Regierungsvorlage/Initiativantrag/Antrag eines Ausschusses Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (2. Südtirolergleichstellungsgesetz 2018) Der Nationalrat wolle beschließen: Inhaltsverzeichnis Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3
Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 Änderung des Wählerevidenzgesetzes 1973 Änderung des Europa-Wählerevidenzgesetzes Artikel 1
Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985
Das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBl. 311/1985, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017, wird wie folgt geändert: 1. § 58c Abs.1 lautet: § 58c. (1) Ein Fremder erwirbt unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde (§ 39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt, 1.
sich als Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland begeben zu haben, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte;
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dass er Südtiroler deutscher oder ladinischer Sprachzugehörigkeit ist und zum Zeitpunkt der Geburt im Gebiet der heutigen autonomen Provinz Bozen-Südtirol oder in Österreich ansässig oder österreichischer Staatsbürger war. Die Zugehörigkeit zur deutschen oder ladinischen Sprachgruppe kann durch eine aktuelle Bescheinigung über die Zugehörigkeit zur deutschen oder ladinischen Sprachgruppe (Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung), bei Minderjährigen durch eine aktuelle Bescheinigung über die Zugehörigkeit zur deutschen oder ladinischen Sprachgruppe eines Elternteils, nachgewiesen werden.
1. § 49 Abs.2 lautet: (2) Evidenzstelle ist a)
für Personen, die vor dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik geboren sind: die Geburtsgemeinde (Gemeindeverband);
b) für Personen, die ab dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik geboren sind: die Gemeinde (Gemeindeverband), in der die Mutter im Zeitpunkt der Geburt der zu verzeichnenden Person laut Eintragung im Geburtenbuch ihren Wohnort hatte, wenn dieser aber im Ausland liegt, die Geburtsgemeinde (Gemeindeverband) der zu verzeichnenden Person; c)
für Personen, die im Ausland geboren sind oder bei denen sich nach lit. a oder b keine Zuständigkeit feststellen lässt: die Gemeinde Wien.
d) Für Südtiroler, die nicht in Österreich geboren sind und bei denen sich nach lit. a oder b keine Zuständigkeit feststellen lässt: die Stadt Innsbruck.
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Artikel 2
Änderung des Wählerevidenzgesetzes 1973
Das Wählerevidenzgesetzes 1973, BGBl. 601/1973, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 120/2016, wird wie folgt geändert: 1. § 2a Abs.2 lautet: (2) Kann eine solche Zuordnung nicht vorgenommen werden, so richtet sich der Ort der Eintragung in die Wählerevidenz nach folgenden, im Antrag (Abs. 1) glaubhaft gemachten, zum Inland bestehenden Lebensbeziehungen, die in der nachstehenden Reihenfolge heranzuziehen sind: 1. Ort der Geburt 2. Hauptwohnsitz des Ehegatten 3. Hauptwohnsitz nächster Verwandter 4. Sitz des Dienstgebers 5. Eigentums- oder Bestandsrechte an Grundstücken oder Wohnungen 6. Vermögenswerte 7. sonstige Lebensbeziehungen 8. Südtiroler, die keine Anknüpfungspunkte nach Z 1 bis 7 haben, werden in die Wählerevidenz der Stadt Innsbruck eingetragen.
Artikel 3
Änderung des Europa-Wählerevidenzgesetzes Das Bundesgesetz über die Führung ständiger Evidenzen der Wahl- und Stimmberechtigten bei Wahlen zum Europäischen Parlament (Europa-Wählerevidenzgesetz – EuWEG), BGBl. Nr. 118/1996 idF BGBl. I Nr. 35/1998, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 120/2016, wird wie folgt geändert: 1. § 4 Abs.2 lautet: (2) Kann eine solche Zuordnung nicht vorgenommen werden, so richtet sich der Ort der Eintragung in die Europa-Wählerevidenz nach folgenden, im Antrag (Abs. 1) glaubhaft gemachten, zum Inland bestehenden Lebensbeziehungen, die in der nachstehenden Reihenfolge heranzuziehen sind: 1. Ort der Geburt 2. Hauptwohnsitz des Ehegatten 3. Hauptwohnsitz nächster Verwandter 4. Sitz des Dienstgebers 5. Eigentums- oder Bestandsrechte an Grundstücken oder Wohnungen 6. Vermögenswerte 7. sonstige Lebensbeziehungen 8. Südtiroler, die keine Anknüpfungspunkte nach Z 1 bis 7 haben, werden in die Wählerevidenz der Stadt Innsbruck eingetragen.
