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3 Arena Arbeitslosigkeit
from VWL 03 - LV
Aufgabe 3 Arena Arbeitslosigkeit
«Arena» ist eine Diskussionssendung zu aktuellen wirtschaftlichen, innen- und gesellschaftspolitischen Themen. Sie will die entsprechenden Tendenzen und Entwicklungen in der Schweiz abbilden und so zur Meinungsbildung beitragen. Als Mittel dazu verwendet sie die kontroverse Diskussion in einem schweizerischdemokratischen Verständnis.
In einer Arena zum Thema Arbeitslosigkeit sollen die verschiedenen Ursachen für das Entstehen von Arbeitslosigkeit und mögliche Lösungsansätze dargestellt werden.
Für die Diskussionsrunde sind die folgenden Personen eingeladen:
■ Arnold Arnegger (55 Jahre), gelernter Textilfärber, ausgesteuerter Arbeitsloser. ■ Gertrud Germann (40 Jahre), kaufmännische Angestellte, Mitglied bei der Gewerkschaft
Unia. ■ Urs Uhlmann (50 Jahre), Unternehmer, er ist mit seiner Unternehmung Mitglied der Aargauischen Industrie- und Handelskammer. ■ Franz Friedmann (26 Jahre), Lehre als Hochbauzeichner, Student an der Zürcher Fachhochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW).
a) Auf den Seiten 22 bis 25 finden Sie unter den Teilaufgaben a1) bis a4) die vorbereiteten
Diskussionsbeiträge der verschiedenen Teilnehmer. Lesen Sie diese Texte sorgfältig durch und notieren Sie sich auf den Seiten 26 und 27 stichwortartig die von den einzelnen Diskussionsteilnehmern vorgebrachten Ursachen und angesprochenen
Formen der Arbeitslosigkeit sowie die jeweils vorgeschlagenen Lösungsansätze.
b) Lösen Sie abschliessend die nebenstehende Teilaufgabe. Was fällt Ihnen bei den verschiedenen Lösungsansätzen auf? Wer hat Sie am meisten überzeugt? Weshalb?
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Individuelle Schülerantworten
Unterschiedliche Ursachen führen zu unterschiedlichen
Lösungsansätzen. Je nach Lösungsansatz sind unterschiedliche Personengruppen direkt betroffen.
Bei Lösungen bestehen damit Interessenkonflikte.
Hinweis für Lehrpersonen
Die vorliegende Aufgabe ist als Gruppenarbeit oder als Rollenspiel konzipiert und dient dazu, den Lernenden einen Überblick über die verschiedenen Formen der Arbeitslosigkeit zu vermitteln.
Möglicher Ablauf ■ Vier ausgewählte Schüler/innen beschäftigen sich mit den Diskussionsbeiträgen a1) bis a4) zur Vorbereitung auf die Diskussion, während der Rest der Klasse die Aufgabe 2 löst (ca. 15–20 Minuten). ■ Die Diskussionsrunde mit den vier Teilnehmern wird von der Lehrperson moderiert. ■ Während der «Podiumsdiskussion» wird der Rest der Klasse mit Beobachtungsaufträgen auf die Diskussionsteilnehmer aufgeteilt und notiert die vorgebrachten Argumente in den vorbereiteten Lösungsvorlagen.
Zusätzlicher Hinweis Die Diskussionsbeiträge sind (teils stark) überzeichnet; sie enthalten aber grundsätzlich alle Formen der Arbeitslosigkeit. Die Texte sind in je vier Abschnitte gegliedert, die Lösungsvorlagen enthalten ebenfalls diese Gliederung: pro Abschnitt je ein Feld für Ursachen/Formen der Arbeitslosigkeit und je ein Feld für Lösungsansätze.
