Bei Mozarts im Garten

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Sonntag, 14. Juli 2019, 11 und 17 Uhr Schloss Eggenberg

Bei Mozarts im Garten

1. TEIL IM PLANETENSAAL

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)

Flötenquartett in D, KV 285 Allegro Adagio Rondeau: Allegretto

Aus: Divertimento für Streichtrio in Es, KV 563 4. Satz: Andante

Oboenquartett in F, KV 370 Allegro Adagio Rondeau: Allegro

Aus: Divertimento für Streichtrio in Es, KV 563 6. Satz: Allegro

Flötenquartett in A, KV 298 Thema: Andante Menuetto Rondieaoux: Allegretto grazioso


2. TEIL IM PARK Wolfgang Amadeus Mozart

Aus: Divertimento für Streichtrio in Es, KV 563 3. Satz: Menuetto: Allegretto – Trio 5. Satz: Menuetto: Allegretto – Trio

Flötenquartett in C, KV Anh. 171 Allegro Thema con variazioni: Andantino Friedrich Dotzauer (1783–1860)

Aus: Oboenquartett in F, Op. 37 2. Satz: Andantino

Charles Brink, Traversflöte Heri Choi, Oboe Maria Bader-Kubizek, Violine Firmian Lermer, Viola Philipp Comploi, Violoncello

Patronanz: Programmdauer: Erster Teil: ca. 60 Minuten Übersiedelung in den Park Zweiter Teil: ca. 30 Minuten

Die Picknick-Box befüllte die styriarte in Kooperation mit der Bäckerei Sorger. Wenn es regnet, erklingt auch der zweite Konzertteil nach einer Pause im Planetensaal. Ihre Picknick-Box packen wir Ihnen dann zum Genuss für zu Hause ein. Die Picknick-Boxen erhalten Sie in diesem Fall nach dem Konzert direkt beim Schloss-Ausgang von unseren Service-MitarbeiterInnen.


Bei Mozarts im Garten

In der heutigen Matinee unternehmen wir einen klingenden Ausflug zu einigen länd­ lichen Idyllen in Mozarts Leben. Dabei ver­ wandeln sich Charles Brink an der Travers­ flöte und Heri Choi an der klassischen Oboe in Sänger. Denn von seinen Bläsersolisten verlangte Mozart, dass sie dem Cantabile und den Koloraturkünsten der großen Sän­ ger nacheifern sollten – auch im scheinbar kleinen Genre des „Quatuor concertant“ für Blasinstrument und Streicher.


Ad notam

Flötenquartette für Mannheim Obwohl Mozart die Flöte angeblich nicht leiden konnte, war er mit erstaunlich vielen Flötisten befreundet: mit dem Münchner Solo­ flötisten Becke und dessen Mannheimer Gegenstück Wendling, mit dem Mainzer Soloflötisten Freyhold und dem Wiener Profes­ sorensohn Gottfried von Jacquin. Für Letzteren komponierte er das Flötenquartett in A-Dur von 1786, die drei anderen Herren gingen leider leer aus. Denn seine bekannten Solowerke mit Flöte schrieb Mozart fast durchwegs für einen kuriosen Besteller, der nur im Nebenberuf Flötist war: Dr. Ferdinand Dejean. Der geborene Rheinländer hatte viele Berufe: Dr. med. und Medi­ zingelehrter, Professor der Chemie und Besitzer einer umfang­ reichen Sammlung von physikalischen Instrumenten. Letztere sowie sein stattliches Vermögen verdankte er den langen Jahren, die er im Dienst der Ostindischen Kompanie in Asien zugebracht hatte. Zufällig hielt sich dieser polyglotte Gelehrte und Flötist am Mannheimer Hof auf, als dort im Herbst 1777 auch Mozart eintraf. Der Mannheimer Soloflötist Jean-Baptiste Wendling stellte die beiden einander vor, und es kam zu einem für die Geschichte der Flöte folgenreichen Auftrag: Dejean bestellte beim jungen Mozart für das fürstliche Honorar von 200 Gulden „3 kleine, leichte, und kurze Concertln und ein Paar quattro auf die flötte“. Mit einiger Verzögerung stürzte sich Mozart in die Arbeit und konnte dem gestrengen Herrn Papa im Weihnachtsbrief immer­ hin vermelden: „Ein quartetto für den indianischen holländer, für


