Inhalt
Vorwort .................................................................................... 3 24. März: Désir de l’Orient ..................................................... 5 25. März: Cleopatra ................................................................. 11 27. März: Percussion Mania ................................................... 19 28. März: Äthiopische Ostern ................................................ 23 29. März: Markus-Passion ..................................................... 29 31. März: Drumming ............................................................... 35 1. April: Orient – Occident ..................................................... 39 Die Bühnenprojektionen ........................................................ 46 Die Interpreten ........................................................................ 47
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Sehnsucht Afrika
Es ist eine sonnige Geschichte und eine tragische, die Afrika und Europa miteinander verbindet. Afrika, die Wiege der Menschheit, ist im Laufe der Jahrtausende vom Zentrum an die Peripherie gerückt. Vom mächtigen Akteur der Weltgeschichte, wo Pharaonen die Kultur ganzer Generationen prägten, zum Spielball der Interessen, zum ausgebeuteten Rohstofflager und Armenhaus der Welt führte der Weg. Und das aus dem Süden zum kulturellen Höhenflug angestiftete Europa schwang sich seinerseits zum brutalen Hegemon auf, bevor in den vergangenen Jahrzehnten auch die Kolonialherrschaft zerbrach und andere Kräfte, befreiende wie bedrohliche, im Streit um die Schätze und die Menschen Afrikas antraten und – ganz aktuell – stehen. All den tatsächlichen Umwälzungen und den gelebten Realitäten gegenüber steht unser Blick auf Afrika, der ebenso zweipolig ist wie die Historie. Dieser Blick schwankt zwischen Faszination und Schauer. Afrika – das ist für viele Europäer die andere Seite der eigenen technisierten Welt, das ist ein unheimlicher, bedrohlicher Platz voll unergründlicher Natur, das ist Projektionsfläche für exotische Fantasien und ein Sehnsuchtsort für alle, denen der kalte Norden seelisch wie körperlich zu unwirtlich, zu festgefügt, zu zementiert erscheint. Gerade Künstler, auch Komponisten, wurden von der afrikanischen Lebensvielfalt immer wieder angezogen. Und brachten von dort eine ursprüngliche Erlebnis- und Formenwelt in die abendländische Kunst ein, die sich ohne diese vitalen Schübe wohl anders entwickelt hätte. Die neue Ausgabe des Festivals PSALM macht sich auf Spurensuche auf dem Feld der wechselseitigen Durchdringung von Afrika und Europa. PSALM spürt dem Sehnsuchts-Kontinent in der Musik nach, wenn es Camille Saint-Saëns und seinen Freunden unter das flirrende Licht Nordafrikas folgt, wo noch 3
vor hundert Jahren eine erotische, sinnliche Liberalität herrschte, die man heute dort vergebens und unter Lebensgefahr suchen müsste. Es zeichnet Händels barocke Phantasien über die letzte Pharaonin, Cleopatra, und ihren unermesslichen Reichtum wie Liebreiz nach. Es setzt von Nordafrika zum Sprung über das Mittelmeer nach Spanien an, das ist eben jener Weg, den die arabischen Eroberer nahmen, die im Mittelalter ein muslimisches Weltreich errichteten. Die authentischen Stimmen Afrikas repräsentieren Mamadou Diabate mit seinen so sinnlichen wie komplexen afrikanischen Rhythmen ebenso wie die Sängerinnen und Sänger der äthiopisch-orthodoxen Kirche, in deren spirituellen Übungen sich Spuren ältester antiker Musik erhalten haben. Der Evangelist Markus steht als „Missionar Afrikas“ am Beginn der Geschichte der Christianisierung des Kontinents – Rudolf Leopold rekonstruiert für PSALM die verlorene Markus-Passion von Johann Sebastian Bach. Und das Studio Percussion Graz bietet mit Steve Reichs „Drumming“ die wichtigste zeitgenössische Adaption traditioneller afrikanischer Polyrhythmik. Dem Philosophen an der Gambe, Jordi Savall, bleibt es schließlich vorbehalten, den Blick noch einmal zu weiten: Wie verbindet der Mittelmeerraum eigentlich afrikanische, naturmagische, jüdische, christliche und muslimische Kunst, fragt er abschließend, und weist darauf hin, wie künstlich doch unsere Trennungen sind. Afrika wäre demnach nicht nur eine Sehnsucht, Afrika wäre mitten unter uns.
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Sonntag, 24. März 2013 (Palmsonntag)
Helmut-List-Halle, 19 Uhr
Désir de l’Orient Sehnsucht nach dem Orient
Camille Saint-Saëns (1835–1921) Tanz der Zigeunerin aus der Oper „Henri VIII“ Souvenir d’Ismaïlia, op. 100 Carillon (Glockenspiel) aus: Album pour piano, op. 72 Africa, Fantasie für Klavier und Orchester, op. 89 (Fassung für Klavier allein von Saint-Saëns) Franz Liszt (1811–1886) Aida-Paraphrase Danza sacra e Duetto finale La lugubre gondola Nr. 2 Prière des matelots: „Ô grand Saint Dominique“ (Gebet der Seeleute: „O großer heiliger Dominikus“) aus: Illustrationen über Themen von Giacomo Meyerbeers Oper „L‘Africaine“ Saint François de Paule marchant sur les flots (Der heilige Franziskus von Paula auf den Wogen schreitend) aus: Deux Légendes
Claire Chevallier, Klavier 5
Ad notam Camille Saint-Saëns in Nordafrika Camille Saint-Saëns war nicht nur der berühmteste französische Komponist in der Epoche eines Monet, Manet und Renoir, er war auch ein leidenschaftlicher Tourist. Nach dem Tod seiner Mutter 1888 begann er ein rastloses Reisedasein, das ihn an exotische Plätze führte – von den Kanaren bis nach Südostasien. Unter dem Pseudonym „Sannois“ verfasste er darüber umfangreiche Reiseberichte, als Komponist veröffentlichte er musikalische „Souvenirs“ von seinen Lieblingsorten. Keiner Region hat er mehr Stücke gewidmet als Nordafrika. Unsere Auswahl von exotischen Klavierstücken aus dem späten Schaffen des Komponisten beginnt mit dem „Tanz der Zigeunerin“ aus der Oper „Henry VIII“. 1883 präsentierte Saint-Saëns in der Pariser Opéra seine Version der Liebesgeschichte zwischen Heinrich VIII. von England und Anne Boleyn. Bis 1919 hielt sich diese Grande Opéra im Pariser Repertoire und verschwand dann von den Bühnen, bis sie in den letzten Jahren erfolgreich wiederbelebt wurde. 1895 widmete Saint-Saëns dem ägyptischen Ismaïlia eines der zeittypischen „Souvenirs“ für Klavier. Erst drei Jahrzehnte zuvor gegründet, hatte sich die Stadt nach der Eröffnung des Suezkanals rasch zu einem Zentrum der Region entwickelt. Noch heute ist sie Sitz der Suezkanal-Behörde. Auf dem Titelblatt der „Erinnerung an Ismaïlia“ suggerierte der Verleger Durand freilich eher eine verschlafene Idylle am Nil als florierendes Leben am großen Kanal. Das Stück beginnt geheimnisvoll, mit einer „Cadenza ad libitum“ in der linken Hand, ein Trommelmotiv, wie es arabische Musiker auf den Straßen der Stadt gespielt haben mögen. Saint-Saëns entwickelte daraus ein Andantino mit exotischen Bordunklängen und Arpeggi, eine langsame Einleitung zum folgenden Allegro vivo in D-Dur. Hier scheint der Franzose von der Lebenslust der Ägypter erzählen zu wollen, vom Gewimmel auf ihren Basaren. 6
Eher selten sind in arabischen Städten die Glocken von Kirchtürmen zu hören, wie sie in der Nr. 2 aus dem Klavieralbum von 1884 dargestellt werden. „Carillon“ ist eine Klangstudie von großem Zauber: Im 7/4-Takt gehen die tiefen Glocken mit jeweils drei Schlägen voraus („quasi campani“ in der linken Hand), worauf die hohen Glocken in Achteln antworten. Der eigenwillig verschobene Rhythmus und die sich nach und nach auftürmenden Klänge der Glocken lassen bereits an die Klaviermusik der Impressionisten denken. Die Fantasie „Africa“ Opus 89 kennt man heute meistens in der Fassung für Klavier und Orchester, es gibt davon aber auch eine authentische Version für Klavier solo. Zu Beginn könnte man sich den federleichten Klang der hohen Streicher und Holzbläser hinzudenken, die das arabisch anmutende Scherzothema vorstellen. Nach einer kurzen Kadenz aus lauter flirrenden Läufen stürzt sich das Klavier mit Nachdruck in die jazzigen Synkopen des Themas über einem chromatisch absteigenden Bass. Ein liebliches Andantino espressivo dient als erste, lyrische Episode, eine zweite Episode wird von glitzernden Terzläufen eröffnet, bevor ein neues Thema vorgestellt wird (martellato). Dieses tänzerische Durthema wird effektvoll gegen das Scherzothema in Moll ausgespielt. Tonrepetitionen in Terzen bilden die nächste virtuose Hürde, die die Pianistin nehmen muss, bevor sie sich dem triumphalen Schlussteil zuwenden kann: Ein tunesischer Marsch krönt pompös das Stück. Die arabischen Wendungen des tunesischen Themas sind der einzige Hauch nordafrikanischer Musik in diesem Virtuosenstück, das Saint-Saëns auch gar nicht in Nordafrika, sondern 1890 auf den Kanaren komponiert hat. So vermischten sich in der Exotik des Franzosen ethnische Einflüsse aus den verschiedensten Weltregionen zu einer Art imaginärer Folklore, die doch immer auch parfümierte Konzertmusik für Pariser Salons war.
