Donnerstag, 14. Juli, 20 Uhr Helmut List Halle
Appassionata
Ludwig van Beethoven (1770–1827) Sonate Nr. 7 in D, op. 10/3 Presto Largo e mesto Menuetto: Allegro Rondo: Allegro
Sonate Nr. 31 in As, op. 110 Moderato cantabile molto espressivo Allegro molto Adagio ma non troppo. Fuga: Allegro ma non troppo
Sonate Nr. 23 in f, op. 57, „Sonata appassionata“ Allegro assai Andante con moto Allegro ma non troppo
Pierre-Laurent Aimard, Klavier
Konzertdauer: Erster Konzertteil: ca. 45 Minuten Pause: ca. 30 Minuten Zweiter Konzertteil: ca. 25 Minuten
Appassionata
Pierre-Laurent
Aimard
Klaviersonaten
von
frühe
von
1798,
1805
und
die
Zuerst der
zeigt
Tasten,
spielt
drei
Beethoven:
eine
eine
mittlere
vorletzte
von
von 1821.
er
den
Revolutionär
dann
den
Revolutionär
der Formen, schließlich den Revolutionär
des
Klangs.
Revolutionär der Tasten „Gewaltig, mächtig und ergreifend trat Beethoven als Klavierkomponist auf. Neuheit und Fülle, eine Leichtigkeit, die harmonischen Hilfsmittel zu gebrauchen, eine gewisse Eigenheit des Stils und der Behandlung ließen von dem noch jungen Manne einen originellen und genialen Komponisten erwarten.“ So urteilte ein Wiener Kritiker im Jahre 1806 rückblickend über Beethovens frühere Klavierwerke – zu einer Zeit, als der Meister seine Zuhörer schon mit der „Appassionata“ und anderen „mittleren“ Sonaten schockierte. Zehn Jahre früher war der Schock, Beethoven am Pianoforte zu erleben, freilich kaum geringer. „Mit dem Feuer der Jugend trat er kühn (um heftige Leidenschaften auszudrücken) in weit entfernte Tonleitern. In diesen erschütternden Aufregungen wurde mein Empfindungsvermögen sehr getroffen“, berichtete der Zeitgenosse Johann Schenk. Weniger vornehm beschrieb es der Pianist Abbé Gelinek: „ein kleiner häßlicher, schwarz und störrisch aussehender junger Mann“, in dem „der Satan“ stecke: „Nie hab’ ich so spielen gehört! (Er spielte) eigene Kompositionen, die im höchsten Grade wunderbar und großartig sind, und er bringt auf dem Klavier Schwierigkeiten und Effekte hervor, von denen wir uns nie etwas haben träumen lassen.“
Opus 10 1798 beförderte der junge Meister seine drei Klaviersonaten Opus 10 zum Druck – Meisterwerke, die ihm endgültig den ersten Rang unter Wiens Pianisten verschafften, obwohl er die Kritiker schon damals durch seine „Sonderbarkeit“ irritierte. In der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ stand über das Opus 10 zu lesen: „Es ist nicht zu leugnen, daß Herr
v. B. ein Mann von Genie ist, der Originalität hat und durchaus seinen eigenen Weg geht. Dazu sichert ihm seine nicht gewöhnliche Gründlichkeit in der höhern Schreibart und seine außerordentliche Gewalt auf dem Instrumente, für das er schreibt, unstreitig den Rang unter den besten Klavierkomponisten und Spielern unserer Zeit … Diese zehnte Sammlung scheint also dem Recensenten vielen Lobes werth. Gute Erfindung, ernster männlicher Styl, wohl und ordentlich miteinander verbundene Gedanken, in jeder Partie gut gehaltener Charakter, eine unterhaltende Führung der Harmonie heben diese Sonaten vor vielen sehr heraus. Nur muss Hr. v. B. sich etwas vor der bisweilen zu freyen Schreibart, dem Eintreten unvorbereiteter Intervalle und der oftmaligen Härte der Durchgangsnoten in Acht nehmen, auch wohl unterweilen weniger an Sätze der Orgel erinnern.“ Die Vollgriffigkeit von Beethovens Klaviersatz machte den Spielern wie Hörern zu schaffen.
