Midsummer Night's Dream

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Sonntag, 21. Juli 2019, 20 Uhr Helmut List Halle

A Midsummer Night’s Dream

BÜHNENMUSIKEN ZU DRAMEN VON WILLIAM SHAKESPEARE

Robert Johnson (ca. 1583–1633)

JACOBEAN MASQUE & STAGE MUSIC, 1600–1612 Das Wintermärchen & Macbeth

Lesung: Das Wintermärchen, IV. Akt, 1. Szene

The Nobleman – Courant The Satyrs’ Dance – Volta Lesung: Macbeth, III. Akt, 5. Szene

The Pilgrim’s Dance – Galliard A Scottish Dance The Witches’ Dance


Matthew Locke (ca. 1621–1677)

MUSIC FOR „THE TEMPEST“, 1674 Der Sturm

Lesung: Der Sturm, I. Akt, 2. Szene

Introduction – Galliard Gavot – Saraband Lilk Lesung: Der Sturm, II. Akt, 2. Szene & III. Akt, 2. Szene

Curtain Tune Rustick Air Lesung: Der Sturm, III. Akt, 3. Szene & V. Akt, 1. Szene

Minoit – Corant A Martial Jigge The Conclusion: A Canon 4 in 2


Henry Purcell (1659–1695)

THE FAIRY QUEEN, 1692 Ein Sommernachtstraum

Lesung: Ein Sommernachtstraum, II. Akt, 1. Szene

First Music: Prelude – Hornpipe Second Music: Aire – Rondeau Prelude – First Act Tune: Jig Lesung: Ein Sommernachtstraum, II. Akt, 1. Szene

Fairies Dance – Dance for the Followers of Night Overture: Symphony While the Swans Come Forward Dance for the Fairies – Dance for the Green Men Dance for the Haymakers – Third Act Tune: Hornpipe Lesung: Ein Sommernachtstraum, III. Akt, 1. Szene

Fourth Act Tune: Air Monkeys’ Dance – Entry Dance – Aire Lesung: Ein Sommernachtstraum, V. Akt, 1. Szene

Chaconne: Dance for a Chinese Man and Woman


Le Concert des Nations: Manfredo Kraemer, Konzertmeister David Plantier, Violine 2 Marc Hantaï & Yi-Fen Chen, Querflöte Alessandro Pique & Emiliano Rodolfi, Oboe Josep Borràs, Fagott Mauro Lopes, Guadalupe del Moral & Isabel Serrano, Violinen 1 Santi Aubert & Kathleen Leidig, Violinen 2 Giovanni de Rosa & Lola Fernández, Viola Balázs Máté, Antoine Ladrette & Annabelle Luis, Violoncello Xavier Puertas, Kontrabass Josep Maria Martí, Theorbe & Gitarre Luca Guglielmi, Cembalo Pedro Estevan, Perkussion Lesung: Johannes Silberschneider Leitung: Jordi Savall

Programmdauer: Erster Teil: ca. 60 Minuten Pause: ca. 30 Minuten Zweiter Teil: ca. 45 Minuten

Hörfunkübertragung: Mittwoch, 7. August 2019, 19.30 Uhr, Ö1


A Midsummer Night’s Dream

Zauberblumen, deren Saft die Menschen verrückt vor Liebe macht, ein Elf, der einem Handwerker einen Eselskopf auf die Schulter zaubern kann, Geister und Nymphen, die durch die Luft schweben und die Welt verwandeln – an Metamorphosen ist in William Shakespeares Stücken wirklich kein Mangel. Jordi Savall hat die herrlichste Musik aus diesen Theaterwundern zu einem großen Abend zusammengestellt. Aber was hat Robert Schumann damit zu tun?


