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1 Eine erste Übersicht über die Wirtschaft

Im vorliegenden Kapitel erhalten Sie einen Überblick über einige wirtschaftliche Grundbegriffe. Mit diesem Wissen bzw. diesen Fähigkeiten wird Ihnen der Einstieg in Ihren Berufs- und Lehralltag erleichtert. Sie erfahren, wie Betriebe oder Unternehmungen gegliedert werden können, und sind anschliessend in der Lage, Unternehmungen im Allgemeinen und Ihren eigenen Lehrbetrieb im Speziellen besser in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen.

1 Vielfältige wirtschaftliche Aktivitäten

Aus der Vogelperspektive betrachtet, bietet der Wirtschaftsraum Schweiz ein faszinierendes Bild: Etwa 5,1 Mio. Beschäftigte arbeiten in mehr als 600 000 Unternehmungen1). Viele dieser Wirtschaftsteilnehmer arbeiten täglich Hand in Hand. Rohstoffe und Fertigprodukte werden durch Transportunternehmungen auf der Schiene oder Strasse, in der Luft oder eventuell auf dem Schiffsweg vom Lieferanten zum Kunden geliefert. Innerhalb einer einzelnen Unternehmung arbeiten viele Angestellte in unterschiedlichen Abteilungen zusammen und ergänzen sich in ihren Arbeitsbereichen je nach Position, Ausbildung und Fertigkeiten. Die Güter- und Personenströme machen nicht an der Grenze Halt: Rohstoffe werden aus dem Ausland eingeführt, Fertigprodukte und Dienstleistungen in alle Welt verkauft, Touristen besuchen die Schweiz als Ferienland, und Schweizerinnen und Schweizer verbringen ihre Ferien häufig im Ausland.

Näher hingezoomt wird ersichtlich, dass zwischen den Wirtschaftsteilnehmern ein Wettbewerb stattfindet und dass keinesfalls vollkommene Harmonie besteht. Auf dem Mobilfunkmarkt bieten beispielsweise Swisscom, Sunrise und Salt fast identische Produkte an. Die Unternehmungen versuchen sich deshalb durch ihre Werbung voneinander abzuheben, um für sich selbst so viele Kunden wie möglich zu gewinnen. Unternehmungen, die nicht erfolgreich arbeiten, scheiden aus dem Wirtschaftsprozess aus. Die Angestellten verlieren ihre Arbeitsplätze, Eigentümer und weitere Kapitalgeber ihr investiertes Kapital. Auf der Suche nach einer neuen Stelle konkurrenzieren sich auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenseitig: Für eine neu ausgeschriebene Stelle in einer Unternehmung bewerben sich vielleicht 50 bis 100 Personen gleichzeitig. Die Wirtschaftsteilnehmer entscheiden sich in den meisten Fällen aufgrund des Preises für das eine oder andere Produkt. Eine Unternehmung bezieht ihre Rohstoffe konsequent beim günstigsten Lieferanten. Ein anderes Mal ist vielleicht die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung ausschlaggebend. Ein Arbeitgeber entscheidet sich aufgrund von Ausbildung, Erfahrung und Fachwissen, Leistungsbereitschaft, Team- und Kommunikationsfähigkeit für eine bestimmte Angestellte. Die vielen wirtschaftlichen Aktivitäten erfordern somit von allen Beteiligten eine Vielzahl von Entscheidungen.

1) «Unternehmungen» werden auch als «Betriebe», oder

2 Unternehmungen orientieren sich an Bedürfnissen

Unsere Bedürfnisse gelten als Ausgangspunkt des wirtschaftlichen Handelns. Unter einem Bedürfnis verstehen wir das Empfinden eines Mangels und den damit verbundenen Wunsch, diesen Mangel zu beheben. Wir haben Durst oder Hunger (d. h. einen Mangel an Flüssigkeit und Nahrung) und möchten deshalb etwas trinken oder essen (d. h. den Mangel beseitigen). Wenn jemand einen Mangel empfindet und über genügend Geldmittel verfügt, erwirbt er oder sie sich ein bestimmtes Produkt oder stellt das gewünschte Gut selber her.

■ Gliederung der Bedürfnisse

Unterscheidung der Bedürfnisse nach der Dringlichkeit dem Bedürfnisträger dem Gegenstand

Existenzbedürfnisse

Wahlbedürfnisse

Grundbedürfnisse

Luxusbedürfnisse

Ind ividualbedürfnisse

Kollektivbedürfnisse materielle Bedürfnisse immaterielle Bedürfnisse

Mit den Existenzbedürfnissen werden die absolut lebensnotwendigen Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung und Unterkunft befriedigt. Sie sind in den ärmsten Ländern dieser Welt auch heute noch von zentraler Bedeutung.

