King of Klezmer

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Sonntag, 30. Juni 2019, 20 Uhr Helmut List Halle

King of Klezmer

Ora Bat Chaim (*1935)

Together Giora Feidman (*1936)

Prayer Traditional

Vranjanka Sarn Liberman

To my Friend Michale Traditional

Hora Moldavia Traditional

Amazing grace Rabbi Levi Yitzchak (1740–1810)

A Dudele


Traditional

Nobody know’s the trouble I’ve seen Armenisches Lied

Zina, Zina Traditional

Hora Martisor Sholom Secunda (1894–1974)

Donna, Donna Ángel Villoldo (1861–1919)

El Choclo Ora Bat Chaim

Mamme Loshn Traditional

The new Freilach

Mario Korunic (*1964)

Kishinev Violeta Parra (1917–1967)

Gracias a al vida


Traditional

Sherele Dov Seltzer (*1932)

Simcha V’nigun Yesh Traditional

Happy Nigun Gioacchino Rossini (1782–1868)

Arie des Figaro Astor Piazzolla (1921–1992)

Libertango Traditional

Nigun Atik Traditional

Nigun Moshe Traditional

The Skye Boat Song Traditional

Shiri Freilach


Giora Feidman, Klarinette & Bassklarinette Michael Leontchik, Cimbal Gitanes Blondes: Mario Korunic, Violine Konstantin Ischenko, Akkordeon Christoph Peters, Gitarre Simon Ackermann, Kontrabass

Patronanz:

Konzertdauer: Erster Teil: ca. 45 Minuten Pause: ca. 30 Minuten Zweiter Konzertteil: ca. 45 Minuten


King of Klezmer

Die Musikgeschichte ist voller Verwandlungen, selten aber ist ein ganzer Musikstil so voller Anverwandlungen wie die Klezmermusik. Hier finden Jahrhunderte alte Traditionen des Singens in der Synagoge mit heiterer Tanzmusik zusammen. Hier sind die Einflüsse der Musik von Sinti und Roma stark zu spüren, und hier glüht auch das Feuer der Musik Bessarabiens. Giora Feidman, der unbestrittene König des Klezmer, bringt all dies zu einer wundervollen Einheit zusammen.


Ad notam

Giora Feidman wurde in Europa durch ein Theaterstück bekannt, das wie kaum ein anderes die Gefühle der Achtzigerjahre in einem Geniestreich bannte: „Ghetto“ war der Titel, Joshua Sobol der Autor. Der große deutsch-britische Regisseur Peter Zadek inszenierte das Stück in Berlin und Hamburg, und Giora Feidman stand dort Klarinette spielend auf der Bühne und erinnerte an das Schicksal des Wilnaer Ghettos im Jahr 1943 – mit allen komplexen Verquickungen von Jazz liebenden SS-Mördern, jüdischen Kollaborateuren und der Hoffnung durch Kunst. Wer damals in einer der Vorstellungen war, wird sich noch heute an die unbeschreibliche Wehmut erinnern, die durch Giora Feidmans Spiel entfacht wurde. Und die Auftritte lösten einen Boom, ein neues Interesse an der Klezmermusik aus, die Giora Feidman bis heute in die Konzert­säle der Welt führt. Feidman, der aus einer argentinischen Klezmerfamilie stammt, gehört zum Glück zu den Musikern, die sich oft und klug auch zum eigenen Tun äußern. Deshalb kann man aus den zahlreichen Gesprächen, die er zu seiner Kunst führt, viel Grundsätzliches zu seiner Arbeit lernen. Zum Beispiel seine Deutung des Ursprungs der Klezmermusik: „Das Wort Klezmer besteht aus den zwei hebräischen Wörtern ‚Kli‘ und ‚Zemer‘. Sie bedeuten übersetzt ‚Instrument des Liedes‘. Der Körper ist das Instrument des Liedes, um mit einer Stimme eine Sprache auszudrücken, die wir Musik nennen. Das ist die wahre Bedeutung des Begriffs Klezmer. Klezmer hat nichts mit Religion zu tun.“ Das ist tatsächlich eine sehr wichtige Bemerkung, denn Klezmer ist schon im Ursprung tatsächlich reine Unterhaltungsmusik. Zwar