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Vorblatt Inhalt: Neufassung von § 58c StbG durch Einfügung der Möglichkeit der erleichterten Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Südtiroler. Ziele: Die vorgeschlagenen Änderungen dienen der Stärkung der ethnischen Identität und der Bindung der Südtiroler Volksgruppe an die Schutzmacht Österreich in Entsprechung des darauf gerichteten politischen Wunsches der Südtiroler. Alternativen: Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtszustands Kosten: Keine EU-Konformität: Das Gemeinschaftsrecht enthält keine auf Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit bezogene Rechtsnormen.
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Erläuterungen Allgemeiner Teil 1. Die Südtiroler Volksgruppe hat im Zuge des Staatsvertrags von Saint Germain gegen ihren Willen die österreichische Staatsbürgerschaft verloren, indem das Gebiet von Tirol südlich des Brenners von Österreich abgetrennt wurde und dem Staatsgebiet Italiens zugeschlagen wurde. Mit gegenständlichem Gesetzesentwurf wird dem politischen Wunsch der Südtiroler entsprochen, durch die zusätzliche Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (Doppelstaatsbürgerschaft) die Bindung zum Vaterland Österreich, das immer auch die Schutzmachtrolle für die Südtiroler ausgeübt hat, und die ethnische Identität der Volksgruppe zu stärken. 2. Das Pariser Abkommen (1946) verbindet die (völkerrechtlich gewährleistete) Autonomie Südtirols noch sehr klar mit dem Schutz der deutschsprachigen Volksgruppe (German speaking element) in der Provinz BozenSüdtirol. „Deutschsprachig“ wurde als Kennzeichen der Volksgruppe gewählt, weil die deutsche Sprache das Verbindungsglied zwischen dem Muttervolk in Österreich/Bundesland Tirol und der eingesessenen Bevölkerung des durch die Brennergrenze abgetrennten Landesteiles Südtirol war. Die deutschsprachige Volksgruppe Südtirols ist nämlich (zusammen mit der ladinischen Volksgruppe) auch die „autochthone“ Volksgruppe in der Provinz Bozen-Südtirol, verknüpft mit dem im Pariser Abkommen definierten territorialen Geltungsbereich durch die Generationen-übergreifende Ansässigkeit in ihrer Heimat. Auch die österreichische Bundesverfassung definiert jetzt in der Staatszielbestimmung des Artikels 8 Absatz 2 B-VG den Volksgruppenschutz durch das Merkmal „autochthone Volksgruppe“, das schon im Staatsrecht der Monarchie das Kennzeichen des verfassungsrechtlich geschützten „Volksstammes“ (Art 19 STGG) war (Marko, Rz. 27 - 30 zu Art 8 Abs. 2 BVG in: Korinek u.a., Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar). Die geplante Neuregelung knüpft an diese beiden Elemente der autochthonen Volksgruppe an: An die deutsche Sprache als das ethnische Kriterium der Zugehörigkeit zum österreichischen/Tiroler Volk und an das Merkmal der „Alteingesessenheit“ durch das Kriterium der Ansässigkeit zum Zeitpunkt der Geburt in Südtirol. 