Erzherzogtrio

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Sonntag, 1. Juli, 11 & 17 Uhr Schloss Eggenberg

Erzherzogtrio

1. TEIL IM PLANETENSAAL

Ferdinand Ries (1784–1838)

aus: Grand Quatuor in e, op. 129 1. Satz: Allegro

Franz Schubert (1797–1828)

aus: Klaviersonate in a, D 845 2. Satz: Andante, un poco mosso

Ludwig van Beethoven (1770–1827)

Trio für Klavier, Violine und Violoncello in B, op. 97, „Erzherzogtrio“ Allegro moderato Scherzo: Allegro Andante cantabile, ma però con moto Allegro moderato

Maria Bader-Kubizek, Violine Ursula Kortschak, Viola Dorothea Schönwiese, Violoncello Stefan Gottfried, Hammerflügel

Stefan Gottfried spielt auf einem Hammerflügel nach Jakob Bertsche (um 1815) von Robert Brown, Salzburg.


2. TEIL IM PARK

Auswahl aus Tänzen für zwei Violinen und Bass von Joseph Haydn

Zwölf Deutsche Tänze, Hob. IX:Anh Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)

Sechs Ländlerische Tänze, KV 606 Ludwig van Beethoven

Sieben Ländlerische Tänze, WoO 11 Sechs Ländlerische Tänze, WoO 15

Maria Bader-Kubizek, Violine Ursula Kortschak, Violine Dorothea Schönwiese, Violoncello

Konzertdauer: Erster Teil: ca. 65 Minuten Übersiedelung in den Park Zweiter Teil: ca. 30 Minuten

Die Picknick-Box befüllte „eckstein“. Wenn es regnet, erklingt auch der zweite Konzertteil nach einer Pause im Planetensaal. Ihre Picknick-Box packen wir Ihnen dann zum Genuss für zu Hause ein. Die Picknick-Boxen erhalten Sie in diesem Fall nach dem Konzert direkt beim Schloss-Ausgang von unseren Service-MitarbeiterInnen.


Erzherzogtrio

Im „Erzherzogtrio“ von Beethoven ist die enge Beziehung des Meisters zu einem ganz besonderen Habsburger sprichwörtlich geworden: Erzherzog Rudolph war der jüngste Bruder des ersten österreichischen Kaisers, Franz I., und sechs Jahre jünger als sein Bruder Johann. Der zweifellos musikalischste Habsburger seiner Generation hat als Schüler Beethovens selbst komponiert, vor allem aber auch Widmungen bedeutender Werke entgegengenommen: von Schubert, von Beethoven und von dessen Schüler Ferdinand Ries.


Ad notam

Ein Florentiner in Wien Als Erzherzog Rudolph am 8. Jänner 1788 in Florenz zur Welt kam, hieß er noch „Rodolfo Giovanni Giuseppe Ranieri d’Asburgo-Lorena“. Alles deutete darauf hin, dass der jüngste Sohn des Granduca Leopoldo seine Kindheit und Jugend in der Toskana verbringen würde wie die meisten seiner älteren Geschwister. Seine Mutter Maria Ludovica war Neapolitanerin, seine älteren Brüder Karl (der nachmalige Sieger von Aspern) und Johann (der Grazer Erzherzog) hatten schon Italienisch gelernt, und so sollte es auch mit dem kleinen Rodolfo geschehen. Nur der älteste Bruder Franz weilte schon beim Oheim in Wien, dem kinderlosen Kaiser Joseph II., der ihn zum Nachfolger ausbildete. Dann aber starb der Kaiser, und sein Bruder Leopold musste samt Frau und Kindern 1790 das schöne Florenz verlassen, um nach Wien umzuziehen. Aus dem zweijährigen Florentiner Rodolfo wurde der Wiener Rudolph – als jüngstes von zwölf Kindern seiner Eltern derjenige, der von Italien am wenigsten für sein künftiges Leben mitnahm.

