Sie sind speziell an die Anforderungen der Photovoltaik angepasst und tragen zu einem möglichst hohen Wirkungsgrad der Zellen bei. Auch Heraeus Precious Metals liefert vor allem in die schnell wachsenden Märkte Asiens und ist darum gegen Strafzölle: „Wir lehnen das als Eingriff in den freien Wettbewerb ab“, sagt Jörg Eckert, Global Sales Manager der Geschäftseinheit Photovoltaics. „Unser Unternehmen hat kein Interesse an Handelsbarrieren – aus unserer Sicht sollte der Markt sich selbst regulieren.“ Die Kasseler SMA Solar Technology AG hängt ebenfalls stark vom Export ab. Der Hersteller von Wechselrichtern für Solarmodule macht rund zwei Drittel seiner Umsätze im Ausland, und auch dort hält man nichts von Strafzöllen auf chinesische Produkte. „Als führender Hersteller von Solarwechselrichtern begrüßen wir es, dass eine Einigung zwischen der EU und China erzielt wurde“, erklärt Vorstandssprecher Pierre-Pascal Urbon. „Denn die lange Unsicherheit bezüglich möglicher AntiDumping-Zölle hat zur Verschiebung vieler Photovoltaikprojekte in Europa geführt.“

Seite 16: Professor Shi Dinghuan, Präsident der Chinesischen Gesellschaft für Erneuerbare Energien, über die Energiezukunft des Landes

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innovationen

innovationen

Vom Quarzgestein zum Solarmodul – und oft mit Hilfe deutscher Spitzentechnik

Reines Polysilizium

Wafer

Zelle

Modul

Solaranlage

Installation

Das metallurgische Silizium wird weiterbearbeitet, bis sein Reinheitsgrad bei 99,9999999 Prozent liegt. Das ist die Voraussetzung für fehlerfreie Solarzellen. Dieses ultrareine Polysilizium ist der wichtigste Rohstoff für die Herstellung von Solarzellen.

Das Polysilizium wird entweder eingeschmolzen und in Blöcke gegossen oder aber zu zylinderförmigen Einkristallen verarbeitet. Im nächsten Schritt wird das reine Silizium in dünne Scheiben gesägt – aus diesen „Wafern“ entstehen später die Solarzellen.

Die Wafer werden mit Phosphorgas bedampft. Dadurch entsteht an ihrer Oberfläche eine Schicht, die aus der Siliziumscheibe eine Solarzelle macht. Die elektrischen Kontakte werden dann per Siebdruckverfahren an der Oberund Unterseite der Zelle angebracht.

Module enthalten üblicherweise rund 60 Solarzellen. Sie sind wie ein Sandwich aufgebaut; zu den Schichten gehören eine Glasscheibe, eine Folie aus Ethylenvinylacetat (EVA), die die die Zellen aufnimmt, und eine Folie aus Polyvinylfluorid (Tedlar).

Die Solaranlage besteht aus dem Modul, Befestigungselementen, Kabeln, Steckverbindern, dem Wechselrichter – hierbei hat die deutsche SMA einen Weltmarktanteil von 23 Prozent – und immer öfter auch aus einer Batterie, die die Energie zwischenspeichert.

Vor ihrem Einsatz müssen die Solarmodule auf den Dächern installiert, mit anderen Komponenten wie Umrichtern und Batterien verbunden und gegebenenfalls ans Stromnetz angeschlossen werden. Das ist die Aufgabe der rund 34.000 Installationsbetriebe in Deutschland.

Führende Führende Unternehmen Unternehmen Führende Führende Unternehmen Unternehmen (Deutschland) (Deutschland) Führende (Deutschland) (Deutschland) Führende Unternehmen Führende Unternehmen (Deutschland) (Deutschland) Unternehmen (Deutschland) (Deutschland) in in der Siliziumproduktion Siliziumproduktion in der in der Waferproduktion Waferproduktion in der der Siliziumproduktion inder der Waferproduktion in Waferproduktion (2010 (2010 in in Tonnen) in Megawatt in Megawatt 2012 2012 (2010 in Tonnen) Tonnen) inMegawatt Megawatt 2012 in 2012

Solartechnik made in Germany

200

Unternehmen produzieren in Deutschland Silizium, Wafer, Zellen, Module sowie weitere Komponenten für Photovoltaikanlagen

