Dienstag, 27. Juni, 20 Uhr Helmut List Halle
Very Klezmer
Ora Bat Chaim (*1935) Together Giora Feidman (*1936) Prayer Traditional Vranjanka Sarn Liberman To my Friend Michale Traditional Hora Moldavia Levi Jitzchak (1740–1810) A Dudele Rabbi Traditional Nobody know’s the trouble I’ve seen
Armenisches Lied Zina, Zina Traditional Hora Martisor Sholom Secunda (1894–1974) Donna, Donna Ángel Villoldo (1861–1919) El Choclo Violeta Parra (1917–1967) Gracias a la vida Traditional Happy Nigun Gioacchino Rossini (1792–1868) Arie des Figaro Astor Piazzolla (1921–1992) Libertango Traditional Nigun Atik Traditional Nigun Moshe Traditional The Skye Boat Song
Programmänderungen durch Giora Feidman möglich.
Hier endet das Konzertprogramm. Es geht weiter im styriarte.BALLROOM mit tanzbarer Klezmermusik, gespielt von Gitanes Blondes. Beziehungsweise: Es geht weiter im Gastro-Zelt mit dem jüdischen Hochzeitsmenü für jene Besucherinnen und Besucher, die dieses Menü vorbestellt haben. Mazeltov an allen Orten!
Giora Feidman, Klarinette & Bassklarinette Gitanes Blondes: Mario Korunic, Violine Konstantin Ischenko, Akkordeon Christoph Peters, Gitarre Simon Ackermann, Kontrabass
Patronanz:
Konzertdauer im Saal: ca. 70 Minuten
Hörfunk: Dienstag, 18. Juli, 19.30 Uhr, Ö1
Very Klezmer
„Together“, „Zusammen“. Gleich mit dem ersten Stück des Abends setzt Giora Feidman ein Zeichen: Nur zusammen können wir gegen Unmenschlichkeit und Ungerechtigkeit aufstehen. Für den „King of Klezmer“ war das Musizieren immer eine Botschaft. Was mit den fröhlichen Klängen der Klezmorim auf jüdischen Hochzeiten in Osteuropa begann, setzt er in seiner Musik fort. Mehr als 70 Jahre nach ihrer Auslöschung im Holocaust ist es Giora Feidman, der den Klang seiner Klarinette gegen die Unmenschlichkeit erhebt.
King of Klezmer Wenn man Giora Feidman den „King of Klezmer“ nennt, meint man damit ganz verschiedene Dinge: Einerseits steht der Klarinettist aus Argentinien nach wie vor in der Tradition der „Klezmorim“, seiner Vorfahren in Osteuropa, die bei Hochzeiten mit ihrer fröhlichen Musik aufspielten. Andererseits ist „Klezmer“ heutzutage ein Sammelbegriff für jede Art jüdischer Musik, eine Stil-Marke, die im weiten Feld der „ World Music“ klar definiert ist und sich mit ethnischer Musik aus anderen Weltgegenden vermischen kann. Feidman spielt auch Tangos von Piazzolla, Tänze vom Balkan und Spirituals in seinem unverkennbaren Stil. „Klezmer-Gruppen“ kann man an ihrer „Aufführungspraxis“ erkennen, an ihren Ornamenten, dem Klang der Klarinette und der Streichinstrumente, am Stil. In den jüdischen Restaurants von Krakau ist es dieser Stil, der die Besucher zum Abendessen mit „Klezmer live“ lockt. Damit sind die „Klezmer Bands“ von heute wieder ganz nahe bei der fröhlichen Kunst ihrer Ahnherren. Giora Feidman freilich will mehr als nur unterhalten, er will und wollte immer bewegen. Keinem anderen Nachfahren der „Klezmorim“ ist es so wie ihm gelungen, die jüdische Geschichte und den „jüdischen Klang“ zu einer Botschaft zu verschmelzen, die jeden berührt. Durch Feidman gewann „Klezmer“ noch eine dritte, tiefere Bedeutung: eine Mahnung zu sein gegen Unmenschlichkeit und Rassenhass. Seit seine Klarinette zu den erschütternden Kinobildern von „Schindlers Liste“ den berührenden Kontrast setzte, hat sie sich in die Herzen der Hörer eingegraben. Sobald der Magier der Klarinette mit unendlich leisen Tönen ein Konzert eröffnet, schleicht er sich ins Gefühl des gesamten Publikums ein. Und er nutzt diese Rührung, um auf das Leid so vieler Menschen
aufmerksam zu machen, das sich in der Musik ein Ventil verschaffte: auf die Gesänge der verschleppten Sklaven auf den Plantagen der amerikanischen Südstaaten, auf die sehnsüchtigen Tangoklänge, in denen sich argentinische Auswanderer in New York an ihre Heimat erinnerten, an das Leid der Armenier und der indigenen Bevölkerung in Lateinamerika. So ist auch sein heutiges Programm aufgebaut. Zwischen die inbrünstigen Gebete der jüdischen Gemeinden aus aller Welt, das „Nigun“ in den verschiedensten Varianten, hat er die Tänze und Gesänge der anderen gesetzt.