Ad notam

Dass ein Abend mit den großen Musiken nach Shakespeares Stücken zu einem Metamorphosen-Festival dazugehört, steht außer Frage. Aber Jordi Savall wäre nicht der geniale Programmmacher, der die ganze Welt immer wieder mit ungewöhnlichen Zugängen überrascht, wenn er nicht auch heute wieder aus einem ganz besonderen Blickwinkel an das Thema herangehen würde. Und hier kommen Clara und Robert Schumann ins Spiel. Doch von vorn: William Shakespeare, von dem auch heute noch einige Wissenschaftler nicht glauben können, dass ein solch umfassender Geist überhaupt existiere, und ihn deshalb für ein Pseudonym gleich mehrerer Männer halten, hat einen nicht überschätzbaren Einfluss auf die Literaturgeschichte. Schließlich hat er nicht nur ein oder zwei bedeutende Werke der Weltliteratur hinterlassen, sondern gleich eine ganze Handvoll, von „Romeo und Julia“ über „Othello“ zu „König Lear“, von „Macbeth“ über den „Sturm“ bis zum „Sommernachtstraum“. Seine Stücke haben über Jahrhunderte die Menschen immer wieder neu beschäftigt. Und er geriet nie in Vergessenheit. Jede Generation hat sich neu mit ihm auseinandergesetzt, barocke Theaterzauberer, romantische Komponisten und klassische Poeten. Belesene Analytiker können seinen Einfluss im Hollywoodfilm oder in den Dramaturgien der aktuellen Fernsehserien nachweisen. Shakespeare ist praktisch überall. Und das aus guten Gründen. Besonderer Beliebtheit erfreute sich der Dramatiker unter den deutschsprachigen Dichtern der Aufklärung und der frühen Romantik. Christoph Martin Wieland macht sich schon im Jahr 1762 an eine Übersetzung von Shakespeares Gesamtwerk, allerdings in Prosa, und 1789 beginnen August Wilhelm Schlegel und Johann


Ludwig Tieck ihre legendäre deutsche Übertragung, deren schönste Verse schnell Allgemeingut werden. Die junge deutsche Künstlergeneration empfindet Shakespeare als Seelenverwandten, der Dichter Lenz gemeindet ihn gar als „Landsmann“ ein. Es ist die unnachahmliche Mischung aus Naturalismus und Übersinnlichem, aus hohem Ernst und drastischer Komik, gepaart mit dem untrüglichen Theaterinstinkt, die die Romantiker begeistert. So erobert Shakespeare die deutschen Bühnen, und Komponisten wie Mendelssohn nehmen ihn zur Grundlage musikalischer Phantasien. Dabei ist es den deutschen Verehrern besonders daran gelegen, den „wahren und echten“ Shakespeare zu präsentieren. Während in seinem Heimatland England die Theatermacher Shakespeares Stücke als Steinbruch ihrer eigenen Vorstellungen benutzen und nach Belieben ausschlachten, wollen die Deutschen das Genie möglichst unverstellt erleben. Und schon bald gehören die Übersetzungen von Schlegel und Tieck in jede deutsche Hausbibliothek. Und so sind auch Clara und Robert Schumann fasziniert. Der Komponist und Musikschriftsteller, schon schwer gezeichnet von seiner Krankheit, hatte beschlossen, ein Kompendium zusammenzustellen, in dem alle wichtigen Texte, in denen sich Dichter und Denker über Musik äußern, nachzulesen sind. Eine wahrhaft hybride Aufgabe. Die Anthologie sollte dabei keineswegs musiktheoretische Zitate umfassen, sondern Literatur. Es ging Schumann gerade um die Musik in allen poetischen und literarischen Zusammenhängen. Der Musikhistoriker Peter Sühring schreibt: „Einen lebenslang fleißigeren und aufmerksameren Leser solcher lyrischer, prosaischer oder theoretischer Schriften als Robert Schumann kann man sich schwer vorstellen. Er schöpfte auch zeitlebens selbst aus diesem Fundus seiner stets lebendig gehaltenen erlesenen Bildung. Nach dem Geschmack der Zeit sollte diese Sammlung ‚Dichtergarten für Musik‘ heißen. Er wollte diese Anthologie seiner Lesefrüchte und literarischen Träumereien als eine exemplarische Sammlung ediert wissen, an der sich die musikalischen Bildungsbürger seiner Zeit orientieren könnten.“


