Montag, 27. Juni 2016, 20 Uhr Helmut List Halle
Revolutionsetüde
Franz Liszt (1811–1886) Funérailles aus: Harmonies poétiques et religieuses III Sonetto 104 del Petrarca aus: Années de Pèlerinage – Deuxième année: Italie Après une Lecture de Dante – Fantasia quasi Sonata aus: Années de Pèlerinage – Deuxième année: Italie
Frédéric Chopin (1810–1849) Polonaise-Fantaisie in As, op. 61 Mazurka in a, op. 17/4 Etüde in f, op. 25/2 Mazurka in a, op. 59/1
Frédéric Chopin Etüde in a, op. 25/11
Revolutionsetüde
Mazurka in As, op. 59/2 Polonaise Nr. 6 in As, op. 53
Frédéric Chopin und Franz Liszt mussten Bernd Glemser, Klavier
den Freiheitskampf ihrer Nationen machtlos aus der Ferne verfolgen. In Wien er-
Patronanz:
wartete der junge Pole 1831 fieberhaft jeden Brief aus Warschau, der vom Kampf
Kozertdauer: Erster Konzertteil: ca. 38 Minuten Pause: ca. 25 Minuten Zweiter Konzertteil: ca. 38 Minuten
Radio: Dienstag, 5. Juli, 10.05 Uhr, Ö1
Im Foyer der Helmut List Halle wird heute im Anschluss an die Vorstellung die Reproduktion eines Ölbilds von Herbert Brandl zum Thema „Freiheit“ enthüllt. Das Original hängt seit heute und bis zum 24. Juli in der Ausstellung „Viva la libertà“ in der Galerie Reinisch am Grazer Hauptplatz. Aus Anlass der Präsentation dieses Bildes lädt Sie Helmut Reinisch nach dem heutigen Konzert im Foyer auf ein Glas Prosecco ein.
seiner Landsleute gegen die Russen be- richtete. Die Niederlage sollte ihm den Weg in die geliebte Heimat für immer versperren. Franz Liszt sandte den Helden Ungarns 1849 die Trauerklänge eines erschütternden Klavierstücks nach.
Trauerstück für Ungarn Auf dem St. Leonhard-Friedhof in Graz ruht ein hoch dekorierter Militär der Habsburger Monarchie, den die Ungarn nur als den „Blutrichter von Arad“ kennen: Julius Freiherr von Haynau. In Kassel als unehelicher Sohn des dortigen Kurfürsten geboren, hatte sich der Nordhesse seine Sporen im österreichischen Heer während der napoleonischen Kriege verdient. Schon während des italienischen Aufstands von 1848 brachte ihm sein brutales Vorgehen gegen die Lombarden den Beinamen „Hyäne von Brescia“ ein. Im Mai 1849 wurde er vom jungen Kaiser Franz Joseph mit dem Oberkommando in Ungarn betraut, um den „Aufstand“ endlich in den Griff zu bekommen. Im Aufwind des Jahres 1848 hatten die Ungarn die Schwäche der Zentralregierung in Wien dazu genutzt, sich ein eigenes Parlament zugestehen zu lassen. Am 15. März 1848 feierten die Liberalen des Landes die Bildung einer freien Regierung unter Premierminister Lajos Batthyány. Ab September 1848 versuchten die Österreicher, der Lage im „rebellischen“ Nachbarland Herr zu werden, doch erst als die Russen auf den Plan traten und Freiherr von Haynau das Regiment übernahm, wendete sich das Blatt. Die ungarische Armee musste im August 1849 kapitulieren. Anfang Oktober lockte Haynau die 13 gefangenen Generäle mit der Zusicherung freien Geleits ins heute rumänische Arad. Dort wurden sie vor ein österreichisches Exekutionskommando gestellt. Am selben Tag wurde auf Haynaus Drängen hin der in Budapest inhaftierte Premierminister Batthyány erschossen. Der Traum von der Freiheit Ungarns endete im Kugelhagel der Österreicher. Noch heute begehen die Ungarn den 6. Oktober als nationalen Trauertag. Franz Liszt war einer der ersten, der seine
Trauer öffentlich machte: „October 1849“ schrieb er als Untertitel auf sein Klavierstück „Funérailles“. Jeder Zeitgenosse wusste, was der Doppeltitel zu bedeuten hatte: Trauermusik auf die Erschossenen des 6. Oktober 1849, auf die „Märtyrer von Arad“. Den Untertitel behielt Liszt auch dann noch bei, als er das Stück einige Jahre später in seinen Zyklus „Harmonies poétiques et religieuses“ einordnete. In diesem Fall handelte es sich freilich um eine „Harmonie politique“, nicht „poétique“.