3. Die Schutzmachtfunktion Österreichs beruht auf zwei Pfeilern: Der völkerrechtlichen Verankerung, die im folgenden Punkt näher erläutert wird, und der ethnischen Verbundenheit zwischen der Südtiroler Volksgruppe und ihrem „Muttervolk“, dem Staatsvolk Österreichs und dem Landesvolk Tirols. Das geschichtlich begründete Bindeglied dieser volksmäßigen Verbundenheit ist die deutsche Sprache, die einerseits die Staatssprache und Volkssprache des Nationalstaates Republik Österreich und die Landessprache Tirols ist (Art. 8 Abs. 1 B-VG; Art 4 LV Tirol) und anderseits das rechtlich maßgebliche Kriterium der Südtiroler Volksgruppe ist. Nach der österreichischen Verfassung sind das Bundesvolk und das Landesvolk Tirols jeweils durch die „Summe der Bundesbürger“ und die „Summe der Landesbürger“ definiert, wobei Bundesbürger alle Staatsbürger und Landesbürger jene Staatsbürger sind, die im Land ihren Hauptwohnsitz haben (Art 6 Abs. 1 B-VG). Damit ist das „Muttervolk“ der Südtiroler Volksgruppe nicht nur durch die deutsche Sprache charakterisiert, sondern in gleicher Weise durch die Staatsbürgerschaft der (deutschsprachigen) Republik Österreich. Daher ist die Möglichkeit der erleichterten Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft – neben der unbedingt notwendigen Beibehaltung der italienischen Staatsbürgerschaft – ein besonders starkes ethnisches Bindeglied zwischen der Südtiroler Volksgruppe und ihrem deutschsprachigen „Muttervolk“ Österreichs/Tirols. Die Notwendigkeit eines solchen neuen und starken rechtlichen Bindegliedes auf Grund der ethnischen Zusammengehörigkeit wird in den folgenden Punkten näher begründet. 4. Die Schutzmachtfunktion Österreichs ist völkerrechtlich zunächst im Pariser Abkommen (1946) begründet (Miehsler, Das Gruber-Degasperi-Abkommen und seine Auslegung, in: Huter (Hrsg), Südtirol 1965, 385ff). In der Folge wurde die Schutzmachtfunktion durch den bilateralen Verhandlungsprozess Österreich-Italien über die „Paketlösung“ und über die Reform des neuen Autonomiestatutes (1972) durch 30 Jahre bis zur Streitbeilegungserklärung (1992) und den darauf bezüglichen Notenwechsel zwischen Österreich und Italien auf die völkerrechtliche Verankerung des „Paketes“ der neuen Südtirolautonomie erweitert (Hilpold, Die völkerrechtliche Absicherung der Südtirolautonomie, in: Marko et al. (Hrsg), Die Verfassung der Südtiroler Autonomie 2003, 38ff; derselbe/Perathoner, Die Schutzfunktion des Mutterstaates im Minderheitenrecht 2006, 93; Obwexer, Die Schutzfunktion Österreichs, in: Gamper/Pan (Hrsg), Volksgruppen und regionale Selbstverwaltung in Europa 2008, 76ff). Die Schutzmachtfunktion Österreichs bezieht sich jedenfalls auf die deutschsprachige Volksgruppe in Südtirol als Teil des durch die Brennergrenze geteilten Landesvolkes von Tirol (Präambel zu Tiroler Landesordnung
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1989). Daher erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich der geplanten Regelung ausschließlich auf „Südtiroler deutscher oder ladinischer Sprachzugehörigkeit“. Anderseits ist die Schutzmachtfunktion auch durch den territorialen Geltungsbereich der Provinz Bozen-Südtirol rechtlich festgelegt (zum personellen und territorialen Geltungsbereich des Pariser Abkommens als Anknüpfungspunkt für die Südtirol–Autonomie und die Schutzfunktion Österreichs vgl. Pernthaler, Die Identität Tirols in Europa 2007, 76 ff). Auf das Siedlungsgebiet der deutschsprachigen und ladinischen Volksgruppe als völkerrechtlich garantiertes Territorium der Schutzbestimmungen für die Volksgruppen (so ausdrücklich: Riz/Happacher, Grundzüge des italienischen Verfassungsrechts unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Aspekte der Südtiroler Autonomie 3. Aufl. 2008, 381) bezieht sich das Erfordernis der „Ansässigkeit zum Zeitpunkt der Geburt im Gebiet der heutigen autonomen Provinz Bozen-Südtirol“ in der geplanten Regelung. 