den wahren Menschenfreünd, ist auch schon bald fertig.“ Tatsäch­ lich vollendete er am ersten Weihnachtstag das wundervolle D-Dur-Quartett KV 285, kurz danach wohl auch das große Flöten­ konzert in G-Dur und das kleine Quartett in der gleichen Tonart. Dann aber geriet die Arbeit ins Stocken. Als zweites Flötenkonzert ließ er nurmehr eine Bearbeitung seines Salzburger Oboenkonzerts folgen. Auf das dritte Flötenkonzert und die restlichen Quartette wartete Dejean vergeblich, denn in der sechzehnjährigen Sopra­ nistin Aloysia Weber war der Flöte eine weitaus attraktivere Konkurrenz erwachsen. Mozart gab ihr Gesangsunterricht, schrieb eine Konzertarie für sie und fuhr mit ihr zur Fürstin Caroline von Nassau-Weilburg ins nordpfälzische Kirchheim, während Dejean und Wendling weiter vergeblich auf die Vollendung der Flöten­ werke warteten. Mozart hatte nicht die Spur eines schlechten Gewissens, sondern genoss das Leben am Rhein in vollen Zügen. Dies geht aus einem Scherzgedicht hervor, das er in Worms für seine Mutter schrieb, die in Mannheim auf ihn wartete: Wir sind ietzt über 8 Täge weck Und haben schon geschißen viel Dreck. Herr Wendling wird wohl böse seyn, Daß ich kaum nichts geschrieben feyn, Doch wenn ich komm’ über d’Rheinbrücke, So komm ich ganz gewiß zurücke Und schreib die 4 Quartetti ganz, Damit er mich nicht heißt ein Schwantz. Das Concert spar ich mir nach Paris, Dort schmier ich’s her gleich auf den ersten Schiß. Die Wahrheit zu gestehen, so möchte ich mit den Leuten Viel lieber in die Welt hinaus und in die große Weiten ... Die Quittung für derlei Nachlässigkeiten bekam Mozart umgehend: Statt der versprochenen 200 Gulden zahlte Dejean für weniger als die Hälfte der bestellten Stücke immerhin noch 96 Gulden. Nun war er nicht mehr der „wahre Menschenfreund“, und Mozart redete sich darauf hinaus, dass er „immer gleich steif“ werde, wenn


er dauernd für ein und dasselbe Instrument schreiben musste. Ob sich der anschließende Relativsatz „das ich nicht leiden kann“, auf das Instrument bezieht, nämlich die Flöte, oder schlicht auf das ewig gleiche Genre „Flötenquartett“, ist unklar. Auf diesem Halb­ satz gründet sich die weitverbreitete Meinung, Mozart habe die Flöte nicht gemocht.

Zur Musik In den Flötenquartetten ist von einer solchen Abneigung nichts zu hören, schon gar nicht im wundervollen D-Dur-Quartett, dem „Weihnachts­ quartett“ von 1777. Mozart hat hier der Flöte seiner Zeit ein durchwegs brillantes Stück auf den Leib ge­ schneidert mit einem seiner schöns­ ten Adagios in der Mitte. Im ersten Satz benimmt sich die Flöte wie eine Primadonna in einer Bravourarie, so gleich zu Beginn im majestätisch auftrumpfenden ersten Thema mit seinen Läufen und Trillern. Doch die drei Streicher begleiten nicht nur, sie antworten in intimer kammer­ musikalischer Manier, auf die sich die Flöte bald einlässt. Im seufzenden zweiten Thema und in der nach Moll tendierenden Durchführung kommt es zu feinen Dialogen. Dann aber darf die Flöte wieder in brillanten „Kolo­ raturen“ auftrumpfen. Besonders delikat wirkt das Licht- und Schat­ tenspiel der Flöte im h-Moll-Adagio, dem wundervollen Mittelsatz des Quartetts. Über gebrochenen Drei­ klängen der Streicher, die nach Gi­