haben die Musiker verschiedener Generationen immer wieder bekannte Phrasen eines Chasan, also eines Vorsängers in der Synagoge, aufgegriffen und ihrer Musik anverwandelt, aber diese Melodien sind ihres geistlichen Gehaltes völlig entkleidet. Dazu kommt, dass Klezmer im Ursprung und bis heute Instrumentalmusik ist. Wenn die menschliche Stimme überhaupt zum Einsatz kommt, dann im melismatischen Gesang ohne Text. Hauptinstrument der Klezmorim, also der umherziehenden Musiker, war lange Zeit die Violine. Und da die Zigeunermusiker der Sinti und Roma ebenso Außenseiter waren und ebenso umherzogen, ergaben sich bald Überschneidungen in Repertoire und Stil. Im 19. Jahrhundert allerdings verdrängte die moderne Klarinette die Geige als Hauptinstrument der Klezmorim, und der heute allseits bekannte und beliebte Stil bildete sich in Bessarabien heraus, der Schwarzmeerprovinz, die das heutige Moldawien und die südliche Ukraine umfasst. Auch wenn der Klezmermusik kein religiöser Inhalt eingeschrieben ist, heißt das für Giora Feidman noch lange nicht, dass Glaube hier keine Rolle spielt: „Musik ist ein Gebet ohne Religion. Und ich bin Musiker ... Musik ist eine Sprache. Es ist sehr einfach, sie zu fühlen. Wenn wir die Namen der Komponisten, die Titel der Stücke und die Zeit, in der sie geschrieben wurden, beiseitelassen, dann bleibt einfach Musik übrig. Das Instrument, durch das wir die musikalische Botschaft übermitteln, ist nicht wichtig. Ich kann Klarinette spielen und mich durch sie ausdrücken, weil bereits mein Vater Klarinettist war. Keine Frage, Musik, ebenso wie Tanz oder Malerei, sind Elemente, mit denen man die Sprache der Seele ausdrücken kann. Musik ist ein Element davon. Dieser ,heilige Klebstoff ‘ erinnert uns daran, dass wir eine Familie sind – die Familie der Menschheit.“ Die humane Botschaft seines Spiels steht im Zentrum jedes Auftritts von Giora Feidman. Und natürlich ist dabei der Schrecken des Holocaust nach wie vor präsent. Dennoch will der Musiker nicht als steter Mahner gelten: „Ich glaube, der Aufarbeitungs- und


Heilungsprozess in Deutschland ist abgeschlossen. Man darf neugeborenen Kindern kein schlechtes Gewissen, keine Schuld einreden und auch keinen Hass, das wäre kriminell. Wir haben Probleme im Nahen Osten, in Afrika. Überall bringen sich Menschen gegenseitig um. Nach einer, zwei, vielleicht nach fünf Generationen findet man eine Lösung. Kinder werden ohne Vorurteile geboren und es ist die Verantwortung der Erwachsenen, das zu erhalten.“ Dabei schöpft der Klarinettist aus seiner Herkunft. „Mein Vater war – und ist – mein Lehrer. Ich bin die vierte Generation einer Klezmer-Familie. Schon mit neun spielte ich erfolgreich auf Hochzeiten. Mein Vater war ein Exempel an Selbstlosigkeit, er war zugleich Klarinettist an der Oper in Buenos Aires. Als es mit mir so richtig losging, als ich schon mit 19 am berühmten Teatro Colón eine Stelle hatte oder später beim Israel Philharmonic, tja, da ging ich als junger Mann natürlich vor Stolz durch die Decke. Die Mädchen mochten das auch. Mein Vater war es, der immer sagte: ‚Hallo! Komm mal wieder runter von der Wolke!‘ Aber er hat auch gesagt: ‚Wenn deine Familie deine Freunde sind und deine Freunde deine Familie, dann bist du am richtigen Ort‘. Solche Menschen braucht man im Leben. So hat er mich erzogen, er hat nie gesagt: ‚Das ist zu schwer‘ oder ‚Du musst so spielen‘.“ Wenn die styriarte sich seit längerem damit beschäftigt, die Musik aus dem „Tempel der Andacht“, in den sie durch den klassischen Musikbetrieb immer wieder hineingedrängt wird, zu befreien und deren Kontexte lebendig zu machen, so findet sie in Feidman einen großen Fürsprecher: „Musik ist eine Sprache. Und die kann sich nur in einer Atmosphäre entwickeln, in der die Trennung zwischen Künstler und Publikum verschwindet. Es funktioniert nicht, von der Bühne herab zu sagen: ,Ich spiele Klarinette, ihr zahlt und hört zu‘. Kunst bedeutet, dass man die natürliche Einheit der Menschen an die Oberfläche bringt. Da gibt es viele Wege, so aufzutreten ist nur einer.“