Zur Musik Erster Satz: Das einleitende Presto der D-Dur-Sonate ist nicht nur berühmt für sein in die Höhe schießendes Hauptthema, das sich
gleich auf einer störrischen Fermate festrennt, sondern auch für die vielen rauschenden Passagen: ein Virtuosenstück des jungen Beetho-
ven. Auch die „Gründlichkeit in der höhern Schreibart“ zeigt sich hier an vielen Details, etwa am kontrapunktischen Nachsatz des Hauptthemas oder am lyrischen dritten Thema. Das Seitenthema ist durch seine Dur-Moll-Wechsel ein Zeugnis für Beethovens „Sturm und Drang“, hält aber in seinem gleichsam mozartisch lichten Klang den massiven Oktaven des Hauptthemas die Waage. In der Durchführung steigert sich der drängende Zug des Hauptthemas bis zur Raserei. Die Coda erreicht in der Brillanz ihrer Passagen den glänzenden Effekt eines Klavierkonzerts. Zweiter Satz: Das Largo e mesto in d-Moll war schon zu Beethovens Lebzeiten der berühmteste Satz der D-Dur-Sonate, ein Musterbeispiel für die neue, expressive Kunst, die er in den Adagio-Vortrag hineinlegte. Der Satz beginnt mit einem grüblerischen Thema im Sechsachteltakt, das um den Ton d kreist und sich von diesem Bild nicht lösen kann. Die Enge des Anfangs wird allmählich durch wuchtige Akkord-Motive überwunden und mündet in einen unendlich
rührenden Mittelteil. Überall aber bleiben Klangbilder einer nagenden Melancholie präsent, geradezu bestürzend etwa in einer fantastischen Arpeggio-Passage der Reprise. Als man Beethoven auf den Gehalt dieses Satzes ansprach, meinte er fast ärgerlich, dass in seiner Jugendzeit am Ende des 18. Jahrhunderts jeder sofort die poetische Idee verstanden hätte: „Jedermann fühlte aus diesem Largo den geschilderten Seelenzustand eines Melancholischen heraus mit allen den verschiedenen Nuancen von Licht und Schatten im Bilde der Melancholie.“ Beethoven selbst soll im Laufe dieses Satzes zehn verschiedene Tempi benutzt haben, um seinen Ausdrucksgehalt zu unterstreichen. Dritter und vierter Satz: Das Menuett in D-Dur folgt darauf „wunderbar tröstend – wonniger Zuspruch und Ermunterung, in lauterste Schlichtheit getaucht.“ So charakterisierte A. W. Thayer in seiner Beethoven-Biographie den dritten Satz. Das Rondofinale nannte er „das zagende, fragende, doch befriedigte Wiedererwachen zu neuem Leben.“
Revolutionär der Formen Als der Leipziger Musikschriftsteller Friedrich Rochlitz im Sommer 1822 für mehrere Monate Wien besuchte, wollte er auch Beethoven treffen. Franz Schubert geleitete ihn in Beethovens Stammlokal, wo er „umgeben von mehreren seiner Bekannten“ saß. Als der Besucher aus Leipzig ihn fragte, wo man denn in Wien Musik von ihm hören könne, fiel die Antwort ernüchternd aus: „Von mir hören Sie hier gar nichts … Was sollten Sie hören? Fidelio? Den können sie nicht geben und wollen ihn auch nicht hören. Die Symphonien? Dazu haben sie nicht Zeit. Die Konzerte? Da orgelt jeder nur ab, was er selbst gemacht hat. Die Solosachen? Die sind hier längst aus der Mode, und die Mode thut alles. Höchstens sucht der Schuppanzigh manchmal ein Quartett hervor.“ So realistisch diese nüchterne Bestandsaufnahme war – zumal im Jahr von Rossinis Wienbesuch –, so wenig verriet der Meister seinen Zeitgenossen, dass er gerade im Begriff war, die Welt durch seine Spätwerke zu überraschen. Neue „Solosachen“, neue Quartette, eine neue Symphonie, eine große Messe lagen auf seinem Schreibtisch. Die späten Streichquartette, die letzten drei Klaviersonaten, die „Missa solemnis“ und die Neunte Symphonie katapultierten Beet hoven aus der fast totalen Vergessenheit wieder ins Zentrum des Wiener Musiklebens zurück, was einer Wiedergeburt gleichkam. Eröffnet wurde dieser Reigen der Spätwerke von den drei letzten Klaviersonaten in E, As und c, komponiert 1820 bis 1822. In keinem dieser Werke griff Beethoven auf die früheren Formen seiner Sonaten zurück. Er entwarf eine fantastische, poetische neue Formenwelt, wie mustergültig die As-Dur-Sonate zeigt.