5. Die erleichterte Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft neben der italienischen ist für die Südtiroler Volksgruppe deshalb ein so wichtiges neues Element des Volksgruppenschutzes, weil sich die Autonomie Südtirols seit dem neuen Autonomiestatut (1972) und der Streitbeilegungserklärung (1992) rechtlich und politisch immer mehr vom Schutz der deutschen Sprache als dem eigentlichen Schutzziel der Autonomie entfernt. Grund dafür ist vor allem die außerordentlich komplexe rechtliche Verankerung der Autonomie in der italienische Rechtsordnung und ihre subtile verfassungsrechtliche Absicherung in der Verfassung, in der Verfassungsrechtsprechung und in ungeschriebenen Verfassungsprinzipien Italiens. Dadurch wurde ein rechtliches und politisches System begründet, das vor allem intensive Verflechtungen und Kooperationszwänge in Italien für die politischen Repräsentanten der Volksgruppe mit sich bringt und deren Beziehungen zu Tirol und Österreich in den Hintergrund drängt. Dazu kommt, dass die neue Autonomie sehr stark auf die Kooperation mit den Sprachgruppen ausgerichtet ist (vgl. dazu eingehend: Pernthaler, Identität, Kapitel „Volk und Sprachgruppen in Südtirol“, 114 ff.). Daraus hat sich ein sehr komplexes politisches und rechtliches System und eine politisch/gesellschaftliche Identität des Landes Südtirol entwickelt, die sich von der des Bundeslandes Tirol völlig unterscheiden. Als Ausgleich für die starken Bindungen und Kooperationszwänge mit dem italienischen Staat und der italienischen Sprachgruppe, die das neue Autonomiesystem für die deutschsprachige Volksgruppe mit sich bringt, soll die geplante doppelte Staatsbürgerschaft zusätzlich zum Schutz durch die im italienischen Staatsrecht verankerte Autonomie eine neue Verbindung mit dem „Muttervolk“ als Stärkung der deutschsprachigen Identität der Volksgruppe bewirken.
6. Erst durch die geplante doppelte Staatsbürgerschaft der deutschsprachigen Südtiroler wird eine wirksame Grundlage für einen effizienten Schutz dieser Volksgruppe in der Doppelfunktion des heutigen politischen und rechtlichen Autonomiesystems geschaffen: Die italienische Staatsbürgerschaft ist die unabdingbare Basis für die notwendige Kooperation und Koordination der Volksgruppe mit dem italienischen Staat und der italienischen Sprachgruppe im System der komplizierten Regeln und Verfahren der ethnischen Konkordanzdemokratie in Südtirol (Pernthaler, Identität 114 ff.). Die österreichische Staatsbürgerschaft ist notwendig zu Stärkung der deutschen Sprachgruppe in ihrer Identität als ethnisch selbständiges Subjekt und eigentliches Schutzziel der komplexen Autonomie Südtirols. Daher ist die Schaffung dieser doppelten Basis des Volksgruppenschutzes auch die Grundlage dafür, dass die notwendige Dynamik der Autonomie zu Stärkung der deutschen Identität der Südtiroler Volksgruppe und nicht zu ihrer Assimilation nach dem Muster der „Verelsässerung“ beiträgt.