Die Ursprünge: Klezmorim Will man wissen, seit wann jüdische Musikanten in Europa „Klezmorim“ genannt werden, so muss man ins ehrwürdige Trinity College nach Cambridge reisen. Dort, wo Isaac Newton in der Kolonnade des Hofes die Gesetze der Schallausbreitung erkundete, findet sich der erste Text, der das hebräische Wort ‚célé-sémorim‘ nicht auf Musikinstrumente, sondern auf deren Spieler anwendet. Dies erzählte Susan Baur in ihrem Buch „Von der Khupe zum KlezKamp“: „Der Begriff ‚Klezmer‘ ist aus dem Hebräischen abgeleitet von ‚k(e)ley-zemer‘ und bedeutete ursprünglich soviel wie ‚Übermittler von Klang‘, war also zunächst eine Bezeichnung für Musikinstrumente. Aus dem 16. Jahrhundert stammt ein Text des Trinity College in Cambridge, worin das Wort ‚célé-sémorim‘ nicht mehr das Spielgerät, sondern den Spieler meint. Seit dem 17. Jahrhundert wird allgemein mit ‚Klezmer‘ ein Musiker bezeichnet, der professionell instrumentale jüdische Hochzeitsmusik spielt. Mit der Figur des Klezmer (Plural: Klezmorim) haben sich seither viele Vorstellungen verbunden. Die Klezmorim hatten in Osteuropa ihr eigenes hochentwickeltes Vokabular, das mit dem Rotwelsch der Ganoven vieles gemeinsam hatte, und auch ihr Ruf war häufig nicht
besser als der eines Diebes. Da Klezmorim damals außerdem oft fahrende Leute waren, wurde mit ihnen ein freizügiges und unkonventionelles Leben verbunden. Mark Slobin grenzte später in den USA das Verständnis von Klezmer-Musik ein auf eine säkulare, instrumentale Unterhaltungsmusik der aus Osteuropa eingewanderten, aschkenasischen Amerikaner. Im Klezmer-Revival bürgerte es sich schließlich ein, die Bezeichnung Klezmer-Musik allgemein für das musikalische Genre zu benutzen, ohne sich allerdings über die inhaltliche Definition einig zu sein.“ Giora Feidman muss man zur „Definition“ des Klezmer nicht lange befragen: Er wurde im März 1936 in Buenos Aires in eine Familie von „Klezmorim“ hineingeboren, die ihre Heimat am Schwarzen Meer wegen russischer Pogrome verlassen mussten. Drei Generationen vor ihm hatten sie noch zu Hochzeiten und Bar-Mitzwa-Feiern in Bessarabien aufgespielt, jener wunderschönen Landschaft, die seit 1812 zum russischen Kaiserreich gehörte. Anfang des 20. Jahrhunderts setzten auch dort grausame Pogrome ein, so dass Feidmans Familie nach Argentinien auswanderte. Die Freude und das Leid der „Klezmorim“ gehören beide zu seiner Familiengeschichte hinzu.