So machte sich Robert Schumann mit seiner Frau Clara an die Arbeit. Und gleich der erste Dichter auf ihrem Plan war Shakes­ peare. 1841 war ihre erste Sammlung vollendet. Schumann selbst schreibt an Bettina von Arnim: „Das Herrlichste und Reichste haben Martin Luther, Shakespeare, Jean Paul und Rückert gespendet. Diese zumal sollten auch den ersten Teil des Dichtergartens bilden, den zweiten die Heilige Schrift bis auf die Gegenwart.“ Luther, Shakespeare und die Bibel, man kann an diesem Kanon sehr wohl ablesen, wie hoch der elisabethanische Engländer hier im Kurs stand. Und blättert man die Sammlung durch, so ist Shakespeare mit 47 Seiten der mit Abstand am meisten zitierte Dichter. Genau dieses Konvolut hat Jordi Savall zur Grundlage seines heutigen Programms gemacht. Wir erleben Shakespeare also mehrfach verwandelt, durch die Augen und den Geist seiner Interpreten: zunächst ganz nah am Original, denn natürlich hatte schon der Theatermann Shakespeare die Musik fest im Blick. Dann durch die Theatermacher im London des späten 17. Jahrhunderts, die Shakespeare zu großen Spektakeln uminszenierten, für die Matthew Locke und Henry Purcell ihre Theatermusiken schrieben. Und dann noch einmal durch die romantische Brille der Schumanns, die jene Textauszüge zusammenstellten, in denen sich Shakes­peare ganz direkt der Musik widmet.

The Winter’s Tale Das „Wintermärchen“ ist ganz typisch für Shakespeares Arbeitsweise. Natürlich hat sich der geniale Theatermacher nicht all seine Geschichten aus der Luft gegriffen, sondern ganz geschickt aus vielen Quellen kopiert und zusammengebastelt. Für das „Wintermärchen“ ist das Hauptvorbild Robert Greenes Roman „Pan­ dosto“, der die Geschichte des Königs Pandosto, der seine schwan­gere Frau Bellaria verdächtigt, untreu gewesen zu sein, zuerst publiziert. Shakespeare verlegt die Handlung, ändert die Namen


in König Leontes und Hermione, fügt ein hübsches Happy End hinzu, übernimmt aber sogar in ganzen Sätzen seine Quelle. Robert Greene verübelt Shakespeare dessen geistige Diebstähle und nennt ihn in einem berühmten Schmähgedicht „eine emporgekommene Krähe, fein herausgeputzt mit unseren Federn“. Das Copyright war damals noch völlig unbekannt, und die Nachwelt hat Greene keinerlei Kränze geflochten, während sie Shakespeare in den Dichterhimmel erhob. Aus einem Augenzeugenbericht wissen wir, dass das „Wintermärchen“ im Jahr 1611 auf dem Spielplan des Globe Theatre stand. Dort spielte die Theatertruppe, an der Shakespeare einen 12,5%-Anteil hielt, und die sich zunächst Lord Chamberlain’s Men nannten, bevor sie König Jakob I. unter sein Patronat nahm und ab 1610 als „King’s Men“ firmieren ließ. Der Leiter der „Private Musicke“ des Königs war zu jener Zeit der Lautenist Robert Johnson, und er war es wohl auch, der zu vielen von Shakespeares Stücken die Bühnenmusik beisteuerte. Welche das wirklich waren, lässt sich allerdings heute nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Aber Anhaltspunkte gibt es einige. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Johnson auch Bühnenmusik zum „Wintermärchen“ schrieb, die sicher wie „The Nobleman“ geklungen hat. Den „Tanz der Satyrn“, der heute auf dem Programm steht, hatte sich Shakespeare allerdings selbst schon ausgeborgt, und zwar aus Ben Jonsons Maskenspiel „Oberon, the Faery Prince“.