7. Mit diesem Gesetz erhalten jene Südtiroler, die die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen, zusätzlich zur italienischen Staatsbürgerschaft den Status von Auslandsösterreichern. Damit verbunden ist das Wahl- und Stimmrecht, das sich nach den allgemeinen Regelungen insbesondere nach dem Wählerevidenzgesetzes 1973, BGBl. Nr. 601/1973, dem Bundesgesetz über die Führung ständiger Evidenzen der Wahl- und Stimmberechtigten bei Wahlen zum Europäischen Parlament (Europa-Wählerevidenzgesetz - EuWEG), BGBl. Nr. 118/1996, dem Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992 - NRWO), BGBl. Nr. 471/1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971 und das Volksabstimmungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 79/1973, richtet. Voraussetzung für die Ausübung des Wahl- und Stimmrechts ist ein Antrag des österreichischen Staatsbürgers in Südtirol auf Eintrag in die Wählerevidenz. Ein Wahlrecht zum Landtag besteht gemäß Art 95 Abs.1 B-VG in jenen Bundesländern, die in den jeweiligen Landtagswahlordnungen das Wahlrecht für österreichische Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Ausland verankert haben. Dies ist derzeit in Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg vorgesehen. Gem. Art. 17 der Tiroler Landesverfassung ist das Wahlrecht zum Tiroler Landtag aber nur für österreichische Staatsbürger für längstens zehn Jahre zulässig, die vor Verlegung ihres Hauptwohnsitzes in das Ausland einen Hauptwohnsitz im Land hatten. Diesen Ausschluss der Südtiroler mit österreichischer Staatsbürgerschaft vom Wahlrecht zum Landtag
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müsste landesgesetzlich beseitigt werden.
8. Im Hinblick auf die besondere Situation der Südtiroler muss gewährleistet sein, dass der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht von der Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft abhängig ist, wie dies etwa bei der Verleihung (vgl. etwa § 10 Abs. 3 StbG) der Fall ist. Schon bisher ist das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nicht die Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige gemäß §§ 58c und 59 Abs. 1 StbG. Es erscheint auch vor diesem Hintergrund sachgerecht, den Erwerb der Staatsbürgerschaft für Südtiroler durch Anzeige vorzusehen. Die Entziehungsgründe im StbG, insbesondere §§ 32, 33 gelten auch für Südtiroler, die die Staatsbürgerschaft erworben haben. Schon bisher führte der Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates nur dann zur Entziehung der Staatsbürgerschaft, wenn der Eintritt freiwillig erfolgte. Militärpflicht etwa aufgrund einer allgemeinen Wehrpflicht erfüllt den Tatbestand nicht, wobei infolge der Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht in Italien dafür derzeit praktische Relevanz nicht besteht. § 33 wird im Hinblick auf Beamte in Südtirol so zu interpretieren sein, dass die pflichtgemäße Erfüllung des Dienstes nicht als schädigendes Verhalten zu werten ist. 9. Für die Regelung der Materie wird der im Gesetzgebungsbereich des Bundes gelegene Kompetenztatbestand „Staatsbürgerschaft“ (Art 11 Abs. 1 Z 1) in Anspruch genommen.