Kirchlicher Würdenträger Nur knapp zwei Monate nach seinem vierten Geburtstag starb der Vater, der 20 Jahre ältere Bruder Franz bestieg den Kaiserthron und wurde zu Rudolphs Vormund. Als jüngster Bruder stand er in der Erbfolge des Erzhauses an letzter Stelle, ein nachgeborener Sohn, dem man wegen seiner schwächlichen Konstitution die geistliche Laufbahn zugedachte. Im März 1805 empfing er in Wien die niederen Weihen, im Juni wurde er Koadjutor des Fürstbischofs von Olmütz. Die Residenzpflicht dort war nicht allzu streng, so dass sich der neue Würdenträger überwiegend in Wien aufhielt. Als der Erzbischof 1811 starb, entsprach der Erzherzog freilich


nicht der allgemeinen Erwartung und verweigerte vorerst dessen Nachfolge. Erst 1819 konnte er sich zur vollen Priesterweihe entschließen und damit zu dem hohen Amt, das ihm aus Rom gleich auch noch den Kardinalshut bescherte. Seitdem war ihre Kaiserlich-Königliche Hoheit auch noch Kirchenfürst der römischen Kirche, „Eminentissimus“, Monsignore und Kardinal. Doch für alle in Wien blieb er einfach „der Erzherzog“.

Ein Klavierquartett aus London Von Beethovens Lieblingsschüler Ferdinand Ries stammt der Satz, der Meister habe nur zwei seiner Schüler gelten lassen: natürlich ihn selbst und Erzherzog Rudolph. In den Jahren 1808/09 werden die beiden Schüler einander in der Wohnung des Meisters und bei Konzerten öfters begegnet sein. Schon 1801 war Ries nach Wien gekommen und dort bald Beethovens Schüler geworden. Der rheinische Zungenschlag war nicht das Einzige, was die beiden miteinander verband: Der Vater Franz Ries war Hofmusiker in Bonn wie einst Beethoven, dem er 1785 Unterricht erteilt hatte. Nun revanchierte sich der Meister mit dem Unterricht für den jungen Ries, der bald sein Assistent in allen musikalischen Belangen wurde. 1809 machte sich Ries auf in die weite Welt und ging für Jahre auf Konzertreise, bevor er sich 1813 in London niederließ. Dort wirkte er höchst erfolgreich als Pianist, Dirigent und Komponist. Nach seiner Rückkehr in die rheinische Heimat lebte er in Godesberg bei Bonn und erzürnte später als nicht immer genialer Dirigent der Niederrheinischen Musikfeste den jungen Mendelssohn. Sein Klavierquartett in e-Moll ließ er 1824 in London erscheinen, versehen mit einer Widmung an Erzherzog Rudolph. Wie so viele Werke von Ries lässt auch dieses Quartett die Nähe zur Musik seines Lehrers erkennen: Der Kopfsatz im rasend schnellen Dreiertakt erinnert an den Beginn des e-Moll-Streichquartetts, Opus 59 Nr. 2. Die Ausarbeitung dagegen zeugt von all dem, was Ries bei Beethoven gelernt hatte: meisterhaft gestaltete Kammermusik in einer Sonatenform von weiten Dimensionen.


Variationen vom Wiener Franz Schubert Bevor Franz Schubert es wagen konnte, Anfang 1826 seine große a-Moll-Klaviersonate dem Erzherzog zu widmen, mussten vorher alle protokollarischen Schritte eingehalten, der hohe Würdenträger um Zustimmung ersucht und dessen voller Titel auf der Ausgabe platziert werden: „Première Grande Sonate pour le Piano-Forte composée et dediée A Son Altesse Imp. & Royale Eminentissime Monseigneur le Cardinal Rodolphe Archiduc d’Autriche &&& par François Schubert de Vienne. Œuvre 42.“ („Erste Große Sonate für Klavier, komponiert und seiner Kaiserlich-Königlichen Hoheit, Eminentissimus und Monsignore, Kardinal Rudolph, Erzherzog von Österreich etc. dediziert von Franz Schubert aus Wien. Opus 42.“) Da der Erzherzog ein ganz vorzüglicher Pianist war, bereitete ihm die Sonate keinerlei Schwierigkeiten, leider ist aber sein Urteil über dieses hochromantische Werk nicht überliefert. Dafür durfte Schubert selbst auf seiner großen Wanderung nach Oberösterreich im Sommer 1825 gleich die Wirkung der gerade erst vollendeten Variationen überprüfen: „Besonders gefielen die Variationen aus meiner neuen Sonate zu 2 Händen, die ich allein und nicht ohne Glück vortrug, indem mich einige versicherten, daß die Tasten unter meinen Händen zu singenden Stimmen würden, welches, wenn es wahr ist, mich sehr freut, weil ich das vermaledeyte Hacken, welches auch ausgezeichneten Clavierspielern eigen ist, nicht ausstehhen kann, indem es weder das Ohr noch das Gemüth ergötzt.“

