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Es braucht Menschen, die handeln“ Denimproduzent

„ES BRAUCHT MENSCHEN, DIE HANDELN“

Er ist der Gerd und Karl-Heinz Müller Bangladeschs in Personalunion: Mostafiz Uddin produziert mit seiner Firma Denim Expert Ltd. Jeans – und engagiert sich leidenschaftlich für Ansehen und Entwicklung seiner Heimat. Dazu hat er sowohl eine Denimmesse gegründet, als auch einen Nachhaltigkeitsgipfel ins Leben gerufen und reist um die ganze Welt, um über Bangladesch zu sprechen. style in progress im Gespräch mit einem, der weiß, dass Veränderung nur aus eigener Initiative möglich ist. Interview: Martina Müllner-Seybold. Foto: Mostafiz Uddin

Sie sind ein unermüdlicher Kämpfer für Nachhaltigkeit und das Image Ihres Heimatlandes als Produktionsstandort. Was treibt Sie an?

Der einzelne, der aufsteht und etwas tut, bringt Veränderung. Es gab nicht viele Ghandis, es gab einen Ghandi. Es braucht Menschen, die handeln. Ich bin dieser ganzen Diskussion müde: Die Produzenten sagen, es seien die Einkäufer, die Einkäufer sagen, es seien die Konsumenten, die nach billigen Preisen schreien. Die Schuld von einem zum anderen zu schieben, bringt uns doch nicht weiter – nur Handeln hilft.

Nun hat Bangladesch gehandelt. Fünf Jahre nach Rana Plaza ist es – und das ist ein Zitat des Accord-CEOs* Rob Wyass – das sicherste Entwicklungsland, in dem man produzieren kann. Hut ab, das ist verrückt schnell! In nur fünf Jahren.

Der Schlüssel ist das Wollen. Wenn Sie einem Bangladescher sagen, dass Ihr Unternehmen davon abhängt, dass er pünktlich liefert, wird er alles tun, um den Termin zu halten. Die Menschen in Bangladesch sind unglaublich verbindlich und anpackend.

Sie selbst haben ihre Fabrik, in der Sie 2.000 Menschen beschäftigen, komplett nachhaltig ausgerichtet. Ist Nachhaltigkeit auch etwas, was von den Menschen vor Ort mitgetragen wird?

Den Fabrikarbeiter interessiert zunächst, dass er einen guten Arbeitsplatz hat, fair bezahlt wird und sein Geld bekommt. Ob er das nun mit Billigjeans verdient oder mit hochwertigen, nachhaltigen Produkten, ist ihm vordergründig egal. Da sehe ich den Fabrikarbeiter auch nicht in der Verantwortung – da müssen die, die Verantwortung tragen, dafür sorgen, dass er eben keine Billigjeans mehr herstellt.

Was ja theoretisch längst nicht so kompliziert wäre, wie alle immer tun. Trendforscherin Lee Edelkoort hat erneut gefordert, dass die EU ein Importverbot für Billigjeans ausgibt. Ein Strafzoll auf unter ausbeuterischen Umständen gemachte Textilien erscheint dem Laien ja mindestens so machbar wie ein Strafzoll auf US-Jeans.

Genau! So lange Jeans für 15 Euro angeboten werden, werden sie auch produziert. Warum sagt man nicht: Jeans für unter 29 Euro sind in der EU verboten?

Gerade machen Sie sich wohl noch ein paar Feinde mehr in Ihrer Heimat …

Ja, das bringt Engagement mit sich. War es für meine Firma positiv, dass ich auf der ganzen Welt auf Kongressen, Messen und in Journalistengesprächen versuche, das Image von Bangladesch zu verbessern? Nein, im Gegenteil. Aber ich mache das auch nicht aus unternehmerischem Kalkül. Ich sage immer: Willst du Business machen, mach Business, willst du Charity machen, mach Charity. Beides zusammen geht nicht.

Klappt Nachhaltigkeit also auch erst, wenn es kein Akt der Barmherzigkeit mehr ist, sondern ein Geschäftsmodell?

Ja, langfristig sicher. Aber im Moment muss man auch verzichten können, teilen können: Während sich in Bangladesch die Löhne um 263 Prozent verteuert haben, sind die Sourcing -Preise aus der EU um 7,33 Prozent gefallen. Das Märchen, dass die Konsumenten oder Einkäufer für bessere Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit bezahlen würden, können Sie also direkt vergessen. Was also tun? Meinen Garnlieferanten im Preis drücken, meine Leute ausbeuten? Nein, mit der verminderten Marge muss ich als Unternehmer auch mal leben können. Zumindest wenn ich es mit der Nachhaltigkeit ernst meine.

Auf wen hoffen Sie also?

Auf die nächste Generation. Wir werden das nicht mehr ändern, wir sind von Gier und Geiz so zerfressen. Aber auf vielen Konferenzen habe ich junge Leute kennen gelernt, die mir unglaublich viel Hoffnung machen. Glauben Sie mir, für diese Generation ist Nachhaltigkeit nicht mehr diskutierbar!

Und bis dahin?

Werde ich weiter kämpfen und versuchen, Sichtbarkeit zu schaffen. Ich habe mit mehr als 300 Journalisten auf der Welt gesprochen, kein einziger davon war je in Bangladesch. Das Bild unseres Landes ist ein veraltetes. Die Fabriken, die Sie auf Archivbildern sehen, die in europäischen und amerikanischen Zeitungen noch immer verwendet werden, die gibt es gar nicht mehr. Aber die neuen, sauberen und sicheren Fabriken passen eben nicht ins Bild, das sich die westliche Welt von Bangladesch gemacht hat. Daher auch meine Initiativen wie die Denimmesse und der Nachhaltigkeitsgipfel in Bangladesch. Ich will, dass neue Bilder und Stimmen aus meinem Land zu sehen und zu hören sind.

*Accord ist die Initiative, die nach Rana Plaza zur Gebäude- und Feuersicherheit gegründet wurde.

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