Besonderer Teil Zu Art. 1 (Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985) Zu Z 2 (§ 58c Abs. 1 StbG): Die Bestimmung sieht einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft für Südtiroler durch Anzeige an die Behörde vor. Die zuständige Behörde gemäß § 39 iVm § 49 StbG wäre in aller Regel die Gemeinde Wien. Durch die Ergänzung von § 49 Abs. 2 lit. d StbG wird die Zuständigkeit zentral bei der Stadt Innsbruck als Evidenzstelle und der Tiroler Landesregierung als zuständige Behörde gebündelt, was aufgrund der Nähe zu Südtirol und der zu erwartenden Menge der Anträge zweckmäßig erscheint. Die Voraussetzungen sind durch geeignete Dokumente, insbesondere etwa durch Vorlage einer Bescheinigung über die Zugehörigkeit oder Zuordnung zu einer der Sprachgruppen und eine historische Wohnsitzbescheinigung nachzuweisen. Die Anzeige ist nicht persönlich bei der Behörde zu stellen, weil § 19 Abs. 1 StbG nur auf Verfahren auf Verleihung oder Verlängerung der Verleihung der Staatsbürgerschaft anzuwenden ist. Zu Art. 2 (Änderung des Wählerevidenzgesetzes 1973) Zu Z 8 (§ 2a Abs. 2): Bei Südtirolern besteht naturgemäß eine enge Beziehung zum Bundesland Tirol (ethnische und sprachliche Gemeinsamkeit, Verwandtschaftsbeziehungen, Optanten, Landesuniversität Innsbruck, Europaregion Tirol, …), wobei aber überwiegend eine Lebensbeziehung zu einer bestimmten Gemeinde nach den bestehenden Anknüpfungspunkten nicht bestehen wird. Durch die ergänzte Bestimmung wird dem Rechnung getragen und subsidiär die Landeshauptstadt Innsbruck für zuständig erklärt. Zu Art. 3 (Änderung des Europa-Wählerevidenzgesetzes) Zu Z 8 (§ 4 Abs. 2): Die Südtiroler können gemäß § 4 Abs. 7 EuWEG erklären, bei Wahlen zum Europäischen Parlament die Mitglieder im Sinne des Art. 23a B-VG wählen zu wollen. Dadurch wird den Südtirolern die Möglichkeit eröffnet, an den Wahlen zum Europäischen Parlament sowohl aktiv als auch passiv in Österreich mitzuwirken. Da bei Wahlen zum Europäischen Parlament die Mitgliedsstaaten einheitliche Wahlkörper bilden, ist es den Südtirolern nur erschwert möglich, bei Wahlen in Italien eigene Volksvertreter in das Europäische Parlament zu entsenden. Die Möglichkeit, in Österreich auch Südtiroler als Kandidaten aufzustellen, stärkt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die Europaregion Tirol und die Einheit des Landes Tirol.
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Textgegenüberstellung Geltende Fassung:
Vorgeschlagene Fassung: Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG
§ 58c. (1) Ein Fremder erwirbt unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde (§ 39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt, sich als Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland begeben zu haben, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte.
§ 49. (1) Die Gemeinden (Gemeindeverbände) haben nach Maßgabe dieses Abschnittes ein ständiges Verzeichnis der Staatsbürger (Staatsbürgerschaftsevidenz) zu führen. (2) Evidenzstelle ist a)
für Personen, die vor dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik geboren sind: die Geburtsgemeinde (Gemeindeverband);
§ 58c. (1) Ein Fremder erwirbt unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde (§ 39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt, 1.
sich als Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland begeben zu haben, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte;
2.
dass er Südtiroler deutscher oder ladinischer Sprachzugehörigkeit ist und zum Zeitpunkt der Geburt im Gebiet der heutigen autonomen Provinz Bozen-Südtirol oder in Österreich ansässig oder österreichischer Staatsbürger war. Die Zugehörigkeit zur deutschen oder ladinischen Sprachgruppe kann durch eine aktuelle Bescheinigung über die Zugehörigkeit zur deutschen oder ladinischen Sprachgruppe (Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung), bei Minderjährigen durch eine aktuelle Bescheinigung über die Zugehörigkeit zur deutschen oder ladinischen Sprachgruppe eines Elternteils, nachgewiesen werden.
§ 49. (1) Die Gemeinden (Gemeindeverbände) haben nach Maßgabe dieses Abschnittes ein ständiges Verzeichnis der Staatsbürger (Staatsbürgerschaftsevidenz) zu führen. (2) Evidenzstelle ist a)
für Personen, die vor dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik geboren sind: die Geburtsgemeinde (Gemeindeverband);
b) für Personen, die ab dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik geboren sind:
b) für Personen, die ab dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik geboren sind:
die Gemeinde (Gemeindeverband), in der die Mutter im Zeitpunkt der Geburt der zu verzeichnenden Person laut Eintragung im Geburtenbuch ihren Wohnort hatte, wenn dieser aber im Ausland liegt, die
die Gemeinde (Gemeindeverband), in der die Mutter im Zeitpunkt der Geburt der zu verzeichnenden Person laut Eintragung im Geburtenbuch ihren Wohnort hatte, wenn dieser aber im Ausland liegt, die
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Geburtsgemeinde (Gemeindeverband) der zu verzeichnenden Person; c)
für Personen, die im Ausland geboren sind oder bei denen sich nach lit. a oder b keine Zuständigkeit feststellen lässt:
Geburtsgemeinde (Gemeindeverband) der zu verzeichnenden Person; c)
die Gemeinde Wien.