Liszt zwischen Verdi und Wagner Auch in Giuseppe Verdis „Aida“ ist nicht alles ägyptisches Gold, was exotisch glänzt. Im Herbst 1869, als der Maestro intensiv 7
mit seiner neuen Oper beschäftigt war, hörte er bei einem Besuch in Parma einen Birnenverkäufer auf der Straße, der seine Früchte mit exotischem Gesang anpries. Umgehend wanderte diese italienische Volksmelodie als angeblich ägyptischer Chor in die Partitur der „Aida“. Der ägyptische Khediv Ismail Pascha – derselbe, dem die Stadt Ismaïlia ihren Namen verdankte –, hatte die Oper zur Eröffnung des Suezkanals in Auftrag gegeben. 150.000 Francs Gage förderten beträchtlich Verdis Begeisterung für den exotischen Stoff. Nicht nur das Honorar wurde in französischer Währung gezahlt: Alle Verhandlungen zu dem Werk einschließlich des ersten Libretto-Entwurfs liefen über Paris. Als die preußischen Truppen 1871 die französische Hauptstadt einschlossen, stockten auch die Vorbereitungen zur Premiere, so dass „Aida“ erst an Heiligabend 1871 im Kairoer Opernhaus uraufgeführt werden konnte. Schon im Februar war sie an der Mailänder Scala zu sehen und begeisterte die Zeitgenossen, auch den greisen Franz Liszt. In seiner Paraphrase über Verdis Oper hat er zwei musikalische Momente miteinander verknüpft, die schon im Original eng zusammenhängen. Bekanntlich kehrt die „Danza sacra“ der Priesterinnen aus dem zweiten Bild des ersten Aktes ganz am Schluss wieder – als düstere Grundierung für das himmlische Schlussduett der Protagonisten. Oben tanzen und singen die Priesterinnen zu ihren düsteren, ägyptischen Weisen, während unten in der Gruft Radames und Aida ihr Leben aushauchen, in den Sphärenklängen ihres „O terra, addio“. Drei Jahre nach dieser Verdi-Bearbeitung stattete Liszt seinem Schwiegersohn Richard Wagner in Venedig seinen letzten Besuch ab. Es waren düstere Wintermonate im Palazzo Vendramin, überschattet von der Todeskrankheit Wagners. Als Liszt am 13. Januar 1883 abreiste, hatte der Freund nur noch einen Monat zu leben. Wie eine düstere Vorahnung war Liszt der Anblick einer typisch venezianischen Trauergondel erschienen, mit der man in der Lagunenstadt die Toten zur Friedhofsinsel San Michele geleitet. In seinem Klavierstück „La lugubre gondola“ hielt er diesen Sinneseindruck fest: die Bewegung der Gondel auf den Wellen als Symbol für den Abschied des Menschen vom Leben. 8
Zwei Jahre später schrieb er ein zweites Stück über dieses Thema, ursprünglich für Violine oder Violoncello und Klavier – in seiner Reduzierung auf spärliche Linien und trostlose Harmonien ein typischer später Liszt. Viel üppiger spross Liszts pianistische Fantasie zwanzig Jahre zuvor, als er seine „Illustrations de l’Africaine“ komponierte. „Die Afrikanerin“ war Giacomo Meyerbeers Vermächtnis, uraufgeführt Ende April 1865 in Paris, wenige Tage vor dem Tod des Komponisten. Die abenteuerliche Geschichte erzählt von dem portugiesischen Entdecker Vasco da Gama und seiner Liebe zu zwei Frauen: der Europäerin Ines und der Afrikanerin Selica, die am Ende den Geliebten ziehen lässt und stirbt. Liszts „Illustrationen“ aus dieser Oper beginnen mit dem Gebet der Seeleute, einer Anrufung des Heiligen Dominikus („Ô grand Saint Dominique“). Auch in der zweiten seiner beiden Klavierlegenden hat Liszt ein feierliches Gebet für Männerchor verarbeitet. 1860 komponierte er den Chorsatz „An den Heiligen Franziskus von Paula“ für Männerstimmen und Harmonium. Eine Strophe daraus benutzte er drei Jahre später als Coda in seinem Klavierstück „Der heilige Franziskus von Paula auf den Wogen schreitend“. Zwei Quellen inspirierten den Komponisten zu dieser Legende für Klavier: zum einen die „Vita di San Francesco di Paola“ von Miscimarra, zum anderen eine Zeichnung des deutschen Malers Eduard Jakob von Steinle, wie Liszt im Vorwort des Klavierstücks zu Protokoll gab: „Von den zahlreichen Wundern des heiligen Franziskus de Paula feiert die Legende besonders dasjenige, das er ausführte, als er die Meerenge von Messina durchquerte. Die Bootsführer weigerten sich, ihre Barke mit einer so unscheinbaren Persönlichkeit zu belasten; er beachtete dies nicht und wandelte mit festem Schritt über das Meer. Einer der hervorragendsten Meister der gegenwärtigen religiösen Schule Deutschlands, Herr Steinle, hat sich von diesem Wunder begeistern lassen. In einer bewundernswürdigen Zeichnung ... hat er Folgendes, entsprechend der Überlieferung der katholischen Bilderklärung, dargestellt: Den heiligen Franziskus auf den bewegten Fluten stehend; sie tragen ihn zu seinem Ziel, 9
gemäß der Kraft des Glaubens, die über die Ordnung der Natur den Sieg davonträgt. Sein Mantel ist unter seinen Füßen ausgebreitet; wie um den Elementen zu gebieten, erhebt er eine seiner Hände, in der anderen hält er eine glühende Kohle, als Sinnbild des inneren Feuers, das die Jünger Jesu Christi durchglüht. Sein Blick ist ruhig gen Himmel gerichtet, wo in einer ewigen und musikalischen Glorie der Wahlspruch des Heiligen Franziskus ‚Caritas!‘ erglänzt.“ Josef Beheimb
Claire Chevallier spielt auf ihrem eigenen Flügel von Jean-Baptiste Érard, gebaut in Paris im Jahr 1876. Länge: 2, 48 m. Sieben Oktaven. Er befindet sich seit 2002 in der Sammlung von Claire Chevallier. Restauriert 2003 bis 2007 von Jan Van den Hemel in Antwerpen, eignet er sich ideal für Musik von Franz Liszt, César Franck, Gabriel Fauré und Camille Saint-Saëns. 10
Montag, 25. März 2013 Helmut-List-Halle, 19 Uhr
Cleopatra
Henry Purcell (1659–1695) Ouvertüre und Arie der Dido „When I am laid in earth“ aus: „Dido and Aeneas“ Georg Friedrich Händel (1685–1759) Sonata a 3 in G, op. 5/4, HWV 399 Allegro A tempo ordinario – Allegro non presto Passacaille Gigue. Presto Menuet. Allegro moderato Arie der Cleopatra „Se pietà di me non senti“ aus: „Giulio Cesare in Egitto“, HWV 17 Antonio Vivaldi (1678–1741) Concerto in C, RV 112 Allegro Andante Presto Arie der Cleopatra „Squarciami pure il seno“ aus: „Il Tigrane“, RV 740
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Nicola Porpora (1686–1768) Sinfonia da camera a 3 strumenti, op. 2/5 Affettuoso Allegro Adagio Giga. Allegro Antonio Vivaldi Arie der Cleopatra „Qui mentre mormorando“ aus: „Il Tigrane“, RV 740 Georg Friedrich Händel Hornpipe, HWV 356 Arie der Cleopatra „Da tempeste il legno infranto“ aus: „Giulio Cesare in Egitto“, HWV 17 Johann Adolph Hasse (1699–1783) Arie der Selene „Nel duol che prova l’alma“ aus: „Didone abbandonata“ Niccolò Piccinni (1728–1800) Arie der Didone „Son regina e sono amante“ aus: „Didone abbandonata“
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Maria Grazia Schiavo, Sopran Ensemble Vulcano: Giovanni Dalla Vecchia, Violine Nunzia Sorrentino, Violine Rosario di Meglio, Viola Raffaele Sorrentino, Violoncello Elena Bianchi, Fagott Ugo di Giovanni, Theorbe Francesco Baroni, Cembalo Bernardo Ticci (Musikologe), Revision bzw. Adaption der Partituren
Die Gesangstexte werden in deutschen Übersetzungen auf die Bühne projiziert und können auch auf www.psalm.at nachgelesen werden. 13
Ad notam Stolz sind sie und verletzlich, die Königinnen der Antike in den Opern des Barock. Ein orientalischer Zauber umweht sie, aber sie können auch kühl machtpolitisch agieren – bis jener Mann kommt, in den sie sich rückhaltlos verlieben. Dann bricht die Leidenschaft hemmungslos aus ihnen heraus, wie es Purcell, Händel, Vivaldi und andere Größen eines viel späteren Zeitalters in Tönen geschildert haben. Purcells Dido Dido, die Königin von Karthago, verliebt sich nach langem Widerstand in den Flüchtling Aeneas, der das Trauma des brennenden Troja noch kaum überwunden hat. Nun werden er, der Trojaner aus Kleinasien, und sie, die Herrscherin des phönizischen Karthago, in Nordafrika ein Paar – ein Paar auf Zeit. Denn die Götter mahnen Aeneas an seine eigentliche Bestimmung: nach Latium zu segeln, um dort der Gründung Roms und seines Imperiums den Weg zu bereiten. So hat es Vergil in der „Aeneis“ erzählt, um Kaiser Augustus zu schmeicheln. Denn dessen Geschlecht, das julische Kaiserhaus, berief sich direkt auf Junius bzw. Ascanius, den Sohn des Aeneas. Mit Dido darf Aeneas keinen Sohn zeugen: Er fügt sich widerstrebend in den Willen der Götter und lässt sie sterbend zurück. Kein Komponist des Barock hat den Tod der Dido eindrucksvoller geschildert als Henry Purcell in seiner einzigen Volloper aus dem Jahre 1689. Es ist ein Tod aus gebrochenem Herzen, wie Dido ihrer Vertrauten Belinda gesteht: „Wenn ich in die Erde gelegt werde, sollen meine Fehler dich nicht kränken. Erinnere dich an mich, aber vergiss mein Schicksal!“ Ein chromatisch absteigender Bass geht dem Gesang voraus. Unerbittlich zieht er seine Bahn und Dido ins Reich der Toten hinab. Über dem ostinaten Bass grundieren die Streicher den Gesang der Sterbenden mit herzzerreißenden Vorhaltsdissonanzen. 14
Händels Cleopatra Solche Tiefe der Gefühle traut man Cleopatra nicht zu, so wie sie uns Georg Friedrich Händel am Anfang seiner erfolgreichsten Oper geschildert hat. Zu Beginn von „Giulio Cesare in Egitto“ ist die Herrscherin von Ägypten ganz Koketterie und Intrige, nur darauf bedacht, dem Eroberer aus Rom zu imponieren, damit er ihren Bruder Ptolemäus ausschaltet und ihr zur Macht verhilft. Dazu ist ihr jedes Mittel recht: Sie lässt sich in einen Teppich einrollen, aus dem sie dem großen Cäsar plötzlich in die Arme purzelt (eine historisch verbürgte Episode), sie arrangiert eine Revue mit den neun Musen und ihrem verführerischen Gesang im Zentrum (eine barocke Zutat). Dann aber geschieht, was die kleine Griechin auf dem Thron des großen Ägypten nicht einkalkuliert hat: Sie verliebt sich in den ältlichen Römer mit dem spärlichen Haar. Auch Cleopatra selbst soll keine Hollywood-Schönheit gewesen sein: Sie besaß eher herbe Gesichtszüge und keine spitze Nase, wie uns Asterix und Obelix glauben machen, dafür eine perfekte Taille und manch andere körperliche Vorzüge, zudem einen wachen Verstand. Letzterer gerät ins Wanken, als Cäsar von Ptolemäus in einen Hinterhalt gelockt wird. Nun plötzlich bricht es aus ihr heraus, das tiefe Gefühl, das sie für den Fremden eigentlich nicht entwickeln wollte: „Verteidigt, o Götter, meinen Geliebten, denn er ist Trost und Hoffnung meines Busens“ singt sie im Rezitativ in seltener Selbstlosigkeit. Und in der Arie: „Wenn du mit mir kein Mitleid hast, gerechter Himmel, so sterbe ich. Schenke Frieden meinen Leiden oder ich hauche meine Seele aus!“ Händel ließ sich von diesem Text zu einer seiner allerschönsten Klagearien inspirieren, ein Largo in fis-Moll, das ganz von einem fallenden Motiv der ersten Geigen dominiert wird und von den Vorhaltsdissonanzen, die das Fagott in den dichten Streichersatz hineinschiebt. Freilich: Alles kommt anders. Cäsar kann sich durch einen Sprung ins Hafenbecken von Alexandria vor seinen Feinden retten (auch dies ist historisch verbürgt). In letzter Minute 15
rettet er Cleopatra vor dem sicheren Tod. Nun ist alles eitel Sonnenschein und triumphale Freude: E-Dur, Allegro, ein Dreiklangthema, gefolgt von Trillern und jubilierenden Läufen, „Da tempeste il legno infranto“. Händels Primadonna Francesca Cuzzoni durfte in Koloraturen glänzen, als die kleine Rundliche neben dem baumlangen Kastraten Senesino diese Arie sang, anno 1723 auf der Bühne des King’s Theatre in London.