Die Diskussionsteilnehmer können von der Lehrperson zusätzlich mithilfe eines ausgefüllten Lösungsvorschlags auf die Diskussion vorbereitet werden, um sicherzustellen, dass die gewünschten Argumente tatsächlich auch vorgebracht werden.
a1) Manuskript von Arnold Arnegger (55 Jahre), Textilfärber, ausgesteuerter Arbeitsloser
Mein Name ist Arnold Arnegger, und für mich gehört die Arbeitslosigkeit leider seit Jahren zum Alltag. Meine Kenntnisse und Fähigkeiten als Textilfärber konnte ich schon bald nach Lehrabschluss nicht mehr anwenden. Ein Textilbetrieb nach dem andern hat in den letzten Jahren seinen Betrieb im Inland geschlossen und die Produktion ins Ausland verlagert. Heute werden Textilien in sogenannten Billiglohnländern eingefärbt, das ist billiger als hier in der Schweiz. In den verwandten Textilberufen fand ich auch kaum mehr Arbeit, weil eben die gesamte Textilbranche betroffen war. Immer mehr wird aus dem Ausland importiert, gerade im Textilsektor. Die Kleider aus Bangladesch, China oder anderen asiatischen Ländern sind ja in den grossen Textilketten spottbillig zu haben. Ganz generell kann die Schweizer Industrie in dieser Branche einfach nicht mehr mithalten! Ich meine, dass wir Schweizer auch Schweizer Produkte kaufen sollten. Man sollte deshalb die Zölle auf Importen erhöhen. Aber das ist in Zeiten der Globalisierung natürlich nicht mehr durchzusetzen. Wenn man schon keine Arbeit mehr im bisherigen Beruf findet, sollte man wenigstens vom Staat Umschulungsbeihilfen erhalten. (sektorale Arbeitslosigkeit)
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Ich habe in den letzten Jahren bei vier verschiedenen Industrieunternehmungen gearbeitet. Nach der Einstellung wurde ich immer in einer Art «Schnellbleiche» mit der neuen Arbeit vertraut gemacht, damit ich möglichst schnell in der Produktion eingesetzt werden konnte. Aber auch diese Industrieunternehmungen mussten infolge des Strukturwandels jeweils Personal abbauen, und als Angelernter war ich immer einer der ersten, der die Kündigung erhielt. Die Personalchefs haben zwar gesagt, es täte ihnen leid, aber sie könnten gegen den Strukturwandel auch nichts unternehmen. Für mich war es die Zeit des «hire and fire» – schnell angestellt, und sobald es nicht mehr so gut gelaufen ist: gefeuert. Ich begreife schon, dass sich die Betriebe an neue Gegebenheiten und Strukturen anpassen müssen. Aber wenn wir schon mit diesem Strukturwandel leben müssen, hätte man wenigstens den Kündigungsschutz verbessern können. Ich war jeweils innerhalb von drei Monaten wieder auf der Strasse. Wenn man am eigenen Leib (und am Portemonnaie) erfährt, wie man als Arbeitsloser über die Runden kommen muss, dann ist man dankbar für jeden Ausbau der Arbeitslosenversicherung. Wenn man die Stelle verliert und sich bei einer regionalen Arbeitsvermittlungsstelle, beim RAV, anmeldet, hat man je nach Alter und Beitragszeit einen Anspruch auf maximal 400 Taggelder der Arbeitslosenversicherung, danach ist aber in der Regel Schluss. Immerhin hatte ich wegen meines Alters noch Anspruch auf 520 Tage. Wenn man danach immer noch ohne Stelle ist, wird man in der Arbeitslosenversicherung «ausgesteuert», d.h., man muss sein eigenes Vermögen für den Lebensunterhalt einsetzen. Ich habe heute weniger als CHF 10000.– Vermögen und erhalte deshalb Sozialhilfe. Aber als Sozialhilfeempfänger fühlt man sich ja auch nicht wirklich gut. (strukturelle Arbeitslosigkeit)