Komponistin mit 58 Ein Familienmitglied hat für Giora Feidman natürlich eine ganz besondere Bedeutung: seine Ehefrau Ora Bat Chaim. Mit ihrem Stück „Together“ beginnt er symbolträchtig den Abend. Als die beiden 1975 heirateten, war die studierte Cellistin noch die Managerin des berühmten Klarinettisten. Erst 1993, mit 58 Jahren, konnte Ora ihren Hauptberuf aufgeben, um sich ganz ihrem Komponieren zu widmen. Seitdem hat man ihre anrührenden Melodien in vielen Filmen gehört wie „Jenseits der Stille“ oder „Comedian Harmonists“. Sie hat zwei Echo-Klassik-Preise gewonnen und für ihren Mann das bio-
graphische Musiktheaterstück „Nothing but Music“ komponiert. Ihr Stück „Love“ wurde am Holocaust-Gedenktag des Jahres 2000 von Giora Feidman und den Berliner Philharmonikern im Deutschen Bundestag uraufgeführt. Heute lebt die Komponistin aus Israel wechselweise in ihrer Heimat und im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts. Ihr Stück „Together“ bildet mit Gioras „Prayer“ einen tief bewegenden, doppelten Auftakt zum Programm.
Vom Balkan Mit den Worten „Volela mejedna Vranjanka“ beginnt eines der populärsten Volkslieder Serbiens, im steten Wechsel zwischen dem Klang der Tamburica und dem wehmütigen Gesang. Giora Feidman spielt „Vranjanka“ in seinem ganz eigenen Stil, ebenso die Horas aus Rumänien und Moldawien. Die Hora ist ein Rundtanz im großen Kreis: Männer und Frauen fassen sich an den Händen, bewegen sich im Reigen, singen und tanzen zum Klang von Hackbrett und Akkordeon, Streich- und Blasinstrumenten. Eine besondere Hora tanzen die Rumänen am 1. März, dem alten römischen Neujahrstag. Zu diesem Festtag schenkt man den Frauen ein „Märzchen“, einen Anhänger an rotweißer Schnur, auf Rumänisch „Martisor“ genannt. Auf dieses Frühlingssymbol bezieht sich die „Hora Martisor“.
Aus Lateinamerika „El Choclo“ heißt einer der berühmtesten Tangos der klassischen Ära, komponiert 1903 von Ángel Villoldo Arroyo. 1861 südlich von Buenos Aires geboren, machte sich Ángel bald in der Hauptstadt Argentiniens als Sänger einen Namen. Nur begleitet von der Gitarre vermischte er Einflüsse der kubanischen Habanera, des spanischen Tanguillo und anderer Musikformen zu den ersten gesungenen Tangos. Wie dies klang,
kann man auf YouTube leicht an seiner Aufnahme von „El Choclo“ aus dem Jahre 1912 nachprüfen: eher beiläufig, mehr gesprochen als gesungen, ohne großen Ausdruck, sehr zügig. Er beschreibt darin den Aufstieg einer Bordellsängerin aus den Slums der Vorstadt in die vornehmen Cafés der Hauptstadt. Genau denselben Weg ging der Tango selbst, der in den Bordellen der Vorstädte geboren wurde und um 1900 die Cafés der Hauptstadt eroberte. Der Titel dieses „kreolischen Tangos“ bezieht sich auf den Spitznamen eines Nachtclubbesitzers, den man „Maiskolben“ nannte, auf Spanisch „choclo“. Schon 1911 gerieten die Berliner in den Sog dieses Tangos, als er von dem legendären rumänischen Kapellmeister George Vintilescu im „Palais de Danse“ aufgeführt wurde. Seitdem hat die Melodie immer wieder legendäre Interpreten ange zogen – von Louis Armstrong über Nat King Cole bis hin zu Giora Feidman. Aus Chile stammt das Lied „Gracias a la Vida“ der legendären Liedermacherin Violeta Parra. Sie spielte es 1967 auf ihrem letzten Album vor ihrem Selbstmord ein. Nach ihrem Tod wurde es zu einem „Torch Song“ Chiles und zu einem Symbol für den Kampf der Chilenen um Freiheit und Wohlstand. „Dankbar für das Leben“ – der bewegende Text dieses Liedes könnte auch über Giora Feidmans Musizieren stehen.