tarrenart gezupft werden, stimmt die Flöte ihre klagende Melodie an – eine Serenade, die von Liebesleid zu künden scheint und melodisch an die Opern Glucks erinnert. Es ver­ steht sich von selbst, dass der Flötist die Reprise des Anfangs auszieren darf. Von zarter Spannung ist der Übergang zwischen Adagio und Ron­ deau erfüllt, erwartungsvoll tritt das Rondothema ein, im flüsternden Piano, um erst danach im vollen Brustton des Forte wiederholt zu werden. Der Wechsel zwischen laut und leise, die kontrastierenden Epi­ soden und klanglichen Schattierun­ gen verleihen diesem Rondeau eine nie nachlassende Spannung – bis hin zur harmonisch besonders subtil gestalteten Schlusspointe. Das reizvolle C-Dur-Quartett passt perfekt in den Garten. Im Allegro werden das Hauptthema und das ihm verwandte Seitenthema in kon­ zentriertester Form vorgestellt. Be­ sonders reizvoll ist der Mittelteil, in dem das Sechzehntel-Motiv des


Haupt­themas aufs Schönste abge­ ter Ziselierung verbirgt. In der drit­ wandelt wird. ten stechen der fugierte Schluss und seine Chromatik hervor. Bei der Der zweite Satz ist nahezu identisch vierten in Moll beeindrucken das mit dem 6. Satz der Gran Partita, je­ Unisono von Flöte und Violine und ner wundervollen 1781 entstandenen die Seufzermotive. In der mit einem Serenade für 13 Bläser in B-Dur, Fortissimo-c der Streicher einge­ KV 361. Die Qualität des Andantino leiteten fünften Variation, einem beweist sich gerade hier, wo die Far­ Adagio, entfernt sich die Melodie so bigkeit der Bläser der Gran Partita weit von der des Themas, dass ein fehlt. Einstein schreibt von den sechs kleines reizendes Kunstwerk ganz Variationen, dass „jede einzelne einen eigener Art entsteht. Die Klänge der neuen Beweis von Meisterschaft sechsten und der Coda setzen der liefert“. Meisterlich ist es, wie in der Melancholie der beiden vorigen Va­ ersten Variation die Heiterkeit durch riationen die pure Munterkeit ent­ Triolen gestaltet wird und in der gegen. zweiten sich das Thema hinter feins-

Flötenquartett für die Wiener Landstraße Der Sommer 1786 war für Mozart ein besonders vergnügter und arbeitsamer. Während er nach dem Erfolg das „Figaro“ in Ruhe an neuer Kammermusik arbeitete und seinen kleinen Garten auf der Wiener Landstraße Nr. 224 genoss, hielt nebenan der Wiener Botanikprofessor von Jacquin seine gelehrten Zirkel ab. Die Kinder des Hauses, Gottfried und Franziska, waren mit Mozart eng be­ freundet. Ihre geselligen Abende mit Billard, Kegeln und Musik inspirierten den Komponisten zu einigen seiner schönsten Werke, wie etwa zum so genannten „Kegelstatt-Trio“. In diese Atmosphäre eines heiteren Wiener Vorstadtsommers passt das A-Dur-Flötenquartett ausgezeichnet. Es besteht aus einem Variationensatz, einem Menuett und einem abschließenden Rondeau mit parodistischer Überschrift. Auf diese eigenartige Form konnte man sich lange Zeit keinen Reim machen, bis die