Der Erzherzog als Schubert-Sammler Das innige Thema von Schuberts Variationen ist ein Andante in C-Dur, im „leicht bewegten“ Dreiachteltakt („Andante, un poco mosso“). Es erinnert nicht zufällig an die schlichten, schönen Lieder Schuberts, ohne einem Lied entnommen zu sein. Sicher wusste der Komponist, dass Erzherzog Rudolph zu den begeisterten Sammlern seiner Werke zählte: In der Musiksammlung des Erz-


herzogs befanden sich fast sämtliche 124 gedruckten Opera Schuberts. Daneben besaß er 93 „Lieder für das Pianoforte“ in einem besonderen Manuskript. Außerdem darf man den Erzherzog als eigentlichen Drahtzieher eines wichtigen Auftragswerkes vermuten: Dessen Haushofmeister, Graf Troyer, bestellte Anfang 1824 bei Schubert das berühmte Oktett, das sicher in Rudolphs Gegenwart aufgeführt wurde. Schuberts Klaviermusik, Kammermusik und Lieder gehörten also zu den liebsten Ablenkungen des hohen Würdenträgers, der freilich nur drei Jahre nach dem Komponisten, 1831, verstorben ist.

Rudolph und Beethoven Wohl erst 1808, nicht schon in den Jahren 1803/1804 lernte Erzherzog Rudolph in einem Wiener Palais Ludwig van Beethoven kennen. Er beschloss, bei dem großen Meister Kompositionsunterricht zu nehmen, worauf sich Beethoven gewissenhaft vorbereitete, indem er Hunderte von Seiten aus den großen Theoriewerken von Fux und anderen exzerpierte. Die Stunden strengten den Meister offenbar mehr an als den Schüler, weshalb Beethoven in späteren Jahren immer wieder Beschwerden vortäuschte, um nicht in der Hofburg erscheinen zu müssen. Dennoch blieb das Verhältnis der beiden herzlich bis zum Tod des Meisters. Gelegentlich konnte Beethoven selbst über den gutmütigen Rudolph herziehen, besonders 1811, als seine Erwartung, dessen Hofkapellmeister in Olmütz zu werden, herb enttäuscht wurde: „das erste Donnerwort, was ich höre, ist, daß dem gnädigsten Herrn auf einmal alles Pfaffthum und Pfaffthun verschwunden ist, und also die ganze sache nichts wird.“ Schon wenig später hätte sich Beethoven solche Töne nicht mehr leisten können. Denn von den drei Wiener Gönnern, die ihm eine lebenslange Leibrente in Höhe von 4000 Gulden jährlich zugesagt hatten, verstarb Fürst Ferdinand Kinsky, und Fürst Lobkowitz war nach dem Staatsbankrott Österreichs zahlungsunfähig. Nur Erzherzog Rudolph hielt seine


Zahlungen lebenslang aufrecht und unterstützte seinen schwierigen Lehrer auch sonst durch viele große und kleine Hilfeleistungen. Zum Dank dafür widmete ihm Beethoven mehr bedeutende Werke als irgendeinem anderen seiner zahlreichen Gönner: die Klavierkonzerte Nr. 4 und 5, die Klaviersonaten op. 106 und op. 111. Mit der Klaviersonate „Les Adieux“ setzte er der vorübergehenden Abreise seines Schülers von Wien ein klingendes Denkmal. Die Violinsonate Opus 96 schrieb er für den Erzherzog im Duo mit dem französischen Geiger Rode. Die „Missa Solemnis“ war bekanntermaßen zur Erzbischofsweihe Rudolphs gedacht, wurde aber nicht rechtzeitig fertig. Dennoch wurde der Erstdruck von 1823 natürlich dem Erzherzog gewidmet, ebenso die Druckausgabe der Großen Fuge, op. 133, nachdem sie aus dem Quartett Opus 130 herausgelöst worden war.