Eine Cleopatra aus Asien Auch Antonio Vivaldi hat einer Cleopatra seine verführerischen Töne geliehen, freilich nicht der Herrscherin von Ägypten, sondern einer Prinzessin aus Vorderasien. Im komplizierten Libretto seiner letzten römischen Oper „Il Tigrane“ wird diese Cleopatra zum Spielball im tödlichen Konflikt zwischen ihrem Vater, dem König von Pontus, und ihrem Geliebten, dem armenischen König Tigrane. Cleopatra kennt ihren Geliebten nur als General Farnace, erst zu Beginn des zweiten Aktes offenbart er seine wahre Identität. Als sie erkennen muss, dass sie sich in den Erzfeind ihres Vaters verliebt hat, wird sie in einen Aufruhr der Gefühle gestürzt. Ihre Arie „Squarciami pure il seno“ ist zu Recht berühmt als ein Musterbeispiel ständiger Affektwechsel: „eine rasche Folge unvorhersehbarer Gefühlsausbrüche in kontrastierenden Tempi“, wie es Reinhard Strohm genannt hat. Die junge Frau schreit mehr als sie singt: „Zerfetze mir nur den Busen, schau her, ich biete ihn dir nackt dar!“ Doch dann fällt sie wieder zurück in ihre innigen Gefühle für Tigrane. Zu Beginn der Szene ahnt Cleopatra noch nichts von der Prüfung, die ihr bevorsteht: Im Garten ihres Palastes schlummert sie ein, in den Schlaf gewiegt vom Plätschern des Baches. Vivaldi ließ es sich nicht nehmen, die Schlummerarie „Qui mentre mormorando“ mit dem verführerischen Glanz seiner Naturmalerei auszustatten. Ständige gebrochene Dreiklänge der zweiten Geigen und Bratschen grundieren den Gesang. 16
Dido alla Metastasio Jahrzehnte nach Henry Purcells sterbender Dido feierte die Königin von Karthago in Rom und Neapel eine triumphale Auferstehung: 1725 stellte der junge Römer Pietro Trapassi sein Libretto „Didone abbandonata“ vor, „Die verlassene Dido“, und zwar gleich in Vertonungen von zwei verschiedenen Komponisten, Vinci und Sarri. Es sollten nur die ersten von weit mehr als 100 Versionen dieses Librettos sein, die auf den Seria-Bühnen des 18. Jahrhunderts wahre Triumphe feierten. Denn Metastasio – so der Künstlername des Textdichters, eine griechische Übertragung seines Nachnamens „tra-passi“ – hatte der traurigen Geschichte um Dido und Aeneas eine neue, farbigere Form gegeben: Der Trojaner muss sich mit einem Nebenbuhler auseinandersetzen, dem stolzen Nordafrikaner Jarba, der selbstbewusst Anspruch auf Didos Hand erhebt. Andererseits verliebt sich auch Selene, Didos Schwester, in den Fremden aus Kleinasien. Welch harten Prüfungen Selene sich mit ihrer heimlichen Liebe zu Aenas aussetzt, verrät sie in ihrer Arie „Nel duol che prova l’alma“. In der Vertonung des Dresdner Hofkapellmeisters Johann Adolph Hasse klingt diese Seelennot freilich ganz weich und gefühlig, wie man es im Rokoko erwartete. Hasses Musik war der Inbegriff des galanten Stils – eine Musik, in der „Annehmlichkeit“ und „natürliches Wesen“ regieren. Einige Jahrzehnte später wollte man es auf den Seria-Bühnen wieder dramatischer haben: In jenen Jahren, als Mozart mit seinem Vater Italien bereiste, beherrschte Niccolò Piccinni die Bühnen der Halbinsel, und zwar sowohl mit seinen Buffa-Opern wie der berühmten „Buona figliuola“ als auch mit traditionellen Metastasio-Vertonungen. Erst viel später holte man ihn nach Paris, um dort mit seinen französischen Opern Gluck Konkurrenz zu machen. „Son regina e sono amante“, „Ich bin Königin und ich bin Liebende“, ist die stolze erste Arie der Dido in Piccinnis Oper, ein wahres Prachtstück der späten Opera seria mit ihrem mozartisch anmutenden Thema. Die Priorität ist natürlich genau umgekehrt: Mozart hat von Piccinni und seinen wundervollen Seria-Arien gelernt. 17
Instrumentale Intermezzi Als instrumentale Intermezzi spielen unsere Musiker Werke, die auf die ein oder andere Art mit der Bühne verknüpft sind: Als Auftakt dient die pathetische Ouvertüre im Stil Lullys, die Purcell an den Beginn seiner „Dido“ gestellt hat. Auch Händels Triosonate Opus 5 Nr. 4 enthält Ouvertüren, und zwar gleich zwei davon. Sie stammen aus seinem Oratorium „Athalia“, in dem sich Händel nicht entscheiden konnte zwischen einer italienischen Sinfonia (der erste Satz der Triosonate) und einer französischen Ouvertüre (zweiter Satz mit pathetischen punktierten Rhythmen und einer Fuge). Darauf folgt eine Passacaglia, die Händel ursprünglich für Ballett komponiert hatte, später aber mit Chorstimmen auffüllte (in seiner Oper „Il parnasso in festa“). Nach der wirbelnden Gigue wird die Sonate von dem berühmten Menuett aus „Alcina“ beendet, einem wahren Ohrwurm. Es war Händels Verleger John Walsh, der alle diese Orchestersätze in die praktische Form der Triosonate brachte, wobei er freilich auch die Erweiterung zum Quartett vorsah (durch eine Bratschenstimme). Vivaldis C-Dur-Konzert RV 112 gehört zu den vielen „Concerti a quattro“ für Streichorchester ohne Solisten, die der Maestro auch gerne als Vor- und Zwischenspiele in seinen Opern einsetzte. Die „Kammersinfonie“ von Nicola Porpora atmet ganz unverkennbar Opernluft, hat doch der Gesangslehrer berühmter Kastraten, der Konkurrent Händels in London und spätere Lehrer von Haydn, sein Leben lang fast nur Opern komponiert. Josef Beheimb
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Mittwoch, 27. März 2013 Helmut-List-Halle, 19 Uhr
Percussion Mania
Traditionelle Musik aus Burkina Faso
Mamadou Diabate’s Percussion Mania: Mamadou Diabate, Balafon, Talking Drum, Ngoni, Djembe & Vocals Karim Sanou, Kürbis, Dunduns & Vocals Seydou Diabate, Balafon & Vocals Abdoulaye Dembele, Dunduns, Djembe, Ngoni & Vocals Zacaria Kone, Djembe, Kora & Vocals
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Ad notam Mamadou Diabates Heimat ist Burkina Faso in Westafrika, südlich der Sahara. Er stammt aus dem Volk der Sambla und wuchs in einer traditionellen Musikerfamilie auf, die seit Jahrhunderten die Musik der Sambla von einer Generation an die nächste vermittelt. Die traditionelle Musik Burkina Fasos ist rhythmisch hochkomplex und gleichzeitig dem Erzählen verhaftet: Immer geht es um Geschichten, um Lieder, um Kommunikation – für die Sambla ist Musik Sprache. Auf dieser Grundlage arbeitet Mamadou Diabate auch heute noch mit seinem Ensemble Percussion Mania weiter, durchaus aber mit europäischen Einflüssen und Jazzelementen. So wollen seine Musiker und er ihre vitalen, bunten und frischen Konzerte nicht als musikalische Ethnologie verstanden wissen, sondern als ganz lebendige Qualität Afrikas für die Musik und Welt der Gegenwart. Doch lassen wir ihn selber erzählen: „Ich gehöre zum Volk der Sambla, die in Burkina Faso leben, etwa 50 km westlich von Bobo Dioulasso, in zwölf Dörfern im Grenzgebiet zwischen den Kulturen der Mande und der Gur. Der Sprache und der Kultur nach gehören die Sambla zu den Mande und sind mit ihren archaischen Eigenschaften bislang kaum erforscht. Wahrscheinlich werden sie verschwinden, bevor die Welt sie zur Kenntnis nimmt. Die Sambla sind Ackerbauern und pflanzen Hirse, Mais, Erdnüsse und Baumwolle an. Das Klima in ihrer Region ist extrem trocken und heiß, der Boden ist hart und steinig. Es gibt keine befahrbaren Straßen und keinen Strom. Da der Einsatz von landwirtschaftlichen Maschinen fast unmöglich ist, sind ihre Erträge sehr gering, so dass sie wirklich extrem arm sind. Allerdings, soweit es die Musik betrifft, sind die Sambla unvorstellbar reich. Jedes Dorf, jede bedeutende Familie und jeder Beruf haben ihr eigenes Stück Musik, das wie ein Wappen funktioniert. Musik wird für jeden wichtigen Anlass komponiert. Jede Arbeit, die von der Dorfgemeinschaft getragen wird, wird von Musik begleitet. Was Außenstehende für schöne, unterhaltsame Musik halten, ist in Wirklichkeit die Sprache der Sambla, in Musik umgesetzt. Die Kinder lernen diese musikalische Sprache gleichzeitig mit ihrer gesprochenen Sprache (Jungen aktiv, Mädchen passiv). 20
Alles, was verbal ausgedrückt werden kann, kann auch musikalisch gesagt werden. Dialoge zwischen einem Balafon- oder Lungaspieler sind sowohl musikalisch als auch wörtlich möglich. Jazzexperten finden das Tonsystem der Sambla besonders interessant, da es eine starke Nähe zur pentatonischen Harmonik des Blues hat. Die Leittöne dieser Samblaharmonik würden auf einem Klavier in absteigender Reihe mit A, G, E, D# und C dargestellt werden. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass bei den Bluesmerkmalen der Samblamusik ein später rückwirkender Einfluss durch den amerikanischen Blues ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist die uralte mündliche Überlieferungstradition dieser Musik Beleg dafür, dass hier die wahren Wurzeln des Blues liegen. Die allgemeine Grundform der Samblamusik erinnert an eine barocke Chaconne oder Passacaglia, die Variationen über ein andauerndes „basso ostinato“-Thema bieten, so wie sie häufig in den Suiten von Frescobaldi, Buxtehude, Couperin, Händel und Bach im 17. und 18. Jahrhundert zu hören waren. In Afrika werden allerdings zwei oder mehr Ostinato-Muster gleichzeitig verwendet. Das Publikum erkennt jedoch die unterschiedlichen Teile innerhalb der Textur nicht. Im Gegenteil, durch die Technik des rhythmischen Ineinandergreifens (die instrumentalen Teile sind zusammen wie Zahnräder verbunden und klingen wie eine einzige dichte, melodische und rhythmische Einheit) wird das Publikum bewusst verwirrt. Manchmal scheint es, als ob man tatsächlich mehrere, scheinbar unabhängige melodischrhythmische Muster getrennt wahrnehmen könnte, dann wieder fließt alles zusammen. Diese wahrnehmbaren Muster werden allerdings nicht von einem einzigen Musiker gespielt, sondern sie entstehen erst durch die Kombination der unterschiedlichen Patterns, die jeder einzelne Mitwirkende spielt. Aber tatsächlich ist es die Absicht der Komponisten, dass wir das Stück erst durch das Miteinander verstehen. Das wichtigste Instrument der Samblamusik ist eine Art Xylophon. Es gibt zwei Arten davon namens Ba: Das tragbare kleine mit 19 Tönen, das von einem Musiker für die Unterhaltung der Arbeiter verwendet wird, und das große mit 23 Tönen, das von 21
drei Musikern für festliche Veranstaltungen gespielt wird. Ein hochrangiger Musiker namens „Ba-tsin-gyera-bre“ ist für das Solo im hohen Register verantwortlich. Er erzählt die Geschichte, er kommuniziert mit dem Publikum. An seiner linken Seite steht der „Ba-anya-bre“, der das Solo im Bassbereich ergänzt und kommentiert. Seine Rolle ist schwieriger als die der beiden anderen Musiker. Er ist der Hauptdarsteller in der Musik für die Geister wie „Ji te so“ und „San tsyobe din“. Auf der Bassseite des Xylophons steht schließlich der „Ba-le-kpan“. Er spielt (oder eher sagt) die grundlegenden Ostinatotöne an – ein einzelnes Wort oder ein Name, eine Phrase oder ein vollständiger Satz mit einer konstanten Geschwindigkeit zur Orientierung der „frei fliegenden“ Solisten. In der Samblamusik gibt es ein breites Repertoire solcher Ostinatofiguren, nicht nur nach den virtuosen Qualitäten der Spieler, sondern vor allem nach den jeweiligen Anlässen für die Musik. Der allererste Diabate (ursprünglich Dian-baga-te, was bedeutet „der Unwiderstehliche“) wurde im Sundjata-Epos aus dem 13. Jahrhundert erwähnt. Wir sind unserem Beruf bis heute treu geblieben, und deshalb findet man im Spitzenfeld der modernen westafrikanischen Musikszene viele Diabates. Die Diabates im Nordwesten des Mande-Sprachgebiets in Mali und im Senegal spielen überwiegend Kora, wir im Südosten in Guinea, der Elfenbeinküste und in Burkina Faso spielen eher das Balafon. Bei uns sind, wie bei vielen afrikanischen Völkern, viele Berufe bestimmten Clans vorbehalten – was als Privileg und als Pflicht gleichzeitig zu verstehen ist. Die Ausbildung erfolgt strikt intern, Außenseiter sind nicht zugelassen. Es werden keine Zeugnisse ausgestellt, der Familienname ist der Nachweis, dass man den Beruf ausüben darf. Sein Können aber muss man lebenslang immer wieder unter Beweis stellen.“
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Donnerstag, 28. März 2013 (Gründonnerstag) 19 Makawit 2005 (im äthiopisch-orthodoxen Kalender) Helmut-List-Halle, 19 Uhr
Äthiopische Ostern
Eine österliche Vesper in äthiopisch-orthodoxer Tradition Ausgehend vom Psalm 150 („Hallejuja! Lobet den Herrn in seinem Heiligtum“) und liturgischen Texten von St. Jared spielen, singen und tanzen die Trommler und SängerInnen traditionelle, liturgische Musik zum Osterkreis aus der äthiopischen Orthodoxie.