Aluminiumrahmen

Dichtung

Bosch Bosch Bosch Solar Solar Solar Energy Energy Energy AGAG Bosch Solar Energy AGAG

460 460 460 Solarworld Solarworld Solarworld Solarworld AGAG 460 AGAG

500 500 500SMA SMA SMA SMA Solar Solar Solar Technology Technology Technology AGAG 7.200 7.200 7.200 500 Solar Technology AG AG 7.200

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Solarworld AGAG Solarworld Solarworld Solarworld AGAG

Solar AGAG 300 300 300 Aleo Aleo Aleo Solar Solar 300 Aleo Solar AGAG

269 269 269 269

KACO New Energy GmbH 1.200 KACO KACO New New Energy Energy GmbH GmbH 1.200 1.200 KACO New Energy GmbH 1.200

120 120 120 120

Azur Space Solar GmbH Azur Azur Space Space Solar Solar GmbH GmbH Azur Space Solar GmbH

170 Solar Energy AGAG 170 170 Bosch Bosch Bosch Solar Solar Energy Energy 170 Bosch Solar Energy AGAG

140 140 140 140

REFUsol GmbH REFUsol REFUsol GmbH GmbH REFUsol GmbH

Neu Neuinstallierte installierteSolaranlagen Solaranlagen Solaranlagen Neu installierte inin inMWp MWp (2012) (2012) in in MWp MWp MWp (2012)

13

Gesamte installierte Gesamte installierte Photovoltaikleistung Photovoltaik-Leistung

Mit Miteinem einemZubau Zubauvon vonrund rund7,6 7,6Gigawatt Gigawattbleibt bleibtDeutschland Deutschlandanander derSpitze Spitze

6.000 6.000

Ende 2012 gab es in Deutschland rund 1,3 Millionen Photovoltaikanlagen mit einer Nennleistung von 32 Gigawatt 35.000 Alle Angaben in MWp Neu installiert 2012 30.000 Insgesamt installiert Ende 2011 25.000

4.000 4.000

20.000

2.000 2.000

15.000

8.000 8.000 Deutschland Deutschland 7.604 7.604

Milliarden Euro setzten die Photovoltaikhersteller, der Maschinenbau und das Handwerk 2012 in Deutschland um

1.000 1.000 1.000 1.000

Strompr Energien

10.000 5.000

China China 5.000 5.000

Glas EVA

So ns tig e

Silicon GmbH 500 500 500 PVC PVC PVC Silicon Silicon GmbH GmbH 500 PVC Silicon GmbH

Schmid Silicon Technology GmbH AG 100 100 100 Solarworld Solarworld AG Schmid Silicon Technology GmbH GmbH Solarworld Schmid Silicon Technology GmbH 100 Solarworld AGAG

750 750 750 750

Be lg ie n

35.000 35.000 35.000 Bosch Bosch Bosch Bosch Solar Solar Solar Energy Energy Energy AG AGAG 35.000 Solar Energy AG

Führende Führende Unternehmen Unternehmen Führende Führende Unternehmen Unternehmen Führende Führende Unternehmen Unternehmen (Deutschland) (Deutschland)Führende (Deutschland) (Deutschland) (Deutschland) (Deutschland) Führende Unternehmen Führende Unternehmen Führende Unternehmen (Deutschland) (Deutschland) (Deutschland) Unternehmen Führende Unternehmen Führende Unternehmen (Deutschland) (Deutschland) (Deutschland) der in Solarzellenproduktion der Solarzellenproduktion Solarzellenproduktion der inModuleproduktion der Moduleproduktion Moduleproduktion in in der Wechselrichterproduktion Wechselrichterproduktion in der Solarzellenproduktion in der Moduleproduktion in der der Wechselrichterproduktion inin der in in der in der Wechselrichterproduktion Megawatt in Megawatt 2012 2012 in Megawatt 2012 2012 in in Megawatt 2012 2012 in Megawatt 2012 in Megawatt Megawatt 2012 in Megawatt Megawatt 2012 inin Megawatt 2012 in in Megawatt 2012 in Megawatt 2012

Sp an ie n Fr an kr ei ch

Wacker Wacker Wacker Chemie Chemie Chemie AG AGAG JSS GmbH GmbH JSSJSS GmbH

Die Produktion von Solaranlagen ist ein komplexer Prozess – von der Reinigung des Rohmaterials bis zum Aufbau der kompletten Anlage. Zahlreiche Unternehmen aus aller Welt liefern dafür Rohmaterialien, Komponenten und Maschinen. Viele Technologie- und Marktführer stammen aus Deutschland. 2012 beschäftigte die Photovoltaik­ branche hierzulande etwa 100.000 Menschen.