Zur Musik Introduzione, Adagio: Die langsame Einleitung beginnt über einer ständig wiederholten fallenden None des-c im schwärzesten Bass in einer Art fatalistischem Trott. Über dem hämmernden Klanggrund werden düstere Akkorde aufgeschichtet. Diese Klangwand steigt allmählich höher und höher, der Bass wird zum Paukenwirbel, imaginäre Trompeten lassen ihren schneidenden Appell erschallen. Danach sinkt die Musik resigniert in die Tiefe hinab. „Lange Pause“. Der eigentliche Trauermarsch setzt verhalten ein, mit einem klagenden Thema der linken Hand, das aus den Motiven der Einleitung abge-
leitet ist. Wenn es in die rechte Hand wandert, schlägt die Begleitung den typischen Trauermarsch-Rhythmus an. Dabei soll die Melodie „stets akzentuiert“ vorgetragen werden („la melodia sempre accentata“). Plötzlich weht in den f-Moll-Kondukt die tröstliche Süße einer As-Dur-Melodie hinein, ein typisches Liszt-Thema. Es beginnt zart klagend („lagrimoso“), wird allmählich mit orchestralen Begleitfiguren angefüllt und schließlich zur Apotheose der ermordeten Helden gesteigert. Allegro energico assai: Eine zweite Vision folgt: die Erinnerung an
den heldenhaften Kampf der Ungarn. Über rastlosen Triolen der linken Hand setzt in Des-Dur ein Reitermarsch ein, durchsetzt von Trompetenklängen. Anfänglich leise wird er immer lauter und schneller, der Bass immer wuchtiger: Die ungarischen Reiter stürzen sich in die Schlacht, strahlendes D-Dur scheint schon den Triumph zu verkünden. Da bleibt der Sturmritt plötzlich auf einem leeren Des wie in der Luft hängen. Unvermittelt und mit äußerster Wucht kehrt der Trauermarsch zurück. Ohne auch nur ein Wort dazu zu schreiben, konnte Liszt in diesem musikali-
schen Zusammenbruch die ganze Tragik seines unterdrückten Volkes einfangen. Noch einmal kehrt, wie ein ferner Gruß aus dem Jenseits, die zarte Melodie des Trios wieder, bevor sich vor den Hörern eine gewaltige Wand aus Marschrhythmen, bleiernen Akkorden und Trommelwirbeln aufbaut, eine Reminiszenz an die Schlacht. Leere Quinten f-C beschließen das Stück im Pianissimo. Eine Wendung nach Dur scheint möglich. Wird aus dem Fanal der Opfer eine neue Hoffnung für ein freies Ungarn entstehen? Liszt hat diese Frage am Ende bewusst offen gelassen.