Trommler und SängerInnen der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo Kirche in Köln Leitung: Merawi Tebege, Erzpriester
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Ad notam Wohl keine andere Ostkirche strahlt auf einen europäisch sozialisierten Christen so den Reiz des Exotischen aus wie die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche oder – ganz korrekt – die „Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo Kirche“ („Tewahedo“ bedeutet „Einheit“, womit die Äthiopische Kirche die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur in der Person Jesu Christi besonders hervorhebt). Die mikrotonale Kirchenmusik; die Ikonen, auf denen die Menschen große offene Augen haben und stets frontal schauen – außer der Böse –; die Trommel als liturgisches Musikinstrument; das Ausziehen der Schuhe beim Betreten eines Gotteshauses; der liturgische Tanz; der runde Kirchenbau mit dem Allerheiligsten in der Mitte, der sich an der Tempelarchitektur des Jerusalemer Tempels orientiert; die besondere liturgische Bedeutung des Samstags in Anlehnung an den jüdischen Sabbat; das äthiopische Kirchenjahr mit Festen, die in keiner anderen Kirche bekannt sind und zumeist auf Heilsereignisse des Alten Testaments Bezug nehmen und nicht zuletzt sogar die Heilige Schrift, die mehr biblische Bücher in ihrem Kanon verzeichnet als in jeder anderen Kirche, wie etwa das Buch Henoch, das Teil der Heiligen Schrift der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche ist: Diese Aufzählung von Besonderheiten der Äthiopischen Kirche ließe sich mühelos fortsetzen, woran deutlich wird, dass diese Kirche einen sehr eigenständigen Weg gegangen ist, der heute Zeugnis zum einen von einem genuin afrikanischen Christentum ablegt und zum anderen von einer Kirche, die sich in unmittelbarer Nachfolge zum biblischen Volk Israel versteht und sich daher der alttestamentlichen Heilsgeschichte in besonderer Weise verbunden weiß. Der besondere Bezug der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche zum Alten Testament kommt dann zum Tragen, wenn man einen äthiopischen Gläubigen nach der Geschichte seiner Kirche fragt: Er wird höchstwahrscheinlich nicht mit der Eigentradition seiner Kirche beginnen, dass der in Äthiopien hoch verehrte Apostel Matthias ihnen den christlichen Glauben gebracht habe, sondern er wird zurückgehen bis zu König Menelik I., welcher einer 24
äthiopischen Legende nach gezeugt wurde, als die Königin von Saba (welches mit Äthiopien gleichgesetzt wird) König Salomo in Jerusalem aufsuchte und dieser trickreich den anfänglichen Widerstand der Königin brechen konnte. Dieser Sohn König Salomos soll später seinem Vater die Bundeslade mit den Gesetzestafeln vom Sinai entwendet haben und sie an den äthiopischen Hof von Aksum gebracht haben, wo sie sich noch heute – streng bewacht von einem älteren äthiopischen Mönch – befinden sollen und verehrt werden. Interessant ist, dass dieser häufig in Bildern zu sehenden berühmten Legende nach König Salomo seinen Sohn Menelik I. mit Streitwagen nachgestellt haben soll, bis dieser – wie Mose – unbeschadet durch das Rote Meer gezogen sei und Salomo dies als Willen Gottes deutete und ihn mit der Bundeslade ziehen ließ. Bis heute feiert die Äthiopische Kirche ein eigenes Fest zu Ehren der Bundeslade, und neben der „originalen“ Bundeslade in Aksum findet sich heute im Zentrum jeder Kirche ein hölzerner Schrein (der Tabot), welcher als Allerheiligstes jedes Kirchenraums gilt. Sakralisiert wurde die Gründungslegende der Äthiopischen Kirche erstmals durch den äthiopischen Kaiser Yekuno Amlak im 13. Jahrhundert, der sich erstmals den Titel „Der Löwe von Juda“ gab und sich als leiblicher Nachkomme Meneliks I., und damit auch von König Salomo und der Königin von Saba, sah. Tatsächlich muss man wohl davon ausgehen, dass es bereits ab dem sechsten Jahrhundert vor Christus zu einer sehr frühen jüdischen Einwanderung ins äthiopische Hochland gekommen ist, die der historische Kern hinter dieser Legende sein könnte. Auch heute gibt es noch viele äthiopische Juden. Die zahlreichen jüdischen Elemente in der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche dürften ihren entscheidenden Impuls Ende des fünften Jahrhunderts nach Christus empfangen haben, als das Christentum in Äthiopien bereits über 150 Jahre lang Staatsreligion war und syrische Mönche – wohl über den Weg der arabischen Halbinsel – ins Land kamen, missionarisch großen Erfolg hatten und dem äthiopischen Christentum sein spezifisches Gepräge gaben. Sie werden heute in der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche als die so genannten „Neun römischen Heiligen“ hoch verehrt. Diese Mönche, die als Gegner der Beschlüsse des Konzils von Chalce25
don aus dem Oströmischen Reich fliehen mussten, bildeten wohl auch den Grundstock für das bis heute sehr lebendige äthiopische Mönchtum und verhalfen dem Alt-Äthiopischen zur Liturgie- und Literatursprache: Aus dem 6. Jahrhundert datiert die erste äthiopische Übersetzung des Neuen Testaments. Da es für die Liturgie der Äthiopischen Kirche fast keine erhaltenen schriftlichen Zeugnisse aus dem ersten Jahrtausend gibt, spekuliert die Forschung bis heute, welcher Einfluss auf die äthiopische Liturgie der stärkere ist: jener der koptischen Mutterkirche oder jener der spätantiken syrischen Mission. In jüngster Zeit billigt die Forschung zunehmend dem syrischen Traditionsstrang ein größeres Gewicht zu. Ab dem 8./9. Jahrhundert sah sich die Äthiopische Kirche einem zunehmenden Islamisierungsdruck ausgesetzt. Im Gegensatz zu ihrer Koptischen Mutterkirche, die in Ägypten zu einer Minderheitskirche in einer muslimischen Mehrheitsbevölkerung wurde, schaffte die Äthiopische Kirche ab 1270 mit der so genannten „Wiedereinsetzung der Salomonischen Dynastie“ unter Kaiser Yekuno Amlak eine Renaissance des kirchlichen Lebens und der theologischen Literatur in Äthiopien, welche dazu führte, dass die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche bis heute als Mehrheitskirche in Äthiopien einen volkskirchlichen Charakter hat. Neben der Armenisch-Apostolischen Kirche in Armenien ist sie damit die einzige Kirche der Orientalisch-Orthodoxen Kirchenfamilie, die bis heute maßgeblich der Identitätsträger einer ganzen Nation ist. Im 16. Jahrhundert kamen die Portugiesen ins äthiopische Hochland, was einerseits eine Befreiung von der muslimischen Vorherrschaft bedeutete, andererseits aber neue Fremdansprüche mit sich brachte, nämlich die äthiopischen Christen zu einer Union mit Rom zu bewegen – jedoch letztendlich relativ erfolglos. Nach der Vertreibung der Europäer aus Äthiopien erfolgte ab dem 18. Jahrhundert bis weit hinein ins 19. Jahrhundert das „Zeitalter der streitenden Prinzen“, in der es keine Zentralgewalt in Äthiopien gab, sondern Militärkommandeure und so genannte „Richter“ (Mesafent) die staatliche Autorität ausübten. Erst Kaiser 26
Menelik II. (1889–1913) gelang es, Äthiopien wieder unter einer Herrschaft zu vereinen. Er errichtete auch die neue Hauptstadt Addis Abeba, in der heute der Äthiopische Patriarch seinen Sitz hat. Die Europäer versuchten noch einmal, Äthiopien in ihre Gewalt zu bringen, als die Italiener 1889 zunächst die nördliche Provinz Eritrea – heute ein eigener souveräner Staat – und 1936 schließlich sogar ganz Äthiopien besetzten, bis Kaiser Haile Selassie 1941 das Land mit britischer Hilfe wieder befreien konnte. Die Lage wendete sich für die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche um 180 Grad, als 1974 der greise Kaiser Haile Selassie von seinen eigenen Militärs unter der Führung von Major Mengistu gestürzt wurde. Mengistu Haile Mariam errichtete ein marxistischleninistisches Regime, das einen religiös neutralen Staat wollte und einen dezidiert atheistischen Staat als Endziel anstrebte. Bereits 1975 wurde sämtlicher kirchlicher Grundbesitz enteignet, von dessen Bewirtschaftung die Priester und Klöster bislang gelebt hatten. Erst im Mai 1991 wurde nach 17-jähriger sozialistischer Zwangsherrschaft das Mengistu-Regime gestürzt und die Demokratische Republik Äthiopien ausgerufen. Durch die starke Solidarisierungsbewegung der Gläubigen mit ihrem Klerus in dieser schwierigen Epoche ging die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche jedoch gestärkt statt geschwächt daraus hervor und bildet heute eine der wichtigsten und stabilsten Größen in der äthiopischen Gesellschaft. Nikodemus C. Schnabel OSB (Mit freundlicher Erlaubnis entnommen der Website der Stiftung „Pro Oriente“ : www.pro-oriente.at)
Die Musik der äthiopisch-christlichen Kultur ist ebenso interessant wie facettenreich. In ihrer Geschichte überlagern sich Kulturen, Legenden und Traditionen beständig, ohne dass man letztlich sagen könnte, welche Erklärungen mythischen, und welche einen historischen Hintergrund haben. Die Gläubigen führen ihre traditionellen Hymnen auf die Erfindung des Propheten St. Jared zurück, dem die drei Haupttonarten dieser Musik von Gott offenbart worden seien. Die Legende des Heiligen 27
Jared wird so überliefert: „Jared war Sohn einer gewöhnlichen Familie aus Aksum. Er hatte Schwierigkeiten, selbst die einfachsten Leseaufgaben zu meistern. So gab er alle Ambitionen einer klerikalen Laufbahn auf; er heiratete und widmete sich einem mehr oder weniger säkularen Leben, in dem er sogar plante, einen Mann zu ermorden, der seine wunderschöne Frau begehrte. Aber er wurde langsam und unwiderstehlich von seiner spirituellen Berufung angezogen. Schließlich ließ er die Welt hinter sich, verließ seine Familie und begann ein Leben der religiösen Hingabe und Kontemplation als Einsiedler. Und er begann der Natur zu lauschen, den Liedern der Vögel, worauf ihm die göttliche Harmonie offenbart wurde.“ In der äthiopischen Orthodoxie erhält die musikalische Überlieferung quasi göttlichen Status. Frühe Gelehrte des 6. Jahrhunderts versuchen sogar, zu beweisen, dass alle Töne in der Natur auf das Tonsystem Jareds zurückzuführen seien, die Musik also die reine Harmonie Gottes und der Natur darstellt. Bis heute ist diese Grundüberzeugung von der göttlichen Wurzel der Musik Kernüberzeugung der Gläubigen, die darüber hinaus auch das äthiopische Volk als von Gott auserwählt betrachten, da er seine Himmelsharmonik nur ihnen offenbart habe. Tatsächlich ist die Musik der äthiopischen Orthodoxie historisch betrachtet sehr alt. Es gibt überzeugende Belege dafür, dass sich hier Traditionen der alten ägyptischen Musik erhalten haben, schließlich wurde die Kirche in Aksum, das Zentrum der äthiopischen Orthodoxie, im vierten Jahrhundert nach Christus als ein kleines Bistum des Patriarchats von Alexandria gegründet. Zentral für die äthiopische Kirchenmusik ist der Ritualtanz, der die liturgischen Gesänge begleitet. Monneret de Villard vermutet, dass auch dieser liturgische Tanz der Äthiopier seinen Ursprung in Ägypten hat. Ferne Echos dieser antiken, ägyptischen Tradition kann man in den fließenden Gewändern, dem Gebrauch des Sistrums und der langen, graziösen Gebetsstöcke erkennen, welche alle auf den steinernen Hinterlassenschaften der pharaonischen Kultur abgebildet sind. Thomas Höft 28
Freitag, 29. März 2013 (Karfreitag) Helmut-List-Halle, 19 Uhr
Markus-Passion
Johann Sebastian Bach (1685–1750) Markus-Passion, BWV 247 (1731) Rekonstruktion: Rudolf Leopold, unter Benutzung der Ausgaben von A. F. Grychtolik (2007) und G. A. Theill (1984)
Pause nach dem 1. Teil
Daniel Johannsen, Evangelist & Tenorarien Matthias Helm, Jesus & Bassarien Origen Ensemble Vocal: Christina Stegmaier & Miriam Feuersinger, Sopranarien Marian Dijkhuizen & Eva Maria Schoßleitner, Altarien Lena Kiepenheuer, Sybille Diethelm, Lavinia Dames, Sopran Barbara Schingnitz, Lisa Lüthi, Anja Powischer, Alt Achim Glatz, Wilhelm Spuller, Florian Ehrlinger, Richard Klein, Martin Mairinger, Tenor Jakob Rapatz, Michael Schwendinger, Philippe Meyer, Lothar Burtscher, Johannes Schwendinger, Bass
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Il Concerto Viennese: Sylvie Lacroix & Maria Tecla Andreotti, Flöten Heri Choi & Katharina Humpel, Oboen Maria Bader-Kubizek, Werner Neugebauer, Florian Hasenburger, Violinen 1 Heide Sibley, Christiane Bruckmann-Hiller & Fani Vovoni, Violinen 2 Federico Bresciani & Raphael Handschuh, Violen Rudolf Leopold, Violoncello Herwig Neugebauer, Violone Christophe Coin & Atsushi Sakai, Viole da gamba Luca Pianca, Laute Magdalena Hasibeder, Orgelpositiv Dirigent: Thomas Platzgummer Gesamtleitung: Rudolf Leopold
Eine Kooperation von PSALM Graz, Osterklang Wien und Osterfestival Tirol.
Die Gesangstexte werden auf die Bühne projiziert und können auch auf www.psalm.at nachgelesen werden. 30
Ad notam Bachs verschollene Passion Am Karfreitag 1731 brachte Johann Sebastian Bach in der Thomaskirche seine dritte Leipziger Passion zur Uraufführung: die Markuspassion, BWV 247. Erhalten blieb von dieser Aufführung nur das Libretto von Bachs Textdichter Picander, Partitur und Stimmen sind seit dem Tode Bachs verschollen. 250 Jahre lang konnten sich Rekonstruktionen der Passion nur auf das Libretto von 1731 stützen, bis die Musikwissenschaftlerin Tatjana Schabalina 2009 in der Russischen Nationalbibliothek in Sankt Petersburg das Libretto einer zweiten Aufführung aus dem Jahre 1744 entdeckte. Die ursprünglich sechs Arien der Passion sind darin um zwei zusätzliche Arien erweitert. In dieser Version von 1744 wird die Markuspassion hier zum ersten Mal rekonstruiert. An Rekonstruktionen der dritten großen Bachpassion herrscht heutzutage kein Mangel mehr. Diethard Hellmann legte in den Sechziger Jahren eine erste moderate Fassung als Passionskantate ohne Evangelium vor, danach wagte der Kirchenmusiker Gustav Adolf Theill die erste vollständige Rekonstruktion. Dazu griff er für weite Teile des Evangeliums auf eine Markuspassion zurück, die Bach selbst mehrfach aufgeführt und für ein Werk Reinhard Keisers gehalten hat. Diesem Theill’schen Weg folgten weitere Rekonstrukteure, während der Frankfurter Alexander Ferdinand Grychtolik 2009 einen anderen Weg beschritt: In Anlehnung an Bachs erhaltene Passionen schuf er einen teils neuen, teils alten Passionsbericht. Was alle diese Fassungen mit der hier aufgeführten Version verbindet, sind gewisse Übereinstimmungen in den Arien, Chören und Chorälen – der gemeinsame Nenner quasi aller rekonstruierten Markuspassionen. Die gesicherten Sätze Was die betrachtenden Teile der Passion betrifft, bewegt man sich in vielen Fällen auf sicherem Grund, Bach plante nämlich seine 31
Markuspassion von vornherein als geistliche Parodie seiner so genannten „Trauerode“ BWV 198. Diese große, feierliche Trauerkantate, die er 1727 zu Ehren der verstorbenen Gemahlin Augusts des Starken komponiert hatte, wollte er vier Jahre später dem geistlichen Repertoire zuführen. Der Charakter des „Tombeau“, des Trauerstücks, wies dabei den Weg: Die geistliche Parodie konnte nur eine Passion sein. Das charakteristische Klangkolorit der „Trauerode“ mit ihren Traversflöten und Oboi d’amore, ihren Lauten und Gamben verleiht auch der Markuspassion ihren ganz eigenen Charakter, im Vergleich zur Johannes- wie zur Matthäuspassion. Aus dem wundervollen Eingangschor der Ode „Lass, Fürstin, lass noch einen Strahl“ wurde nun das große, feierliche Tor zur Passion, „Jesu, geh zu deiner Pein“, aus dem Schlusschor „Doch, Königin, du stirbest nicht“ der versöhnliche Chor nach der Grablegung, „Bei deinem Grab und Leichenstein“. Auch die drei Arien der Ode hat Bach an geeigneten Stellen in die Passion eingefügt, nachdem ihm Picander dazu geeignete Texte gedichtet hatte: „Mein Heiland, dich vergess ich nicht“ nach der Einsetzung des Abendmahls, „Er kommt, er kommt“ vor dem Judaskuss, „Mein Tröster ist nicht mehr bei mir“ zu Beginn des zweiten Teils. Alle diese Sätze kreisen um h-Moll, die Grundtonart der „Trauerode“, die auch die Grundtonart der Markuspassion war. Neben diesen fünf Sätzen kann man auch die Choräle relativ verlässlich rekonstruieren, nämlich anhand der posthumen Sammlung sämtlicher vierstimmiger Choralsätze von Bach. Den Schlusschoral des ersten Teils, „Ich will hier bei dir stehen“, hatte schon Gustav Adolf Theill dem umfangreichen Eingangschor der Kantate BWV 135 unterlegt, obwohl Bach hier wohl eher an einen schlichten vierstimmigen Choral dachte. Ein einziger Volkschor lässt sich ebenfalls mit einiger Sicherheit durch Umtextierung zurückgewinnen: Der Spottchor der Hohenpriester unter dem Kreuz „Pfui dich, wie fein zerbrichst du den Tempel“ ist musikalisch wahrscheinlich identisch mit dem „Wo ist der neu geborne König der Juden?“ im „Weihnachtsoratorium“. Jenseits dieser Sätze beginnt die Spekulation zur Gestalt der Markuspassion. Mindestens eine weitere Arie kann als sichere 32
Parodie gelten: Den Text zu „Falsche Welt, dein schmeichelnd Küssen“ hat Bach bei Picander so in Auftrag gegeben, dass er perfekt auf die Arie „Widerstehe doch der Sünde“ aus BWV 54 passt. In welcher Stimmlage aber erklingt diese Arie in der Passion? Werden die beiden Bratschen durch Gamben ersetzt oder hat Bach gar Bläser hinzugefügt und dabei auch die Tonart geändert? Solche Fragen stellen sich vermehrt bei den ungesicherten Teilen des Werkes.