Batterie

Ja pa n

Aus Quarzgestein entsteht im Hochofen Silizium mit einem Reinheitsgrad von 98 bis 99 Prozent. Dieser Schritt findet vor allem in Ländern statt, in denen der Strompreis niedrig ist (China, Kanada, Norwegen, Brasilien). In Deutschland gibt es keine nennenswerte Produktion.

Solaranlage Umrichter

US A

Metallurgisches Silizium

Wafer

Ch in a

Die deutschen Hersteller von Maschinen und Anlagen für die Photovoltaik haben einen Weltmarktanteil von über 50 Prozent. Mehr als 90 Prozent ihres Geschäftes tätigen sie im Ausland, vor allem in Asien (76 Prozent) – wenn dort die Photovoltaikbranche boomt, profitieren also auch Unternehmen in Deutschland. Allerdings leiden sie derzeit unter den weltweiten Überkapazitäten bei den Zell- und Modulherstellern sowie den wechselnden Rahmenbedingungen und den Handelskonflikten im Solarbereich.

Silizium Stäbe

Ita lie n

Maschinen- & Anlagenbau

Quarzgestein

De ut sc hl an d

Der Prozess der Herstellung

Sonstige Sonstige Italien Italien 3.438 3.438

Zellen

USA USA Japan Japan

3.346 3.346

Vereinigtes Vereinigtes Frankreich Frankreich Königreich Königreich

Griechenland Griechenland Australien Australien

912 912 2.000 2.000

1.079 1.079

1.000 1.000

5.192 5.192

925 925

Staatliche Staatliche Förderung Förderung der der Photovoltaik Photovoltaik in in Deutschland Deutschland in in Prozent Prozent (2011) (2011)

Tedlar-Folie 30

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Grafik: KircherBurkhardt Infografik

Der Schwerpunkt Schwerpunkt der der Förderung Förderung liegt liegt auf auf neuen neuen Technologien Technologien für für effizientere effizientere Solarzellen Solarzellen Der

Silizium-Wafertechnologie Silizium-Wafertechnologie Forschung und Entwicklung: Deutschland hat die weltweit höchste Dichte an Einrichtungen, die Forschung im Bereich Photovoltaik betreiben – etwa das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, das Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW)

Silizium-Dünnfilmtechnologien Silizium-Dünnfilmtechnologien CIS-Dünnfilmtechnologien CIS-Dünnfilmtechnologien Photovoltaik Photovoltaik mit mit Konzentratoren Konzentratoren SystemSystem- und und Netzintegration Netzintegration Technologieübergreifend Technologieübergreifend Sonstige Sonstige

20 20 15 15 15 15 12 12 4 4 1 1 dena magazin  #01 2013

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innovationen

innovationen

Im Windlabor

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Windenergie länger nutzen

Die Luft im Norden Brandenburgs steckt voller Energie – zu viel Energie. Um den überschüssigen Strom der Windkraftanlagen zu nutzen, investierte der Energiekonzern E.ON in eine Power to Gas-Anlage in Falkenhagen. Ein Ortsbesuch

Falkenhagen

DEUTSCHLAND

F

Power to Gas, deutsch „Strom zu Gas“, könnte einer der Mosaiksteine der Energiewende sein. Denn wenn dies flächendeckend gelingt, wären Ener-

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Die Speicheranlage in Falkenhagen soll aus zirka zwei Megawatt Windkraft mittels Elektrolyse bis zu 360 Normkubikmeter Wasserstoff pro Stunde erzeugen. Diese Wasserstoffmenge wiederum entspricht einer Energiemenge von 1.285 Kilowattstunden. Zum Vergleich: Der statistische Musterhaushalt verbraucht 3.473,86 kWh Strom pro Jahr.