In den reichen, hoch entwickelten Volkswirtschaften sind die lebensnotwendigen Bedürfnisse weitgehend befriedigt. Hier haben die Menschen die Wahl, welche weiteren Bedürfnisse befriedigt werden sollen; entsprechend spricht man von Wahlbedürfnissen. Die Grundbedürfnisse umfassen dabei diejenigen Bedürfnisse, die sich aus dem allgemeinen sozialen und gesellschaftlichen Lebensstandard ergeben. Dies können beispielsweise Wohnungseinrichtungen, Haushaltgegenstände, kulturelle Freizeitbedürfnisse wie Kino, Konzerte oder Theateraufführungen sein.

Hinweis für Lehrpersonen

▼ PPT-Folie/Tafelbild: Folie 2

Unbegrenzte Bedürfnisse

Unbegrenzte Bedürfnisse

Unterscheidung nach …

Dringlichkeit

Existenzbedürfnisse

Wahlbedürfnisse - Grundbedürfnisse - Luxusbedürfnisse

Bedürrfnisträger

Individualbedürfnisse

Kollektivbedürfnisse

Gegenstand

Materielle Bedürfnisse

Immaterielle Bedürfnisse

Luxusbedürfnisse (z. B. ein Luxus- oder ein Zweitauto, teuren Schmuck oder eine Zweitwohnung) können sich nur Leute in gehobenen Einkommensklassen leisten. Die einzelnen Bedürfniskategorien sind nicht fix definiert. Die Zuordnung zu Grund- oder Luxusbedürfnissen ist fliessend und von den Wertvorstellungen der Gesellschaft einer bestimmten Epoche abhängig. Was für Ihre Grosseltern noch ein Luxusbedürfnis war, z. B. ein Geschirrspüler, gehört heute zur Standardausstattung einer gut ausgestatteten Mietwohnung und widerspiegelt damit ein Grundbedürfnis vieler Wohnungsmieter.

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit ist jene zwischen Individual- und Kollektivbedürfnis. Der Entscheid für den Kauf eines iPods geht von einer individuellen Person aus –wir sprechen deshalb von einem Individualbedürfnis. Im Gegensatz dazu können Kollektivbedürfnisse nur von mehreren Menschen zusammen (im Kollektiv) befriedigt werden. Grossprojekte wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Neue Eisenbahn-Alpen-Transversale (NEAT), ein zweiter Autobahntunnel durch den Gotthard, aber auch die gesamte Landesverteidigung können praktisch nur durch den Staat realisiert werden.

Schliesslich können wir die Bedürfnisse danach unterscheiden, ob sie auf Gegenstände abzielen, die man anfassen kann ( materielle Bedürfnisse), oder solche, die im religiösen, emotionalen oder geistigen Bereich befriedigt werden ( immaterielle Bedürfnisse). Beispiele für immaterielle Bedürfnisse sind das Verlangen nach Macht, Ansehen, Geborgenheit oder Gerechtigkeit.

■ Bedürfnisse ohne Ende

Auch in wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern, in denen man vermuten würde, es seien sämtliche Bedürfnisse aller Menschen erfüllt, tauchen immer wieder neue Bedürfnisse auf: Obwohl die Menschen in den hoch entwickelten Industriestaaten nicht (mehr) an Hunger leiden, gibt es immer wieder neue Nahrungsmittel, die einfacher oder schneller zubereitet werden können. Auch das Grundbedürfnis nach Kleidung ist in diesen Gesellschaften für die meisten Menschen vollständig abgedeckt. Trotzdem bieten Kleidergeschäfte Saison für Saison mit viel Erfolg neue Kleidungsstücke an, die von der Kundschaft auch gekauft werden, während noch gute, funktionsfähige Kleider über Kleidersammlungen karitativer Organisationen entsorgt werden (ein weiterer Hinweis dafür, dass der Übergang von Existenz- zu Grund- und Luxusbedürfnissen stark zeit- und gesellschaftsabhängig ist).

Der Rolls-Royce Boat Tail ist eine Luxusyacht für die Strasse, was er sowohl mit seinem Namen als auch seinem exorbitanten Preis von 23 Millionen Euro kundtut. Damit ist er momentan das teuerste «Serienfahrzeug» der Welt.