Liszt auf Wanderschaft Dem national gesinnten Ungarn Liszt tritt in den „Années de Pèlerinage“ der Europäer und Weltbürger gegenüber, der sein Leben lang unstet umherzog. Drei Ländern zollte er in den „Pilgerjahren“ seinen Tribut: der Schweiz, Italien und Ungarn. Dabei schilderte er die großartige Natur wie die einfachen Menschen, den Geist der großen Dichter wie die Bilder der großen Maler. Die Idee, ein Reisetagebuch in Tönen zu schreiben, kam ihm schon 1835 in den Schweizer Alpen, die er an der Seite der Gräfin Marie d’Agoult durchwan-
derte. Die Pariser Aristokratin hatte ihren Mann verlassen, um sich mit Liszt in der Schweiz zu treffen und in Genf Asyl zu suchen. Dort kam im Dezember das erste gemeinsame Kind zur Welt. Im März begann Liszt mit dem „Album d’un voyageur“, dem „Album eines Reisenden“, das er 1840/41 veröffentlichte. Zwanzig Jahre später sollte daraus in überarbeiteter Form die „Première Année de Pèlerinage“ werden, die der Schweiz gewidmet ist. Im zweiten „Pilgerjahr“ verherrlichte Liszt Italien: die Sonette von Petrarca, die „Göttliche Komödie“ von Dante, berühmte Statuen und Gemälde von Michelangelo und Raffael.
Liszt vertont Petrarca Die „Tre Sonetti del Petrarca“ gehören ins zweite „Pilgerjahr“, und zwar ganz buchstäblich: Auf seiner Italienreise 1838/39 vertonte Liszt drei Sonette des großen Dichters aus Arezzo für hohen Tenor und Klavier, und zwar in der Originalsprache. Diese drei italienischen Lieder ließ er erst 1847 im Druck erscheinen, nachdem er die Bearbeitungen für Klavier solo bereits in den „Pilgerjahren“ veröffentlicht hatte. Dem Sonetto 104 „Pace non trovo“ ist die Vorgeschichte als Lied noch deutlich anzuhören: Nach einer kurzen chromatischen Einleitung und dem Motto „Pace non trovo“ setzt in der rechten Hand eine wunderschöne Melodie in E-Dur ein, Liszts Tribut an den Belcanto Italiens. Dazu benutzte er den Teil des Liedes, der mit „Tal m’ha in prigion, che non m’apre, nè serra“ beginnt, also der zweiten Quartine des Sonetts. Hier der Text auf Deutsch: „So hält Amor mich gefangen, dass ich nicht fliehen kann, Nicht schmiedet er Ketten, noch löst er den Bann; Er tötet mich nicht, verwundet mich nicht, Doch leben lässt er mich auch nicht und raubt mir alle Hoffnung.
Ich sehe geblendet, ich schreie stumm, Sterben möcht’ ich und doch wieder leben. Ich hasse mich selber und liebe doch die eine! Gram ist meine Nahrung, Weinen mein Lachen, Tod und Leben sind mir gleichermaßen verhasst. In diesem Zustand bin ich, Frau, nur wegen Euch.“ Was Petrarca in eine Reihe von kunstvollen Paradoxien gefasst hatte, wurde von Liszt ins sentimentale Melos des 19. Jahrhunderts gehüllt – mehr eine Huldigung an eine italienische Geliebte als an den großen Dichter Francesco Petrarca, der zum Begründer der italienischen Renaissance-Dichtung wurde, als er 1336 den Mont Ventoux in Südfrankreich bestieg und der Landschafts-Betrachtung das „lyrische Ich“ gegenüberstellte. Als Geistlicher empfing er die niederen Weihen und wirkte am päpstlichen Hof in Avignon – ganz so wie 500 Jahre später der „Abbé Liszt“ im päpstlichen Rom. Freilich blieb Petrarcas Beziehung zu seiner angebeteten Laura, der Heldin des Sonetto 104, rein platonisch, während Liszt noch als alternder Abbé scharenweise Verehrerinnen um sich sammelte – „Mephistopheles im Priestergewand“, wie ihn der deutsche Romexperte Ferdinand Gregorovius ironisch nannte. Entsprechend konkret, überhitzt, drängend wirkt seine Auffassung des Sonetto 104 – erotische Ekstase der Romantik statt kunstvoller Renaissancedichtung.