Macbeth „Macbeth“, das Drama um den schottischen Edlen, der nach einer Prophezeiung von Hexen und auf Drängen seiner ehrgeizigen Frau erst den König von Schottland ermordet, dann zum Gewaltherrscher aufsteigt und schließlich im Wahnsinn untergeht, ist wohl ein paar Jahre vor dem „Wintermärchen“ entstanden. Aber auch hier ist erst im Jahr 1611 die erste Aufführung belegt. Shakespeare verwendet wieder eine Vorlage, Raphael Holinsheds „Chronicles


of England, Scotland, and Ireland“, aus denen sich der Dichter fleißig bedient. Doch nur fünf Jahre später, Shakespeare war gerade verstorben, spielen die „King’s Men“ ein Stück von Thomas Middleton, das „The Witch“ betitelt ist und einige Anklänge an „Macbeth“ aufweist. Als 1623 die erste Gesamtausgabe von Shakespeares Theaterstücken gedruckt wird, scheinen Szenen aus Middletons Drama in den Text von „Macbeth“ übernommen worden zu sein, insbesondere die Auftritte der Hexen und der Hekate. Und für diese hat Robert Johnson auch die Tänze komponiert, die heute zu hören sind. Und so können wir hier einen wunderbaren Blick werfen auf eine Zeit, in der Urheberschaft ganz anders beurteilt wurde als heutzutage. Was ist Holinshed, was Shakespeare, was Middleton in diesem „Macbeth“? Darüber streitet sich die Wissenschaft bis heute. Aber für den Zuschauer ist das eigentlich völlig unwichtig. Viel wichtiger ist, dass der Lautenist des Königs eine herrliche, wirkungsvolle Klangwelt für die Szenen geschaffen hat, in der Pilger betend wandern, Schotten fröhlich und Hexen bedrohlich tanzen.

Der Sturm Im Gegensatz zu fast allen anderen Stücken Shakespeares hat „Der Sturm“ keine direkte Vorlage. Der Dichter hat die Geschichte des Zauberers Prospero, der mit seiner Tochter Miranda und den Geistern Ariel und Caliban auf einer wüsten Insel lebt, selbst erdacht. Das Stück ist wohl direkt nach dem „Wintermärchen“ entstanden und wurde ebenfalls 1611 im Globe Theatre uraufgeführt. In der Handlung wird ein Schiff in einem wilden Sturm auf die Insel verschlagen, in dem der verbrecherische Bruder Prosperos zunächst strandet und am Ende geläutert mit allen anderen Menschen heimreist. Das poetische und melancholische Märchen war schon zu Leb­zeiten Shakespeares ein besonders großer Erfolg, und die Begeisterung hielt an. Eigentlich steht das Meisterwerk seit seiner Ent-


stehung fast ununterbrochen auf den Spielplänen. Im Jahr 1664 machten sich der große Dichter John Dryden und William D’Avenant daran, das Stück für ein vergnügungssüchtiges Londoner Publikum umzuschreiben. Sie vereinfachten und verflachten die Handlung, reduzierten Shakespeares melancholische und philosophische Exkurse und peppten das Ganze mit ein paar zusätzlichen weib­ lichen Rollen auf. Außerdem gab es viel mehr Spektakel, Bühnentechnik nach der neuesten Mode, und sogar ein Orchester. Es war wohl John Weldon, der die Partitur zu dieser Aufführungsserie schrieb, und Henry Purcell steuerte später zwei Lieder bei. Der Erfolg ermunterte sieben Jahre später den Librettisten Thomas Shadwell, den Schauwert nochmal zu erhöhen und aus Drydens Versen ein Musiktheater zu machen. Den Kompositionsauftrag teilten sich mehrere Musiker, darunter Matthew Locke und Pelham Humfrey. Und in dieser Form wurde der „Sturm“ zu einem Sensationserfolg. 1701, 1702, 1704, 1706 bis 1708, 1710, 1712 bis 1717 und zwischen 1729 und 1747 ganze zwanzig Mal kamen allein in London Neuinszenierungen auf die Bretter, die die Welt bedeuten … Das ist auch für unsere heutigen Verhältnisse außergewöhnlich. Wir müssen uns die damaligen Londoner Aufführungen als großes Entertainment vorstellen. Schon eine Stunde vor der eigentlichen Theatervorstellung spielt die Musik. Es gibt Tänze und Lieder, und wenn sich der Vorhang öffnet, ein atemberaubendes Maschinentheater mit tobenden Winden, sinkenden Schiffen und fliegenden Geistern. All das fasst Locke in bildkräftige Musik – während Shakespeare selbst seinen Hauptfiguren ein paar große, grundsätzliche Weis­heiten über die Musik in den Mund gelegt hat, die uns heute Johannes Silberschneider liest.