Erzherzogtrio In einem besonders lyrischen und besonders langen Werk der Kammermusik ist Beethovens Wertschätzung für seinen habsburgischen Schüler weltberühmt geworden: im „Erzherzogtrio“ Opus 97. Der Beiname stammt natürlich nicht von Beethoven – so wenig wie etwa „Kreutzersonate“ oder „Waldsteinsonate“. Seit Haydns Zeiten war es üblich geworden, Werke nach dem Widmungsträger zu benennen wie etwa die „Erdödy-Quartette“ oder die „Appony-Quartette“. Durch dieses „Branding“ zahlte sich das „Sponsoring“ für die hohen Herren posthum in unverhoffter Weise aus. Rudolph von Habsburg durfte freilich nur mit seinem Titel zum Namensgeber werden, nicht mit seinem Namen. Das ihm gewidmete Trio hat Beethoven bereits im Sommer 1810 entworfen und 1811 ausgeführt. Bedingt durch den österreichischen Staatsbankrott 1811, die Ereignisse von 1812 und den neuerlichen Kampf gegen Napoleon konnte es freilich vorerst nicht erscheinen. Erst im Sommer 1816 kam es endlich heraus. Kein anderes Werk des Meisters musste so lange auf seine Veröffentlichung warten.


Uraufführung im Siegestaumel Während der Erzherzog „sein“ Klaviertrio nur im kleinen Kreis für ausgewählte Zuhörer spielte, überließ er die öffentliche Uraufführung seinem Lehrer. Sie fand am Montag, 11. April 1814 in Wien statt. Am selben Tag legten die Alliierten in Paris Napoleon die Abdankungsurkunde vor: Der Kaiser der Franzosen trat vorläufig von der politischen Bühne ab. Die Nachricht vom Einzug der Alliierten in Paris hatte die Donaumetropole gerade erreicht, Beethovens Trio war also eine Friedens- und Siegesmusik. Nach der Uraufführung am Mittag gingen die Wiener abends ins Theater, um das Singspiel „Die gute Nachricht“ zu sehen. Die ganze Stadt feierte den Sieg über Napoleon. Der Einzige, der nicht feierte, war Beethoven. Die Uraufführung des B-Dur-Trios und dessen Wiederholung Anfang Mai 1814 waren seine letzten öffentlichen Auftritte als Pianist. Seine Taubheit machte es ihm unmöglich, weiter zu konzertieren. Es ist beinahe symbolisch, dass Beethoven und sein großer politischer Widersacher Napoleon im selben Moment abtraten.

Reaktionen Von der Uraufführung des Opus 97 haben sich etliche Berichte erhalten. Der junge Pianist Ignaz Moscheles schrieb dazu folgendes: „In einer musikalischen Unterhaltung im ‚Römischen Kaiser‘ in der Mittagsstunde ein neues Trio von Beethoven in B-Dur gehört, von ihm selbst gespielt. Bei wie vielen Kompositionen steht das Wörtchen ‚neu‘ am unrechten Platze: Doch bei Beethovens Kompositionen nie, und am wenigsten bei dieser, welche wieder voll Originalität ist. Sein Spiel, den Geist abgerechnet, befriedigte mich weniger, weil es keine Reinheit und Präzision hat; doch bemerkte ich viele Spuren eines großen Spielers, welches ich in seinen Kompositionen schon längst erkannt hatte.“ Sehr viel kritischer äußerte sich zu Beethovens Spiel der Geiger Louis Spohr, der bei einer Probe des Trios zuhören durfte: „Ein