Erzeugung Energie Wasser

Elektrolyse Wasser

(zu Sauer-/Wasserstoff)

Windenergie

Stromübergabe Elektrolysen

1

gieerzeugung und -verbrauch stärker entkoppelt. Power to Gas umschreibt ein Verfahren zur Umwandlung von überschüssiger, regenerativer Energie aus Wind und Sonne in speicherbare chemische Energie in Gasform: Wasserstoff. Der erste Vorteil: Diese kann bedarfsgerecht bereitgestellt werden, auch wenn sich die Windräder nicht drehen oder keine Sonne scheint. Der zweite Vorteil liegt in der Verteilung: Da ein Großteil des Erdgases aus entlegenen Gegenden dieser Welt importiert wird und saisonale sowie tägliche Nachfrageschwankungen permanent ausgeglichen werden müssen, ist schon heute eine Infrastruktur für die Spei-

Sichtlich Freude am Pilotprojekt in Falkenhagen: René Schoof, Projekt- und Betriebsleiter bei E.ON

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Heute kann dem Erdgas im Netz ein Wasserstoffgehalt im einstelligen Prozentbereich beigefügt werden, wenn technische Restriktionen nachgelagerter Anlagen wie Erdgastankstellen oder Erdgasspeicher eingehalten und beachtet werden.

(z.B. durch Windkraft)

Transport Wasserstoff (im Erdgasnetz)

Verbrauch Wasserstoff

(z.B. als Wärmeenergie)

Wasserstoff

Pipelineanbindung

Verdichter

2

Messtechnik und Automation Niederspannungsversorgung

cherung und den Transport von Gas vorhanden. Und auf dieses Netzwerk aus Pipelines, ober- und unterirdischen Erdgasspeichern greift die Power to Gas-Technologie zurück. Der dritte Vorteil: Das regenerative Gas kann nicht nur zur Stromerzeugung genutzt werden, sondern auch zur Wärmeversorgung, als Kraftstoff im Verkehrssektor oder für die Industrie. In den sechs weißen Containern mit E.ON-Schriftzug in Falkenhagen wird aus dem Strom der umliegenden Windräder mittels Alkali-Elektrolyse Wasserstoff (H2) hergestellt. Dieser wird in das Erdgasnetz eingespeist und so dosiert, dass sein Anteil maximal zwei Prozent beträgt. Zwar ist die Herstellung von H2 eine gut erprobte Technologie, ein Labor für die Energiewende ist Falkenhagen aber trotzdem. Denn zum einen müssen noch wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen entwickelt und technische Regelwerke

angepasst werden. „Sind wir Energieendverbraucher? Wasserstoffproduzent? Ein Speicher?“, bringt René Schoof die Problematik auf den Punkt. Zum anderen stehen er und sein Team vor ganz praktischen Herausforderungen: Wie verhält sich die Technik im Alltag? Wie muss man die aus Essen ferngesteuerte Anlage fahren, um die Produktionsmenge von Wasserstoff auf das Gasnetz abzustimmen? Foto: Pablo Castagnola Grafik: KircherBurkhardt Infografik

ünf Millionen Euro in die Einöde Nordbrandenburgs zu investieren, in einem Industriegebiet zwischen Falkenhagen und einem Örtchen namens Kuckuk – dafür muss man ganz schön mutig sein! Der Energieversorger E.ON hat es sich getraut. „Und das mit voller Absicht, denn der Standort ist ideal für eine Power to Gas-Anlage“, erklärt René Schoof, Projekt- und Betriebsleiter bei E.ON. Und er ergänzt den wichtigsten Grund: „In dieser Region weht fast immer Wind.“ Dann zeigt der 38-Jährige, der das Projekt seit Februar 2012 betreut und nicht mehr genau beziffern kann, wie oft er aus der Konzernzentrale hierhergefahren ist, auf eines der Windräder in der Nähe. „Wie leiten wir deren Energie zum richtigen Zeitpunkt an den Ort, wo sie auch gebraucht wird?“, beschreibt der Energiefachmann das Problem.