Ein Sommernachtstraum Shakespeares „A Midsummer Night’s Dream“ ist das früheste Stück des heutigen Abends, es entstand noch zu Lebzeiten von Queen Elizabeth I. und gehört wie „Der Sturm“ zu den wenigen,


die kein konkretes Vorbild haben. Auch hier finden wir also des Dichters Geist und all seine unvergleichliche Bühnenphantasie ganz genuin. Zur komplexen Handlung sei nur kurz angeführt, dass wir uns in einem Wald im antiken Griechenland befinden, in dem sich zwei Paare verirren. Zudem probt dort gerade eine Gruppe von Handwerkern das Stück „Pyramus und Thisbe“ für eine Aufführung zur Hochzeit des Fürsten von Athen. Was alle nicht wissen: Sie geraten mitten in einen Ehestreit des Elfenkönigspaars Oberon und Titania, der dadurch verschärft wird, dass Oberons Elfendiener Puck (bei Schlegel/Tieck trägt er den Namen Droll) mit dem Tau einer Zauberblume zunächst einem Handwerker einen Eselskopf auf die Schultern zaubert und dann die Elfenkönigin unsterblich in dieses Geschöpf verliebt macht. Am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf, und keiner der beteiligten Menschen erinnert sich mehr an irgendetwas aus der Spuk­nacht. Das Stück war schon zu Shakespeares Zeiten ein Erfolg und wurde als eines der ersten auch gedruckt. Und wie beim „Sturm“ nahmen sich viele Bearbeiter nach Shakespeares Tod auch des „Sommernachtstraums“ an. Besonders erfolgreich war damit der Schauspieler und Manager des Dorset Garden Theatres, Thomas Betterton. Der engagierte im Jahr 1692 Henry Purcell, um aus dem Schauspiel ein Musiktheater zu machen. Zuvor hatte Purcell mit Drydens „King Arthur“ einen Sensationserfolg verbuchen können, und daran wollte Betterton anknüpfen. Er vereinfachte den „Sommernachtstraum“ unter dem Titel „The Fairy-Queen“ in den Schauspielteilen, schrieb dazu jedoch eine ganze Reihe neuer Szenen, die jeweils einen Akt beenden und von Purcell ganz und gar opernhaft vertont wurden. Diese haben mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun, sondern sind musikalische Intermezzi, in denen vor allem das Ballett zum Einsatz kommt, das zu Shakes­ peares Zeiten noch keinerlei Rolle auf der Bühne gespielt hatte. Inspiriert von der französischen Oper am Hofe Ludwig XIV. hatte das Ballett jedoch inzwischen Eingang in die englische Musik- und Theaterwelt gefunden. Purcell nutzt diese Chance weidlich für


eine ganze Reihe von Tänzen, die Jordi Savall für den heutigen Abend zu kleinen Suiten zusammengestellt hat. Bettertons Produktion war zwar ein Erfolg, brachte das Theater jedoch durch die immensen Kosten an den Rand der Pleite. Die Idee, Oper, Schauspiel und Tanz in einem einzigen Stück zu vereinen, machte zwar den Reiz des Gesamtkunstwerks der „Masques“ genannten Spektakel aus, doch deren Zeit war mit der „Fairy Queen“ fast schon abgelaufen. Wir hören sozusagen ein letztes Aufbäumen der Schönheit, bevor diese sehr englische Form des Theaters von den Bühnen verschwand.