Genuss war’s nicht, denn erstens stimmte das Pianoforte sehr schlecht, was Beethoven wenig bekümmerte, da er ohnehin nichts davon hörte, und zweitens war von der früher so bewunderten Virtuosität des Künstlers infolge seiner Taubheit fast gar nichts übrig geblieben. Im Forte schlug der arme Taube so auf die Tasten, dass die Saiten klirrten, und im Piano spielte er wieder so zart, dass ganze Tongruppen ausblieben, so dass man das Verständnis verlor, wenn man nicht zugleich in die Klavierstimme blicken konnte.“ In der Zeitung „Der Sammler“ hieß es, das Trio sei „in jeder Hinsicht schön und originell, für eine Akademie aber zu groß und weitläufig; es folgt Schlag auf Schlag, und wer nicht ganz Kunstkenner ist, wird beinahe durch die Menge der Schönheiten erdrückt.“ Der Schubert-Freund Franz Lachner (1803–1890) hörte das Trio bei einem Zusammentreffen mit Beethoven im Hause Streicher in der Ungargasse: „Eines Tages war ich allein dort und saß am Flügel neben Nanette Streicher, welche eben das große B-Dur-Trio von Beethoven Op. 97 studierte. Da trat plötzlich Beethoven, auf dessen Hauswesen Frau Streicher viel Einfluss hatte, in das Zimmer, eben als wir bis zum Anfang des letzten Satzes gekommen waren. Er hörte unter Anwendung des stets in seiner Hand befindlichen Hörrohres einige Augenblicke zu, zeigte sich aber alsbald mit dem zu zahmen Vortrage des Hauptmotivs des Finales nicht einverstanden, sondern beugte sich über die Clavierspielerin hinüber und spielte ihr dasselbe vor, worauf er sich alsbald wieder entfernte."

Zur Musik Erster Satz, Allegro moderato („Mäßig rasch“): Das Hauptthema ist das Paradigma des geläuterten Stils, wie ihn Beethoven nach 1810 in seinen Werken anschlug: ein B-Dur-Gesang,

den Klavier und Streicher so unbekümmert vor sich hinsingen, als stamme er von Franz Schubert. In den Klavierpassagen der Überleitung leuchtet noch einmal kurz Beet-


hovens „éclat triomphal“ auf, um dann aber rasch dem ebenfalls lyrischen Seitenthema Platz zu machen. Vom alten Themendualismus des Beethoven’schen Sonatensatzes ist hier nichts zu spüren: Das G-DurSeitenthema wirkt nur wie die innere Fortsetzung des Hauptthemas. Die Durchführung ist auf dieser Grundlage nichts anderes als ein flächiges Ausbreiten lyrischen Gesangs. Sie gipfelt in einer langen Pizzicato-Passage der Streicher zu gitarrenartigem Klavierklang, einer Art Serenade. Nach der subtil veränderten Reprise bringt die Coda die längst erwartete hymnische Steigerung des Themas in dem für Beethoven so typischen drängenden Gestus. Zweiter Satz, Scherzo, Allegro („Rasch“): Das Scherzo macht seinem Namen vom ersten Takt an alle Ehre: mit einer naiv volkstümlichen Weise des Cellos, die die Geige in Gegenbewegung beantwortet. Hier bitten zwei Wiener Straßenmusikanten zum Walzer, was sich das Klavier nicht zweimal sagen lässt. Mit Vergnügen verfolgte ein anonymer Kritiker der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ den kontrapunktischen Weg des so einfachen Themas: „Ein solch unscheinbares Ding, das so leicht aussieht, sich so gemütlich anhört, so unschuldig sein kleines Pflanzenleben durchtändelt, - trägt den Stempel der Vollendung in sich,

und kann nur aus der Feder eines gelehrten Theoretikers fließen.“ Dass Beethoven sich hier keineswegs nur als Meister des Kontrapunkts betätigte, sondern auch als musikalischer Zeitzeuge, verschwieg der Kritiker. Das Scherzo ist nichts anderes als ein ironischer Kommentar zur rasch um sich greifenden Walzersucht der Wiener. Auch in das fahle Thema des b-Moll-Trios, das sich aus der tiefen Lage der Instrumente chromatisch nach oben schraubt, mischt sich der Walzer ein. „Wie ein blendendes Nordlicht scharf und grell“ brechen Anflüge einer Valse brillante hervor, die Webers „Aufforderung zum Tanz“ vorwegzunehmen scheinen, aber in ein gespenstisches Licht getaucht sind, das schon die nahe Romantik ankündigt. Zweimal wechseln Hauptteil und Trio ab, bevor eine „humoristische Coda den durch das lugubre Trio einigermaßen suspendierten Frohsinn vollkommen wiederherstellt.“ Dritter Satz, Andante cantabile („Liedhaft gehend“): Einer der schönsten Variationensätze in Beethovens Kammermusik. Wohlweislich versah er die Überschrift mit dem Zusatz „ma però con moto“ (allerdings mit Bewegung), um davor zu warnen, den Satz seiner gesanglichen Schönheiten wegen zu langsam zu nehmen. Die stille Größe des D-Dur-Themas beruht - wie so oft bei Beethoven - auf den einfachsten