Einspeisung ins Erdgasnetz

pilotanlage falkenhagen

Erdgasexperten bewegen noch zusätzliche Fragen: Wie viel Prozent H2 darf man dem Gasnetz eigentlich zusetzen? Denn es gibt auch die Möglichkeit, aus Wasserstoff und CO2 Synthetisches Erdgas (SNG) herzustellen. Und das könnte man jederzeit vollständig in das Erdgasnetz einspeisen. Diese sogenannte Methanisierung testet zurzeit der Automobilhersteller Audi in einer Pilotanlage im Emsland. In der Audi e-gas-Anlage wird aus Wasserstoff und

1

Wie funktioniert die Wasserelektrolyse? Mithilfe des von Windrädern erzeugten Stroms wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Der gasförmige Wasserstoff wird anschließend in das Erdgasnetz eingespeist und somit gespeichert. Der Sauerstoff wird in die Umgebung abgegeben. Sauerstoff O O

Sauerstoff O O

Wasserstoff H H

Wasserstoff H H

MinusPluspol H H pol O Wasser

dem Kohlendioxid aus einer Biogasanlage, das sonst die Atmosphäre belasten würde, Bioerdgas. Und diesen klimaneutralen Kraftstoff kann auch das erste Erdgasauto der VW-Tochter tanken, der Audi A3 Sportback TCNG. „Die Power to Gas-Technologie eröffnet neue Möglichkeiten für eine nachhaltige Mobilität und die Energiewirtschaft der Zukunft. Mit dem e-gas-Projekt bringen wir die Energiewende ins Automobil“, erklärt Reiner Mangold, Leiter nachhaltige Produktentwicklung bei Audi, das Engagement. Mit dem sogenannten Audi e-gas aus dem Emsland können künftig pro Jahr 1.500 Audi A3 TCNG jeweils 15.000 Kilometer CO2-neutral fahren. Genug Kraftstoff, um 40.106 Mal die Strecke von Falkenhagen zur E.ON-Zentrale nach Düsseldorf zurückzulegen.  (ssr)

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Seite 24 Ein Erdgasauto im Stresstest: Rallyelegende Jutta Kleinschmidt testet den VW eco up!

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extro

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Traumziel Horrorfilm

S

ie redet in Bildern, die ihr sekundenschnell durch den Kopf schießen: „Kreativität ist kein Mantel, den man anund ausziehen kann“, sagt Anna Thalbach, „sie ist angeboren.“ Klingt plausibel, wenn man aus einer Theaterfamilie stammt, aber wird eine künstlerische Begabung da nicht geradezu erwartet? Die 40-Jährige zupft die Strickmütze zurecht, die die gleiche leuchtend blaue Farbe hat wie ihre Augen. „Ja, klar.“ Sie zögert. Dann das raue Thalbach-Lachen. „Aber meine Familie hätte es bestimmt auch spannend gefunden, wenn ich Astrophysikerin geworden wäre.“ Ist sie aber nicht. Stattdessen hat sie schon in jungen Jahren mit ihrem Großvater, dem Regisseur Benno Besson gearbeitet und an der Seite ihrer Mutter Katharina Thalbach gespielt. „Jeder Funke wurde durch mein Umfeld direkt zum Brennen gebracht“, fällt ihr wieder eine Metapher ein. Das setzt sich offenbar fort: Ihre 18-jährige Tochter Nellie möchte Regisseurin werden.

Anna Thalbach ruht sich nicht auf ihren Erfolgen aus. Sie setzt die Traditionen einer Schauspielerfamilie fort – und sucht ständig nach neuen Ausdrucksformen

Fotos: Oliver Mark/Agentur Focus, Wolfgang Stahr/laif

Kreative Energie: Wenn sie auf Inspiration und Begabung trifft, entstehen großartige Dinge. Das dena magazin stellt Menschen vor, die aus dem Vollen schöpfen

Berlin ist und bleibt die Heimat von Anna Thalbach. „Ich könnte nirgendwo anders leben.“ Was sie inspiriert? „Schöne Ausstellungen, tolle Bücher und spannende Filme. Ich gucke sehr gern Horrorfilme, weil man sich dabei so schön gruseln kann“, verrät sie. „Ein richtig guter deutscher Horrorfilm, das fehlt noch.“ Da würde sie mitspielen. Überschüssige Energie kennt sie als Multitalent ebenso wenig wie Ideenmangel. „Ich lebe das ja alles aus.“ Sie malt – und hat alle ihre „Schriftbilder“ verkauft, wie sie stolz erzählt. „Als Porträtzeichnerin sollte man mich nicht buchen, aber als Malerin habe ich meinen Stil gefunden.“ Außerdem möchte sie noch einen Roman schreiben – „das mache ich, wenn mir nur noch OmaRollen angeboten werden.“

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Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.digitahlbach.de

zur person

Anna Thalbach

Die Berlinerin (links, mit ihrer Mutter Katharina Thalbach), Jahrgang 1973, stand schon als Kind auf der Bühne und ist eine gefragte Theaterschauspielerin. Für ihre ebenfalls zahlreichen Film- und Fernsehauftritte wurde sie unter anderem mit dem Max Ophüls Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Anfang 2014 tritt Anna Thalbach im Theater am Kurfürstendamm in Berlin erstmals gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Tochter Nellie auf, in dem Stück „Roter Hahn im Biberpelz“.

