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from VWL 03 - LV
1 Arbeitslosigkeit im Laufe der letzten 100 Jahre
Arbeitslosigkeit taucht im Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung immer wieder auf. Ein Blick in die Geschichte vermittelt uns zudem einen Einblick in die vielfältigen Ursachen dieses Phänomens. Dazu schauen wir uns an, wie sich die Arbeitslosigkeit in der Schweiz in den letzten 100 Jahren entwickelt hat:
■ Arbeitslosigkeit in der Schweiz (1920–2021)
5 %
4.5 %
4 %
3.5 %
3 %
2.5 %
2 %
1.5 %
1 %
0.5 %
0 %
Starke Deflation Grosse Depression ImmobilienKrise
Platzen der Dotcom-Blase
CovidKrise
ErdölpreisSchocks
1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020
Quelle: «Die Volkswirtschaft» 2010 / Daten 2010 – 2020, Seco (Für die amtlichen Arbeitslosenquoten wird die Zahl der Erwerbsbevölkerung alle zehn Jahre erhoben; weil die Zahl der Erwerbstätigen jährlich gestiegen ist, sind die Zahlen in dieser Grafik im Vergleich leicht tiefer.)
Die Abbildung zeigt den Verlauf der Arbeitslosenquote (Prozentanteil der Arbeitslosen an der arbeitsfähigen und arbeitswilligen Bevölkerung) mit besonders markanten Spitzenwerten über die letzten 100 Jahre. ■ 1920: Nach Beginn der Industrialisierung 1850 und mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes herrschte in der Schweiz knapp 70 Jahre lang ein ununterbrochenes Wirtschaftswachstum. Die erste Krise begann mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Die
Staaten finanzierten ihre Rüstungsausgaben mit einer Ausweitung der Geldmenge, was zu einer hohen Teuerung (Inflation) führte. Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) gegen die andauernden Preiserhöhungen entschieden eingriff, sank die Jahresinflationsrate von rund +25 % im Jahre 1918 bis 1922 auf das Niveau von – 20 %, was einer heute
kaum vorstellbaren Deflation entspricht. In einer Deflation sinken die Preise für Güter und Dienstleistungen, und die Unternehmer sind in der Folge gezwungen, Arbeiter zu entlassen. Die Arbeitslosenquote stieg aus diesem Grund bis 1922 auf 3,4 %. ■ 1935: Nach dem Ersten Weltkrieg folgten die goldenen 20er-Jahre: Durch Produktivitätsfortschritte und die Einführung der Massenproduktion nahmen die Umsätze in der Konsumgüter- und Investitionsgüterindustrie massiv zu. Die Banken boten sehr günstige Kredite an, was zu einer Überproduktion führte. Zudem waren Investitionen häufig mit kurzfristigen Krediten finanziert, und als im Jahr 1929 aufgrund von spekulativen Wertpapier- und Warengeschäften viele Banken Konkurs gingen, brach die Nachfrage nach
Gütern und Dienstleistungen ein. Weil bereits damals die Volkswirtschaften stark miteinander verzahnt waren, führte dies zu einer weltweiten Depression. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten wiederum Jahre des starken Wachstums, in denen die Arbeitslosigkeit fast verschwand. In der Schweiz war die bestehende allgemeine
Arbeitskräfteknappheit nur durch den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte zu überwinden.
In der Folge stieg der Ausländeranteil 1970 auf 17,2 % an. ■ 1978/1986: Nach den Boomjahren kam es zu wiederholten Beschäftigungseinbrüchen, welche die Arbeitslosigkeit jedes Mal deutlich ansteigen liessen. Der erste Einbruch ereignete sich im Anschluss an die erste Erdölpreiskrise 1973/74 und der zweite in der Folge des zweiten Erdölpreisschocks 1982. Die erste Erdölpreiskrise wurde im
Herbst 1973 durch den Jom-Kippur-Krieg ausgelöst, in welchem Ägypten und Syrien Israel angriffen. Die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) drosselte bewusst die Fördermengen um ca. fünf Prozent, um die westlichen Länder bezüglich ihrer
Unterstützung Israels unter Druck zu setzen. Die zweite Erdölkrise wurde durch die islamische Revolution im Iran und den Angriff des Iraks auf den Iran (Erster Golfkrieg) ausgelöst. ■ 1995: Anfang der 1990er-Jahre resultierte ein Anstieg der Arbeitslosenquote aus der restriktiven Geldmengenpolitik der Nationalbank. Aufgrund eines spekulativen Immobilienbooms und einer Inflation von über 6 % verringerte die SNB die Geldmenge bei den Geschäftsbanken, was zu einem Anstieg des Zinsniveaus führte. Durch die gestiegenen Kapitalkosten gingen Unternehmungen Konkurs und entsprechend Arbeitsplätze verloren. ■ 2005: Die nächsten Einbrüche rührten von Entwicklungen auf den Finanzmärkten her:
Im Jahre 2000 kamen Unternehmen auf, die im Zusammenhang mit dem Internet Dienstleistungen anboten. Man nannte diese Unternehmungen aufgrund ihrer Internet-
Domain-Endung «.com» (engl. für commercial) auch Dotcom-Unternehmungen. Übertriebene Gewinnerwartungen und die Spekulation auf steigende Aktienkurse führten zu einer Überbewertung dieser Unternehmungen, was man allgemein als DotcomBlase bezeichnete. Als die hochbewerteten Unternehmen die Gewinnerwartungen nicht erfüllen konnten, gingen viele dieser Unternehmungen Konkurs, da ihr Börsenwert «nur» durch die geistigen Leistungen der Mitarbeiter und nicht durch materielle Gegenwerte