Opus 110 Die As-Dur-Sonate Opus 110 vollendete Beethoven am Weihnachtstag 1821. Nicht weniger als fünf verschiedene Formen seiner Zeit, und zwar gerade nicht nur solche der Instrumentalmusik, hat er hier in zwanzig Minuten Spielzeit zusammengefasst: einen lyrischen Liedsatz zu Beginn, einen trotzigen Marsch mit Trio, dann ein Rezitativ mit Arioso und schließlich eine Fuge, die in der Mitte noch einmal vom Arioso unterbrochen wird. Die Zeitgenossen gerieten in Verzückung angesichts der neuen, „romantischen“ Manier des alternden Meisters, seiner schlichten Motive und poetischen Satzgebilde, vor allem aber seiner neuen Kunst der Formen und Übergänge. Adolph Bernhard Marx, 25 Jahre jünger als Beethoven und ein Zeitgenosse Schuberts, schwärmte von der As-Dur-Sonate: „Die Klage des Einsamen ist das erste Allegro (3/4, As-Dur) voll des zartesten Ausdruckes der Wehmuth, reizend in Anmuth und Majestät. Mir ist dieses Allegro – dem Sinne nach müsste es Adagio heißen – ein neuer Beweis für meine Überzeugung gewesen, dass nicht seltene Melodien und Harmonien, sondern der Geist, der durch das Ganze weht, den Rang des Kunstwerkes bestimmen. Die einfachste Melodie, die einfachste Begleitung, die kunstloseste Entwicklung – sind hier genügende Mittel für den tiefsten Ausdruck.“
Zur Musik Erster Satz: Um den besonderen Ausdruck dieses As-Dur-Satzes zu bezeichnen, griff Beethoven gleich zu fünf verschiedenen Ausdrücken: „Moderato cantabile molto espressivo“ steht über dem Satz, also „Mäßig, singend, sehr ausdrucksvoll“. Das erste Thema soll „Avec Amabilité“ vorgetragen werden, „Mit Liebenswürdigkeit“. Dieser sanft aufsteigende As-Dur-Gesang im ruhigen Dreiertakt wirkt so schlicht wie ein Liedthema. Da auch die Überleitung aus lauter leichten, gebrochenen Akkorden besteht und als zweites Thema eine simple Melodie in hoher Diskantlage dient, hat man nirgends den Eindruck eines Sonatensatzes, trotz des pathetischen Schlusses der Exposition. Die Durchführung wirkt wie die Mollmittelstrophe des Liedes: Über wogender Begleitung wandert das Hauptthema durch die Tonarten, bis As-Dur wieder erreicht ist. Der Schluss ist so unprätentiös wie der gesamte Satz. Zweiter Satz: Nicht mehr als zwei Minuten dauert dieses Intermezzo, ein Allegro molto in f-Moll mit einem trotzigen Marschthema im Hauptteil und einem skurrilen Des-Dur-Trio aus absteigenden Läufen und gegenläufigen gebrochenen
Dreiklängen. Marx nannte diesen Satz „ein seltsam, wildes Allegro molto (f Moll 2/4), in das sich unerwartet die Melodie eines wüsten allgemein bekannten Volksliedes einwebt, das dann ebenso unerwartet mit einem zarten Nachklang schließt.“ Um welches „wüste Volkslied“ es sich handelt, hat Marx nicht verraten. Dritter Satz: Das Adagio ma non troppo beginnt mit einer pathetischen Einleitung in b-Moll, gefolgt von einem instrumentalen Rezitativ, das über ein vierzehn Mal wiederholtes a’’ bis nach cisMoll moduliert und dann überraschend in es-Moll endet. In dieser Tonart setzt eine „Bebung“ in ruhigen Triolen ein, der Klanggrund für den schmerzlichen Gesang des „Arioso dolente“, das zu Beethovens ergreifendsten Melodien zählt. „Wer nicht bei den fast unzusammenhängenden Akkorden des Vorspiels (das Adagio ist in der Form von Rezitativ und Arioso geschrieben), das sich in keiner Tonart festzuhalten vermag, ahnet, dass Beethoven hier sein innerstes Herz – und wie schmerzlich – öffnen will, wer in dem Gesange des Arioso …, in der weinenden zweiten Stimme am Schlusse nicht die Klage des tief