Jiddische Lieder und Chassidische Gebete Immer wieder streut Giora Feidman in den Abend jiddische Lieder und Gebetsgesänge der frommen Juden ein, besonders aus der osteuropäischen Tradition der Chassidim. Diese besondere Richtung jüdischer Frömmigkeit geht auf einen berühmten polnischen Rabbiner zurück: Israel ben Elieser, genannt Baal Shem Tov (1700–1760). Er wurde für seine heitere, unverkrampfte Haltung zu Gott berühmt und gilt als Gründervater der polnischen Chassidim. Zahllose Geschich-
ten werden von ihm erzählt, über heitere Belehrungen seiner Zeitgenossen, über die Notwendigkeit zur Umkehr und zum Gotteslob, zum Gesang und zum Gebet. Der Gesang der Chassidim bevorzugt bestimmte Formen, darunter auch den „Niggun“. So nennt man lange, reich ausgeschmückte Melodien, die meistens improvisiert werden und fast ohne Text auskommen, wie Vokalisen. Ob sie fröhlich oder klagend sind, entscheidet der jeweilige Anlass. Giora Feidman spielt einen „Happy Nigun“ und zwei weitere Melodien dieses Typus: den „Nigun Atik“ und den „Nigun Moshe“. Zu den Nachfolgern des Baal Shem Tov gehörte der Rabbi Levi Jitzchak aus Berditschew (1740–1810). Er fasste seine Gottesbetrachtung in die Form eines berühmten Liedes: „Dudele“, abgeleitet vom jiddischen Wort für „Du“. Auch im wortlosen Vortrag von Giora Feidman spürt man die Kraft des dreimaligen Anrufs „Riboyno shel oylom (Herr der Welt)“, die klagende Ornamentik der Strophen und das immer nachdrücklicher wiederholte „Du“. „Riboyno shel oylom, ich vil dir a dudele zingen: du du du du du“, so beginnt dieses wahrhaft ergreifende Lied. Zu den populärsten jiddischen Liedern gehört auch „Dona, dona“ von Schlojme Sekunda, der sich „Sholom Secunda“ nannte, nachdem seine Familie vor den russischen Pogromen 1907 nach New York geflohen war. Als „kleiner Kantor“ war Secunda stadtbekannt: Er sang in Synagogen und auf den Straßen Manhattans, ließ sich aber auch zum klassischen Komponisten ausbilden. Mit 38 Jahren schrieb er sein berühmtestes Lied „Bei mir bistu sheyn“ für das jiddische Musical „Men ken leben, nor men lost nisht“ („Man könnte leben, aber sie lassen uns nicht“). Für ganze 30 Dollar verkaufte er die Rechte an diesem Song an einen Verleger. Später verdienten die Andrews Sisters Millionen damit. Nicht anders erging es ihm mit „Dona, dona“. Im jiddischen Musical „Esterke“ von 1940 hieß das Lied noch „Dos Kelbl“: Es handelt vom Kälbchen,
das zur Schlachtbank geführt wird, ohne sich wehren zu können, und von der Schwalbe, die frei davonfliegen kann. Mit diesem jiddischen Text war das Lied zwar populär, aber noch kein Hit. Dazu wurde es erst durch Joan Baez in der englischen Übersetzung unter dem Titel „Donna, donna“.