Forscher herausfanden, dass Mozart hier Themen aus Opern der damaligen Zeit verarbeitet hat. Dabei enthält das Finale auch eine verborgene Liebesbotschaft: Im September 1786 hatten Mozart und Jacquin die Oper „Le gare generose“ des berühmten italieni­ schen Opernkomponisten Giovanni Paisiello besucht. Von dem Stück als Ganzes waren sie nicht begeistert, wohl aber von einer Melodie: der Canzonetta „Chi mi mostra, chi m’addita“. Mit dieser simplen Arie landete Nancy Storace, die Primadonna der Wiener Hofoper und Mozarts erste Susanna im „Figaro“, einen Hit. Im Finale seines A-Dur-Quartetts hat Mozart diese Arie zitiert oder genauer gesagt: arrangiert. Denn er tat nicht viel mehr, als Pai­ siellos Canzonetta in „dialogischer“ Form auf Flöte und Streicher zu verteilen und ein paar kurze Überleitungen hinzuzufügen. Fast alle Noten der Flöte in diesem Satz stammen eigentlich von Pai­ siello. Sicher dachte Mozart dabei auch an den Text: „Wer zeigt mir, wer sagt mir, wo mein Geliebter ist? Schenken möcht’ ich ihm mein Herz, das sich lebhaft im Busen rührt.“ Der Begriff „lebhaft“ heißt im Originaltext „allegretto“. Mozart machte daraus ein „Allegretto grazioso“ und ließ so an der Liebesbotschaft dieses Satzes keinen Zweifel. Leider wissen wir nicht, für welche Wiener Schönheit Gottfried von Jacquin dieses Flötenquartett als Serena­ de musiziert hat. Vielleicht war es die später in Bonn ansässige Gräfin Hortensia von Hatzfeld, die in der einzigen Wiener Auffüh­ rung von Mozarts „Idomeneo“ just 1786 die Elettra gesungen hatte. Sie kannte sicher Paisiellos Canzonetta und stand ganz of­ fenbar zu Gottfried von Jacquin in näherer Beziehung. Ob Mozarts Flötenquartett an sie gerichtet war?

Zur Musik Im Kopfsatz hat Mozart eine bekann­ te Ariette aus einer französischen Opéra comique verarbeitet, ein Lied voll amouröser Anspielungen, die

zweifellos für den Flötisten im Quar­ tett, Gottfried von Jacquin, bestimmt waren. Dieser war nicht nur Mozarts Kompositionsschüler, ein begabter


Flötist und Bariton, sondern auch sein Intimus in Liebesdingen, wie Mozarts Briefe aus Prag belegen. Jedes der vier Instrumente sagt zu dem Thema sein Sprüchlein in einer Variation auf, bevor sich die Melodie über einem Marschrhythmus elegant verabschiedet. Das Menuett hat Mozart mit pom­ pösen Rhythmen im französischen Stil ausgestattet, die zweifellos iro­ nisch gemeint sind. Welche bekann­ te Melodie sich dahinter verbirgt, hat man noch nicht herausfinden können. Im Trio schrieb er seinem Freund Jacquin ein brillantes, nicht zu schweres Flötensolo auf den Leib.

Dem Finale hat Mozart eine so un­ sinnige Tempoanweisung gegeben, dass man sie nur als Jux verstehen kann: „Rondieaoux. Allegretto gra­ zioso, mà non troppo presto, però non troppo adagio. così – così – con molto garbo ed espressione“, was soviel heißt wie: „Rondoooo. Ein wenig lebhaft und graziös, aber nicht zu schnell und auch nicht zu langsam, soso, mit viel Ausdruck und Hinga­ be!" Auch kompositorisch hat sich Mozart über die etwas leirige Manier des typischen Paisiello-Ohrwurms lustig gemacht. Mozart und die Jacquins dürften viel gelacht haben an jenem Abend.

Oboenquartett für München Als Mozart im Februar 1781 endlich die Last des „Idomeneo“ ab­ geworfen hatte und sich im Erfolg seiner Münchner Faschingsoper sonnen durfte, waren dennoch einige Nachträge zur Oper auszu­ führen, nämlich musikalische Dankadressen an wesentliche Pro­ tagonisten dieses Auftrags. Der Maitresse des Kurfürsten Carl Theodor war eine Konzertarie zu widmen, da alle Fäden, die zum Opernauftrag führten, durch ihr Haus bzw. Schlafzimmer gelegt wurden. Dem Solooboisten Friedrich Ramm schrieb Mozart ein Quartett für Oboe und Streicher zum Dank für die übermensch­ liche Anstrengung in der Oper. Von Ramm schwärmten die Zeit­ genossen: „Man sagt nicht zuviel, wenn man behauptet, dass noch keiner den schönen, runden, sanften und wahren Ton auf der Oboe, verbunden mit der schmetternden Tiefe im Forte, sich so vorzüg­ lich zu eigen gemacht habe als er.“ Wie üblich, wenn Mozart für einen Bläser dieser Qualität schrieb, kostete er Ramms Espressivo,


seine Bravour und seinen bis zum dreigestrichenen f reichenden Tonumfang weidlich aus.