verwundeten, verwaiseten Herzens vernimmt: für den ist Beethoven ewig stumm“ (A. B. Marx, 1824). Eine Fuge über ein ruhiges AsDur-Thema aus drei aufsteigenden Quarten setzt ein, wobei das Thema deutlich aus dem Beginn des ersten Satzes abgeleitet ist. Wie manche Fugen im „Wohltemperirten Clavier“ von Bach beruht auch diese auf einem fließenden Triolenrhythmus, der erst im zweiten Teil – nach der Einführung der Themenumkehrung – rhythmisch vertrackter wird. Dazwischen hat Beethoven noch einmal das „Arioso dolente“ anklingen lassen, nun in g-Moll. Aus den stockenden Akkorden am Ende dieses Einschubs geht wie von selbst die Umkehrung des Fugenthemas
in G-Dur hervor. Über g-Moll und eine gewaltige Steigerung wird endlich wieder As-Dur erreicht, wenn das Fugenthema in Oktaven im Bass erscheint. Nun gibt es kein Halten mehr: Die Fuge endet in einer orgiastischen Coda im Fortissimo. „Wie schwer ist es, wenn man von Beethoven spricht, zu enden! Und wie ganz unzulänglich muss am Ende alles erscheinen, was man über ihn gesagt hat! … Welch ein Reichthum an Schönheiten entfaltet sich allein in der Fuge dieser Sonate!“ So meinte Marx am Ende seiner Rezension des Opus 110.
Josef Beheimb
Revolutionär des Klangs Wenn die Wiener Musikkritiker von der „Sonderbarkeit“ des mittleren Beethoven schrieben, meinten sie damit immer auch seine Klaviersonaten: Je mehr der Meister in die Tiefen des Klavierklangs hinab- oder in die Höhen hinaufstieg, desto weniger waren sie bereit, ihm zu folgen. Zur gerade erschienenen f-Moll-Sonate Opus 57 meinte die „Allgemeine musikalische Zeitung“ im Jahre 1807: „In dem ersten Satze dieser Sonate hat er einmal wieder viele böse Geister losgelassen, wie man dieses aus andern seiner großen Sonaten schon kennet … Wer dieses Allegro ganz so, wie es gespielt werden soll, vortragen kann, verdient wahrhaftig Respekt als Klavierspieler! … Übrigens wird durch die ganze Sonate das Pianoforte, und zwar sehr häufig, bis viergestrichen C gebraucht.“ Dieser überraschenden Ausweitung des Klavierdiskants entspricht beim mittleren Beethoven das Ausnutzen der tiefen Lagen. Derselbe Rezensent empfahl dem Pianisten im Andante der „Appassionata“: „Spiele dir diese unscheinbare Zeile hübsch bedeutend, ohne alle Härte, die Töne gehörig gebunden, getragen, zu- und abnehmend durch, lass dabey ja alles hübsch austönen, so lange es austönen will, … und wenn du nicht fühlst, sag’ ich, solche Musik gehe von Herzen zu Herzen, so – hat Einer von uns beyden keins.“ Das „von Herzen zu Herzen gehen“ wurde beim mittleren Beethoven immer mehr eine Frage der subtilen Klanggestaltung und der Ausweitung des Klangraums. Die f-Moll-Sonate Opus 57 ist dafür ein Musterbeispiel.
