In Between

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Samstag, 16. November 2019, 19.30 Uhr Sonntag, 17. November 2019, 11 & 17 Uhr

IN BETWEEN Eddie Sauter (1914-1981) Clarinet a la King Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Allegro in F, KV 580b Alexander Kukelka (*1963) Czernowitzer Skizzen George Gershwin (1898-1937) Rhapsody in Blue *** Helmut Hödl (*1969) Cuvée 1995 Benny Goodman (1909-1986) Stompin’ At The Savoy Franz Schubert (1797-1828) Impromptu Nr. 2 in Es, D 899 Pee Wee King (1914-2000) Tennessee Walz Sholom Secunda (1894-1974) Bei mir bist du shein vienna clarinet connection: Helmut Hödl, Klarinette Rupert Fankhauser, Klarinette Hubert Salmhofer, Bassetthorn Wolfgang Kornberger, Bassklarinette


Zum Programm Musik für vier Klarinetten „Die Töne, welche er auf der Klarinette hervorbringt, lassen Alles zurück, was je Dichter von den seelenvollen Lauten der Flöte gesungen; man vergisst Nachtigall und Alles, wenn man ihn spielen hört.“ So rühmte ein Wiener anno 1813 das Spiel des großen Klarinettisten Heinrich Bärmann. Der geborene Preuße aus Potsdam erfreute sich als Soloklarinettist des Münchner Hofs größter Popularität. Die Komponisten Mendelssohn und Weber zählten zu seinem Freundeskreis. Vor allem aber kultivierte er neben dem virtuosen Solospiel auch die Kammermusik in einer damals ganz neuen Form: Mendelssohn bezeugt, dass Bärmann als erster Beethovens Streichquartette mit zwei B-Klarinetten, einem Bassetthorn und einem Fagott aufgeführt habe – die Bassklarinette zur Ausführung der Cellostimme war noch nicht erfunden. Auf Bärmann und sein Münchner Klarinettenensemble aus den 1820er-Jahren darf sich die „vienna clarinet connection“ berufen, wenn sie Musik für Klarinettenquartett arrangiert – von Mozart über Schubert bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Dabei haben die vier Klarinettenvirtuosen aus Wien noch andere Vorbilder im Ohr, etwa die Big Bands aus der goldenen Ära des Swing. So butterweich, fast streichermäßig wie dort die Saxophongruppe agiert, spielen auch die vier Klarinettisten, immer den großen Benny Goodman vor Augen, das Klarinettengenie jener Zeit.


Klarinette spielen wie ein König Mit den typischen hohen, fast schrillen BennyGoodman-Tönen beginnt gleich unser Konzert: „Clarinet a la King“, der Klassiker von 1941, in neuem Klanggewand. Eddie Sauter, Goodmans Arrangeur in den Vierziger Jahren, schrieb ihm diesen Foxtrott auf den Leib, sehr ungewöhnlich durch die fast barocken Mollharmonien und den permanenten Trott der Begleitstimmen. Darüber schwingt sich die Soloklarinette in höchste Höhen auf. Bei Eddie Sauter darf man immer ein klassisches Vorbild hinter der Musik vermuten. Für seinen berühmten „Midnight Sleighride“ schlachtete er Prokofjew aus, für andere Titel die nordamerikanischen Kirchenlieder. Quintett-Fragment für den „Stodler“ Mozarts Lieblingsklarinettist spielte noch auf einer Klarinette mit deutlich weniger Klappen als Benny Goodman: Anton Stadler war erster Soloklarinettist in der Harmoniemusik Kaiser Josephs II. wie in der Wiener Hofoper. Mozart nannte ihn spöttisch „Ribislgesicht“ wegen seines beim Spielen rot anlaufenden Hauptes und ebenso ironisch den „Stodler“ wegen seines starken Akzents. Am Spiel des großen Klarinettisten hatte er freilich nicht das Geringste auszusetzen, weder auf der B- oder A-Klarinette noch auf deren tiefen Geschwistern, der Bassettklarinette und dem Bassetthorn. Aus einem G-Dur-Konzert für Bassetthorn, das er unvollendet hatte liegen lassen, formte Mozart noch kurz vor seinem Tod das Klarinettenkonzert in A-Dur, KV 622. Das ebenso berühmte Klarinettenquintett KV 581 hatte er schon 1789 für Stadler vollendet, leider aber nicht zwei kammer-