Libertango Wenn Giora Feidman auf der Klarinette ganz leise die nervöse Anfangsfigur von Piazzollas „Libertango“ spielt, entsteht sofort eine unglaubliche Spannung. Die anderen Instrumente übernehmen das Motiv, während Feidman seine hohen, weiten Melodiebögen darüberlegt. Er mischt Glissandi ein und lädt den Tango mit so viel Energie auf, als wäre er ein zweiter Piazzolla. Plötzlich bleibt die Zeit stehen, und er spielt die wehmütige Melodie des Mittelteils in unwirklich schöner, hoher Lage. Schließlich kehrt das Anfangsmotiv zurück, und der Magier des Klezmerklangs presst aus dem berühmten Tango das Letzte an Ausdruck heraus. „Libertango“ wurde von Astor Piazzolla 1974 in Mailand eingespielt und diente dem gleichnamigen Album als Titelmelodie. Der Name des Stückes kombiniert das spanische Wort „libertad“, also „Freiheit“, mit dem Wort „Tango“, was auch in zahlreichen anderen Sprachen funktioniert. Für Piazzolla war dieser Titel ein Bekenntnis zur Freiheit des „Tango Nuevo“ und seine Loslösung vom klassischen Tango. Erst später wurden dem ursprünglich rein instrumentalen Stück die verschiedensten Freiheits- und Liebesgedichte unterlegt, etwa für Grace Jones („I’ve seen that face before“) oder für die irische Folksängerin Sharon Shannon. Die Regisseure Roman Polanski und Jacques Rivette wählten diesen Tango als Filmmusik für „Frantic“ bzw. „Le Pont du Nord“, Volvo benutzte ihn für eine Autowerbung, die japanische Mangaserie „Der Tennisprinz“ unterlegte damit ein Tennis-Doppel.
Von alldem hätte sich Astor Piazzolla, das Kind italienischer Einwanderer in Argentinien, nie etwas träumen lassen. Tango hatte für ihn zunächst eine ganz private Bedeutung: Als Astor vier Jahre alt war, musste er mit seinen Eltern in die USA auswandern. Dort sehnte sich sein Vater ununterbrochen nach der Heimat – nicht etwa nach Italien, sondern nach Argentinien: „Mein Vater hörte ununterbrochen Tango und dachte wehmütig an Buenos Aires, an seine Familie und Freunde. Immer nur Tango, Tango!“ Nur dem Vater zuliebe lernte der junge Astor das Bandoneon spielen, das typische argentinische Akkordeon. Als die Familie nach Argentinien zurückkehrte, war er 16 Jahre alt, begann ein klassisches Kompositionsstudium und träumte davon, ein großer Sinfoniker zu werden – so lange, bis er nach Paris kam. Dort zertrümmerte seine Lehrerin Nadia Boulanger rasch alle klassischen Musikträume und führte ihn durch bohrende Fragen auf seinen eigentlichen Weg zurück: den Tango. „Ich studierte bei ihr 18 Monate, die mir halfen wie 18 Jahre, denn sie lehrte mich, an Astor Piazzolla zu glauben, und daran, dass meine Musik nicht so schlecht war, wie ich gedacht hatte. Ich hatte geglaubt, ich sei ein Stück Dreck, weil ich in einem Cabaret Tangos spiele, doch gerade das war ja mein Stil. Es war die Befreiung vom verschämten Tangospieler zu einem selbstbewussten Komponisten.“ Was ihm Madame Boulanger ebenfalls einpflanzte, war die Liebe zur Barockmusik und zu barocken Formen, besonders zu den Präludien und Fugen Bachs. Im „Libertango“ ist dieser Einfluss unüberhörbar, hat man es doch quasi mit einem chromatischen Präludium im Stil Bachs zu tun, das in die Rhythmen des Tangos gekleidet wird. Josef Beheimb
Die Interpreten
Giora Feidman, Klarinetten 1936 als Sohn jüdischer Einwanderer in Argentinien geboren, wird Giora Feidmans Jugend durch die spezifisch jüdische Musiktradition des Klezmer geprägt. Er entstammt einer Familie von Klezmorim, deren Tradition er in der vierten Generation fortsetzt. Feidmans Eltern wanderten um 1905 wegen einsetzender Judenpogrome nach Südamerika aus. Sein Vater war sein erster Lehrer. Nach einer klassischen Musikausbildung wird Giora Feidman mit 18 Jahren in das Orchester des Teatro Colón in Buenos Aires aufgenommen. Zwei Jahre später folgt die Berufung als jüngster Klarinettist in das Israel Philharmonic Orchestra. In den fast zwei Jahrzehnten seiner