Opus 57 „Beethoven selbst hielt diese Sonate für seine größte (bis zu der Zeit, als er Op. 106 komponiert hatte).“ So hat es sein Schüler Carl Czérny überliefert. Joachim Kaiser bemerkte
dazu in seinem Standardwerk „Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten“: „Ehrfürchtig scheint die klavierspielende Welt Beethovens Meinung zu teilen. Seit diese von stürmischen Verläufen und Prozessen ungeheuerlich erfüllte f-Moll-Sonate existiert, seit ihr der Titel Appassionata anhaftet, gilt Opus 57 als leidenschaftlichstes klassisches Drama, das je für Klavier komponiert wurde.“ Wie so viele berühmte Klaviersonaten Beethovens hat freilich auch diese ihren Beinamen nicht vom Meister selbst erhalten. Zwar trägt die autographe Handschrift auf dem Umschlag den Titel „La Passionata“, doch wurde dieser nicht in die gedruckte Ausgabe übernommen, die im Februar 1807 in Wien erschien. Erst 31 Jahre später kreierte der Hamburger Verleger Crantz den Titel „Sonata appassionata“, als er das Werk in einer Bearbeitung für Klavier zu vier Händen herausbrachte. Beide Titel – der originale vom Komponisten und der posthume des Hamburger Verlegers – meinen im Grunde das Gleiche: „die leidenschaftliche Sonate“. Wohl keine andere Klaviersonate Beethovens musste so lange auf den Tag ihrer Veröffentlichung warten: Zwischen Vollendung und Drucklegung vergingen nahezu drei Jahre. Schuld daran war der Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel, dem Beethoven die Sonate bereits im Sommer 1804 anbot – zusammen mit drei anderen berühmten Werken aus jener Zeit: der „Waldstein-Sonate“, der „Eroica“ und dem Tripelkonzert. Breitkopf war interessiert, ließ sich die Manuskripte schicken – und sandte sie ungedruckt wieder nach Wien zurück. Beethoven musste neue Verleger für die drei Werke suchen, was sich in die Länge zog. So kam es, dass die „Sinfonia Eroica“ erst im Herbst 1806 gedruckt wurde, die f-Moll-Sonate und das Tripelkonzert gar erst 1807. Ihre drei Opuszahlen folgen unmittelbar aufeinander: 55, 56 und 57. Dass es sich bei der f-Moll-Sonate um ein Werk aus dem Jahre 1804 handelt, nicht etwa 1806, ist für ihre Bewertung
entscheidend: Man muss sie als pianistische Antwort auf die „Eroica“ verstehen. Auf die „heroische“ Sinfonie sollte die „leidenschaftliche“ Sonate folgen, ebenso kompromisslos im Ausdruck und den musikalischen Mitteln wie die Es-Dur-Sinfonie. Noch ein anderes großes Werk jener Jahre hat die „Appassionata“ beeinflusst: „Leonore“, die Urfassung des „Fidelio“. Beethovens einzige Oper war schließlich die Hauptarbeit des Jahres 1804. Die Skizzen zur f-Moll-Sonate hat er in das große „Leonore-Skizzenbuch“ eingetragen, das er zur Vorarbeit an der Oper anlegte. Nicht zufällig steht die Sonate in der gleichen Tonart wie Florestans große Szene im Kerker („Gott! Welch Dunkel hier!“).