Meines Erachtens ist die Arbeit ungerecht verteilt. Durch die Zuwanderung wird die Situation noch verschlimmert. In der Schweiz kennen wir ja bei der Zulassung ausländischer Arbeitskräfte eine spezielle Regelung: Erwerbstätige aus den EU/EFTAStaaten können vom PersonenFreizügigkeitsabkommen profitieren und frei zuziehen; aus allen anderen Staaten werden lediglich eine beschränkte Zahl von Führungskräften, Spezialistinnen und Spezialisten sowie qualifizierte Arbeitskräfte zugelassen. Die Zuwanderung von Ausländern kann dann zur Arbeitslosigkeit führen. Wir müssen einfach diese Einwanderung stoppen, schliesslich sollten wir Schweizer bei den Jobs zuerst drankommen, oder? Man könnte auch das Rentenalter senken, sodass Arbeitsplätze für jüngere Personen frei werden (auch wenn ich selbst davon kaum mehr profitieren könnte). Auch mit einer generellen Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit könnte man dazu beitragen, dass die Arbeit gerechter verteilt wird. (demografische Arbeitslosigkeit)
Es gibt für mich einfach zu viel Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt: Auch der Druck auf die Löhne wird durch die Einwanderung grösser. Deshalb gibt es in der Schweiz immer mehr Working Poor: Damit sind Menschen gemeint, die trotz einer vollen Arbeitsstelle nicht genug verdienen, um davon leben zu können. Diese Situation trifft heute bereits auf einen von neun Erwerbstätigen zu. Das kann es doch nicht sein! Deshalb sollten in den Gesamtarbeitsverträgen Mindestlöhne garantiert werden, von denen man auch ordentlich leben kann. Wenn deswegen Leute entlassen werden sollten, muss halt der Staat eingreifen (z.B. mit Beschäftigungsprogrammen)! Im Arbeitsmarkt darf es keinen ruinösen Wettbewerb auf Kosten der Arbeitnehmer geben. Wer – wie ich – lange arbeitslos ist, kann schnell auch psychische Probleme bekommen: Ich werde ja nicht mehr gebraucht. (strukturelle Arbeitslosigkeit)
a2) Manuskript von Gertrud Germann (40 Jahre), kaufmännische Angestellte,
Mitglied bei der Gewerkschaft Unia
Mein Name ist Getrud Germann, und ich habe als Kaufmännische Angestellte nach einer Babypause wieder einen Job gefunden. Aber es gibt immer wieder Phasen, in denen ich Angst habe, arbeitslos zu werden. Aus diesem Grund bin ich auch schon seit zehn Jahren Mitglied bei der Gewerkschaft Unia – einer Teilgewerkschaft des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB ist die grösste Arbeitnehmerorganisation der Schweiz. In ihm sind 16 Einzelgewerkschaften zusammengeschlossen, die insgesamt rund 380000 Mitglieder vertreten.
Ich lebe in einer Gegend der Schweiz, in der die Arbeitslosigkeit höher ist als in anderen Teilen des Landes. Diese regionale Arbeitslosigkeit sollte man meines Erachtens mit aktiver Wirtschaftsförderung, steuerlichen Anreizen für Unternehmungen oder mit staatlichen Investitionen bekämpfen. Auch den Finanzausgleich zwischen den Kantonen sollte man verbessern: Kantone, die finanziell besser dastehen als andere, sollten ärmere Kantone unterstützen. So könnten beispielsweise auch ländlich geprägte Kantone vom Erfolg des Bankenplatzes Zürich profitieren. In Regionen mit höherer Arbeitslosigkeit könnten auch Umzugsbeihilfen bezahlt werden, um Arbeitslose zu ermuntern, an anderen Orten eine neue Stelle anzutreten. Unsere Familie hat nicht zuletzt aus finanziellen Gründen bisher auf einen Umzug verzichtet. (regionale Arbeitslosigkeit)