musikalische Gegenstücke: das B-Dur-Allegro für Klarinette und Streichtrio, KV 516c, und das Quintett in F-Dur für Klarinette, Bassetthorn und Streicher, KV 580b. Letzteres haben unsere Klarinettisten in ein Klarinettenquartett verwandelt, ein wunderschönes Mozart-Allegro aus dem Jahr 1789, das vom Meister schon so weit skizziert wurde, dass man es unschwer vollenden kann. Skizzen aus der Ukraine Der Wiener Komponist Alexander Kukelka, aus Klement in Niederösterreich stammend, hat seine besondere Affinität zur Klarinette beim Schreiben seiner vielen Bühnenmusiken zu Nestroy-Stücken entdeckt, aber auch beim Experimentieren mit Klängen für Film und Fernsehen. Dass er dabei das Anschauliche, auch das Tonale nie aus dem Auge und Ohr verliert, versteht sich in diesen Genres fast von selbst. Der aktuell amtierende Präsident des österreichischen Komponistenbundes scheut sich auch nicht vor Anleihen beim Lokalkolorit wie etwa in seinem Konzert für Schrammelquartett und Streicher. In seinen „Czernowitzer Skizzen“ von 2003 hat er der Hauptstadt der Bukowina in der Ukraine ein liebevolles Denkmal gesetzt. Als sie noch zur K. und K. Monarchie gehörte, waren ein Drittel der mehr als Fünfzigtausend Einwohner Juden, die mit den katholischen Polen, den griechisch-orientalischen Ruthenen und den Deutschen ein Vielvölkergemisch bildeten, das sich auch musikalisch niederschlug. An diese wohlklingende Vielfalt erinnern Kukelkas „Czernowitzer Skizzen“. Rhapsody in Blue


Es war eine Sternstunde der Musikgeschichte, als der Soloklarinettist von Paul Whitemans Band zum ersten Mal das berühmte Glissando am Anfang der „Rhapsody in Blue“ anstimmte. Whiteman hatte beim jungen George Gershwin nichts Geringeres als das erste „Jazz-Klavierkonzert“ in Auftrag gegeben, begleitet von einer Mischung aus Big Band und klassischem Kammerorchester. Das Orchesterarrangement dafür besorgte Ferde Grofé. Im Klavierpart entfaltete Gershwin ein Feuerwerk an Jazzeffekten und „einige jener schrecklich schweren Tricks, die nur die besten von uns beherrschten“. So schrieb ein befreundeter Pianist, der selbst als „Song Plugger“ gearbeitet hatte wie Gershwin selbst. Bei den bekannten Musikverlagen hatten diese jungen Pianisten den Kunden die neuen Songs vorzuspielen und schmackhaft zu machen. Auf diese Weise sammelte Gershwin die Einfälle für seine späteren genialen Broadway-Shows und für die „Rhapsody in Blue“. Letztere wurde als „ein Experiment in Moderner Musik“ angekündigt und am 12. Februar 1924 in der „Aeolian Hall“ auf der West 42nd Street uraufgeführt. Schon drei Jahre später hatten sich mehr als eine Million Schallplatten der Rhapsody verkauft – 12-Inch-Minischeiben, auf die das Stück nur draufpasste, indem Whiteman es schneller dirigierte als gedacht. Hot Jazz vom Klarinettenkönig „Benny Goodman unser populärster Klarinettist, unser gefeierter Swing-Bandleader, der Held der jungen Zuhörer – mal cool und lyrisch, dann wieder ansteckend rhythmisch, ganz im Stil des ‚Hot Jazz’. Und sein Auskosten des hohen