Giora Feidman hat mit seinem heutigen Programm das Motto „Verwandelt“ in einer ganz speziellen Weise verwirklicht. Neben vielen traditionellen Klezmerstücken kleiden Giora Feidman und seine Musiker auch Stücke aus ganz anderen Zusammenhängen in ihren Klezmersound. Das beginnt mit dem Gospelsong „Amazing Grace“, entwickelt sich über Violeta Parras berühmtes Protestlied „Gracias a la vida“, lässt Rossinis Arie des Figaro aus dem „Barbier von Sevilla“ nicht aus und endet bei Piazzollas „Libertango“. Dazu nimmt, wie stets in den Konzerten Feidmans, die israelische Komponistin Ora Bat Chaim einen herausragenden Platz ein. Feidman meint dazu: „In Oras Musik habe ich eine unerhörte Botschaft gefunden, an der ich teilhaben wollte. Es ist bezeichnend, dass ich beim Film ‚Jenseits der Stille‘ gebeten wurde, etwas von ihr zu spielen. Ganz generell: Ich bin mir sehr bewusst, nur das Instrument der Komponisten zu sein. Es ist ein großes Geschenk für mich, dass ich so viele anregen kann, unglaubliche Dinge für mich zu schreiben.“ Thomas Höft


Die Interpreten

Giora Feidman, Klarinette & Bassklarinette 1936 als Sohn jüdischer Einwanderer in Argentinien geboren, wird Giora Feidmans Jugend durch die spezifisch jüdische Musiktradition des Klezmer geprägt. Er entstammt einer Familie von Klezmorim, deren Tradition er in der vierten Generation fortsetzt. Feidmans Eltern wanderten um 1905 wegen einsetzender Judenpogrome nach Südamerika aus. Sein Vater war sein erster Lehrer. Nach einer klassischen Musikausbildung wird Giora Feidman mit 18 Jahren in das Orchester des Teatro Colón in Buenos Aires aufgenommen. Zwei Jahre später folgt die Berufung als jüngster Klarinettist in das Israel Philharmonic Orchestra. In den fast zwei Jahrzehnten seiner Orchesterzugehörigkeit arbeitet er mit allen bedeutenden Dirigenten seiner Zeit. Giora Feidman entwickelt in dieser Zeit sein Verständnis von Musik als die „Sprache der innersten Seele“, als ein Mittel der Verständigung, das alle Grenzen überwindet. Anfang der siebziger Jahre verlässt Feidman das Israel Philharmonic Orchestra und startet mit seiner musikalischen Botschaft die weltweite Renaissance der alten Klezmer-Tradition, bereichert


um die vielfältigen Stile klassischer und moderner Musik. Von New York aus, wo er als „King of Klezmer“ gefeiert wird, ebnet er der „Jewish soul“ den Weg auf die klassische Konzertbühne und schenkt seinen Zuhörern nicht nur eine sehr persönliche Interpretation des Klezmer, sondern eine grenzenlose Hommage an das Leben. Parallel dazu bleibt Giora Feidman seinen musikalischen Anfängen treu: Auftritte mit zahlreichen namhaften Orchestern und Ensembles wie dem Kronos Quartett oder der Polnischen Kammerphilharmonie kennzeichnen seinen Weg ebenso wie CD-Produktionen mit den Berliner Symphonikern oder dem Philharmonischen Kammerorchester München. Heute ist der Virtuose Feidman eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte. 2001 verlieh man ihm in Berlin in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden das Große Bundesverdienstkreuz am Bande.

Michael Leontchik, Cimbal Michael Leontchik ist ein Meister auf dem Zimbal (russisches Hackbrett). Er studierte an der belarussischen Musikakademie und wurde mit vielen Wettbewerbspreisen ausgezeichnet. Leontchik ist ein Grenzgänger zwischen Klassik und Jazz, der auch Folklore aus ganz Europa und Russland mit Jazz und Klassik zu einem neuen Stilmix vereinigt.

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und setzen dafür auf den Schall der Weltmusik, einem Genre, das keine Grenzen kennt, denn die schönsten Melodien sind Weltenbürger und nahezu überall zuhause. Die 1999 von dem kroatischen Violinvirtuosen Mario Korunic gegründete Band, in der sich mit dem Akkordeon-Musiker Kons­ tantin Ischenko (St. Petersburg) ein weiterer hervorragender Solist befindet, entführt die Zuhörer sowohl in die Welten des Klez­ mer und des Balkan als auch in die Tiefen der irischen, russischen und süd­amerikanischen Folklore. Komplettiert durch Christoph Peters an der Gitarre und den Kontrabassisten Simon Ackermann schaffen die in München ansässigen Musiker atmosphärische, beinahe schwebende Klanggebilde. Und – augenzwinkernd, frisch und oftmals frei improvisiert – erstrahlen bei Gitanes Blondes ausgesuchte Meisterwerke klassischer Musik in neuem Licht.


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