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Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird ja wesentlich durch die Konjunkturentwicklung bestimmt. In einer Hochkonjunktur ist der Arbeitsmarkt ausgetrocknet, und es gibt weniger Arbeitslose, weil die Unternehmungen zusätzliche Arbeitskräfte einstellen. Bei einem Konjunkturabschwung steigt die Arbeitslosigkeit dagegen an, weil Produktionskapazitäten heruntergefahren werden und die Unternehmungen weniger Arbeitskräfte einstellen oder gar zu Entlassungen gezwungen sind. Man könnte versuchen, diese konjunkturelle Arbeitslosigkeit mit einer angepassten Finanzpolitik zu bekämpfen: In einer Rezession müssten Steuern und Abgaben gesenkt oder die Ausgaben für Subventionen (z.B.Investitionszuschüsse) oder staatliche Käufe erhöht werden. Damit könnte die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gestärkt werden. Umgekehrt müssten in einer Boomphase die Steuern erhöht und Ausgaben gesenkt werden, um Überschüsse zu erzielen. Auch Lohnerhöhungen können einen Aufschwung unterstützen. Schliesslich könnte auch die Einführung von Kurzarbeit bei konjunkturell bedingten Beschäftigungseinbrüchen hilfreich sein. Dabei wird die Arbeitszeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorübergehend reduziert und ein Teil des Lohnausfalls aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt. Der Arbeitgeber läuft so weniger Gefahr, wichtiges Knowhow zu verlieren, das er bei einer späteren Erholung im Aufschwung dringend braucht. Er muss dann auch nicht mühsam neues Personal suchen und einarbeiten. Aber auch die Arbeitnehmenden können von Kurzarbeit profitieren: Sie werden nicht arbeitslos und können sich so die sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Vorteile, die mit einer Arbeitsstelle verbunden sind, bewahren. Beispielsweise bleiben sie weiterhin bei einer Pensionskasse versichert. (konjunkturelle Arbeitslosigkeit)
In einer dynamischen Wirtschaft kann auch der Strukturwandel zu Arbeitslosigkeit führen. Um dies möglichst zu verhindern, müssen die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden. Der Arbeitsmarkt ist ein ganz spezieller Markt und kann nicht mit Gütermärkten gleichgesetzt werden. Wenn jemand auf dem Arbeitsmarkt keine Arbeit findet, so ist dies dramatischer, als wenn jemand auf dem Gütermarkt etwas nicht kaufen kann. Aus diesem Grund ist in den meisten Industrieländern der Arbeitsmarkt viel stärker durch Gesetze und Verordnungen reguliert als die Gütermärkte. Die Schweiz hat im internationalen Vergleich einen flexiblen, wenig regulierten Arbeitsmarkt. Das kann für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Nachteil sein, weil wir weniger Schutz geniessen als in anderen Ländern. Deshalb sollten meines Erachtens ein gesetzlich festgelegtes Lohnminimum für die ganze Schweiz gelten und grundsätzlich kürzere Wochenarbeitszeiten angestrebt werden. Auch sollten die Vorschriften für die Unternehmungen bei der Entlassung von Arbeitskräften verschärft werden. Unternehmungen, die Gewinne erwirtschaften, sollten grundsätzlich keine Entlassungen vornehmen dürfen. Ich bin auch überzeugt, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich irgendwann aus der Arbeitswelt zurückziehen und ihre Stelle den Jungen überlassen sollten. Deshalb trete ich bei allem Verständnis für flexible Lösungen dafür ein, dass das durchschnittliche Rentenalter grundsätzlich gesenkt werden sollte. (strukturelle Arbeitslosigkeit)
Viele Arbeitslose haben Mühe, eine neue Stelle zu finden. Dies liegt auch daran, dass die Unternehmungen bei der Aus und Weiterbildung sparen. Wer einen zu kleinen Bildungsrucksack hat, ist auf dem Arbeitsmarkt am stärksten von Arbeitslosigkeit bedroht. Seit Langem fordern die Gewerkschaften deshalb ein Recht auf Weiterbildung. Es wird insbesondere die Lage jener markant verbessern, die seit der Volksschule schlechtere Bildungschancen haben und von den Arbeitgebern kaum gefördert werden. Mit einem neuen Weiterbildungsgesetz sollte dieses Recht auf Weiterbildung für alle im Schweizer Recht verankert werden. Selbstverständlich macht Weiterbildung nur auf einem guten Fundament Sinn; deshalb lehnen wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter auch alle politischen Versuche ab, unser bewährtes Volksschulsystem mit übertriebenen Sparanträgen zu schwächen. Wir plädieren eher für einen Ausbau in den ersten Schuljahren, um die Startchancen jener zu verbessern, die mit Integrationsproblemen oder anderen Nachteilen zu kämpfen haben. (friktionelle Arbeitslosigkeit)