Liszt liest Dante Das Italienjahr seiner „Années de Pèlerinage“ beschloss Liszt mit einem besonders anspruchsvollen Klavierstück, das er bereits 1839 in Wien spielte, aber erst 1849 in die endgültige Form brachte: mit der so genannten „Dante-Sonate“. „Après une lecture de Dante, Fantasia quasi Sonata“ lautet der Originaltitel. „Nach einer Lektüre von Dante“ meint natürlich
die „Göttliche Komödie“, Dantes Vision der Unterwelt mit ihren unermesslichen menschlichen Abgründen und Schicksalen. Die „Dantesonate“ ist also ein weiteres Zeugnis für Liszts schwärmerisches Eintauchen in die Weltliteratur Italiens, und zwar aus der Perspektive des begeisterten, romantischen Lesers. „Es ist schon gesagt worden, dass es wenige Melodien gibt, die nur von Liszt erfunden sein können; dafür gibt es umso mehr Motive von ihm, die keinem anderen eingefallen wären. Zu ihnen gehört das Hauptthema der Dantefantasie. Man kann das in rastlosen Sechzehnteln dahinflackernde Gebilde keine Melodie nennen, aber unter Liszts Händen wird es zum Träger aller erdenklichen Empfindungen und Gefühle. Vom klagenden Ausdruck geht es zur Verzweiflung über, dann strahlt es in riesiger Vergrößerung auf, wird zum schwärmenden Gesang, zum Seufzer, zum Liebesgeflüster; es malt die Qual der Verdammten, die Ruhe der Gottergebenheit, die Mutlosigkeit; es lässt Sphärenklänge ahnen und endet doch in blendendem Glanz.“ (Peter Raabe)
Polonaise: der junge Chopin in Wien „Der Liebe Gott hat einen Fehler gemacht, dass er die Polen geschaffen hat.“ Solche und ähnliche Parolen schallten dem jungen Polen Fryderyk Chopin in den Wiener Beisln entgegen, als dort im Dezember 1830 die Nachricht vom polnischen Aufstand eintraf. Ganz Wien sympathisierte mit dem „armen“ Zaren und verdammte die „Unruhestifter“ von Warschau, was den jungen Polen zur Verzweiflung trieb. Am 29. November 1830 hatten aufgebrachte Kadetten der Warschauer Fähnrichschule das Belvedere-Palais gestürmt, in dem der Bruder des Zaren residierte. Der Zorn gegen die russischen Besatzer war aufgeflammt, nachdem bekannt wurde, dass ausgerechnet polnische Einheiten auf Befehl des Zaren gegen
die Revolutionäre in Paris und Belgien kämpfen sollten, an der Seite der alten europäischen Mächte. Die Solidarität mit den Liberalen im Westen also brachte in Polen das Fass des Unmuts zum Überlaufen. Chopin war am 23. November in Wien eingetroffen. Kaum hatte er von der Revolution in seiner Heimat erfahren, schon waren alle sorgfältig vorbereiteten Pläne zur Konzertreise durch Österreich und Deutschland vergessen: Er wollte partout zu den Aufständischen nach Warschau reisen. Sein Freund Titus Woychiechowski konnte ihn davon abhalten und kehrte alleine in die Heimat zurück. Fryderyk gab ihm eine Liedmelodie mit, die im Frühjahr 1831 mit neuem Text unter den Aufständischen kursierte: die „Mazurka des dritten Mai“. Auch ein anderes Lied von Chopin („Hulanka“) gehörte zum Repertoire der Revolutionäre. Er selbst fieberte jedem Brief aus der Heimat entgegen, während er von der großen Vergangenheit Polens träumte. Begeistert schrieb er am 21. Dezember 1830: „Wenn ich könnte, würde ich alle Töne in Bewegung setzen, die mir vom blinden, wütenden, entfesselten Gefühl eingegeben werden ... Im Salon spiele ich den Ruhigen, aber zu Hause donnere ich auf dem Klavier.“ Unwillkürlich kam er in Wien an jenen Stätten vorbei, an denen 1683 der Kampf gegen die Türken getobt hatte. Die Erinnerung an die Heldentaten des Königs Jan III. Sobieski und seiner Polen stieg in ihm auf. Er wollte jene Lieder wieder erklingen lassen, „die einst Jans Armee“ sang, „deren Echo noch irgendwo an den Ufern der Donau umherirrt“. Um seine ganze Wut und Hilflosigkeit, aber auch seine Träume vom heroischen Kampf der Polen in Töne zu fassen, griff der junge Chopin zur Form der Polonaise. Der „polnische Tanz“ mit der starken Betonung auf der Eins des Taktes und den typischen schmetternden Polonaise-Rhythmen war wie geschaffen für die Gefühle eines stolzen Patrioten. In seinen Polonaisen brachte Chopin den ungebrochenen Kampfeswillen der
Polen zum Ausdruck. Dafür fand er schon 1831 in Wien fast dieselben kämpferischen, triumphalen und brillanten Töne wie noch Jahre später in seiner As-Dur-Polonaise Opus 53.