Zur Musik Erster Satz: ein sehr schnelles Allegro assai im 12/8-Takt, doch weder Taktart noch Tempo werden zu Beginn deutlich. Rhythmisch schwer bestimmbare f-Moll-Dreiklänge steigen im Pianissimo in die Tiefe hinab wie in eine Gruft und wieder nach oben, gefolgt von einem Triller. Diese düstere Impression, die man kaum ein Thema nennen kann, wird sofort in Des-Dur
wiederholt, der Triller noch zwei weitere Male, bevor pochende Basstöne und ein plötzlicher heftiger Ausbruch zum Fortissimo überleiten. Nun hört man den Anfang tatsächlich als Thema, unterbrochen von wilden Synkopen, die wie Orchestereinwürfe wirken. Der ganze Beginn scheint wie Florestan auszurufen: „Gott! Welch Dunkel hier!“ Deshalb verliert sich der kraft-
volle Impuls des Themas auch sofort wieder in nebulösen Pianissimo-Bebungen. Erst mit dem Seitenthema hat man festeren Grund erreicht. Es ist nichts anderes als eine Variante des Hauptthemas im tröstlichen As-Dur, gespielt über weichen Triolen – eine Hoffnung auf Licht und Erlösung. Sie wird bald wieder von der Finsternis verschlungen: Wilde Sechzehntel beenden die Exposition. In der Durchführung wird erst das Hauptthema durch die Tonarten geführt, dann das Seitenthema. Die Reprise tritt im Pianissimo ein, über dem repetierten tiefen C in der linken Hand. Dieser Orgelpunkt auf der Dominante verleiht dem wieder erreichten f-Moll-Hauptthema unterschwellige Unruhe. In wilden Fortissimo-Synkopen schlägt die Tonart plötzlich in gleißendes F-Dur um, so als bräche Licht ins Dunkel ein. In der gleichen Tonart steht nun auch das Seitenthema. Die Coda aber vertreibt alle Hoffnung durch wilde Entladungen, seltsam flackernde hohe Sechzehntelpassagen und weiträumiges Arpeggio. Der Satz endet wie er begonnen hat: Die f-Moll-Dreiklänge steigen leise, geisterhaft in die Tiefe hinab, nun aber nicht mehr in die Höhe. Es gibt kein Entrinnen aus der Gruft. Zweiter Satz: Wie auf Florestans Szene die tröstliche Arie folgt („In des Lebens Frühlingstagen“), so folgt
auf den düsteren Beginn der f-MollSonate ein sanft bewegtes Andante con moto in Des-Dur. Es ist ein Variationensatz über ein zartes Thema in tiefer Lage, mehr Lied ohne Worte denn Arie. Der gleichmäßige Trott des Themas wird im Verlauf der Variationen allmählich in fließende Klänge aufgelöst und in himmlische Harmonien. Die Illusion eines himmlischen Trösters freilich wird am Ende des Satzes brutal zerstört: Scharf dissonante Akkorde in punktierten Rhythmen brechen in den Schluss das Andante ein. Dritter Satz: Das Finale folgt „attacca“, also ohne Pause auf den zweiten Satz – etwa so wie das Finale der Fünften Symphonie sich an das Scherzo anschließt, nur dass in der Sonate der Durchbruch nach Dur ausbleibt. Dennoch hat Joachim Kaiser zwischen dem triumphalen C-Dur-Finale der Symphonie und dem wilden f-MollFinale der Sonate eine Verbindung hergestellt: Beide Sätze seien von geradezu manischen Wiederholungsfiguren geprägt. Tatsächlich sprengt auch das Finale des Opus 57 Grenzen, scheint maßlos in seinem Bewegungsdrang und seiner Emphase. Dabei hat Beethoven im Sonatenfinale mit seinem unruhigen Klanggrund die Sprache der Romantiker vorweggenommen. Am Ende triumphiert ein wahnwitziges Presto.