Zur Musik Das Quartett beginnt mit einem überaus fein gearbeiteten, „singen­ den“ Allegro in Sonatenform, das deutlich den Stempel einer schnellen Opernarie trägt. Wie eine Prima­ donna agiert die Oboe über dem dichten Streichersatz mal im Can­ tabile, mal in Laufkaskaden. Un­ schwer ließe sich diesem Satz der Text einer italienischen Arie unter­ legen. Noch deutlicher wird die Anlehnung an die Opera seria im d-Moll-Adagio. Nach einem kurzen, pathetischen Vorspiel der Streicher setzt der Oboist wie ein Sopran in der hohen Lage ein, auf einem lang ausgehal­ tenen a’’. In einer vokalen Fioritur wendet sich die Melodie nach unten zum cis’’, dann eine Oktav nach oben, um schließlich vom exponierten es’’’ ganze zwei Oktaven in die Tiefe zu springen. Solche Lagenwechsel wa­ ren in der Musik der Mozartzeit die Spezialität der großen Soprankas­ traten, deren Kunst der Oboist Ramm hier nachahmen durfte. Dazu passen die folgenden ausdrucksstarken Melodielinien mit ihren reichen Ver­ zierungen und chromatischen Vor­ halten. Bei der Wiederholung des Anfangs steigt die Oboenstimme

sogar bis zum e’’’ in die Höhe, woran sich eine veritable Kadenz anschließt, wie am Ende einer Opernarie. Das Rondeau beginnt mit einem der schönsten und schwungvollsten Mozartthemen im Sechsachteltakt – ein echter „Kehraus“. Auch was virtuose Passagen anbelangt, ist die­ ser Satz für die Oboe besonders dankbar. Im zweiten Couplet aber wechselt der Bläser plötzlich in den Viervierteltakt hinüber, während die Streicher im Sechsachteltakt bleiben – ein frühes Beispiel für Po­ lyrhythmik. Gegen die triolische Begleitung muss der Oboist aller­ hand duolische Arabesken ausfüh­ ren. Zweifellos handelt es sich um einen Faschingsscherz Mozarts, der Ramm beim damals üblichen VomBlatt-Spielen aus der Bahn werfen sollte. Wir wissen nicht, ob der Mannheimer Solo-Oboist diese Prü­ fung bestanden hat. Eine weitere hat Mozart ganz ans Ende des Quartetts gesetzt, denn als allerletzten Ton muss der Oboist das dreigestriche­ ne F spielen, damals fast der höchs­ te Ton auf der Oboe. Nur Ramms Mannheimer Kollege Ludwig August Lebrun konnte noch einen Ton höher spielen, bis zum dreigestrichenen G.