diatonischen Harmonien. Im Laufe der Variationen werden sie zunächst kaum durch kunstvollere Akkorde ersetzt, denn im Vordergrund steht der Klang. Die Rollen im Triosatz sind so eigenwillig verteilt, dass man an die sperrige Klanglichkeit der späten Quartette erinnert wird. Erst in der langen Passage der vierten Variation („un poco più Adagio“), in der die Streicher das synkopierte Thema über rauschenden Klavierakkorden bringen, darf sich das Trio in klassischer Klangschönheit aussingen. In der letzten Variation steigert sich dieses Cantabile nach zaghaftem dialogischem Beginn zur Emphase eines harmonisch reichen, romantischen Gesangs. Vierter Satz, Allegro moderato („Mäßig rasch“): Unversehens verwandeln sich die letzten Akkorde des dritten Satzes in den Auftaktakkord zum Finale. „Es hat dieser Satz einen tändelnden Charakter,

der durch die leichte Behandlungsart aller drei Instrumente und der ihnen zugeteilten lebhaften Figuren und Passagen recht klar anschaulich hervortritt“, meinte der schon mehrfach zitierte Kritiker. Die Rondoform nutzte Beethoven hier zu Ausflügen in teils humorvolle, teils widerborstige Episoden. Am Ende machte er sich einen Lieblingskunstgriff Mozarts zunutze: das Thema vom geraden Takt in den 6/8-Takt zu versetzen. Bei Beethoven beginnt dieses Presto freilich in A-Dur, also enharmonisch soweit vom Grundton entfernt, dass die endgültige Rückkehr nach B-Dur dem Satz zu einem sensationellen Schluss verhilft. Sofern die Musiker „ihr Spiel in Eins verschmelzen“ können, dürfte diesem Satz wie dem ganzen Trio „der herrlichste Total-Effect mit apodiktischer Gewissheit verbürgt werden“, meinte entzückt unser musikkritischer Gewährsmann von 1817.

Josef Beheimb


Die Interpreten Maria Bader-Kubizek, Violine Maria studierte Violine in Wien, Salzburg und London und wurde musikalisch besonders geprägt von Sándor Végh und Nikolaus Harnoncourt. Mit Letzterem verbanden sie fast drei Jahrzehnte Zusammenarbeit, sowohl in seinem Concentus Musicus als auch mit dem Chamber Orchestra of Europe (COE). Mit dem COE spielte sie auch unter unzähligen anderen namhaften Dirigenten wie etwa Claudio Abbado, George Solti, Carlo Maria Giulini, Paavo Berglund, Bernhard Haitink, Pierre Boulez oder Yannick Nézet-Séguin. Als Konzertmeisterin und Solistin war und ist Maria seit vielen Jahren mit den unterschiedlichsten Orchestern und Formationen tätig, in jüngerer Zeit auch vermehrt als Ensembleleiterin. So arbeitete sie beispielsweise mit der Haydn Akademie Eisenstadt, der Capella Czestochoviensis für Alte Musik in Polen, dem Kammerorchester Basel, der Kölner Akademie, dem Ensemble recreationBAROCK in Graz, mit Il Concerto Viennese u. v. a. Maria traf dabei auf Künstler wie Andreas Scholl, Jean Rondeaux, Florian Boesch, Werner Güra, Dorothee Mields, Christophe Coin, Paul Gulda, Roel Dieltiens, Stefan Gottfried etc. Die Geigerin liebt Projekte, die über den normalen, manchmal allzu verstaubten Konzertbetrieb hinausgehen. Beispielsweise gemeinsam mit dem argentinischen Straßenkünstler, Regisseur und Clown Adrian Schvarzstein oder dem kosmopolitisch weltverbindenden Schauspieler, Dramaturgen und Autor Thomas Höft.