Der Interpret Pierre-Laurent Aimard, Klavier Der französische Pianist Pierre-Laurent Aimard wurde 1957 in Lyon geboren und studierte am Pariser Konservatorium. Im Alter von zwölf Jahren begegnete er Olivier Messiaen und wurde in kurzer Zeit zum berufenen Interpreten seiner Werke. Bereits im Alter von 15 Jahren gewann Aimard den renommierten Messiaen-Preis, was den Beginn seiner internationalen Karriere markieren sollte. Seitdem ist er auf der ganzen Welt aufgetreten, unter anderem mit Dirigenten wie Kent Nagano, Andrew Davis, Giuseppe Sinopoli und Pierre Boulez. Letzterer gründete 1976 das Ensemble InterContemporain (EIC) und berief Aimard zum Solopianisten. 18 Jahre blieb Aimard dem EIC treu, lernte in dieser Zeit eine große Bandbreite Neuer Musik kennen und entwickelte sich zu einer der Schlüsselfiguren dieses Repertoires. Seine Arbeit brachte ihn mit den führenden Komponisten wie Stockhausen, Ligeti und Kurtág zusammen, aber er förderte auch Nachwuchskomponisten wie George Benjamin und Marco Stroppa durch die Aufführung ihrer Werke. Gleichzeitig blieb Aimard dem „traditionellen“ Klavierrepertoire als Solist und Kammermusiker treu. Regelmäßig trat er mit führenden Orchestern auf. Gemeinsam mit Nikolaus Harnoncourt spielte er hier bei der styriarte alle Werke Beethovens für Klavier und Orchester, Konzerte, die auch auf
CD dokumentiert vorliegen. Beim Grazer Festival startete er im Jahre 2005 gemeinsam mit dem Chamber Orchestra of Europe einen Zyklus mit Klavierkonzerten Mozarts. Der CD-Mitschnitt dieses ersten Konzertes 2005 erntete weltweit Jubelkritiken, „Die Zeit“ urteilte sogar: „Dies ist eine der schönsten Mozart-Aufnahmen aller Zeiten.“ Aimard nimmt derzeit exklusiv für die Deutsche Grammophon auf. Bachs „Kunst der Fuge“, seine erste DG-CD, erhielt den Diapason d’Or und den Choc du monde de la musique. Diese Einspielung ist auch der Topseller bei den Klassik- iTunes-Downloads. Zu weiteren Preisen gesellt sich noch ein Grammy für die Einspielung von Charles Yves’ „Concord Sonata“ und Yves-Liedern mit Susan Graham. Zuletzt erschien 2014 Bachs „Wohltemperiertes Klavier“. Pierre-Laurent war in der vergangenen Saison bei den Wiener Symphonikern Artist-in-Residence und hat dort alle Beethoven-Klavierkonzerte unter Philippe Jordan gespielt. Er bleibt natürlich auch weiter der aktuellen Musik treu und spielte ein großes Stockhausen-Projekt für Musica Viva in München, gefolgt von Konzerten in Paris und Amsterdam, und einer Aufführung von Lachenmanns „Ausklang“ in Luxembourg. Recitale gibt er auch in Frankfurt, Amsterdam, Sydney, Tokyo und London. Im Sommer tritt er jetzt noch bei den Salzburger Festspielen, den Festspielen in Edinburgh und beim Musikfest Berlin auf. 2015 hat er in Kooperation mit dem Klavier-Festival Ruhr eine Online-Quelle eingerichtet, über die er Aufführungen und Unterrichtseinheiten mit Ligetis Musik verbreitet und so sein Wissen und Können weitergibt (www.explorethe score.org).
Aviso Freitag, 22. Juli, 20 Uhr Stefaniensaal
Beethoven 4 + 5 Beethoven: Sinfonie Nr. 4 in B, op. 60 Beethoven: Sinfonie Nr. 5 in c, op. 67 Concentus Musicus Wien Dirigent: Andrés Orozco-Estrada
Als 2005 ein junger Kolumbianer mit Studienanschrift Wien Chefdirigent des Grazer Orchesters recreation wurde, hätte sich kaum jemand träumen lassen, dass Andrés Orozco-Estrada neun Jahre später eines der bedeutendsten Orchester Europas als Chef leiten würde: das hr-Sinfonieorchester in Frankfurt. Dort gestaltete er heuer einen Beethoven-Zyklus: alle neun Sinfonien in vier Konzerten, ganz ähnlich wie bei der styriarte, nur nicht auf historischen Instrumenten. Was Orozco zum Ziel seiner Beethoven-Interpretation erklärte, das wird ihm auch in Graz mit dem Concentus Musicus Wien gelingen. Er wird Beethovens Sinfonien „sprechen lassen“, hier die Vierte und die populäre Fünfte.