für Personen, die im Ausland geboren sind oder bei denen sich nach lit. a oder b keine Zuständigkeit feststellen lässt: die Gemeinde Wien.
d) Für Südtiroler, die nicht in Österreich geboren sind und bei denen sich nach lit. a oder b keine Zuständigkeit feststellen lässt: die Stadt Innsbruck. Wählerevidenzgesetz 1973 § 2a. (1) Österreicher mit Hauptwohnsitz im Ausland, die das 15. Lebensjahr im Jahr der Eintragung vollenden oder vor dem 1. Jänner des Jahres der Eintragung vollendet haben und vom Wahlrecht zum Nationalrat nicht ausgeschlossen sind, werden auf Antrag für die Dauer ihres Auslandsaufenthaltes in die Wählerevidenz der Gemeinde eingetragen, in der sie in die Europa-Wählerevidenz gemäß dem EuropaWählerevidenzgesetz – EuWEG, BGBl. Nr. 118/1996, eingetragen sind, sofern eine solche Eintragung nicht existiert, in die Wählerevidenz der Gemeinde, in der sie den letzten Hauptwohnsitz im Inland hatten; sonst in die Wählerevidenz der Gemeinde, in der zumindest ein Elternteil seinen Hauptwohnsitz im Inland hat oder zuletzt hatte. Dem Antrag sind die zur Begründung notwendigen Belege anzuschließen.
§ 2a. (1) Österreicher mit Hauptwohnsitz im Ausland, die das 15. Lebensjahr im Jahr der Eintragung vollenden oder vor dem 1. Jänner des Jahres der Eintragung vollendet haben und vom Wahlrecht zum Nationalrat nicht ausgeschlossen sind, werden auf Antrag für die Dauer ihres Auslandsaufenthaltes in die Wählerevidenz der Gemeinde eingetragen, in der sie in die Europa-Wählerevidenz gemäß dem EuropaWählerevidenzgesetz – EuWEG, BGBl. Nr. 118/1996, eingetragen sind, sofern eine solche Eintragung nicht existiert, in die Wählerevidenz der Gemeinde, in der sie den letzten Hauptwohnsitz im Inland hatten; sonst in die Wählerevidenz der Gemeinde, in der zumindest ein Elternteil seinen Hauptwohnsitz im Inland hat oder zuletzt hatte. Dem Antrag sind die zur Begründung notwendigen Belege anzuschließen.
(2) Kann eine solche Zuordnung nicht vorgenommen werden, so richtet sich der Ort der Eintragung in die Wählerevidenz nach folgenden, im Antrag (Abs. 1) glaubhaft gemachten, zum Inland bestehenden Lebensbeziehungen, die in der nachstehenden Reihenfolge heranzuziehen sind: 1. Ort der Geburt 2. Hauptwohnsitz des Ehegatten 3. Hauptwohnsitz nächster Verwandter 4. Sitz des Dienstgebers 5. Eigentums- oder Bestandsrechte an Grundstücken oder Wohnungen 6. Vermögenswerte 7. sonstige Lebensbeziehungen.
(2) Kann eine solche Zuordnung nicht vorgenommen werden, so richtet sich der Ort der Eintragung in die Wählerevidenz nach folgenden, im Antrag (Abs. 1) glaubhaft gemachten, zum Inland bestehenden Lebensbeziehungen, die in der nachstehenden Reihenfolge heranzuziehen sind: 1. Ort der Geburt 2. Hauptwohnsitz des Ehegatten 3. Hauptwohnsitz nächster Verwandter 4. Sitz des Dienstgebers 5. Eigentums- oder Bestandsrechte an Grundstücken oder Wohnungen 6. Vermögenswerte 7. sonstige Lebensbeziehungen 8. Südtiroler, die keine Anknüpfungspunkte nach Z 1 bis 7 haben, werden in die Wählerevidenz der Stadt Innsbruck eingetragen.