Auch in den Installationen des genialen Schweizer Steinbildhauers Piero Maspoli frei zu improvisieren, ist für Maria pure Inspiration. In den letzten Jahren hat sie sich mehr und mehr für die Schnittstelle von Kunst und Heilkunst interessiert und ein neues Prinzip der Klangkommunikation ins Leben gerufen, mit dem sie dazu beiträgt, einen verständnisvollen Zugang zu Kindern zu schaffen, die verbal nicht erreichbar sind. Alle jene, die sich mit ganzem Herzen für eine friedlichere Welt einsetzen, in der Menschen und Völker mit offenen Herzen aufeinander zugehen, anstatt sich zu bekämpfen, und in der der Natur wieder Respekt und Wertschätzung entgegengebracht wird, sind Marias Vorbilder.

Ursula Kortschak, Violine & Viola Ursula Kortschak stammt aus einer Grazer Musikerfamilie und lebt seit 1982 in Wien. Sie studierte zunächst Violine bei Walter Klasinc in Graz und absolvierte danach ihr Studium der Instrumentalmusikpädagogik bei Erich Schagerl in Wien. Ihre weitere Ausbildung setzte sie im Fach Viola bei Thomas Riebl in Salzburg und Barockvioline bei Chiara Banchini in Basel fort. Von Nikolaus Harnoncourt, in dessen Concentus Musicus sie seit 1992 spielt, bekam sie zündende Anregungen und Prägung in der musikalischen Kommunikation. Sie ist Bratschistin in Rudolf Leopolds Il Concerto Viennese und im Clemencic Consort. Als Geigerin ist sie langjähriges Mitglied des Balthasar-Neumann-Ensembles unter Thomas Hengelbrock. Großes Interesse der Musikerin gilt auch der Neuen Musik, sie trat wiederholt mit dem Klangforum Wien und dem Ensemble die


reihe auf. Sie ist Widmungsträgerin einiger Kompositionen, die sie auch zur Uraufführung gebracht hat.

Dorothea Schönwiese, Violoncello Dorothea Schönwiese ist seit 2011 Continuo- und Solocellistin des Concentus Musicus Wien, in dem sie seit 1990, bis 2015 unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt, spielt. Die Begegnung mit Nikolaus Harnoncourt reicht bis in ihr Studium am Mozarteum Salzburg zurück, wo sie mit ihm u. a. die Solo-Suiten von Johann Sebastian Bach studierte. Ihr Cellostudium absolvierte sie in Wien, Salzburg, Mailand und Manchester sowie an der Juilliard School of Music in New York. Meisterkurse bei Heinrich Schiff, William Pleeth, Ralph Kirshbaum und Paul Tortelier runden ihre Ausbildung ab. Wichtige künstlerische Impulse erhielt sie von Sandor Végh, in dessen Camerata Academica sie zwei Jahre lang mitwirkte und mit der sie auch als Solistin auftrat. Sie war Solocellistin des Gustav Mahler Jugendorchesters, Gastsolocellistin des RSO Wien und ist Solocellistin des Ensemble Prisma (Leitung: Thomas Fheodoroff) und des Ensemble Claudiana (Leitung: Luca Pianca) sowie Gastsolocellistin vieler österreichischer und internationaler Ensembles. Hauptschwerpunkte ihrer künstlerischen Arbeit sind das ContinuoSpiel und die Kammermusik. Hier reicht die Bandbreite vom historischen Klaviertrio (Wiener Fortepianotrio) über klassisches Streichquartett (Anton Webern Quartett Wien) bis hin zum zeitgenössischen Ensemble (Ernst Krenek Ensemble). 2013 gründete sie das Trio Laflamme mit Traversflöte und Hammerklavier. Die neueste CD des Trio Laflamme mit Trios der Romantik wurde


international mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pasticciopreis von Ö1. Sie tritt als Solistin und Kammermusikerin regelmäßig bei den wichtigen Festivals und in den großen Konzerthäusern auf.