Thomas Höft


Die Interpreten Jordi Savall, Leitung Jordi Savall ist eine der vielseitigsten Persönlichkeiten unter den Musikern seiner Generation. Seit mehr als fünfzig Jahren macht er die Welt mit musikalischen Wunderwerken bekannt, die er dem Dunkel der Gleichgültigkeit und des Vergessens entreißt. Er widmet sich der Erforschung der Alten Musik, weiß sie zu lesen und interpretiert sie mit seiner Gambe oder als Dirigent. Seine Konzerte, aber auch sein Wirken als Pädagoge, Forscher und Initiator neuer musika­ lischer oder kultureller Projekte haben wesentlich zu einer neuen Sichtweise der Alten Musik beigetragen. Zusammen mit Montserrat Figueras gründete er die Ensembles Hespè­rion XXI (1974), La Capella Reial de Catalunya (1987) und Le Concert des Nations (1989). Mit ihnen erforscht und erschafft er seit Jahrzehnten ein Universum voller Emotion und Schönheit für Millionen von Liebhabern Alter Musik in der ganzen Welt. In seiner Musikerlaufbahn hat Savall mehr als 230 Platten aufgenommen. Das Repertoire reicht von Musik des Mittelalters über Renaissance-Musik bis hin zu Kompositionen des Barock und des Klassizismus, wobei er einen besonderen Schwerpunkt auf die iberische und mediterrane Tradition legt. Die CDs erhielten zahlreiche Auszeichnungen, darunter mehrere Midem Classical Awards, International Classical Music Awards und einen Grammy. Seine Konzertprogramme haben die Musik zu einem Mittel der Verstän­ digung und des Friedens zwischen unterschiedlichen und manch-


mal auch verfeindeten Völkern und Kulturen gemacht. Nicht ohne Grund wurde Jordi Savall 2008 zum „Botschafter der Europäischen Union für den kulturellen Dialog“ und gemeinsam mit Montserrat Figueras im Rahmen des UNESCO-Programms „Botschafter des guten Willens“ zum „Künstler für den Frieden“ ernannt. Jordi Savalls ertragreiches Musikschaffen wurde mit den höchsten nationalen und internationalen Auszeichnungen gewürdigt, darunter der Titel des Doctor Honoris Causa der Universitäten von Évora (Portugal), Barcelona (Katalonien), Löwen (Belgien) und Basel (Schweiz). Die Französische Republik verlieh Jordi Savall den Titel eines „Chevalier dans l’Ordre national de la Légion d’Honneur“ und vom niedersächsischen Kultusministerium erhielt er den „Praetorius Musikpreis Niedersachsen 2010“ in der Kategorie „Internationaler Friedensmusikpreis“; die katalanische Landes­ regierung zeichnete ihn mit der Goldmedaille für besondere Verdienste aus, und im Jahr 2012 wurde sein Lebenswerk mit dem angesehenen, einem Nobelpreis für Musik gleichkommenden, dänischen Musikpreis Léonie Sonning prämiert. „Jordi Savall steht ein für die unendliche Vielfalt eines gemeinsamen kulturellen Erbes. Er ist ein Mann unserer Zeit.“ (The Guardian, 2011).