Ungesicherte Teile Für die restlichen vier Arien in der Fassung von 1744 lassen sich keine restlos überzeugenden Vorlagen ermitteln. Die Bandbreite der vorgeschlagenen Lösungen reicht etwa bei der letzten Arie („Welt und Himmel nehmt zu Ohren“) vom G-DurSiciliano mit Solovioline in einem absurd freudigen Affekt bis hin zu einem Duett aus einer Bach’schen Weihnachtskantate. Rudolf Leopold und der Autor dieser Zeilen haben solche Vorlagen ausgewählt, die ihnen für die jeweilige Situation und den Affekt angemessen erschienen, außerdem reizvoll instrumentiert und zum typischen Bach’schen Passionston passend. So hat Bach 1744 eine zusätzliche Arie in der Gethsemane-Szene eingefügt, an der Stelle, wo Petrus dem Heiland Gefolgschaft bis in den Tod verspricht. Die von uns gewählte Arie für Bass, Solo-Oboe und Streicher stammt aus der Kantate BWV 159 und illustriert dort den Passionstext „Es ist vollbracht“. In unserer Fassung wird daraus „Ich lasse dich, mein Jesus, nicht“, was in Deklamation und Ausdruck erstaunlich gut funktioniert, aber natürlich keine historisch zwingende Parodie ergibt. Weil die Markuspassion in den bisherigen Rekonstruktionen keinerlei Arie mit zwei Oboen enthält, was in Bachs großen Vokalwerken ein Unikum wäre, haben wir für den Text „Will ich doch gar gerne schweigen“ die Tenorarie aus der Kantate BWV 38 entlehnt, deren herrliche Oboendissonanzen dem Affekt des stillen Leidens vollkommen entsprechen. Für die Arie nach dem „Kreuzige“, „Angenehmes Mordgeschrei“, hat Rudolf Leopold das „Et misericordia“ aus dem Magnificat bearbeitet, 33
weil die hier von Bach offenbar vorgesehene Parodie aus BWV 204 einen wiederum zu freudigen Affekt ergäbe. Für die letzte Arie schließlich wählte Rudolf Leopold die stürmische Bassarie „Himmel reiße, Welt erbebe“ aus der zweiten Fassung der „Johannespassion“ von 1725. Da man dieses Stück mit dem wunderschönen Cantus firmus des Soprans und der beiden Flöten unmöglich auf den Text der Markuspassion umdichten könnte, haben wir es beim Originaltext belassen. Der Evangelienbericht All dies ist historisch vertretbar und musikalisch überzeugend, da die Musik von Bach stammt. Wie aber steht es um den Evangelienbericht? Jeder Hörer, der Bachs Passionen liebt, wird vom besonderen Charakter der beiden Evangelistenpartien in der Johannes- und der Matthäuspassion tief bewegt sein, ebenso von der Vertonung der Jesusworte. Jede melodische und harmonische Wendung in diesen Rezitativen zeugt vom tiefen, theologischen Verständnis Bachs und von seiner genialen Fähigkeit, harmonische Spannung weiträumig aufzubauen. In der Markuspassion hat er die Sprache seiner Rezitative vermutlich in Richtung „galanter Stil“ weiter entwickelt, wie man es später im Weihnachts- und Himmelfahrtsoratorium beobachten kann. In jedem Fall hat er für den Evangelistenbericht nach Markus sicher wieder einen ganz eigenen Ton gefunden, wie schon in seinen ersten beiden Leipziger Passionen. Das Wesentliche einer Bachpassion fehlt also zwangsläufig in jeder Rekonstruktion der Markuspassion. Rudolf Leopold hat sich für den Evangelienbericht in der Fassung von Grychtolik entschieden, die mit deutlichen Anklängen an die Johannes- und Matthäuspassion spielt. Dieses Verfahren erschien ihm ehrlicher als die Übernahme der Keiserpassion oder eine Neukomposition. Fragment bleibt dieses Verfahren trotzdem – bis vielleicht eines Tages Bachs Partitur doch wieder auftaucht und uns eines Besseren belehrt. Josef Beheimb 34
Sonntag, 31. März 2013 (Ostersonntag) Helmut-List-Halle, 19 Uhr
Drumming
Steve Reich (*1936) Music for Pieces of Wood (1973) Music for Mallet Instruments, Voices, and Organ (1973) aus: Drumming (1970–71) Part I, II und IV
STUDIO PERCUSSION graz: Agnes Heginger, voice solo Anja Obermayer, voice ˇ Sintija Smite, voice Stefan Heckel, organ Patrick Dunst, piccolo flute Hannes Ebner, claves, glockenspiel, bongo & marimba Günter Meinhart, claves, marimba, bongo & glockenspiel Raphael Meinhart, claves, marimba & bongo Roland Neffe, vibraphon & marimba Grilli Pollheimer, claves, bongo, marimba & glockenspiel Bernhard Richter, claves, glockenspiel, bongo & marimba Hannes Schöggl, marimba & bongo Nikolaus Waltersdorfer, marimba & bongo Leonhard Waltersdorfer, marimba Leitung: Günter Meinhart
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Ad notam Steve Reich in Westafrika Im Sommer 1970 machte sich der Amerikaner Steve Reich auf nach Ghana in Westafrika, um das Trommeln zu lernen. Bei einem „Master Drummer“ des Ewe-Volkes, Gideon Alorworye vom „Ghana Dance Ensemble“, begann er ein umfangreiches, per Stipendium finanziertes Studium, das er aber schon nach fünf Wochen abbrechen musste, weil er an Malaria erkrankte. Nachdem er zuhause wieder genesen war, kehrte er nicht wieder nach Afrika zurück, sondern verarbeitete seine Eindrücke in einem neuen, zyklischen Werk für Percussionisten: „Drumming“. Es gilt allgemein als Reichs Auseinandersetzung mit den rhythmischen Strukturen afrikaner Trommelkunst. Zugleich kam er beim Schreiben dieses Werkes gleichsam zu sich selbst und erkannte die fundamental anderen Strukturen, die seine „Minimal music“ von den hierarchischen Strukturen in einem ghanesischen Trommel-Ensemble unterscheidet. „Drumming“ umfasst vier Abschnitte mit jeweils eigener Besetzung: 1. Vier Paare gestimmter Bongos 2. Marimbas und zwei Frauenstimmen 3. Glockenspiele plus Pfeifen der Schlagzeuger 4. Volles Ensemble Die Spieldauern der Teile variieren jeweils zwischen 10 und 25 Minuten. In unserer Aufführung bleibt der dritte Teil weg. Jeder Abschnitt von „Drumming“ basiert auf einer rhythmischen Zelle, die zu Beginn von einem Spieler vorgestellt wird. Ein zweiter kommt hinzu, während der erste nach und nach die Pausen zwischen den gleichmäßigen Schlägen mit Noten füllt. Nachdem sich das rhythmische Pattern im Ensemble stabilisiert hat, verschiebt einer der Spieler das Pattern um ein Viertel nach vorne – das Prinzip des „phasing“. Denn nun überlagern sich allmählich immer komplexere Rhythmen, verschieben sich die 36
Phasen der Musik gegeneinander. Dabei wird auch der Klang immer dichter und weiter, zumal Singstimmen und Instrumente die melodischen Patterns verdoppeln. Der besondere Reiz von „Drumming“ liegt nicht nur in der Komplexität der Klanglagen, die hier übereinander geschichtet und in Phasen gegeneinander verschoben werden, sondern auch in der „Instrumentierung“ durch die mitgehenden hohen Stimmen und Flöten. Ständig werden melodische Patterns gesungen und gespielt, sie prägen sich so dem Zuhörer ein, ziehen ihn unweigerlich in ihren Sog hinein. Im zweiten Teil etwa entsteht durch die Phasenverschiebungen zwischen den Marimbas eine einzige summendschwirrende Klangfläche, die vor subtilen rhythmischen Details geradezu oszilliert. So sehr diese polyrhythmischen Strukturen auch von Reichs Besuch in Ghana inspiriert wurden: Ganz grundsätzlich wandte er sich mit dieser auskomponierten Konzertmusik vom usuellen Charakter afrikanischer Musik ab. In Ghana dient Musik stets alltäglichen Zwecken: zur Erholung, zu Feiern und Zeremonien oder als häusliche Hintergrundmusik. „Drumming“ aber ist reine Konzertmusik, ein monumental konzipierter Zyklus für ein rundes Dutzend klassisch ausgebildeter Musiker. Die in „Drumming“ gefundenen Strukturen hat Reich in späteren Stücken aus den Siebzigerjahren weiterentwickelt. In „Music for Mallet Instruments, Voices, and Organ“ von 1973 griff er die Idee auf, die melodischen Patterns in einem Percussion-Ensemble mit Singstimmen zu mischen. Hier allerdings verdoppeln die Singstimmen nicht die Patterns der Schlagzeuger, sondern führen eine eigene Klangidee aus: Akkordfolgen, die wiederholt und dabei rhythmisch vergrößert werden. Um diese immer länger werdenden Akkorde auszuführen, genügten Reich weder Klarinetten noch Blechblasinstrumente, mit denen er zuerst experimentiert hatte. Die Gefahr, bei langen Noten in der Tonhöhe zu fallen, war zu groß, also entschied er sich für Orgel. Im Vokalensemble blieb er schließlich bei Frauenstimmen, weil ihm die Männerstimmen nicht passend für den schwebenden, leichten Klangeindruck erschienen, den er hier erzeugen wollte. Diese „luftigen“ Vokalklänge legen sich über 37
den schimmernden Klangteppich der Glockenspiele, Marimbas und Metallophone. Der Dreivierteltakt, der nur im zweiten der vier Abschnitte unterbrochen wird, verleiht den rhythmischen Patterns eine besondere Leichtigkeit. Die Abschnitte kreisen um die Zentraltöne F, As, B und Des, jeweils in Moll bzw. im dorischen Kirchenton. „Music for Pieces of Wood“ entstand ebenfalls 1973 für fünf Paare von Claves. Diese kurzen massiven Holzstücke, meist aus Ebenholz oder Rosenholz, werden stets paarweise gespielt, das eine in der Hand resonierend, das andere zum Anschlagen. In der kubanischen wie afrikanischen Musik ist ihr durchdringender Klang allgegenwärtig. Für fünf dieser Instrumente schrieb Reich seine Musik, die vor allem von dem Prinzip des Ausfüllens der Pausen Gebrauch macht. Josef Beheimb
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Montag, 1. April 2013 (Ostermontag) Helmut-List-Halle, 19 Uhr
Orient – Occident Orient – Okzident, ein Dialog der Seelen
Castellón (Berberisch) Alba Traditionell (Armenien) Menk kadj tohmi Berberisch Danza del Viento Alfons X., der Weise Saltarello (CSM 77–119) Mss. Demetrius Cantemir (Nr. 324) Mak¯am-ı ’Uzzäl Sakîl „Turna“ Semâ’î
Marcabru, 12. Jh. (Improvisation) Klagelied „Pax in nomine Domini“ Istanbul (Sephardisch) El Rey Nimrod Le Manuscrit du Roi (Paris, 13. Jh.) La Quarte Estampie Royal Trecento mss. (Italien, 13. Jh.) Lamento di Tristano Mss. Demetrius Cantemir (89) Mak¯am-ı „Hüseyn¯ı Sak¯ıl-i A˘ga Rız¯ ˙ a“
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Traditionell (Armenien) Klagelied „Hov arek“ Alfons X., der Weise Rotundellus (CSM 105) Traditionell (Armenien) Alagyeaz & Khnki tsar Traditionell (Afghanistan) Nastaran (Naghma instr.) Derwisch Mehmed (Türkei) – Mss. Demetrius Cantemir (Nr. 209) Mak¯am-ı „Uzzäl u¸su ¯ le¸s Darb-i feth“
Sarajevo (Sephardisch) Paxarico tu te llamas Traditionell (Armenien) Al ayloukhs Anonym (Perserreich) Chahamezrab Alfons X., der Weise Ductia (CSM 248) Trecento mss. (Italien, 13. Jh.) Saltarello
Jordi Savall, Rebec & Rebab Dimitri Psonis, Oud, Santur & Morisca Pedro Estevan, Schlagwerk 40
Ad notam Morgenland – Abendland Unser Programm bringt die unbewusste Suche nach einem geistigen Gegenmittel gegen den dramatischen, sich zuspitzenden Zivilisationskonflikt zum Ausdruck, der mit Beginn des Afghanistan-Kriegs akut geworden ist. „Orient – Okzident“ entstand insbesondere aus dem solidarischen Gedanken, die musikalische Erfahrung mit Musikern anderer Kulturen und Religionen zu teilen, ebenso als Erinnerung an Zeiten, wo das Abendland sich genauso intolerant und barbarisch verhielt. Das Projekt Orient – Okzident ist ein bereichernder musikalischer Dialog zwischen Süd und Nord mittels Instrumenten und Musikstücken des alten christlichen, jüdischen und moslemischen Hesperiens, der „Stampitte“ des mittelalterlichen Italiens sowie der Improvisationen und Tänze aus Marokko, Israel, Persien, Afghanistan und dem ehemaligen Osmanischen Reich: Zeitlich und räumlich voneinander entfernt erscheinende Weisen, oft unter mehreren Schichten Modernität vergessen bzw. wegen ihres ungewissen Ursprungs missachtet – prächtige, stark emotionsgeladene Tänze, Fürbitten, Lieder und Klagen, die mit ihrer Leichtigkeit von schwerfälligen Wurzeln und vermeidbarer Einsamkeit befreien. Weisen und Tänze, entstanden aus den Liebkosungen des Bogens der Vièle und der Stärke der italienischen Lyra, den Rhythmen und Schlägen des Ouds, dem schillernden Zupfen des iranischen Santur und der eindringlichen türkischen Moresca, dem bezaubernden Tulak und dem wirbelnden Rebab aus Afghanistan, alle vom lebenden und zugleich magischen Puls der nicht wegzudenkenden althergebrachten Perkussionsrhythmen stets getragen und umhüllt. Aus dem Morgenland kamen die ersten Streichinstrumente zu uns. Im Altertum und selbst noch im Frühmittelalter unbekannt, scheint der Einfluss durch Musiker aus arabisch-islamischen Ländern die wahrscheinlichste Erklärung für die allmähliche Entwicklung der Streichertechnik in Europa zu sein. An dieser 41