a3) Manuskript von Urs Uhlmann (50 Jahre), Unternehmer,
Mitglied der Aargauischen Industrie- und Handelskammer
Mein Name ist Urs Uhlmann. Als Unternehmer muss ich mich ständig über neue technologische Entwicklungen informieren. Nur so kann ich bessere Produkte entwickeln oder die bisherigen Produkte günstiger herstellen. Unternehmungen, die wichtige technologische Entwicklungen verpassen, laufen Gefahr, unterzugehen. Dabei gehen unweigerlich auch Arbeitsplätze verloren. Aber dieser Strukturwandel ist nicht nur negativ. Die Neue Aargauer Bank beschreibt in einer Studie die positiven Aspekte: «Strukturwandel ist ein Prozess schöpferischer Zerstörung und kann kurzfristig schmerzhafte Anpassungen in Form von Betriebsschliessungen oder Entlassungen zur Folge haben. Er fordert von den betroffenen Unternehmern und Angestellten eine hohe Anpassungsfähigkeit und kann zu Einkommens und Vermö genseinbussen oder gar zu Arbeitslosigkeit führen. Gleichzeitig schafft er Raum für neue, im Optimalfall produktivere Geschäftsfelder. Ein erfolgreicher Strukturwandel ist kein Nullsummenspiel, das einzig Verlagerungseffekte mit sich bringt, sondern erhöht die Wettbewerbsfähigkeit einer Region.» Aus meiner Sicht muss alles getan werden, damit Arbeitslose möglichst schnell wieder eine neue Stelle finden. Besonders wichtig ist dabei die Unterstützung durch die rund 130 Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Die Leistungen der Arbeitslosenversicherung sollten hingegen keinesfalls erhöht werden, weil eine zu grosszügige Arbeitslosenunterstützung zu viel kostet und den Anreiz für die Arbeitslosen, sich intensiv um eine neue Stelle zu bemühen, reduziert. (strukturelle Arbeitslosigkeit)
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Auch in meiner Unternehmung wurden schon Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Maschinen ersetzt. Die Investitionen für die Anschaffung der Maschinen machen sich in der Regel durch eine höhere Produktivität schnell bezahlt. Wenn die Produktivitätsfortschritte jedoch nicht zur erhofften Zunahme des Umsatzes führen, kann dies durchaus zusätzliche Entlassungen zur Folge haben. Es fällt mir nicht leicht, Entlassungen auszusprechen, weil ich weiss, dass dies für die Betroffenen sehr hart sein kann. Deshalb bin ich froh, wenn entlassene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Staat bei der Suche nach einer neuen Stelle unterstützt werden. Andere Staaten kennen auch direkte Förderbeiträge für den Ausbau von Produktionsstätten. In der Schweiz existieren nur verhältnismässig wenig solche direkte Finanzhilfen an Unternehmen. Bund und Kantone konzentrieren ihre Anstrengungen vielmehr auf die Schaffung von investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen und unterstützen nur subsidiär die Finanzierung von Unternehmungen. (technologische Arbeitslosigkeit)
Ich musste auch schon Personal abbauen, weil die gesamte Volkswirtschaft und damit auch meine Unternehmung schwierige Zeiten durchlebten. In einer solchen konjunkturellen Abschwungphase oder einer Rezession sollte die Nationalbank mit einer expansiven Geldpolitik für tiefere Zinsen sorgen, um Investitionen zu erleichtern. Manchmal konnte ich Entlassungen vermeiden, indem ich vorübergehend Kurzarbeit einführte. Ohne die Kurzarbeitsentschädigung hätte ich dies nicht gemacht. Man darf nicht vergessen, dass wir als Unternehmungen bei der Kurzarbeit auch einen Teil der Kosten tragen. Insofern würde ein Ausbau der Entschädigung bei Kurzarbeit mithelfen, dass die Unternehmungen in Zeiten der Rezession weniger Leute entlassen müssten. (konjunkturelle Arbeitslosigkeit)