Orchesterzugehörigkeit arbeitet er mit allen bedeutenden Dirigenten seiner Zeit. Giora Feidman entwickelt in dieser Zeit sein Verständnis von Musik als die „Sprache der innersten Seele“, als ein Mittel der Verständigung, das alle Grenzen überwindet. Anfang der siebziger Jahre verlässt Feidman das Israel Philharmonic Orchestra und startet mit seiner musikalischen Botschaft die weltweite Renaissance der alten Klezmer-Tradition, bereichert um die vielfältigen Stile klassischer und moderner Musik. Von New York aus, wo er als „King of Klezmer“ gefeiert wird, ebnet er der „Jewish soul“ den Weg auf die klassische Konzertbühne und schenkt seinen Zuhörern nicht
nur eine sehr persönliche Interpretation des Klezmer, sondern eine grenzenlose Hommage an das Leben. Parallel dazu bleibt Giora Feidman seinen musikalischen Anfängen treu: Auftritte mit zahlreichen namhaften Orchestern und Ensembles wie dem Kronos Quartett oder der Polnischen Kammerphilharmonie kennzeichnen seinen Weg ebenso wie CD-Produktionen mit den Berliner Symphonikern oder dem Philharmonischen Kammerorchester München. 2001 folgt er einer Einladung des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, um als Solist im Rahmen der Reihe „musica viva“ an der Uraufführung eines Werkes von Magret Wolf mitzuwirken. Eine Tournee mit dem Münchner Rundfunkorchester verbindet er im Juli 2002 mit einem Ereignis, auf das die Musikwelt lange gewartet hat: Giora Feidman spielt Mozarts Klarinettenkonzert. Neben dem Konzertpodium steht die Bühne: In Deutschland beginnt der außergewöhnliche Erfolg Feidmans 1984 mit seinem Auftritt in Peter Zadeks inzwischen legendärer „Ghetto“-Inszenierung. Feidmans Talent, seiner Klarinette fast schauspielerische Fähigkeiten zu verleihen, setzt sich 1994 in den Opern „Der Rattenfänger“ (Dortmund) und „Lilith“ (Bayreuth 1996) sowie dem Theaterstück „Meschugge vor Hoffnung“ in den Hamburger Kammerspielen fort. Internationale Filmprojekte erweitern den musikalischen Wirkungskreis. Anfang der 90er Jahre folgt Giora Feidman einer Einladung Steven Spielbergs und spielt zusammen mit Itzhak Perlman die mit einem Oscar ausgezeichnete Musik für den Film „Schindlers Liste“ ein. In dem erfolgreichen Kinofilm „Jenseits der Stille“ hat Feidman ebenso einen zentralen Gastauftritt wie in dem Film über das Leben der „Comedian Harmonists“. Und 2001 wird er in Berlin aufgrund seiner besonderen Verdienste um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden mit dem Großen Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.
Gitanes Blondes Wer bei Gitanes Blondes an französische Tabakwaren denkt, liegt völlig falsch. Die vier „blonden Zigeuner“ verzichten auf den Rauch und setzen dafür auf den Schall der Weltmusik, einem Genre, das keine Grenzen kennt, denn die schönsten Melodien sind Weltenbürger und nahezu überall zuhause. Die 1999 von dem kroatischen Violinvirtuosen Mario Korunic gegründete Band, in der sich mit dem Akkordeon-Musiker Konstantin Ischenko (St. Petersburg) ein weiterer hervorragender Solist befindet, entführt die Zuhörer sowohl in die Welten des Klezmer und des Balkan als auch in die Tiefen der irischen, russischen und südamerikanischen Folklore. Komplettiert durch Christoph Peters an der Gitarre und dem Kontrabassisten Simon Ackermann schaffen die in München ansässigen Musiker atmosphärische, beinahe schwebende Klanggebilde und beweisen dabei äußerst ideenreich und humorvoll, wie lebendig und modern Weltmusik sein kann. Und – augenzwinkernd, frisch und oftmals frei improvisiert, erstrahlen bei Gitanes Blondes ausgesuchte Meisterwerke klassischer Musik in neuem Licht. Notenständer? Notenblätter? Feste Arrangements? Fehlanzeige: Ein kurzer Blick, ein Wimpernschlag, schon fliegt das Tonmotiv von der Violine zum Akkordeon, Kontrabass und Gitarre fangen den wilden Rhythmus auf und treiben ihn voran. Mal hoffnungsvoll melancholisch, mal überschäumend temperamentvoll.