Mazurka: der reife Chopin in Paris Die Mazurka, der „masurische Tanz“, ist bei Chopin das Gegenbild zur heroischen Polonaise: betont anspruchslos, leise und von tiefer Melancholie durchzogen, auch wenn sie sich hinter scheinbar heiteren Durklängen verbirgt. Wenn Chopin in den späten Jahren seines französischen Exils an Polen dachte, hüllte er seine ungestillte Sehnsucht in die Klänge von Mazurken und kam sich dabei selbst vor wie ein „Masovier“, ein Pole aus Masuren. In einem Brief vom Juli 1845 beschrieb er seiner Familie jene „espaces imaginaires“, jene fernen Räume, in die seine Einbildungskraft dann auszuschweifen pflegte: „Ich bin stets mit einem Bein bei Euch – und gar nicht bei mir in diesem Augenblick, sondern, wie gewöhnlich in irgendeiner seltsamen Ferne. Das sind gewiss jene ‚espaces imaginaires‘ – doch ich schäme mich dessen nicht; ist doch bei uns das Sprichwort entstanden: ‚Einer fuhr durch die Imagination zur Koronation.‘ Und ich bin doch ein echter blinder Masovier. Und weil mein Gesichtsfeld nicht weit ist, habe ich drei neue Mazurken geschrieben.“
Sieben Chopin-Stücke Bernd Glemser hat sieben Klavierstücke von Chopin zu einer Art Bogenform zusammengestellt, in deren Zentrum der resignierte Exilant der späten Mazurken steht. Als Rahmen dienen die beiden berühmten, patriotischen Polonaisen in As-Dur, op. 61 und 53. Im Mittelteil werden drei Mazurken mit zwei Etüden verschränkt, wobei die tragische, späte a-Moll-Mazurka aus Opus 59 als Mittelstück dient.
