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So gut wie noch nie Der Modebranche geht es besser

SO GUT WIE NOCH N IE

Wahrnehmung versus Wahrheit: Der Modebranche geht es verdammt gut.

Ein Kommentar von Isabel Faiss.

Das fängt jetzt irre an. Die Deutschen gaben 2017 so viel Geld wie noch nie für Mode aus. 35 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die Modeindustrie in diesem Jahr, ein Plus von 2,9 Prozent. Tendenz weiter steigend. Zwischen 1970 und 1980 hat sich der Modekonsum in Deutschland mehr als verdoppelt. Mit 11,7 Prozent führt das Segment Mode die Statistik der Volumina nach Warengruppen im E-Commerce deutlich an. Laut den Erhebungen der Studie „Pulse of the Fashion Industry 2018“ haben 75 Prozent der globalen Modefirmen im letzten Jahr ihre Bilanz hinsichtlich Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit um sechs Bewertungspunkte von 32 auf 38 verbessert (von 100). Digitale Showrooms ersetzen die Produktion von Samples, was Ressourcen schont und Logistikkosten einspart. Neue technische Möglichkeiten in der Produktion machen Fasern aus Zitrusfrüchten möglich, die sich wie Seide anfühlen, aber biologisch abbaubar sind – vorgestellt von Salvatore Ferragamo. Wer nach guten Nachrichten sucht, findet sie, überall.

Endlich hat es jemand gesagt Jeden Abend um 20.16 Uhr entsteht der imaginäre Leserbrief an die ARD Zuschauerredaktion, Arnulfstraße 42, in 80835 München. Seit zwölf Jahren, keiner reagiert. Der Betreff ist immer der gleiche: „Und zum Schluss die gute Nachricht des Tages.“ Und dann sagt es ausgerechnet der Stern – keine Metapher, das Magazin. Genauer gesagt, der Autor Walter Wüllenweber in seinem Buch „Frohe Botschaft: Es steht nicht gut um die Menschheit – aber besser als jemals zuvor“. Er belegt seine These mit so vielen Zahlen und Fakten, dass der Hormonspiegel steigt. Mit Sätzen wie: „Seit 2010 können Wissenschaftler nachwei sen, dass sich das Ozonloch wieder schließt. Die Menschen sind heute gesünder, reicher, sicherer, gebildeter und freier als jemals in der Geschichte.“

Uns geht es verdammt gut Trotzdem wird so viel gejammert und befürchtet wie noch nie. Wahrnehmung versus Wahrheit, weil die Aufmerksamkeitsökonomie nun mal so tickt, dass sie den schlechten Nachrichten mehr Raum schenkt. Ein Phänomen, das die Modebranche kennt. Wo E-Commerce den stationären Retail restlos vernichten wird, die Konsumenten alle überinformierte Schnäppchenjäger geworden sind, Modemessen von Onlinegiganten aufgekauft werden, Nachhaltigkeit als Marketingtool verkommt. Wo die Zumutung „zwölf Kollektionen im Jahr“ dem Dagobert gegenüber Dollarzeichen in die Augen gambelt und man sich danach wundert, warum der Bedarf nicht da ist, weil er gedeckt ist – gruselig. Wo die nächste Saison eigentlich nur besser als die letzte werden kann und dennoch früher alles besser war. Warum sprechen die Zahlen da so eine andere Sprache als das Gefühl?

Heute verkauft keiner mehr T-Shirts direkt aus dem Karton, weil der Shit so heiß ist, dass ihn alle wollen, richtig. Die Innenstädte sind immer monopolistischer geprägt. Das Establishment leidet unter Fast Fashion Discountern. Es gibt die globalen Einschläge, die Nebensätze wie „aus L. A., aber ohne Strafzölle“ zum Verkaufsargument machen. Trotzdem geht es der Branche in Summe so gut wie noch nie. Das eine oder andere Problem könnte hausgemacht oder der Tatsache geschuldet sein, dass man Veränderungen generell skeptisch abdrängt, während sie einen als Realität überholen.

Quellen: www.bevh.org, Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland; Pulse of the Fashion Industry 2018, Global Fashion Agenda, Boston Consulting Group.

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