Stelle sei auf den hohen Entwicklungsgrad der arabischen und byzantinischen Kultur im 10. Jahrhundert sowie die Bedeutung des kulturellen Austausches, oft im Zuge der zwischen dem Morgen- und dem Abendland ausgetragenen Konflikte, hingewiesen. Es soll also keineswegs verwundern, dass die ersten Aufführungen in Europa mit Zupf- und Streichinstrumenten schon ab dem 10. Jahrhundert in den mozarabischen Schriften spanischer Herkunft des Beatus von Liébana (ca. 920–930) sowie den verschiedenen katalanischen Manuskripten wie der Bibel von Santa Maria zu Ripoll dargestellt wurden. Im 14. Jahrhundert waren sie bereits allseits präsent, wie Juan Ruiz, Erzpriester von Hita in seinem berühmten „Libro de Buen Amor“ (Buch von der guten Liebe, ca. 1330) schrieb: Viele Instrumente begleiten die Trommeln. Es ertönt grell die maurische Gitarre. Hoch in der Stimme, rau in der Spitze. Die liebrunde Laute, die knackt, wenn gezupft. Es reiht sich an sie die jüdische Gitarre Die schrille Fiedel mit hoher Lage. Das Psalterium erklingt hoch über alle, Die Federviola ertönt hier darunter, Dazu die Harfe mit der maurischen Fiedel. Dazwischen die Freude zum franziskanischen Galopp. So leuchtet die Fiedel heller als das Licht. Dazu die Trommel, ohne diese nicht wert. Die Streichviola zeugt sanfte Weisen. Liebliche Töne, saftig, deutlich und wohl gespielt Erfreut sie die Leute und beseelt alle. Unter dem Vorwand des Fortschrittes ist die westliche Welt nicht imstande gewesen, ihr altes Instrumentarium zu erhalten, obwohl manche der bedeutendsten Werke ihres musikalischen Schriftgutes dank der Erfindung der Notenaufzeichnung den Zahn der Zeit sehr wohl überstanden haben. Dagegen blieben die orientalischen Kulturen einer außerordentlich stabilen mündlichen Überlieferungsform verpflichtet, die stets dem Gebrauch von Instrumenten größtenteils uralten Ursprungs treu blieb. Schriftliche Nachweise ihrer Musik liegen dagegen 42
kaum vor. Eine prominente Ausnahme ist dabei das von Demetrius Cantemir (1673–1723) verfasste Manuskript „Kitâbu ilmi‘lmusikî alâ vechi‘l-hurûfât“ (Buch von der Wissenschaft der Musik mit Notenaufzeichnung), das 365 Instrumental- und Vokalstücke enthält – einige original, andere älter, aus der türkischen volkstümlichen Tradition übernommen. Vor der Erfindung der Polyphonie und der Harmonielehre wurde auf der iberischen Halbinsel eine durch sieben Jahrhunderte Zusammenleben der drei Hauptkulturen des Mittelmeerraums, nämlich Judentum, Islam und Christentum, geförderte, ähnliche musikalische Sprache gepflegt. Dieser Kontakt und diese Wechselwirkung erklären dort eine gewisse Fähigkeit zum interkulturellen Austausch, die leider nicht immer bewusst war und durch die Ausgrenzungstendenzen einer immer intoleranter werdenden Gesellschaft verschwand, was jeweils 1492 und 1502 in der Ausweisung der nicht konvertierten Juden und Morisken einen traurigen Höhepunkt fand. Die Anerkennung jeder Kultur, unabhängig von ihrer Bedeutung oder ihres Prestiges, ist ein fester Bestandteil unseres neuen kulturellen Dialogs, und es ist heute wichtiger denn je zu glauben, dass mit der Sprache der Musik der Austausch von Gedanken und Gefühlen über Musikstücke und Musiker sehr verschiedenen Ursprungs und verschiedener Kulturen nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist. So wie die Minnesänger und Musiker aus allen Zeiten halten wir am tiefen Glauben fest, dass trotz unserer religiösen und kulturellen Unterschiede mit der Musik „unsere Gemüter zur Kühnheit und Stärke, zur Großzügigkeit und Offenherzigkeit bewogen werden können, lauter Dinge, die allesamt der guten Führung der Völker förderlich sind“ (Johannes de Grocheo, Ars Musicae, um 1300). Jordi Savall (Übersetzung: Gilbert Bofill)
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Ein Dialog der Seelen Die von Jordi Savall so umsichtig zusammengestellten Gesänge und Musikstücke aus Orient und Okzident zu hören, ist kein gewöhnliches Erlebnis. Denn zur ästhetischen Empfindung gesellt sich das noch stärkere Gefühl, wie durch Zauber mit einer versöhnten Menschheit zu kommunizieren. Ist es nicht so, dass die Menschheit in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts etwas von ihrer Seele verloren hat, als Sepharad und al-Andalus gleichzeitig starben, vierzig Jahre nach dem Zusammenbruch von Byzanz? Die geistigen und spirituellen Brücken zwischen Orient und Okzident wurden abgebrochen und nie wieder hergestellt. Das Mittelmeer war nicht länger das lebensspendende Meer im Zentrum unseres kulturellen Universums, sondern wurde ein Schlachtfeld und eine Barriere. Heute erhebt sich dort in unserem gemeinsamen Meer eine unsichtbare Mauer, die den Planeten in einen verängstigten Norden und einen verzweifelten Süden teilt. Sie hat Gruppen von Planetenbewohnern hervorgebracht, die es zu ihrer Gewohnheit gemacht haben, dem „Anderen“ zu misstrauen und sich abzugrenzen. Die arabische und die jüdische Welt scheinen ihre einstige fruchtbare Verwandtschaft vergessen zu haben. Der muslimische Orient und der christliche Okzident reden aneinander vorbei. Um unserer orientierungslosen Menschheit ein Zeichen der Hoffnung zu geben, müssen wir weit über den Dialog der Kulturen und Glaubensrichtungen hinaus zu einem Dialog der Seelen kommen. Das ist zu Beginn des nun angebrochenen 21. Jahrhunderts die unersetzliche Aufgabe der Kunst. Und genau diesen Dialog empfinden wir, wenn wir die wunderbare Musik aus dem ganzen Mittelmeerraum hören, die zu völlig verschiedenen Zeiten und an völlig verschiedenen Orten entstanden ist. Sogleich entdecken wir oder entdecken wir erneut, dass die voneinander so entfernt, gar feindlich erscheinenden Zivilisationen sich erstaunlich nah stehen, erstaunlich verbündet sind. 44
Im Verlauf der uns dargebotenen Reise durch Zeit und Raum fragen wir uns in jedem Augenblick, ob die Konflikte, mit denen wir täglich leben, nicht letztlich Täuschungen sind, und ob die Wahrheit der Menschen und Kulturen nicht eher hier liegt – im Dialog der Instrumente, der Stimmen, der Akkorde, der Kadenzen, der Gebärden, der Improvisationen und der Atemzüge. Wir merken, wie in uns ein Gefühl tiefempfundener Freude aufsteigt, Frucht eines Glaubensakts: Die Vielfalt ist nicht zwangsläufig ein Vorspiel von Feindschaft; unsere Kulturen sind nicht von undurchdringlichen Wänden umgeben; unsere Welt ist nicht dazu verurteilt, sich endlos zu zerfleischen; sie kann noch gerettet werden ... Liegt in diesem Versprechen nicht der erste Grund der Kunst, seit das Abenteuer der Menschheit begonnen hat? Amin Maalouf (Übersetzung: Claudia Kalász)
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Die Bühnenprojektionen
Désir de l’Orient: Die Große Sphinx von Gizeh. Gemälde (Wasserfarben) von David Roberts, 1839. Es zeigt die Große Sphinx von Gizeh, die teilweise unter Sand begraben ist, vor der Pyramide von Gizeh. Zwei weitere Pyramiden sind im Hintergrund zu erkennen. Cleopatra: Fragment eines Reliefs der Cleopatra VII., Ägypten, 1. Jahrhundert vor Christus, aufbewahrt im Louvre in Paris. Foto: KK. Percussion Mania: Typische Schablone (Maske) aus Burkina Faso. Foto: Djembe / Dreamstime.com Äthiopische Ostern: Äthiopische Ikone, unter anderem den heiligen Georg darstellend, wahrscheinlich Anfang 20. Jahrhundert. Foto: Seabhcan Markus-Passion: Der Evangelist Markus mit dem Löwen. Emporen-Detail von 1759 in der Kirche Lambrechtshagen/Deutschland. Foto: Schiwago Drumming: Close-up auf bunte Marimba-Schlägel. Foto: Judit Katai / 123rf Orient – Occident: Christ und Muslim spielen gemeinsam Oud, Darstellung aus den „Cantigas de Santa Maria“ von Alfonso el Sabio, 13. Jahrhundert. 46
Die Interpreten
Claire Chevallier, Klavier Claire Chevallier kombinierte ihre Klavierstudien an den Akademien von Nancy, Strasbourg (bei Hélène Boschi) und Paris (bei Bruno Rigutto) mit ihren Mathematik- und Physikstudien. Sie setzte ihre musikalische Ausbildung dann am Conservatoire Royal de Bruxelles bei Jean-Claude Vanden Eynden und Guy Van Waas fort, wo sie erste Preise für ihr Klavierspiel und Kammermusik erhielt. Ihre Faszination für Hammerklaviere erwachte in Meisterklassen bei Jos van Immerseel. Als ihr Spezialgebiet hat sie sich die Aufnahme von Meisterwerken von der Klassik bis in die Gegenwart, gespielt auf ihren eigenen historischen Instrumenten, auf die Fahnen geheftet. Der einzigartige Klang ihrer Instrumente prädestiniert sie auch für Kooperationen im Bereich des Theaters. Und sie arbeitet eng mit zeitgenössischen Komponisten – darunter etwa dem Flamen Kris Defoort – zusammen, um neues Repertoire für ihr Instrumentarium zu erschließen. Claire Chevallier unterrichtet seit 2004 am Königlichen Brüsseler Konservatorium, gilt als ausgewiesene Spezialistin für die Stimmung alter Tasteninstrumente und wird als Referentin regelmäßig auf Konferenzen über die Geschichte und Technik des Fortepianos eingeladen. Désir de l’Orient, 24. März
Marian Dijkhuizen, Mezzosopran Marian Dijkhuizen studierte zunächst am Königlichen Konservatorium Den Haag bei Maria Acda und Sasja Hunnego und setzte dann ihr Studium bei Werner Güra an der Hochschule der Künste in Zürich fort. Dort erhielt sie im Juni 2011 den Opernmaster mit Auszeichnung. Neben ihrem Studium absolvierte sie Meisterkurse u. a. bei Margreet Honig, Thomas Hampson, John Norris und Meinard Kraak. Marian 47
ist als Solistin und Ensemblesängerin regelmäßig beim Origen Festival Cultural zu hören. Ihr Repertoire umfasst Werke vom frühen Barock bis zur zeitgenössischen Musik. Unter anderem sang sie die Titelpartien in „Simplicius Simplicissimus“ von Karl Amadeus Hartmann und in „Radamisto“ von Georg Friedrich Händel sowie die Rolle der Nummer Drei in der Uraufführung von „Forelle Stanley“ von Daniel Fueter. Markus-Passion, 29. März
Patrick Dunst, piccolo flute Geboren 1983 in Graz, aufgewachsen in England und Österreich, studierte er Saxophon (Jazz) an der Grazer Kunstuniversität und machte seinen Abschluss im Juni 2008 mit dem Master of Arts. Zusätzliches Studium in Wien bei Wolfgang Puschnig. Daneben schloss er auch sein Studium der Musikethnologie an der Goldsmiths University London ab. Regelmäßige Auftritte hat er am Schauspielhaus Graz, am Volkstheater Wien, an der Oper Graz, mit dem Jazztett Forum Graz und dem HGM Jazz-Orchester Zagreb. 2011 erhielt er ein Startstipendium des österreichischen Ministeriums für Kunst und Kultur. Zahlreiche CD-, Radio- und Fernsehproduktionen im In- und Ausland. Drumming, 31. März