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Europa-Wählerevidenzgesetz § 4. (1) Österreicher mit Hauptwohnsitz im Ausland, die das 15. Lebensjahr im Jahr der Eintragung vollenden oder vor dem 1. Jänner des Jahres der Eintragung vollendet haben und vom Wahlrecht nicht gemäß § 3 ausgeschlossen sind, werden auf Antrag für die Dauer ihres Auslandsaufenthaltes in die Europa-Wählerevidenz der Gemeinde eingetragen, in der sie in die Wählerevidenz gemäß dem Wählerevidenzgesetz 1973, BGBl. Nr. 601, eingetragen sind, sofern eine solche Eintragung nicht existiert, in die Europa-Wählerevidenz der Gemeinde, in der sie den letzten Hauptwohnsitz im Inland hatten; sonst in die Europa-Wählerevidenz der Gemeinde, in der zumindest ein Elternteil seinen Hauptwohnsitz im Inland hat oder zuletzt hatte. Dem Antrag sind die zur Begründung notwendigen Belege anzuschließen.
§ 4. (1) Österreicher mit Hauptwohnsitz im Ausland, die das 15. Lebensjahr im Jahr der Eintragung vollenden oder vor dem 1. Jänner des Jahres der Eintragung vollendet haben und vom Wahlrecht nicht gemäß § 3 ausgeschlossen sind, werden auf Antrag für die Dauer ihres Auslandsaufenthaltes in die Europa-Wählerevidenz der Gemeinde eingetragen, in der sie in die Wählerevidenz gemäß dem Wählerevidenzgesetz 1973, BGBl. Nr. 601, eingetragen sind, sofern eine solche Eintragung nicht existiert, in die Europa-Wählerevidenz der Gemeinde, in der sie den letzten Hauptwohnsitz im Inland hatten; sonst in die Europa-Wählerevidenz der Gemeinde, in der zumindest ein Elternteil seinen Hauptwohnsitz im Inland hat oder zuletzt hatte. Dem Antrag sind die zur Begründung notwendigen Belege anzuschließen.
(2) Kann eine solche Zuordnung nicht vorgenommen werden, so richtet sich der Ort der Eintragung in die Europa-Wählerevidenz nach folgenden, im Antrag (Abs. 1) glaubhaft gemachten, zum Inland bestehenden Lebensbeziehungen, die in der nachstehenden Reihenfolge heranzuziehen sind: 1. Ort der Geburt 2. Hauptwohnsitz des Ehegatten 3. Hauptwohnsitz nächster Verwandter 4. Sitz des Dienstgebers 5. Eigentums- oder Bestandsrechte an Grundstücken oder Wohnungen 6. Vermögenswerte 7. sonstige Lebensbeziehungen
(2) Kann eine solche Zuordnung nicht vorgenommen werden, so richtet sich der Ort der Eintragung in die Europa-Wählerevidenz nach folgenden, im Antrag (Abs. 1) glaubhaft gemachten, zum Inland bestehenden Lebensbeziehungen, die in der nachstehenden Reihenfolge heranzuziehen sind: 1. Ort der Geburt 2. Hauptwohnsitz des Ehegatten 3. Hauptwohnsitz nächster Verwandter 4. Sitz des Dienstgebers 5. Eigentums- oder Bestandsrechte an Grundstücken oder Wohnungen 6. Vermögenswerte 7. sonstige Lebensbeziehungen 8. Südtiroler, die keine Anknüpfungspunkte nach Z 1 bis 7 haben, werden in die Wählerevidenz der Stadt Innsbruck eingetragen.
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