Bei einer Kreuzfahrt auf der MS Europa ergab sich 2010 ein Konzert mit dem „King of Klezmer“ Giora Feidman. Die beiderseitige Begeisterung war so groß, dass unzählige Konzerte folgten. Darüber hinaus entstanden zu den fünf eigenen CDs des Quartetts gemeinsam mit Giora Feidman „Very Klezmer“ (2012), und „Back to the Roots“ (2014). Gitanes Blondes setzten mit ihrer mitreißenden Lust an Melodie und Gefühl schon manchen Höhepunkt auf zahlreichen Festivals im In- und Ausland.
Aviso Sonntag, 2. Juli – Helmut List Halle, 19 Uhr
Strauß.SOAP Josef Strauß: Frauenherz. Polka mazur, op. 166 / Dynamiden, op. 173 Johann Strauß: Künstlerleben, op. 316 / Wein, Weib und Gesang, op. 333 / Wo die Zitronen blühn, op. 364 / Schnell-Polka Eljen a Magyar, op. 332 / Schatzwalzer, op. 418 (arrangiert von Anton von Webern) / Rosen aus dem Süden, op. 388 (arrangiert von Arnold Schönberg) u. a. Lesung aus den Briefen der Adele Strauß u. a. Maria Bader-Kubizek & Florian Hasenburger, Violine Thomas Selditz & Ursula Kortschak, Viola Rudolf Leopold & Endre Stankowsky, Violoncello Anna Magdalena Kokits, Klavier Magdalena Hasibeder, Harmonium Ursula Strauss, Lesung Ursula Strauss wird in unserer zweiten styriarte.SOAP zur Adele Strauß. Die letzte Ehefrau des Walzerkönigs war nach dessen Hinscheiden alles andere als eine „lustige Witwe“. Ihre Lästigkeit war legendär, und sie wollte von der Popularität ihres „Schani“ so lange wie möglich profitieren. Von den Umtrieben der Adele Strauß und vom Krieg zwischen dem Walzerkönig und seinen Brüdern erzählt dieser Abend, den Rudolf Leopold mit einigen der schönsten Strauß-Walzer würzt – nicht nur vom „Schani“.
musikprotokoll.ORF.at IM STEIRISCHEN HERBST, GRAZ
Aviso Samstag, 8. Juli – Helmut List Halle, 20 Uhr
Tango Nuevo Tangos von Astor Piazzolla Marcelo Nisinman: Hombre Tango Osvaldo Tarantino/Marcelo Nisinman: Ciudad Triste u. a. Marcelo Nisinman, Bandoneon Marcelo Nisinman Trio: Marcelo Nisinman, Bandoneon Alberto Mesirca, Gitarre Zoran Markovic, Bass
Am 4. Juli 1992 starb in Buenos Aires der Erfinder des „Neuen Tango“, Astor Piazzolla. 25 Jahre später lässt sein Landsmann Marcelo Nisinman in der styriarte den Nimbus des großen Piazzolla wieder aufleuchten – in eigenen A rrangements von dessen berühmtesten Tangos. Im Trio mit Gitarre und Bass entfaltet Nisinman das Charisma eines typischen Bandoneon-Virtuosen – mal introvertiert und grüblerisch, mal leidenschaftlich und hitzig. Auch seine eigenen Tangos lassen das Publikum kaum still auf den Stühlen sitzen. Zum Tanzen ist nach dem Konzert noch reichlich Zeit: Im „Ballroom“ der styriarte dürfen mutige TänzerInnen ihre Tangokunst beweisen.
WERNER BERG Mensch und Landschaft
17. Juni bis 27. August 2017 Steirisches Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur Marktstraße 1, 8522 Groß St. Florian www.feuerwehrmuseum.at
Unbekannter Fotograf, Franz Fauth sen. fotografiert, undatiert, Multimediale Sammlungen/UMJ
Universalmuseum Joanneum
Museum für Geschichte 28. 04. — 08. 10. 2017 Sackstraße 16, 8010 Graz Mi – So 10 – 17 Uhr www.museumfürgeschichte.at
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