■ Die Bedürfnisse nach Maslow

Unabhängig von der eben vorgestellten Gliederung der Bedürfnisse nach ihrer Dringlichkeit hat der Soziologe Abraham Maslow eine «Bedürfnispyramide» mit fünf unterschiedlichen Bedürfniskategorien entwickelt. Gemäss seiner Theorie müssen die Bedürfnisse der jeweils unteren Stufe vollständig befriedigt sein, bevor die nächsthöheren Bedürfnisse für das menschliche Handeln überhaupt bestimmend werden.

5. Bedürfnis nach Selbstverwirklichung

4. Bedürfnis nach Wertschätzung

3. Soziale Bedürfnisse

2. Sicherheitsbedürfnisse

1. Grundbedürfnisse (physiologische Bedürfnisse)

Die fünf Bedürfniskategorien nach Maslow sind:

■ Grundbedürfnisse (= physiologische Bedürfnisse, z. B. Nahrung, Wärme, Schlaf, Selbsterhaltung, Sexualität oder Bewegung) haben eine körperliche Grundlage.

■ Unter den Sicherheitsbedürfnissen ist z. B. die Absicherung eines erreichten Einkommens oder des Arbeitsplatzes zu verstehen, aber auch das Absichern vor den Folgen von Unfall oder Krankheit durch eine entsprechende Versicherung.

■ Soziale Bedürfnisse umfassen Zugehörigkeitsbedürfnisse zu einer Gemeinschaft, zu einem Freundeskreis oder den Wunsch nach Geborgenheit in der Familie.

■ Das Bedürfnis nach Wertschätzung äussert sich im Wunsch nach Anerkennung durch ein soziales Bezugsgefüge (Achtung, Lob, Ruhm oder soziales Ansehen durch die Stellung in der Gesellschaft).

■ Selbstverwirklichungsbedürfnisse beinhalten das Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit, das Bedürfnis, sich weiterzuentwickeln.

Hinweis für Lehrpersonen

Die Abbildung mit der Bedürfnispyramide von Maslow kann im Lehrgespräch ergänzt bzw. konkretisiert werden.

▼ PPT-Folie/Tafelbild: Folie 4

Konkretisierung der Bedürfnisse nach Maslow

Freiheit und Unabhängigkeit à «Hobby als Arbeit»

Anerkennung im sozialen Beziehungsgefüge à Achtung, Lob; auch soziales Ansehen

Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft à Geborgenheit in der Familie Absicherung des Bisherigen

Nahrung, Wärme, Schlaf usw.

Bedürfnisse als Ausgangspunkt des wirtschaftlichen Handelns definieren

Bedürfnisse in verschiedene Kategorien gliedern

Die Bedürfnispyramide gemäss der Theorie von Maslow erklären

Den Unterschied zwischen Bedürfnis und Nachfrage erklären

Freie und wirtschaftliche Güter unterscheiden

Hauptkategorien von wirtschaftlichen Gütern definieren und konkrete Beispiele von Gütern dieser Einteilung zuordnen

Die drei Wirtschaftssektoren definieren und konkrete Unternehmungen diesen Sektoren zuordnen

Unternehmungen nach der Anzahl der Beschäftigten unterschiedlichen Grössenkategorien zuordnen

Den Begriff «KMU» definieren und die Bedeutung der KMU begründen

Die unterschiedlichen Rechtsformen von Unternehmungen gliedern

Das Vorkommen von verschiedenen Rechtsformen von Unternehmungen erklären

Mögliche Eigentumsverhältnisse von Unternehmungen unterscheiden

Die Notwendigkeit von staatlichen Unternehmungen begründen

Grundsätze der Firmenbildung und diese auf konkrete Beispiele anwenden

Das Handelsregister in allgemeiner Art charakterisieren

Die Funktion von Warenhandelsbetrieben erklären

Den Begriff «Bruttogewinn» im Warenhandel definieren und den Unterschied zum «Reingewinn» begründen

Den Weg von Handelsgütern in der Handelskette erläutern

Das Geschäftsfeld der Banken beschreiben

Bankgeschäfte nach Zinsdifferenz- und Kommissionsgeschäft unterscheiden

Das Funktionsprinzip von Versicherungen beschreiben

Versicherungen nach dem Gegenstand der Versicherungen gliedern

Die Aufgabenbereiche von Treuhandunternehmungen beschreiben

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