Ich habe im Prinzip durchaus Verständnis für die Anliegen der Arbeitnehmer für mehr Arbeitnehmerschutz, gerade bei lang andauernder Arbeitslosigkeit. Für Forderungen nach Mindestlöhnen habe ich als Unternehmer jedoch kein Verständnis: Wenn mich ein Mitarbeiter mehr kostet, als mir seine Leistung einbringt, sind Verluste unvermeidlich. Warum sollte ich ihn da einstellen? Die Vorstellung, dass Arbeitsplätze durch den Staat auf alle Zeiten gesichert werden könnten, ist meines Erachtens ohnehin unrealistisch. Auch zusätzliche Regulierungen des Arbeitsmarktes sind schädlich für die Unternehmungen und damit letztlich auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es braucht primär günstigere Rahmenbedingungen für Unternehmer, und erst in zweiter Linie staatliche Massnahmen. Die staatlichen Mittel sollten in die Förderung einer diversifizierten Wirtschaftsstruktur fliessen statt in weitere Sozialversicherungsleistungen, da diese ja letztlich wieder mit zusätzlichen Lohnprozenten finanziert werden müssen. (strukturelle Arbeitslosigkeit)
a4) Manuskript von Franz Friedmann (26 Jahre), Lehre als Hochbauzeichner,
Student an der Zürcher Fachhochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW)
Mein Name ist Franz Friedmann. Ich bin zwar erst 26 Jahre alt, aber ich habe die Arbeitslosigkeit schon zweimal am eigenen Leib erfahren. Deshalb habe ich mich für eine Weiterbildung entschieden und absolviere zurzeit das 6.Semester im Lehrgang «Wirtschaft und Management» an der ZHAW. Ein Studium an der ZHAW bietet beste Voraussetzungen für eine anspruchsvolle Anstellung in Verwaltung, Industrie oder Forschung. Mit diesem Abschluss hoffe ich, nicht mehr arbeitslos zu werden. Das erste Mal erlebte ich Arbeitslosigkeit nach Abschluss meiner Hochbauzeichnerlehre im Thurgau: Mein Lehrbetrieb bildete jedes Jahr neue Lehrlinge aus, und deshalb konnte ich nach dem Abschluss nicht dort weiter arbeiten. Aber ich wollte ohnehin die Stelle wechseln und einen neuen Betrieb suchen, um Neues zu lernen. Mir war es auch durchaus bewusst, dass das zwei, drei Monate dauern könnte. Dass es dann aber ein halbes Jahr dauerte, hat mich schon sehr überrascht. Ich wünschte mir, dass die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) ausgebaut würden und nicht nur eine Auswahl von JobSuchmaschinen auf der Website aufschalten, sondern konkrete Stellenangebote für bestimmte Arbeitslose suchen und abklären. Bei meinen Bewerbungen erhielt ich immer Absagen mit der Begründung, man suche jemanden mit Berufserfahrung, die ich direkt nach der Lehre natürlich nicht vorweisen konnte. So hatte ich nach sechs Monaten immer noch keine Stelle, aber immerhin erhielt ich ja Geld von der Arbeitslosenversicherung – ohne diese Beiträge hätte ich wohl schon etwas früher irgendeine Stelle antreten müssen. (friktionelle Arbeitslosigkeit)
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Das RAV hat mich schliesslich dazu gedrängt, auch an weiter entfernten Orten nach einer Arbeit zu suchen. So bin ich im Frühling – nachdem ich neun Monate arbeitslos gewesen war – schliesslich in eine Bauunternehmung im Kanton Zürich eingetreten. Ich hätte dabei nicht gedacht, dass ich sieben Monate später schon wieder entlassen würde. Die Aufträge gingen wetterbedingt im Herbst so stark zurück, dass mein Arbeitgeber mehrere Mitarbeiter entlassen musste. Weil ich neu war im Betrieb, gehörte ich zu den ersten, die gehen mussten. Ähnliche Geschichten höre ich auch von Kolleginnen und Kollegen, die im Gastgewerbe tätig sind. Ich bin überzeugt, dass sich diese saisonale Arbeitslosigkeit mit besseren Schlechtwetter und Kurzarbeitsentschädigungen verhindern liesse. (saisonale Arbeitslosigkeit)
Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die offiziellen Statistiken nicht das wahre Ausmass der Arbeitslosigkeit zeigen. Ich sehe das zum Beispiel bei meiner zehn Jahre älteren Schwester. Sie hat in den letzten Jahren nicht gearbeitet, weil sie drei Kinder bekommen hat und deshalb zu Hause bei ihren Kindern bleiben wollte. Nun, da alle zur Schule gehen, würde sie eigentlich gerne wieder einsteigen, findet aber einfach keine Stelle. Sie bewirbt sich zwar immer wieder, bekommt aber andauernd Absagen. Wenn sie bei den Unternehmungen nach den Gründen fragt, wird zwar offiziell immer gesagt, es hätten sich bessere Bewerberinnen oder Bewerber gemeldet. Inoffiziell wird dann aber schnell deutlich, dass ihr nach zehn Jahren einfach niemand zutraut, den Einstieg ohne grössere Probleme zu schaffen. Die Unternehmungen scheuen sich, eine längere Einarbeitungszeit mit ihr durchzustehen. Zudem wollen sich die Unternehmungen allfällige Probleme vom Hals halten, wenn die Kinder einmal krank sein sollten. Sie befürchten, dass meine Schwester in solchen Momenten immer kurzfristig ausfallen würde. Meine Schwester hat aber keine Lust, sich beim RAV zu melden. Sie sieht für sich keine Vorteile bei einer offiziellen Registrierung und befürchtet, dadurch eher noch Nachteile bei der Suche zu haben. Solange nicht auch mehr Männer Teilzeit arbeiten und dabei von den Unternehmungen und eventuell vom Staat unterstützt werden, werden die Probleme beim Wiedereinstieg wohl andauern. Aber auch Tagesstrukturen für die Betreuung von Kindern, deren Eltern berufstätig sind, könnten in diesem Zusammenhang eine Hilfe sein. (verdeckte Arbeitslosigkeit)
Vielleicht sollte man insbesondere für junge Arbeitslose auch spezielle Beschäftigungsprogramme lancieren, damit sie weitere Erfahrungen sammeln und Fertigkeiten und Fähigkeiten für Jungunternehmer erwerben können. Ich bin mir sicher, dass sich etliche auch die Gründung einer eigenen Unternehmung überlegen würden, wenn sie nur wüssten, wie man das angehen muss. Zur Stärkung des Unternehmertums könnte der Staat einiges beitragen, wenn er die rechtlichen Rahmenbedingungen so ausgestalten würde, dass vor allem junge Leute ohne grössere Probleme eine eigene Firma gründen könnten. Am Ende würden wohl alle davon profitieren, weil unsere Wirtschaft dadurch Wachstumsimpulse erhalten würde. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verlieren und allmählich resignieren. Wenn ich die Generation meiner Eltern sehe, bin ich mir gar nicht so sicher, ob das nicht sogar manchmal für Menschen gilt, die im Moment noch eine Stelle haben. Da gibt es ja viele, die offiziell tagtäglich ihrer Arbeit in einem Büro oder einer Fabrik nachgehen, in Tat und Wahrheit aber nur noch die Zeit bis zu ihrer Pensionierung möglichst unbeschadet überstehen möchten. Da soll mir doch keiner erzählen, dass die wirklich noch produktiv sind. Ich glaube einfach nicht, dass die offiziellen Arbeitsmarktdaten den tatsächlichen Zustand des Arbeitsmarktes beschreiben. Mit mehr Wettbewerb müssten Unternehmungen unproduktive Arbeitsplätze verschwinden lassen. (latente Arbeitslosigkeit)
a1) Die Sichtweise von Arnold Arnegger (55 Jahre), Textilfärber, ausgesteuerter Arbeitsloser
Ursachen/Formen der Arbeitslosigkeit Lösungsansätze Nachfragerückgang nach Schweizer Textilien (= sektorale Arbeitslosigkeit) – Protektionistische Massnahmen – Schweizer kaufen in der Schweiz – Umschulungsbeihilfen