Divertimento für den Alsergrund Wenn sich Mozarts Freunde im Sommer 1788 in seinem kleinen Gartenpalais im Alsergrund trafen, bekamen sie regelmäßig die schönsten neuen Kammermusiken zu hören, darunter auch das Divertimento für Streichtrio, KV 563. Um dessen idyllische Klän­ ge zu verstehen, muss man sich Mozarts Umgebung in jenem Sommer vor Augen halten. Heutzutage ist die Währinger Straße Nr. 135 eine typische Wiener Vorstadtadresse mit Gründerzeit­ bauten, Straßenbahn und ohne einen Hauch des Gartenreichs von ehedem. Damals aber wehte im so genannten „Alsergrund“ der zarte Sommerhauch einer Parklandschaft, in der sich Mozart durchaus nobel einrichtete, wie der Wiener Musikhistoriker Mi­ chael Lorenz bis in die Details erforscht hat: Sein einstöckiges kleines Gartenpalais umfasste sieben Zimmer, Küche, Keller, Holz­ gewölbe und hatte nebenan einen Schuppen für den eigenen Wagen und einen Stall für zwei Pferde. Der zentrale Saal bot mit seinen 60 Quadratmetern Raum für Hauskonzerte und führte über drei Flügeltüren hinaus in den Garten, den Mozart ausdrücklich mit angemietet hatte. Von dieser kleinen Gartenterrasse aus hat­ te man einen herrlichen Blick über die Parks des Alsergrunds mit ihren Springbrunnen, ihren barocken Hecken und Blumenbeeten. Im Mietvertrag nannte sich der Komponist ausdrücklich „Herr von Mozart“, wozu er als Ritter des päpstlichen Ordens vom gol­ denen Sporn erster Klasse auch berechtigt war. (Christoph Willi­ bald Gluck, der sich zeitlebens voller Stolz „Ritter von Gluck“ nann­ te, hatte den gleichen „Speron d’oro“ nur dritter Klasse erhalten.) Zum adligen Titel passte die neue Wohnung: Sie genügte vorneh­ men Standards. Unsere Klischeevorstellung vom allmählich ver­ armenden Mozart lässt sich damit kaum in Einklang bringen. Just im Sommer 1788 begann Mozart, seine „Bettelbriefe“ an den reichen Freund Puchberg zu schreiben. Die Erklärung dafür ist einfach: Obwohl lukrative Opernaufträge und einträgliche Kon­ zerte aufgrund des Türkenkriegs ausblieben, hielt er weiterhin an seinem hohen Lebensstandard fest. Constanze war wieder


einmal schwanger und sollte sich im Grünen von der Entbindung erholen. Für Mozart ebenso wichtig war die Möglichkeit, im Saal des Gartenhauses Kammerkonzerte gegen Eintritt zu veranstalten, was er in seinen letzten Lebensjahren als neue Einnahmequelle entdeckte. Genau diesem Umstand verdanken wir die Entstehung des Es-Dur-Divertimentos KV 563. Da Mozart seine Instrumentalwer­ ke immer erst wenige Tage vor der Uraufführung fertigstellte, ist der Eintrag vom 27. September im eigenhändigen Werkverzeich­ nis das wichtigste Indiz für den Aufführungsanlass: Sicher wurde es am 29. September als Namenstagsmusik für Michael Puchberg aufgeführt, Mozarts Logenbruder und Geldgeber. Später nämlich hat es Mozart als Puchbergs Trio bezeichnet.

Zur Musik „Ein Divertimento à 1 Violino, 1 Vio­ la, e Violoncello; di sei Pezzi“. So hat Mozart KV 563 in seinem Werkver­ zeichnis genannt. Die „sechs Stücke“ sind die üblichen eines Wiener Divertimentos: ein Allegro in Sona­ tenform, ein langsamer Satz, zwei Menuette, die einen Variationensatz

umrahmen, und das Rondofinale. Insgesamt kommt das Divertimento KV 563 auf eine Spieldauer von 45 Minuten. Unsere Interpreten entscheiden sich bei der heutigen Matinee für einige Ausschnitte aus dem Werk.

Josef Beheimb


Die Interpreten

Charles Brink, Traversflöte Charles Brink wurde in St. Louis, Missouri (USA) geboren und lebt mit seiner Familie seit 2010 in Wien. Er studierte in San Francisco und Boston, dann in Den Haag moderne und historische Flöte und nahm mit Repertoire von Bach bis Offenbach an zahlreichen Tourneen und CD-Produktionen teil, u. a. mit dem Amsterdam Baroque Orchestra, The Four Nations En­ semble (New York, NY), Les Mu­ siciens du Louvre, Les Nouveaux Caractères (Lyon), der Wiener Akademie und dem Bach Consort Wien. Er leitete von 2005 bis 2009 The Grand Tour Orchester (NY), mit dem er als amerikanische Erstaufführungen Werke von C. Ph. E. Bach und N. Jommelli dirigierte. 2018 leitete er die moderne Uraufführung von N. Jommellis „Cerere placata“ (1772) mit dem Ensemble Opera Lafayette aus Washington, DC, im Kenne­ dy Center (DC) und im Times Center (New York City) und edierte dafür auch die Noten. Er ist von diesem Ensemble in der Saison 2020-2021 auch eingeladen, die moderne Uraufführung von Jom­ mellis „Penelope“ (1755) zu dirigieren.