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Dienstag, 15. September 2015
Österreichs unabhängige Tageszeitung
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Flexibel im Format, unbeugsam im Inhalt der Standard: als Klassik, Kompakt oder E-Paper Liechtenstein/Wien – Kompakte Länder wie Liechtenstein können aufatmen: Kompaktheit wurde jetzt erstmals offiziell als nützlich nachgewiesen. Dies gelang einer 19-jährigen Abonnentin aus dem Wiener Alsergrund, die nach der neunwöchigen Lektüre des Standardkompakt einen deutlichen Wissensvorsprung gegenüber ihrem sozialen Umfeld aufwies, dabei aber die vorteilhaften Inhalte weiterhin unterwegs und in kürzester Zeit konsumieren konnte. Damit wird auch für die Frage, ob kompakte Lebensmittel wie straff gerollte Dosenfische oder besonders eng gepackte Walnüsse für den Menschen von Vorteil sind, mit einer positiv ausfallenden Antwort gerechnet. In der wissenschaftlichen Community hat die Gewissheit über diesen schon lange vermuteten Vorteil von Kompaktheit einen wahren Kompakt-Boom ausgelöst. Kompakte Studien zu kompakten Themen mit kompakten Ergebnissen erfreuen sich unter Forschern neuer Beliebtheit. Für den kompaktfreudigen Laien gilt, was der Volksmund schon seit Generationen predigt: In der Kürze liegt die Würze. Damit wird auch für die Frage, ob kompakte Lebensmittel wie straff gerollte Dosenfische oder besonders eng gepackte Walnüsse für den Menschen von Vorteil sind, mit einer positiv ausfallenden Antwort gerechnet. Kompaktheit wurde jetzt erstmals offiziell als nützlich nachgewiesen. · http://derStandard.at/Abo ·
Österreich – Immer mehr Menschen suchen Kontakt zu einem flexiblen Partner, der dabei auch ruhig unbeugsam ausfallen darf. Besonderer Wert wird dabei häufig auf Inhalt bei gleichzeitiger Vollständigkeit gelegt. Charakterlich gefestigte Personen mit starker eigener Meinung und Offenheit erwarten von ihrem Gegenüber Seriosität, Unabhängigkeit und sogar Unbeugsamkeit im Inhalt, wenn auch Flexibilität im Format durchaus als Plus gesehen wird. Dass bei der Wahl des Diskurspartners ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe Grundvoraussetzung ist, überrascht nicht weiter. Offenheit, Neugierde und Dialogfähigkeit gelten hier als positive Eigenschaften. Man wählt eben besonders umsichtig, wen man täglich beim Frühstück vor sich hat.
Die Zeitung für Leserinnen und Leser im Abo der Standard verbessert Ihre Lebensqualität Waidegg – Das Handformat macht mit der Aktion „Jetzt 3 Wochen gratis testen“ derzeit von sich reden. Max Manus, Österreichs führender Hersteller von Handtellern in Originalgröße, bezichtigt den Standard, seine Kompakt-Ausgabe im Handformat in Anlehnung an seine linke Hand gestaltet zu haben. Eine Klage wird in zweiter Instanz in Erwägung gezogen, in erster Instanz ist sie bereits abhandengekommen. Derzeit geht man in belesenen Kreisen davon aus, dass
das Handformat an sich wohl schon fast so alt ist wie die Hand selbst – oder doch so alt wie das beliebte Gesellschaftsspiel „Schere, Stein, Papier“, in dem jedes Handformat ein anderes schlägt. „Wenn eine Zeitung schon im Handformat erscheint, warum dann bitte ohne Finger?“, soll eine anonyme deutsche Politikerin zu dem Thema gesagt haben, viel eher jedoch stammt die Aussage von dem Rapper HaHaND$, dem Drechsler handfester Sprüche. Ein neuerliches
Gutachten der Argru HAND (Heutige Angehende Neue Denker) will nun einen Zusammenhang zwischen dem Lesen des Handformats in kritischen Kreisen und der Handlichkeit unbeugsamen Journalismus im Allgemeinen herstellen, was wohl insofern als gegeben zu erachten ist, als die Neuen Denker überdurchschnittlich häufig auch Abonnenten einer gewissen Qualitätszeitung – Name der Redaktion bekannt – sind. Nimm das, Max Manus!
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