a2) Die Sichtweise von Gertrud Germann (40 Jahre), kaufmännische Angestellte,
Mitglied der Gewerkschaft Unia
Ursachen/Formen der Arbeitslosigkeit Lösungsansätze Unterschiedliche Arbeitslosenquoten in den verschiedenen Landesteilen (= regionale AL) – Wirtschaftsförderung, steuerliche Anreize, staatliche Investitionen – Finanzausgleich – Umzugsbeihilfen
«Hire and fire» – kein Kündigungsschutz ( = strukturelle AL) – Kündigungsschutz verbessern – Ausbau der Arbeitslosenversicherung, längere Taggelder
Arbeit ungerecht verteilt, Zuwanderung von Ausländern (= demografische AL)
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Zu viel Wettbewerb, Druck auf die Löhne, Working Poor ( = strukturelle AL) – Senkung der Erwerbsquote durch Zuwanderungsbeschränkung – Senkung der Erwerbsquote durch Frühpensionierungen – Senkung der wöchentlichen
Arbeitszeit
– Staatliche
Beschäftigungsprogramme – Mindestlöhne mit GAV, kein ruinöser Wettbewerb auf Kosten der Arbeitnehmer Konjunkturabschwung (= konjunkturelle AL)
Dynamische Wirtschaft führt zwangsläufig zu Anpassungsprozessen ( = strukturelle AL)
Unternehmungen müssen bessere Berufsbildung und Weiterbildung anbieten (= friktionelle AL) – Antizyklische Finanzpolitik, um Nachfrage zu steigern, d. h. Steuern und Abgaben senken, Investitionszuschüsse, staatliche Käufe – Lohnerhöhungen, um
Kaufkraft zu steigern – Entschädigung bei Kurzarbeit Veränderung der Rahmenbedingungen: – Lohnminimumvorschriften – Senkung Wochenarbeitszeit – Kündigungsschutz ausbauen – Senkung Rentenalter
a3) Die Sichtweise von Urs Uhlmann (50 Jahre), Unternehmer, Mitglied der Aargauischen Industrie- und Handelskammer
Ursachen/Formen der Arbeitslosigkeit Lösungsansätze Neue Technologien, neue Produkte führen zu Strukturwandel, d. h. neue Beschäftigungsstrukturen (= strukturelle AL) – Verbesserung der Arbeitsvermittlung (RAV) – Arbeitslose schneller wieder in den Arbeitsprozess eingliedern
Technischer Fortschritt (= technologische AL) – Einarbeitungszuschüsse – Staatliche Förderbeiträge für Produktionsstätten
a4) Die Sichtweise von Franz Friedmann (26 Jahre), Lehre als Hochbauzeichner,
Student an der Zürcher Fachhochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW)
Ursachen/Formen der Arbeitslosigkeit Lösungsansätze Freiwilliger Arbeitswechsel, Stellen nicht am gleichen Ort (= friktionelle AL) – Förderung der Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen (RAV) – Weniger Leistungen der Arbeitslosenversicherung
Jahreszeitlich bedingte Produktions- und Nachfrageschwankungen (= saisonale AL) – Schlechtwetter- entschädigung – Kurzarbeitsentschädigung
Zinssenkung und Investitionsanregungen – Ausbau der Entschädigung bei Kurzarbeit
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Verständnis für Forderungen der Arbeitnehmer, aber Regulierung des Arbeitsmarktes ist schädlich für Unternehmer und damit letztlich auch für Arbeitnehmer (= strukturelle AL) – Günstigere Rahmenbedingungen für Unternehmer – Keine GAV mit Mindestlöhnen,
Ausbau von Kündigungsschutz – Staatliche Mittel zur Förderung einer diversifizierten
Wirtschaftsstruktur statt für Sozialversicherung und zusätzliche Lohnprozente Frauen, die wieder einsteigen wollen (=verdeckte AL, weil statistisch nicht erfasst) – Teilzeitarbeit einführen, (auch für Männer), – Tagesstrukturen für
Kinderbetreuung
Unproduktive Arbeitnehmer erbringen an ihren Arbeitsplätzen nicht mehr jene Leistung, die sie eigentlich erbringen könnten. Dabei werden Talente und Fähigkeiten verschwendet, die bei richtiger Förderung allen zugute kommen könnten. (= latente Arbeitslosigkeit) – Förderung von Jungunternehmern – Stärkung des Unternehmertums – Wachstumsimpulse – Mehr Wettbewerb