Stefan Gottfried, Hammerflügel Der gebürtige Wiener studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Cembalo, Klavier, Komposition und Musikpädagogik sowie Generalbass und historische Tasteninstrumente an der Schola Cantorum Basiliensis, daneben Horn am Konservatorium Wien und Mathematik an der Technischen Universität Wien. Es folgte eine vielfältige internationale Konzerttätigkeit (Cembalo, Hammerklavier und Klavier) als Solist, Kammermusikpartner und Continuospieler in Ensembles mit historischen Instrumenten (u. a. Concentus Musicus Wien, Bach Consort Wien, Wiener Akademie) und modernen Orchestern (u. a. Wiener Philharmoniker und Berliner Philharmoniker unter Dirigenten wie Zubin Mehta, Daniel Harding, Georges Prêtre oder Kent Nagano). Seit 2004 arbeitete Stefan Gottfried regelmäßig mit Nikolaus Harnoncourt zusammen, unter anderem bei dessen Opernproduktionen bei der styriarte (Purcell „Fairy Queen“, Mozart „Idomeneo“, Smetana „Die verkaufte Braut“, Offenbach „Barbe-Bleue“), am Theater an der Wien (Händel „Rodelinda“, Haydn „Orlando paladino“, „Il mondo della luna“, Beethoven „Fidelio“, Strawinski „The Rake’s Progress“ und zuletzt beim Mozart-Da Ponte-Zyklus) und bei den Salzburger Festspielen (Mozart „Le nozze di Figaro“, „Die Zauberflöte“) sowie bei vielen Konzerten u. a. im Wiener


Musikverein, in der Berliner Philharmonie und beim Lucerne Festival. Stefan Gottfried ist Professor für Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und hält Vorträge zu verschiedenen Aspekten der historischen Aufführungspraxis. 2015 debütierte er als Dirigent an der Wiener Kammeroper mit der Wiederaufführung von Gassmanns „Gli Uccellatori“. Nach dem Rücktritt von Nikolaus Harnoncourt im Dezember 2015 hat Stefan Gottfried gemeinsam mit Erich Höbarth und Andrea Bischof die Leitung des Concentus Musicus Wien übernommen und dirigiert das Ensemble seither. Ab der kommenden Saison wird er im Theater an der Wien den Posten eines Conductor in Residence bekleiden und dort im ersten Jahr zwei Produktionen leiten.


Eisen

Eine Spurensuche mit Erzherzog Johann

Universalmuseum Joanneum

Landwirtschaftsmuseum Schloss Stainz 24. 03. — 31. 10. 2018 Schlossplatz 1, 8510 Stainz, Di – So 10 – 17 Uhr www.landwirtschaftsmuseum-stainz.at

Foto: KH. Wirnsberger

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Aviso Samstag, 14. Juli – Stefaniensaal, 20 Uhr

Unvollendete Schubert: Ouvertüre zu „Die Zauberharfe“ Unvollendete Symphonie Nr. 7 in h, D 759 Lieder, orchestriert von Brahms und Webern

Florian Boesch, Bassbariton Concentus Musicus Wien Dirigent: Stefan Gottfried Im Originalklang des Concentus Musicus und in der perfekten Akustik des Stefaniensaals wirken Sinfonie und Lieder so wahr und unmittelbar wie in der Stunde ihrer Entstehung. Für Stefan Gottfried und Florian Boesch ist dieser Abend eine Hommage an den größten Schubertdirigenten ihres Lebens: Nikolaus Harnoncourt.

Mittwoch, 18. Juli – Helmut List Halle, 20 Uhr

Haydn Imperial Haydn: Sinfonie in D, „L’Impériale“ Sinfonie in C, „Maria Theresia“ Sinfonia concertante in B, Hob. I: 105

Erich Höbarth, Violine Christophe Coin, Violoncello Hans-Peter Westermann, Oboe Alberto Grazzi, Fagott Concentus Musicus Wien Dirigent: Stefan Gottfried Kaiserin Maria Theresia, verherrlicht in den Haydn-Sinfonien, die noch heute ihren Namen tragen. In der Sinfonia concertante frönt der Concentus dagegen dem gewitzten Haydn der späten Jahre. Es darf gelacht werden – wie es auch die Kaiserin tat, wenn sie Haydn hörte.


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