Registers! Fabelhaft!“. Nicht nur eine Kennerin wie Julia Smith war ganz hingerissen von Benny Goodman, sondern die ganze junge Generation vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Freilich war es ein besonders weiter Weg, bis aus dem Sohn bettelarmer jüdisch-russischer Einwanderer in Chicago das Idol einer ganzen Nation geworden war. Die ersten Musikeindrücke sammelte der kleine Benny in der Synagoge und bei Platzkonzerten im Stadtpark. Klarinette lernte er in der Band des benachbarten „Settlement Houses“, einem Kulturhaus für die Armen, wo ihn der Bandleader kostenlos unterrichtete. Um sich sein klassisches Klarinettenstudium am Lewis Institute zu finanzieren, begann er in Dance Halls zu spielen – der Anfang einer glänzenden Karriere. Sie kam freilich erst in Fahrt, als Goodman von Chicago nach New York wechselte und im „All-Star-Orchestra“ Seite an Seite mit Tommy Dorsey musizierte. Bald hatte er seine eigene Band und „coverte“ mit ihr populäre Jazz-Nummern wie „Stompin’ at the Savoy“. Obwohl man diesen Titel von 1934 heute meistens Benny Goodman zuschreibt, stammt er vom Alt-Saxophonisten in Chick Webbs Big Band, Edgar Sampson. Es ist eine klingende Huldigung an den „Savoy Ballroom“ auf der Lexington Avenue in Harlem. Cuvée 1995 Einen Rotwein-Cuvée von so stolzem Alter würde man vielleicht gar nicht mehr trinken wollen. Aber der Musik-Cuvée, den Helmut Hödl anno 1995 in die Fässer der frisch gegründeten „vienna clarinet connection“ goss, entzückt noch heute alle Musikkenner. Damals


schon Soloklarinettist der Wiener Volksoper, ist er inzwischen auch schon 20 Jahre lang Professor mit eigener Klasse am Haydn Konservatorium in Eisenstadt und ein Kenner der Klarinetten-Materie in jeder Hinsicht. Als geborener Burgenländer versteht er auch etwas vom Wein, daher sein wohl mundender „Cuvée 1995“. Schubert-Impromptu Dass seine Klavier-Impromptus einmal von vier Klarinettisten zu hören sein würden, wäre Franz Schubert nicht so spanisch vorgekommen, wie man annehmen könnte. Er lebte in der Zeit der beginnenden „Salon-Musik“, wo die Kunst der Bearbeitung fröhliche Urständ feierte. Außerdem war der Nimbus der Harmoniemusik in Wien damals ungebrochen. Nur spielten die besten Klarinettisten Österreichs damals nicht mehr dem Kaiser und dem Hochadel zur Tafel auf, sondern gaben in den Musikpavillons der Glacis und gerade entstehenden Stadtparks ihre Kunst zum Besten. Neben Märschen, Walzern und Ouvertüren spielten sie dabei natürlich auch rührende Melodien von Franz Schubert. Tennessee Waltz „I was waltzing with my darling through the Tennessee Waltz.“ Als Pee Wee King 1946 diese Melodie im typischen Country-Stil anstimmte, hatte er wieder einmal eine traurige Liebesgeschichte zu erzählen: Ein guter Freund, den er beim Tanzen seiner Freundin vorstellte, spannte sie ihm am selben Abend noch aus. Schuld daran war natürlich die schöne Melodie des „Tennessee Waltz“. Es ist bis heute die bekannteste Melodie des frühen Country-Sängers Pee


Wee King, der wie so viele Einwandererkinder etwas von der Heimat seiner Eltern in seine Musik hineinlegte. Denn Julius Frank Kuczynski aus Wisconsin spielte schon als Kind die Fiddle und das Akkordeon in der polnischen Polkagruppe seines Vaters. Später wurde der Autor von mehr 400 Country Songs in die Nashville Hall of Fame aufgenommen. Bei mir bistu shein Den kleinen Sholom Secunda aus der Ukraine kannte vor dem Ersten Weltkrieg Jeder in New York. Als „der kleine Kantor“ sang er jüdische Melodien in der Synagoge und auf der Straße. Später wurde er von Ernest Bloch zum klassischen Komponisten ausgebildet und schrieb die Musik zu etlichen jiddischen Musicals, die damals in New Yorks Theatre District aufgeführt wurden. Eines davon hieß „Men ken leben nor men lost nisht“ („Man könnte leben, nur lassen sie uns nicht“). Darin stimmt das Liebespaar ein Duett in c-Moll an, das der junge Komponist vorsorglich mit einem Copyright versah: „Bei mir bistu shein“. Als der Verlag aber stolze 30 Dollar dafür anbot, verkauften Secunda und sein Textdichter alle ihre Rechte. Wie oft sie diesen Schritt bedauert haben, kann man sich leicht vorstellen, nachdem vife Broadway-Profis den Song aufpoliert und den Andrews Sisters in den Mund gelegt hatten. Von den 2,5 Millionen verkauften Schallplatten sah Sholom Secunda keinen Cent! So steckt auch in diesem jiddischen Song jüdischer Einwanderer in New York ein Stück knallhartes Musik-Business. Josef Beheimb