Ensemble Vulcano Das Ensemble Vulcano ist ein soeben erst aus der Taufe gehobenes Spezialensemble für historische Aufführungspraxis, bestehend aus lauter ausgewiesenen Alte-Musik-Experten, die sich auf die neapolitanische Barocktradition spezialisiert haben. Alle Mitglieder sind Exponenten der besten Orchester der italienischen Originalklangszene und haben intensive Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den renommierten europäischen Barockensembles gesammelt. Die Gruppe hat sich rund um Maria Grazia Schiavo, eine der bedeutendsten Barockinterpretinnen Italiens, formiert. Cleopatra, 25. März
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Pedro Estevan, Schlagwerk Pedro Estevan ist ein auf die Musik des Mittelalters, des Barock sowie auf Weltmusik spezialisierter Perkussionist. Nach seiner Ausbildung am Madrider Konservatorium und in Aix-en-Provence vertiefte er seine Studien bei dem Senegalesen Doudou Ndiaye Rose, lernte die Tamburintechniken bei Glen Velez und zeitgenössische Perkussion bei Sylvio Gualda. Estevan ist Mitbegründer des Ensembles The Percussion Group of Madrid. Er arbeitet mit zahlreichen Orchestern wie dem Spanischen Nationalorchester, dem Madrider Symphonieorchester, dem Ensemble Baroque de Limoges, der Camerata Iberia sowie Jordi Savalls Hespèrion XXI und dem Concert des Nations zusammen. Orient – Occident, 1. April
Miriam Feuersinger, Sopran Die österreichische Sopranistin Miriam Feuersinger entdeckte bereits als Kind ihre Liebe zum Gesang. So setzte sie nach umfassender musikalischer Bildung an der Musikschule ihrer Heimatstadt Bregenz ihre professionelle Gesangsausbildung am Landeskonservatorium Feldkirch fort und wechselte anschließend an die Musikhochschule Basel in die Klasse von Kurt Widmer, wo sie ihr Studium im Frühjahr 2005 mit Auszeichnung abschloss. Ihre große Liebe gilt musikalisch und inhaltlich dem Kantaten- und Passionswerk von J. S. Bach, sie bewegt sich aber in dem breiten Spektrum der geistlichen Musik vom Barock bis hin zur Spätromantik. Im Bereich Lied konzertiert sie mit dem Pianisten Reto Reichenbach. Sie musiziert regelmäßig mit renommierten Dirigenten wie Rudolf Lutz, Ton Koopman und Laurent Gendre sowie Barockensembles und Barockorchestern wie Capriccio Basel, Les Cornets Noirs, Capricornus Consort, La Banda und La Cetra. Miriam Feuersinger ist zweifache Preisträgerin der Ernst-GöhnerStiftung. Markus-Passion, 29. März
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Stefan Heckel, organ Stefan Heckel ist 1969 in Graz geboren, lebt und arbeitet als Pianist, Akkordeonist und Komponist in Wien und Graz. Nach Studien an der Kunstuniversität Graz und an der Royal Academy London gründete er mehrere Ensembles und organisierte Improvised Music Nights in Wien und Graz. Seine Projekte beschäftigen sich intensiv mit der Musik und der Kultur des Balkan (Irina Karamarkovic – Songs from Kosovo, Nenad Vasilic Balkan Band) und des Nahen Ostens (Mélange Oriental, Sounding Jerusalem). Kompositionsaufträge und Preise: Al Quds Composition Award, Harry Pepl Preis, Styria Cantat. Drumming, 31. März
Agnes Heginger, voice Agnes Heginger studierte vorerst am Konservatorium der Stadt Wien klassischen Sologesang, um danach an der KUG ein Jazzgesangsstudium mit ausgezeichnetem Erfolg abzuschließen. Seither bewegt sich die vielseitige Sängerin mit der für sie typischen Leichtigkeit und Virtuosität in den unterschiedlichsten Genres (Alte Musik, zeitgenössische Musik, Jazz, frei improvisierte Musik, absolut krauses Zeug, für das sie selbst keine Sparte angeben kann). Agnes Heginger ist Gesangsdozentin an der Jazzabteilung der AntonBruckner-Privatuniversität Linz und des Jazz Institute Berlin, vormals Universität der Künste Berlin. Zusammenarbeit mit Georg Breinschmid, Peter Herbert, Paul Gulda, Roland Neuwirth, Willi Resetarits, Franzobel, Gerd Jonke, Ensemble „Die Reihe“ u. v. m. Drumming, 31. März
Matthias Helm, Bariton Matthias Helm studierte Sologesang bei Rotraud Hansmann und absolvierte die Lied- und Oratorium-Klasse bei Robert Holl an der Universität für Musik und darstellende 50
Kunst Wien. Außerdem besuchte er Meisterkurse bei Wolfgang Holzmair, Rudolf Piernay sowie Hartmut Höll und Rudolf Janssen. Als Konzertsänger profilierte sich der junge Bariton mit den großen Oratorien und Passionen von Bach, Händel, Mendelssohn bis hin zu Orff, Martin und Hindemith. Dabei arbeitete er mit Orchestern und Ensembles wie L’Orfeo Barockorchester, Karlsruher Barockorchester, Wiener Akademie oder Capella Leopoldina zusammen. Auch als Liedinterpret – insbesondere der Liedzyklen Schuberts und Schumanns – ist Matthias Helm ein gern gehörter Gast verschiedenster Festivals und Konzerthäuser. Sein breit gefächertes Bühnenrepertoire umfasst Werke von der Renaissance bis ins 21. Jahrhundert. Markus-Passion, 29. März
Il Concerto Viennese Das Barockensemble Il Concerto Viennese möchte sich vor allem mit Werken auseinandersetzen, die am Schnittpunkt zwischen Orchester- und Kammermusik liegen, wie dies zum Beispiel für Bachs Brandenburgische Konzerte zutrifft. Darüber hinaus bildet, dem Ensemblenamen entsprechend, Musik des Habsburgerreiches einen wichtigen Bestandteil in seinem Repertoire. Sein Gründer Rudolf Leopold, der selbst seit Jahrzehnten in Harnoncourts Concentus Musicus Wien als Solocellist mitwirkt, hat hier Spitzenmusiker um sich versammelt, die alle auf eine langjährige Erfahrung mit der spezifischen Spielweise mit Originalinstrumenten des 17. und 18. Jahrhunderts zurückblicken können. Schon bei seinem Debüt in Graz im Dezember 2006 sprach die Kritik von einem Wunder an Homogenität und Klangfülle. Im Jahre 2007 ist das Festkonzert zum 200. Todestag Anna Amalias in Weimar besonders hervorzuheben. 2008 debütierte das Ensemble bei der styriarte und im Wiener Palais Liechtenstein. Im Jahre 2009 bilden Bach-Kantaten mit namhaften Sängern wie Elisabeth von Magnus und Daniel Johannsen einen der Höhenpunkte. 2013 wird zum ersten Mal eine Passion Bachs („Markus-Passion“) bei den 51
bedeutendsten Osterfestivals Österreichs (in Wien, Graz und Innsbruck) aufgeführt. Markus-Passion, 29. März
Daniel Johannsen, Tenor Geboren 1978 in Wien, studierte Daniel Johannsen Kirchenmusik in Graz und Wien sowie Gesang bei Margit Fleischmann Klaushofer und Lied bei Robert Holl; er war Meisterschüler von Nicolai Gedda, Dietrich Fischer-Dieskau sowie Christa Ludwig und ist Preisträger zahlreicher Wettbewerbe. Der gefragte Evangelist und Bachinterpret nimmt vielfältige Konzertverpflichtungen in ganz Europa, Nordamerika und Japan mit Musik aus allen Gattungen und Epochen wahr und hatte Auftritte u. a. beim Israel Festival, bei der styriarte sowie den Salzburger Festspielen. Dabei ergaben sich Zusammenarbeiten mit renommierten Orchestern (etwa den Wiener Philharmoniker und Le Concert des Nations) und Dirigenten wie Sir Neville Marriner und Jordi Savall. Zahlreiche Rundfunk- und Fernsehübertragungen sowie CDAufnahmen dokumentieren seine Arbeit. Er wirkte in Produktionen an der Oper Leipzig, am Münchner Gärtnerplatztheater, an der Volksoper Wien und bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen. In der Saison 2012/13 tritt Daniel Johannsen u. a. im Rahmen des Leipziger Bachfests auf (unter der Leitung von Trevor Pinnock). Er gastiert als Tamino an der Volksoper Wien und in der Titelrolle von Händels „Jephtha“ am Theater Bonn. Markus-Passion, 29. März
Rudolf Leopold, Violoncello & Leitung Rudolf Leopold gilt als einer der vielseitigsten Musiker Österreichs. Geboren und aufgewachsen in Wien, studierte er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Cello, daneben Klavier und Komposition. Bald nach seinem Studienabschluss begann er dort Kammermusik zu unterrichten, seit 52
1990 ist er Professor für Violoncello an der Kunstuniversität Graz. Bekannt wurde Rudolf Leopold als Mitglied des Franz Schubert Quartetts, 1979 gründete er das Wiener Streichsextett. Mit diesem Ensemble nahm er zahlreiche CDs für EMI und Pan Classics auf und schrieb auch eine Menge Arrangements, die zum Teil eingespielt und verlegt wurden. Mit der Aufführungspraxis barocker Musik hat sich Rudolf Leopold seit seiner Jugend beschäftigt; er wirkt bis heute in Nikolaus Harnoncourts Concentus Musicus als Solocellist mit. Ihm verdankt er wichtige Anregungen. 2006 gründete er sein eigenes Ensemble „Il Concerto Viennese“. Rudolf Leopold spielt auf einem italienischen Cello aus dem Jahre 1679, dessen Boden von Andrea Guarneri stammt. Markus-Passion, 29. März
Mamadou Diabate’s Percussion Mania In einem kleinen Dorf im Westen Burkina Fasos aufgewachsen, kam der afrikanische Musiker Mamadou Diabate im April 2000 nach Österreich. War er in seiner Heimat bereits im Kindesalter ein Star am traditionsreichen Balafon, hat der Musiker nach mittlerweile neun eigenen Alben und zahlreichen Gastauftritten längst auch in der heimischen Weltmusikszene Fuß gefasst. Seine zahlreichen Konzertreisen durch Europa und Projekte mit Musikern wie Sigi Finkel, Wolfgang Puschnig oder Jon Sass haben ihn selbst, vor allem aber auch seine Musik in den letzten zehn Jahren entscheidend geprägt. In seinen Liedern erzählt er Geschichten, vom Leben in seiner afrikanischen Heimat Burkina Faso und seiner neuen Heimat Österreich. Einmal singt Diabate auch über die Wichtigkeit von Schulbildung in Afrika. Er selbst hat in seinem Heimatdorf eine Schule gebaut und arbeitet an weiteren Projekten – das sei das Mindeste, was er tun könne, sagt er. Eines seiner zahlreichen musikalischen Projekte ist Percussion Mania, das laut Diabete genau das ist, wonach es klingt: „Eine mitreißende Rhythmusschlacht, in der nicht nur wir Musiker in Trance fallen sollen.“ 53
Abdoulaye Dembele: Geboren in Burkina Faso. Er lebte zehn Jahre in Frankreich, bevor er 2010 nach Österreich übersiedelte. Mamadou und Abdoulaye wuchsen beide in einer Griot-Familie auf, in der das Musizieren und Geschichtenerzählen seit Generationen als Beruf ausgeübt wird. Sie kennen einander seit mehr als 20 Jahren und haben ihre musikalische Karriere gemeinsam in Burkina begonnen. Diese Vertrautheit ist auch in ihrem gemeinsamen Spiel nicht zu überhören … Seydou Diabate: Geboren in Burkina Faso, lebt er heute in Toulouse. Seydou ist ein Bruder Mamadous und stammt somit aus der gleichen musikalischen Tradition. Beide spielen das Balafon – und das machen sie auf wirklich imposante Weise: extrem schnelle Dialoge werden mit „fliegenden Händen“ gespielt. Zacaria Kone: Geboren in Burkina Faso. Auch er kommt aus einer sehr bekannten Griot-Familie. Seit 2010 lebt er in Österreich und ist seitdem auch Mitglied der Gruppe Percussion Mania. In den letzten Jahren war er auf vielen Tourneen durch ganz Europa mit seinem Onkel in der bekannten Gruppe „Les Frères Coulibaly“. Karim Sanou: Auch Karim stammt aus Burkina Faso und lebt seit 1998 in Österreich. Er kommt nicht aus einer typischen Musikerfamilie, dennoch hat er seit seiner frühesten Kindheit all seine Energie darauf verwendet, Musiker zu werden. Er gehört somit zu einer ganzen Generation von Musikern, die so einen frischen Wind in die traditionelle Musik bringen. Percussion Mania, 28. März
Günter Meinhart, Leitung Günter Meinhart wurde 1957 in Graz geboren. Studium, Familiengründung und ständiger Wohnsitz in Graz mögen die Verbundenheit und Liebe zu dieser wunderschönen Stadt bestätigen. Meinhart war Schlagzeuglehrer an der Musikschule Liezen, Leiter des Musikreferates im Forum Stadtpark 54
und Direktor der Musikschule Ilz. 1979 gründete er das STUDIO PERCUSSION graz, aus dem 1993 auch eine Schlagzeugschule hervorging. Seit 1995 ist er Lehrer an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz (Schlagzeug, Kammermusik, Pädagogik). Konzerte und Musiktheaterproduktionen führten ihn zur styriarte, zu den Wiener Festwochen, den Salzburger Festspielen, zur ars electronica, zum festival mostly modern in NY, ins Konzerthaus Wien, nach Thessaloniki, Athen, Korfu, Istanbul, Ankara etc. Drumming, 31. März