Heri Choi, Oboe Heri Choi studierte nach einigen Ersten Preisen bei nationalen Wettbewerben in Korea bei Christian Wetzel in Leipzig und Gün­ ter Lorenz in Wien, wo sie ihr Studium mit Auszeichnung beschloss. Weitere Anregungen erhielt sie von Marie Wolf und Alfredo Bernardini sowie Hansjörg Schellenberger, Ingo Goritzki und Stefan Schilli. Ihr künstlerisches Profil reicht heu­ te von Alter Musik auf Originalin­ strumenten bis zur Musik unse­ rer Zeit und sie ist regelmäßig Gast bei Festivals wie: Salzburger Fest­ spiele, Wiener Festwochen, Wien Modern, Kusatsu Festival, PMF Fes­ tival Sapporo in Japan oder der sty­ riarte sowie in Orchestern wie dem Con­ centus Musicus, dem Klangforum Wien oder dem Korean Symphony Orchestra. Als Solistin wurde sie u. a. in die ORF-Sen­ dung „Meister von morgen“ eingeladen und wirkte im Pausenfilm für das Neujahrskonzert 2003 mit. Sie ist Gründungsmitglied des Vienna Reed Quintet und spielte als gefragte Kammermusikerin u. a. mit Mitgliedern des Gringolts Quartetts und des Altenberg Trios.

Maria Bader-Kubizek, Violine Maria studierte Violine in Wien, Salzburg und London und wurde musikalisch besonders geprägt von Sándor Végh und Nikolaus Harnoncourt. Mit Letzterem verbanden sie fast drei Jahrzehnte Zusammenarbeit, sowohl in seinem Concentus Musicus als auch mit dem Chamber Orchestra of Europe. Als Konzertmeisterin und Solistin war und ist Maria seit vielen Jahren mit den unterschied­ lichsten Orchestern und Formationen tätig, in jüngerer Zeit auch vermehrt als Ensembleleiterin.


Die Geigerin liebt Projekte, die über den normalen, manchmal allzu verstaub­ ten Konzertbetrieb hinausgehen, beispielsweise gemeinsam mit dem argentinischen Straßen­ künstler, Regisseur und Clown Adrian Schvarzstein oder dem Dramaturgen Thomas Höft. In den letzten Jahren hat sie sich mehr und mehr für die Schnittstelle von Kunst und Heilkunst interessiert und ein neues Prin­ zip der Klangkommunikation ins Leben gerufen, mit dem sie dazu beiträgt, einen verständnisvollen Zugang zu Kindern zu schaffen, die verbal nicht erreichbar sind.

Firmian Lermer, Viola Firmian Lermer stammt aus einer österreichisch-bayerischen Familie. Er studierte Musik in München, Salzburg und Wien. Maß­ geblichen Einfluss auf ihn hatten Thomas Ka­ kuska, György Kúrtag, Sergiu Celibidache und vor allem Sándor Végh, in dessen Camerata Academica in Salzburg Firmian Lermer Solobratschist ist. Er ist Gründungsmitglied des Streichsextettes Hyperion Ensem­ ble, das seit seinem Debüt 1996 weltweit konzertiert. Zudem ist er gefragter Kammermusiker und Solist, der zu renommierten Festivals überall auf der Welt eingeladen wird. Große Aufmerksamkeit und hervor­ ragende Kritiken bekam Firmian Lermers Einspielung der Zwölf Fantasien für Viola sola von Telemann. Sein Instrument ist eine Viola von Laurentius Storioni aus dem Jahr 1796.