vienna clarinet connection: Ein Quartett jenseits enger Genregrenzen. „Vier Individualisten & eine Einheit in höchster musikalischer Qualität” – so beschrieb ein Kritiker das Klangerlebnis vienna clarinet connection. Mit virtuosem Können, Kreativität und Spielfreude begeistert das 1995 gegründete Ensemble sein Publikum. Vier Persönlichkeiten, die auf der Bühne zu einem samtweichen Klang – oder zu einem pulsierenden Rhythmusinstrument werden. Die vier Klarinettisten kultivieren ein Höchstmaß an Klangvielfalt, instrumentaler Brillanz und kollektiver Sensibilität. Gerade die Eigenkompositionen, die von den Mitgliedern der vienna clarinet connection geschrieben wurden, bieten eine außerordentliche Hör- und Showerfahrung für alle ihre Ausrichtungen. Zwei Klarinetten treffen auf Bassetthorn und Bassklarinette und werden zu einem pulsierenden Klangerlebnis. Grandiose Eigenkompositionen wechseln sich mit Interpretationen populärer Werke von Gershwin, Goodman, Mozart, Schubert oder Bach ab und zeigen, dass das Quartett sowohl in der Kammermusik als auch im Jazz, Pop, oder in der Filmmusik tief verwurzelt ist. Über allem steht die Klarinette, die mit ihrem samtenen Klang und ihrem warmen Timbre die Herzen der Zuhörer berührt. Helmut Hödl ist Soloklarinettist im Orchester der Wiener Volksoper und Leiter einer Klarinettenklasse am Joseph Haydn Konservatorium in


Eisenstadt. Rupert Fankhauser, seit 2012 auch Klarinettist im Concentus Musicus Wien, und Wolfgang Kornberger lehren an der Universität fßr Musik und darstellende Kunst in Wien, Hubert Salmhofer am Konservatorium in Klagenfurt. www.viennaclarinetconnection.org


AVISO AUS DEM HAUSE STYRIARTE: 25. & 26 November 2019, 19.45 Uhr Stefaniensaal

BLITZE IM NOVEMBER Schubert (Italienische Ouvertüre / Sinfonie Nr. 3 in D), Schostakowitsch (Cellokonzert Nr. 1 in Es) und Mendelssohn („Die Hebriden“ Ouvertüre) Julian Arp, Violoncello recreation – GROSSES ORCHESTER GRAZ Dirigentin: Daniela Musca 9., 10. & 11. Dezember 2019, 19.45 Uhr Minoritensaal

VIVALDI PUR Antonio Vivaldi: Flötenkonzerte in G und F / Concerto grosso in g / Concerto a quattro in B „Conca“ / Violinkonzert in e / L’inverno aus „Le Quattro Stagioni“ / Doppelkonzert für zwei Traversflöten in C Maria Beatrice Cantelli & Heide Wartha, Flöte recreationBAROCK Mónica Waismann, Leitung & Violine Samstag, 14. Dezember 2019, 19.30 Uhr (ausverkauft) Sonntag, 15. Dezember 2019, 11 Uhr (ausverkauft) & 17 Uhr Meerscheinschlössl

ZUCKERGUSS Singing Christmas im Meerscheinschlössl Vocalensemble LALÁ

Informationen: www.styriarte.com


www.meerschein.at


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