Anja Obermayer, voice Die steirische Sängerin Anja Obermayer studiert seit 2009 JazzGesang sowie Klassik-Gesang an der Kunstuniversität Graz. Neben ihrer Tätigkeit als Sängerin bei verschiedensten Bands (Vokalquartett-e904, Chilli da Mur, Julia Maier’s New Shore Orchestra, anja o. und die unfassbaren 6 ...), als Studiosängerin und Gesangssolistin diverser klassischer Konzerte, unterrichtet sie Pop-Gesang an der Popvox Academy Graz. Drumming, 31. März
Origen Ensemble Vocal Das Origen Ensemble Vocal ist ein Vokalensemble aus lauter qualifizierten Sängerinnen und Sängern, das dem Schweizer Festival Origen, bestehend seit 2008, für seine Produktionen als Stimmenformation zur Verfügung steht. Der Name Origen ist rätoromanisch und bedeutet Ursprung, Herkunft, Schöpfung – entsprechend ist das Festivalprogramm Bekenntnis zur kulturellen Kraft einer dreisprachigen Region, die vom Austausch lebt. Die Kulturinstitution Origen realisiert das alljährliche Origen Festival Cultural in Graubünden und widmet sich vor allem der Förderung und Produktion von neuem, professionellem Musiktheater. Origen hat ein eigenes Haus: Die Burg Riom wurde 2006 zum Theater ausgebaut und eröffnet. Origen ist kein alpines 55
Ghetto einer sterbenden Sprache, sondern vitales Zeugnis einer lebendigen Sprachgemeinschaft, die das Experiment Kultur immer wieder von neuem wagt. Markus-Passion, 29. März
Thomas Platzgummer, Dirigent Der in Dornbirn geborene Cellist und Dirigent Thomas Platzgummer studierte in Feldkirch, Salzburg, Wien und Graz. Neben dem klassisch-romantischen Schwerpunkt während der Studienzeit beschäftigte er sich auch intensiv mit Neuer Musik, Alter Musik sowie Oper und Operette. Reiche Erfahrung sammelte er als Mitglied des Ensembles Zeitfluss für Neue Musik, der Salonfähigen Saitenspringer, des Barockorchesters Concerto Stella Matutina sowie des Linus Ensemble Graz. Seit 1998 ist er musikalischer Leiter und Dirigent der Murauer Operettenfestspiele, seit 2003 musikalischer Leiter und Dirigent der Kammeroper Graz. Er fungierte bei Hermann Nitschs Orgien-Mysterien-Theater in Prinzendorf als Dirigent. Seit 2006 leitet Platzgummer das Sinfonieorchester des JohannJoseph-Fux-Konservatoriums Graz. Gastdirigate führten ihn zu zahlreichen Festivals. Aktuell stehen Giuseppe Verdis „La Traviata“ am Vorarlberger Landestheater mit dem Symphonieorchester Vorarlberg (Frühjahr 2013), diese „Markus-Passion“Produktion auch beim Osterklang in Wien und beim Osterfestival Tirol sowie das Eröffnungskonzert des Montafoner Sommers 2013 mit der Camerata Argentea auf Originalinstrumenten auf dem Programm. Markus-Passion, 29. März
Dimitri Psonis, Oud, Santur & Morisca Seine musikalische Karriere begann Dimitri Psonis im Alter von elf Jahren in Athen. Mit 18 begann er bei Tasos Diakoyorgis Santur (eine Art Psalterium) und beim Dirigenten und Komponisten Yannis Ioanidis Komposition zu studieren. Später zog er nach Spanien, wo er die höchste Auszeichnung, den Titel „Superior de Percusión“, am Madrider Konser56
vatorium erhielt. Seine Studien in Perkussion, Marimba, Vibraphon sowie zeitgenössischer Musik und Pädagogik verfeinerte er bei Lehrern wie Robert Van Sice, Gary Burton, Yannis Xenakis oder Mari Tominaga. Zu seinen musikalischen Partnern zählen u. a. das London Symphony Orchestra, das Teatro Real, die zeitgenössische Musik-Gruppe Circle oder die Percussion-Gruppe des Madrider Konservatoriums. Dimitri Psonis gründete das Quartett „Krusta“, das Marimba-Trio „Acroma“ und das Percussion-Sextett „P’ An-Ku“. Als einer der besten Santur-Spieler der Welt arbeitet er regelmäßig mit Jordi Savall und dessen Hespèrion XXI und anderen Formationen der Alten Musik, wie dem Limoges Baroque Orchestra, Mudéjar, Camerata Iberia etc. zusammen. Im Jahr 1997 gründete er seine eigene Gruppe „Metamorphosis“, die bei vielen großen Festivals und in den Konzertsälen Spaniens, Frankreichs, den Niederlanden und Griechenlands auftrat. Orient – Occident, 1. April
Jordi Savall, Rebec & Rebab Jordi Savall, 1941 in Barcelona geboren, studierte zunächst Violoncello, ehe er sich unter dem Eindruck eines Konzertes von Pablo Casals der Erforschung Alter Musik, ihrer Spielweise und Literatur zuwandte. Er studierte in Brüssel, später an der Schola Cantorum Basiliensis bei August Wenzinger, dem er 1974 als Professor an der Schola nachfolgte. Jordi Savall gilt als Urheber der Wiederbelebung der Viola da Gamba. 1974 gründete er Hespèrion XXI, als vokale Ergänzung folgte 1987 in Barcelona La Capella Reial de Catalunya, weltbekannt auch sein Orchester Le Concert des Nations. Die Zahl der von Jordi Savall wiederentdeckten und zur Aufführung gebrachten Werke ist kaum überschaubar, ebenso auch die Anzahl vieler großartiger Einspielungen, die uns heute vorliegen. Mit seinem eigenen Label Alia Vox bringt er seit Jahren eine Vielzahl höchstdekorierter CDs (u. a. erhielt „Dinastia Borgia“ den Grammy Award 2011) heraus. 2008 wurde Jordi Savall zum „Artist for Peace“ innerhalb des „Good will Ambassador’s program of the UNESCO“ 57
ernannt. Er war 2009 Botschafter des Europäischen Jahres für Kreativität und Innovation der Europäischen Union. Im Juni 2009 zeichnete ihn der Nationale Rat für Kultur und Kunst der Katalanischen Regierung mit dem Nationalpreis für Musik aus. Im November 2010 wurde ihm vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur der Praetorius Preis aus der Kategorie „Internationaler Friedensmusikpreis“ überreicht. Orient – Occident, 1. April
Maria Grazia Schiavo, Sopran Die in Neapel geborene Sopranistin Maria Grazia Schiavo schloss ihr Studium am Konservatorium S. Pietro in Majella mit Auszeichnung ab. Schon früh galt ihr besonderes Interesse lyrischem Liedgesang, Kammermusik, Zwölftonmusik und Musik des Barock. 2002 gewann sie einen ersten Preis beim internationalen Gesangswettbewerb „Clermont Ferrand“. Die Stipendiatin des Konservatoriums Neapel tritt regelmäßig bei renommierten nationalen und internationalen Festivals auf. Zu ihren letzten Engagements zählen Opernrollen unter Riccardo Muti bei den Salzburger Festspielen (Amital in „La betulia liberata“), unter Christophe Rousset am Theater an der Wien (Dalinda in „Ariodante“) oder die Zerlina im „Don Giovanni“ unter Lorin Maazel in Valencia. Weiters geplant sind derzeit: „Carmina Burana“ mit Riccardo Muti in Chicago und in der Carnegie Hall, Vivaldis „Giustino“ am Theater an der Wien, Cleopatra in Händels „Giulio Cesare“ und Almirena in „Rinaldo“ mit Ottavio Dantone in Ferrara, Ravenna und Versailles; dazu die Ninetta in „Falstaff“ mit Daniele Gatti in der Oper Amsterdam … Cleopatra, 25. März
Eva Maria Schoßleitner, Alt Eva Maria Schoßleitner studierte an der Musikuniversität Mozarteum Salzburg, zunächst als lyrischer Sopran. Nach 58
ihrem Abschluss am Mozarteum setzte sie ihre Studien bei Helena Lazarska in Wien fort und wechselte 2010 unter deren Betreuung ins lyrische Mezzosopranfach. Derzeit erhält sie Anregungen auf dem Gebiet der barocken Interpretation und Aufführungspraxis von Markus Forster im Rahmen des Universitätslehrganges „Alte Musik“ in Innsbruck. Sie besuchte Kurse bei namhaften Künstlern wie Barbara Bonney, Angelika Kirchschlager, Margreet Honig, Robert McIver, Gerhard Kahry, Helena Lazarska und Roger Vignoles. Auf verschiedenen Festivals arbeitet sie regelmäßig mit Ensembles und Orchestern wie z. B. der Hofmusik Salzburg, den Barockensembles Free Barock, Trio amabile und Spirit of Musicke sowie der Philharmonie Salzburg und der Sinfonietta da Camera Salzburg zusammen. Mit Letzterer führte sie ein Konzertengagement nach Dubai, wo sie im „Dubai Community Theatre“ und in der „American University of Sharjah“ zu hören war. Markus-Passion, 29. März
Sintija Šmite, voice ˇ Sintija Smite begann ihre musikalische Laufbahn als Geigenspielerin in Lettland. Seit 2010 studiert sie Chordirigieren bei Johannes Prinz an der KUG und singt im Extrachor der Oper Graz. Zusätzlich zu ihren Auftritten als Chorleiterin ist sie als Sängerin bereits mit viele Chören aufgetreten und hat mehrere Solorollen – von alten Oratorien bis hin zur Rockoper – gesungen. Im Sommer 2012 war sie Mitglied des Weltjugendchors in Zypern, seit Herbst 2012 leitet sie den Grazer Chor „audite nova”. Drumming, 31. März
Christina Stegmaier, Sopran Christina Stegmaier, in Niederösterreich geboren, studierte an der Wiener Musikuniversität bei Ruth Gabrielli-Kutrowatz und in Graz am Konservatorium bei Margarete Bogner und besuchte Meisterkurse bei Emma Kirkby und Deborah York. 59
Sie konzentrierte sich in den letzten Jahren besonders auf die Interpretation Alter Musik. Hier konzertiert sie regelmäßig unter anderem mit Jérémie Rhorer und Le Cercle de l’Harmonie, Michi Gaigg, Martin Haselböck und der Wiener Akademie, der Capella Leopoldina, Christoph Coin und dem Ensemble Baroque de Limoges sowie dem Ensemble Orchestre de Basse Normandie in Frankreich, Deutschland und Spanien sowie mit dem Ensemble Fioretto und den Wiener Bachsolisten auch auf nationalen und internationalen Festivals: Folle Journée-Festival in Nantes, Toulouse les Orgues Festival, Musikfest Bremen, Klara Festival in Brüssel, Osterfestival Innsbruck, Osterfestival Psalm, Osterklang Wien, Bach XXI in Graz, Internationales Orgelfest Stift Zwettl und Festival styriarte (zuletzt 2012). Markus-Passion, 29. März
STUDIO PERCUSSION graz STUDIO PERCUSSION graz wurde 1979 von Günter Meinhart gegründet und zählt zu den renommiertesten Ensembles für zeitgenössische Musik. Neben dem klassischen Repertoire der Schlagzeugwerke des 20. Jahrhunderts liegt ein Schwerpunkt in spartenübergreifenden Projekten sowie – schon seit der Gründung – in der Zusammenarbeit mit jungen nationalen und internationalen Komponisten, die speziell für STUDIO PERCUSSION graz neue Werke schreiben. STUDIO PERCUSSION graz tritt regelmäßig unter seinem Leiter Günter Meinhart im In- und Ausland bei diversen Festivals in Erscheinung. Seit 1993 führt das STUDIO PERCUSSION graz eine eigene Schlagzeugschule in Graz. Zahlreiche Preisträger in solistischen und Ensemblewettbewerben sowie eine bereits neue Generation von hervorragenden Schlagzeugern im klassischen Bereich als auch im Bereich der Jazz- und Popularmusik sind mittlerweile aus der STUDIO PERCUSSION school hervorgegangen. Zum Zweck der internationalen Kommunikation und zur publikumswirksamen Präsentation hochkarätiger PercussionistInnen präsentiert das STUDIO PERCUSSION graz 60
seit 2007 die „Night of Percussion“. Als neue pädagogischinformative Plattform wurde von Günter Meinhart 2009 das Austrian Percussion Camp ins Leben gerufen. Drumming, 31. März
Merawi Tebege, Erzpriester, Leitung Erzpriester Merawi Tebege gründete 1983 die äthiopischorthodoxe Kirche in Deutschland. Nach dem Sturz von Kaiser Haile Selassie und der Gründung einer sozialistischen Militärdiktatur in Äthiopien im Jahr 1974 flüchteten viele äthiopische Christen nach Europa, zahlreiche kamen ins damalige Westdeutschland. Seit fast 30 Jahren sitzt die Gemeinde nun in Köln und besitzt mit der ehemaligen Lutherkapelle seit 2009 auch eine eigene Kirche. Im Großraum Köln leben etwa 500 Gläubige, in ganz Deutschland sind es rund 25.000. Merawi Tebege steht der Kirche wie ein Dekan vor. Äthiopische Ostern, 28. März
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