HaltungsĂźbung Nr. 20

Neugierig bleiben. Eine leichte, beinahe kinderleichte HaltungsĂźbung ist gleichzeitig eine der wichtigsten: neugierig bleiben. Wenn Sie das jeden Tag Ăźben, machen Sie es irgendwann automatisch. Wir sprechen da aus Erfahrung. derStandard.at

Der Haltung gewidmet.


Philipp Comploi, Violoncello Philipp Comploi wuchs in Salzburg und Südtirol auf. Mit sieben wünschte er sich ein Cello, bekam auch eines und ist seither selten ohne Instrument gesichtet worden. Heute ist er gefragter Solocellist (u. a. bei La Folia Barockorchester, Wiener Akademie, Bach Consort Wien) und Kammermusiker in fixen Ensembles wie dem Trio Alba, dem Quadriga Consort und dem Ensemble Delirio. Konzertauftritte mit diesen Ensembles führen ihn um die gan­ ze Welt und zu bedeutenden Fes­ tivals und Konzerthäusern vom Concertgebouw Amsterdam bis zum Teatro Gran Rex in Buenos Aires oder dem National Center of Performing Arts Peking. Er hat seinen Fokus neben dem modernen Cello vor allem auf das Barockcello sowie historische Instrumente gelegt. Bis heute hat Philipp erfolgreich CDs bei MDG, Carpe Diem, SONY Classical und der deutschen harmonia mundi aufgenommen, die mit Preisen wie dem Pasticcio-Preis von Radio Ö1 oder dem Opus Klassik ausgezeichnet wurden.


Neues entsteht mit Kommunikation.

Kommunikation seit 1993 www.conclusio.at


Aviso Freitag, 19. Juli – Helmut List Halle, 19 Uhr Samstag, 20. Juli – Helmut List Halle, 19 Uhr

Brandenburgische Konzerte Johann Sebastian Bach: Sechs Brandenburgische Konzerte, BWV 1046-1051

Concentus Musicus Wien Leitung: Stefan Gottfried, Cembalo Wenn Johann Sebastian Bach im Berliner Stadtschloss den Mark­ grafen Christian Ludwig von Brandenburg besuchte, leuchteten ihm von den bemalten Decken all jene antiken Gottheiten ent­gegen, die sich auch hinter dem geheimen Programm seiner „Bran­ denburgischen Konzerte“ verbergen. Dass Bach in diesem Zyklus die Tugenden barocker Fürsten im Gewand der Mythologie ver­ herrlicht haben könnte, ist keine neue, aber eine ausgesprochen reizende Idee. Die Jagdhörner der Diana, die Flöten des Pan, die Geige des Apollo und die neun Musen mit ihren Streichinstrumenten sind ja offensichtliche Anspielun­ gen. Stefan Gottfried schöpft aus diesem Schatz antiker Symbolik, wenn er die „Bran­ denburgischen“ im Prachtklang des Con­ centus Musicus neu interpretiert.



Aviso Sonntag, 21. Juli – Helmut List Halle, 20 Uhr

A Midsummer Night’s Dream Musik für Shakespeares Theaterkosmos Robert Johnson: Jacobean Masque & Stage Music (1600) Matthew Locke: Music for „The Tempest“ (1674) Henry Purcell: The Fairy Queen (1692)

Lesung: Johannes Silberschneider Le Concert des Nations Leitung: Jordi Savall Im Januar 1606 veranstaltete King James I in Whitehall die erste große „Court Masque“ des englischen Barock. Für diese Prunk­ stücke aus Bühnenmaschi­ nerie, Tanz und Gesang such­ te man sich bald die fantastischsten Stücke Shakespeares he­raus, die völlig ver­ wandelt wurden: Aus dem „Sommernachtstraum“ wur­ de Purcells „Fairy Queen“, aus dem „Sturm“ die Masque „The Tempest“ mit Musik von Matthew Locke. Zum Finale der styriarte 2019 inszeniert Jordi Savall diese Shakespeare-Metamorpho­ sen in Orchestersuiten von unerhörter Pracht.


HAUS

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