Le Concert des Nations Das Orchester Le Concert des Nations wurde 1989 von Jordi Savall und Montserrat Figueras bei der Vorbereitung des Projekts Canticum Beatae Virgine von M. A. Charpentier gegründet; denn dazu war eine Musikgruppe nötig, die mit historischen Instrumenten ein Repertoire interpretieren konnte, das die Zeit vom Barock bis zur Romantik umspannte (1600-1850). Der Name geht auf das Werk „Les Nations“ von François Couperin zurück und dessen Konzept der goûts-réunis, das die Vereinigung der Musikstile anstrebt und schon eine Vorahnung davon enthält, dass die Kunst in Europa immer eine eigene Prägung haben würde, nämlich die des Zeit­ alters der Aufklärung.


Das von Jordi Savall geleitete Concert des Nations war das erste Orchester, dessen Mitglieder mehrheitlich aus romanischen (Spanien, Frankreich, Italien, Portugal) oder lateinamerikanischen Ländern kamen. Alle sind international anerkannte Spezialisten in der historisch fundierten Interpretation Alter Musik auf Originalinstrumenten. Von Anfang an stellte das Orchester seine Absicht unter Beweis, ein historisches Repertoire von großer Qualität durch Interpretatio­ nen bekannt zu machen, die zwar rigoros den ursprünglichen Geist der Werke respektieren, sie aber beim Spielen neu beleben. Beispielhaft stehen dafür die Einspielungen der Musik von Charpentier, J. S. Bach, Haydn, Mozart, Händel, Marais, Arriaga, Beethoven, Purcell, Dumanoir, Lully, Biber, Boccherini, Rameau und Vivaldi. Im Jahr 1992 debütierte Le Concert des Nations in der Operngattung mit dem Werk „Una Cosa Rara“ von Martín i Soler, aufgeführt am Théâtre des Champs Élysées in Paris, am Gran Teatre del Liceu in Barcelona und am Auditorio Nacional in Madrid. Eine Fortsetzung fand die Arbeit im Bereich der Oper mit „L’Orfeo“ von Claudio Monteverdi, aufgeführt am Gran Teatre del Liceu in Barcelona, am Teatro Real in Madrid, am Wiener Konzerthaus, am Arsenal in Metz, am Teatro Reggio in Turin und, erneut, 2002, am wiederaufgebauten Teatre del Liceu in Barcelona. Von dieser Aufführung existiert eine DVD (BBC-Opus Arte). Spätere Aufführungen finden im Palais des Arts in Brüssel, am Grand-Théâtre von Bordeaux und am Piccolo Teatro in Milano sowie beim Festival Mito statt. 1995 interpretiert das Orchester in Montpellier eine andere Oper von Martín i Soler, „Il Burbero di Buon Cuore“, und im Jahr 2000 „Celos


aun del Ayre matan“ von Juan Hidalgo und Calderón de la Barca, konzertant in Barcelona und Wien aufgeführt. Die letzten Produktionen waren „Farnace“ von Vivaldi, uraufgeführt im Teatro de la Zarzuela in Madrid und „Il Teuzzone“ von Vivaldi, halbkonzertant aufgeführt an der Opéra Royal von Versailles. Die umfangreiche Diskografie wurde vielfach prämiert. Besonders zu erwähnen sind der Midem Classical Award und der Internatio­ nal Classical Music Award. Die Werke, die Platteneinspielungen und Auftritte in den wichtigsten Städten und bei den bedeutendsten Musikfestspielen der Welt haben dem Orchester den Ruf eingebracht, eine der besten Formationen für die Interpretation mit historischen Instrumenten zu sein, auch weil sie über ein weit gespanntes Repertoire unterschiedlichster Stilrichtungen verfügt, beginnend mit den ersten Kompositionen für Orchester bis hin zu Meisterwerken der Klassik und Romantik.

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Das Team der styriarte bedankt sich bei seinem sehr verehrten Publikum für seine Neugier, für seine Begeisterung und Treue. Wir freuen uns, dass Sie uns auch 2019 wieder auf unseren mannigfaltigen Pfaden durch die schöne Musikwelt folgten. Wir verabschieden uns für diesen Sommer und freuen uns auf ein Wiedersehen von 19. Juni bis 19. Juli 2020.


Zwischen Tanz und Tod

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