Die Polonaise-Fantaisie Opus 61 war Chopins letzte und großartigste Polonaise. Als er im Dezember 1845 daran arbeitete, nannte er sie „etwas, für das ich noch keine Bezeichnung habe“. Schon die langsame Einleitung hat nichts mit einer herkömmlichen Polonaise zu tun. Zahlreiche Episoden dieses Riesentanzes wirken eher lyrisch verhalten und sehnsuchtsvoll schwärmend als kämpferisch und triumphal. Die Polonaise nimmt hier endgültig den Charakter eines tragischen „Tongedichts“ an, das in zahlreichen Episoden vom Schicksal des polnischen Volkes erzählt. Die Mazurka a-Moll Opus 17 Nr. 4 entstand 1832, im ersten Sommer nach der Zerschlagung des polnischen Aufstandes, den Chopin einsam und mittellos in Paris verbrachte, während die Franzosen die Sommerfrische genossen. Unwillkürlich schwärmten seine Gefühle in die verlorene Heimat aus – in Form von vier neuen Mazurken. Die vierte in a-Moll fand der Chopin-Biograph Tadeusz Zielinski ´ „unermesslich traurig und versunken in geheimnisvolle, unergründliche Gedanken.“ Schon die Einleitung lässt sich harmonisch nicht bestimmen: Im Vorspiel der linken Hand schließt eine Sexte a-f ein Kreisen um die Töne h-c-d ein, aus denen gleich darauf die Sehnsuchts-Melodie der rechten Hand gebildet wird. Im A-Dur-Mittelteil werden Harmonien und Rhythmen zwar klarer und kräftiger, dennoch bleibt das ganze Stück in der Schwebe – bis hin zum tieftraurigen Nachspiel, das „wie die schmerzliche Zusammenfassung eines Dramas wirkt“ (Zielinski). ´ Die Etüde f-Moll Opus 25 Nr. 2 gehört zum zweiten Band der Chopin’schen Etüden, dem wichtigsten Werk der frühen Pariser Exilsjahre, entstanden 1834/35. Hier handelt es sich um eine Triolenetüde: Achtel-Triolen in der rechten Hand gegen Viertel-Triolen in der linken. „Wie ein zarter Windhauch gleiten die Finger über die Tastatur (Presto), stets an der Grenze von piano und pianissimo verlaufend, immer mit
einer leichten Melancholie verbunden, man könnte fast sagen: mit dem Ausdruck eines leisen und schüchternen Vorwurfs.“ (Tadeusz Zielinski) ´ Die Mazurka a-Moll Opus 59 Nr. 1 war die erste jener drei Mazurken, die Chopin im Juli 1845 in Nohant komponierte und in dem zitierten Brief erwähnte – Zeugnisse für den „blinden Masovier“, der sich in „einer seltsamen Ferne“ verliert. Sie beginnt einstimmig, mit einem resigniert fallenden Motiv. Fließende Achtel durchströmen des ganze Stück, durchlaufen chromatisch die verschiedensten Tonarten, erreichen im Mittelteil ein A-Dur, das sofort hinter chromatischen Eintrübungen verschwindet. Der Schluss verharrt in unaufgelösten Dissonanzen und wendet sich erst mit den letzten Noten nach a-Moll. Die Etüde a-Moll, op. 25 Nr. 11, gilt als Chopins zweite „Revolutionsetüde“. Anders als das berühmte Gegenstück in c-Moll, op. 10 Nr. 12, entstand sie allerdings nicht 1831 in Wien unter dem unmittelbaren Eindruck des polnischen Aufstandes, sondern erst Jahre später im französischen Exil. Dennoch deuten die Marschrhythmen und die stürmischen Klangentladungen auf eine Reminiszenz an jene Ereignisse hin, die im jungen Chopin „blinde, wütende, entfesselte Gefühle“ auslösten. Ein einstimmiges Thema im Rhythmus eines langsamen Trauermarschs eröffnet den Satz – wie ein Trauerstück auf die gefallenen Polen von 1831. Man hat es mit Chopins „Funérailles“ für die Helden seiner Nation zu tun. Der Trauermarsch bleibt in der linken Hand omnipräsent, während es von der rechten Hand in eine Sintflut von Laufkaskaden gehüllt wird. Die Mazurka As-Dur Opus 59 Nr. 2 beginnt so schlicht wie ein Volkslied, steigert sich aber bis zu orchestraler Farbenpracht. Dass dieses Stück vom „späten“ Chopin herrührt, erkennt man vor allem am schillernden Nachspiel mit seinen
eigenwillig glitzernden Halbtönen. Man kann sich kaum vorstellen, wie die verwegenen Harmonien dieses Stückes im Juli 1845 auf dem verstimmten Klavier der Georges Sand in deren Landhaus in Nohant geklungen haben mögen.