Vorerst kann man sie als Vorleserin engagieren, sogar privat, „was sich aber noch nicht viele getraut haben“, sagt die preisgekrönte Hörbuchsprecherin. Anstrengend findet sie die kreative Arbeit kaum – „küssen macht ja auch nicht müde.“ Und wenn sie mal neue Kraft tanken möchte, heißt das bei ihr: „Ich mache einen Schlaftag und träume.“ Sich auf verschiedenen Ebenen mit Sprache zu beschäftigen, ist für sie von substanzieller Bedeutung. „Wir leben in einer Epoche der Verpackung. Alles ist wunderhübsch verpackt, aber entweder ist gar nichts drin, oder der Inhalt ist schnell kaputt oder aufgebraucht.“ Dagegen geht es ihr als Künstlerin darum, Höhen und Tiefen des Lebens immer wieder neu auszuloten: „Liebe, Trauer, Konflikte, Kreativität – alle großen Gefühle senden Energie aus“, sagt Anna Thalbach, „wir haben nur noch keine Messgeräte dafür erfunden.“ (mb) dena magazin  #01 2013

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extro dena.de

Kompetenz im Netz

Alle Informationen zu Themen, Zielen und Projekten der dena stehen auch online zur Verfügung. Dazu zählen Marktanalysen, Expertendatenbanken, internetbasierte Plattformen und Verbraucherinformationen rund um Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Eine Auswahl

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QR-Code: Mit dem Smartphone abfotografieren und per App oder Reader herunterladen – so führt der Quick-Response-Code direkt auf eine Website zum betreffenden Thema

Neulich beim Friseur Unser Held des Alltags: Die Filmkampagne zum Pkw-Label hat ein unverwechselbares Gesicht

Architekten, Bauingenieure und Handwerker, die sich mit energieeffizientem Bauen und Sanieren auskennen, finden Sie hier:

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Stromsparcheck Energiesparen leicht gemacht

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„Welches Land produziert am wenigsten CO2 pro Kopf?“ Die Antwort gibt es in einer aufschlussreichen Sammlung von Energiedaten aus aller Welt

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impressum

Daten unter: www.effiziente-energiesysteme.de/ energiedatenscout

Regionale Experten unter www.energie-effizienz-experten.de

Interaktive Karte zu Power to Gas Alle Informationen zu den Pilot- und Demonstrations­anlagen in Deutschland, Technologien und Betreibern

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Check unter: www.powertogas. info/projektkarte

Herausgeber: Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), Kommunikation, Chausseestraße 128 a, 10115 Berlin, Tel: +49 (0)30 72 61 65-600, Fax: +49 (0)30 72 61 65-699 Redaktion: Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), Stella Matsoukas, Erscheinungsintervall: 2 x jährlich, Abonnement: presse@dena.de Produktion: KircherBurkhardt GmbH, Heiligegeistkirchplatz 1, 10178 Berlin, www.kircher-burkhardt.com Art Direction: Anja Höfner, Jens Grabowski, Bildredaktion: Tana Budde Redaktion: Mechthild Bausch, Christian Buck, Steffen Görsdorf, Martin Gutheil, Tina Henze, Dr. Anton Notz, Sven Schulte-Rummel, Harald Schultz, Andreas Wollny, Xifan Yang, Projektmanagement: Marta Marasz, Annika Tietke Druck: ABT Print und Medien GmbH, Weinheim, Stand: 11/13. Alle Rechte sind vorbehalten. Die Nutzung steht unter dem Zustimmungsvorbehalt der dena. Ihre Meinung ist uns wichtig. Wir freuen uns über Anregungen, Lob und Kritik unter: presse@dena.de

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Fotos: dena (2), Fotolia Grafik: KircherBurkhardt Infografik

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Qualifizierte Beratung

Videos unter: www.pkw-label.de/ infothek/videos.html


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