Der Interpret
Die Polonaise As-Dur Opus 53 gilt als „Apotheose nationaler Herrlichkeit“ in Chopins Schaffen, als Glorifizierung „vergangener und zukünftiger Siege“ (Zielinski). ´ Komponiert 1842, knüpft sie an jene frühe Ges-Dur-Polonaise an, mit der Chopin in Wien 1830 auf die Nachricht vom polnischen Aufstand reagierte. Auch hinter dem reifen Werk stehen kämpferische Bilder, schon in der Einleitung mit ihren drängenden chromatischen Läufen, vollends dann im Hauptteil, wo prachtvoll auftrumpfende Tanzmelodien von den Klängen einer Schlacht umtost werden. Der Schluss ist triumphal.
Bernd Glemser, Klavier
P. S. Die berühmte „Revolutionsetüde“ in c, op. 10, Nr. 12 von Frédéric Chopin, die unserem Programm den Namen gab, wurde von Bernd Glemser als Zugabe vorbereitet.
Josef Beheimb
„Glemser ist der deutsche Klaviermagier seiner Generation, ein Wunder an Virtuosität bei gleichzeitiger künstlerischer Reife“, urteilt die Badische Zeitung. Auch vom „Klavierdichter“ liest man in der Fachpresse immer wieder, die sich mit Lobeshymnen übertrifft, wenn es um den deutschen Pianisten Bernd Glemser geht, der seinen Platz an der Weltspitze nun schon über Jahrzehnte behauptet. Seine fulminante Karriere begann schon in jungen Jahren, denn noch während des Studiums gewann er alle Preise, die es in der Klavierszene zu gewinnen gab, 17 davon in Folge (u. a. Cortot, ARD, Rubinstein, Busoni, Sydney). Trotzdem ist er kein Medienstar und kein Glamourpianist geworden, denn Glemser konzentriert sich voll und ganz auf die Musik. Er ist der Sache verpflichtet, Äußerlichkeiten sind nebensächlich, aber musikalisch geht er keine Kompromisse ein. Seine atemberaubende Virtuosität ist gepaart mit höchster poetischer Sensibilität, und seine tiefgründigen Interpretationen – individuell und fernab jeglicher Routine – prägen sich ein. Bernd Glemser hat natürlich mit vielen bekannten Orchestern konzertiert, u. a. mit dem Philadelphia Orchestra, dem Gewandhausorchester, dem London Philharmonic Orchestra, dem Tonhalle-Orchester Zürich oder dem Orchester von Santa Cecilia Rom unter Dirigenten wie Herbert Blomstedt,
Riccardo Chailly, Myung-Whun Chung, Dmitrij Kitajenko, Andrés Orozco-Estrada, Wolfgang Sawallisch, Muhai Tang oder Franz Welser-Möst. Er hat in der Philharmonie Berlin und der Alten Oper Frankfurt gespielt, dem Leipziger Gewandhaus und dem Herkulessaal in München sowie der Royal Festival Hall in London und dem Musikverein in Wien. Während seiner langen Karriere sind rund 35 CDs entstanden, zuletzt eine mit Einspielungen von Mendelssohns „Liedern ohne Worte“ und den „Variations sérieuses“ bei OehmsClassics, die seine – wie er selbst sagt – vielleicht persönlichste Aufnahme ist. Darüber hinaus wirkte Bernd Glemser bei unzähligen Radio- und Fernsehproduktionen mit und, wie könnte es anders sein, spielt mit vielen befreundeten Kollegen Kammermusik. Noch während seiner eigenen Studienzeit hatte er in Saarbrücken seine erste Professur übernommen und ist seit 1996 Professor für Klavier an der Hochschule für Musik in Würzburg. Seit 2006 ist Bernd Glemser „Artist in Residence“ bei den Klosterkonzerten Maulbronn, wo er neben einer Kammermusikreihe auch jährlich einen Meisterkurs gibt.
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Zusätzlich zu seinen vielen Auszeichnungen erhielt Bernd Glemser den „Andor-Foldes-Preis“ und den „Europäischen Pianisten-Preis“. 2003 erfolgte die Verleihung des „Bundesverdienstkreuzes“ durch den damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau. Im Sommer 2012 wurde Glemser mit dem Kulturpreis Bayern geehrt.
Bernd Klemser ist seit vielen Jahren Stammgast beim Orchester recreation und wird von 12. bis 14. Juni 2017 wieder in Graz zu hören sein.
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Dienstag, 15. September 2015
Österreichs unabhängige Tageszeitung
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Flexibel im Format, unbeugsam im Inhalt der Standard: als Klassik, Kompakt oder E-Paper Liechtenstein/Wien – Kompakte Länder wie Liechtenstein können aufatmen: Kompaktheit wurde jetzt erstmals offiziell als nützlich nachgewiesen. Dies gelang einer 19-jährigen Abonnentin aus dem Wiener Alsergrund, die nach der neunwöchigen Lektüre des Standardkompakt einen deutlichen Wissensvorsprung gegenüber ihrem sozialen Umfeld aufwies, dabei aber die vorteilhaften Inhalte weiterhin unterwegs und in kürzester Zeit konsumieren konnte. Damit wird auch für die Frage, ob kompakte Lebensmittel wie straff gerollte Dosenfische oder besonders eng gepackte Walnüsse für den Menschen von Vorteil sind, mit einer positiv ausfallenden Antwort gerechnet. In der wissenschaftlichen Community hat die Gewissheit über diesen schon lange vermuteten Vorteil von Kompaktheit einen wahren Kompakt-Boom ausgelöst. Kompakte Studien zu kompakten Themen mit kompakten Ergebnissen erfreuen sich unter Forschern neuer Beliebtheit. Für den kompaktfreudigen Laien gilt, was der Volksmund schon seit Generationen predigt: In der Kürze liegt die Würze. Damit wird auch für die Frage, ob kompakte Lebensmittel wie straff gerollte Dosenfische oder besonders eng gepackte Walnüsse für den Menschen von Vorteil sind, mit einer positiv ausfallenden Antwort gerechnet. Kompaktheit wurde jetzt erstmals offiziell als nützlich nachgewiesen. · http://derStandard.at/Abo ·
Österreich – Immer mehr Menschen suchen Kontakt zu einem flexiblen Partner, der dabei auch ruhig unbeugsam ausfallen darf. Besonderer Wert wird dabei häufig auf Inhalt bei gleichzeitiger Vollständigkeit gelegt. Charakterlich gefestigte Personen mit starker eigener Meinung und Offenheit erwarten von ihrem Gegenüber Seriosität, Unabhängigkeit und sogar Unbeugsamkeit im Inhalt, wenn auch Flexibilität im Format durchaus als Plus gesehen wird. Dass bei der Wahl des Diskurspartners ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe Grundvoraussetzung ist, überrascht nicht weiter. Offenheit, Neugierde und Dialogfähigkeit gelten hier als positive Eigenschaften. Man wählt eben besonders umsichtig, wen man täglich beim Frühstück vor sich hat.
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das Handformat an sich wohl schon fast so alt ist wie die Hand selbst – oder doch so alt wie das beliebte Gesellschaftsspiel „Schere, Stein, Papier“, in dem jedes Handformat ein anderes schlägt. „Wenn eine Zeitung schon im Handformat erscheint, warum dann bitte ohne Finger?“, soll eine anonyme deutsche Politikerin zu dem Thema gesagt haben, viel eher jedoch stammt die Aussage von dem Rapper HaHaND$, dem Drechsler handfester Sprüche. Ein neuerliches
Gutachten der Argru HAND (Heutige Angehende Neue Denker) will nun einen Zusammenhang zwischen dem Lesen des Handformats in kritischen Kreisen und der Handlichkeit unbeugsamen Journalismus im Allgemeinen herstellen, was wohl insofern als gegeben zu erachten ist, als die Neuen Denker überdurchschnittlich häufig auch Abonnenten einer gewissen Qualitätszeitung – Name der Redaktion bekannt – sind. Nimm das, Max Manus!
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