Begleitbuch Bahnerlebnisweg Albula

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Begleitbuch

Bahnerlebnisweg Albula Preda – Bergün – Filisur

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A

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B

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Bahnwandern in drei Etappen im UNESCO Welterbe «Rhätische Bahn in der Landschaft Albula / Bernina»

Etappe 3

Hamburg

Etappe 2

A

Berlin

lb

London

D

Filisur

Amsterdam

London

N

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Bergün

ta l

Bruxelles

Köln

Etappe 1 Preda Frankfurt

Mannheim

Bahnerlebnisweg Albula    Via Albula / Bernina    UNESCO Welterbe «Rhätische Bahn in der Landschaft Albula / Bernina» Paris

Frankfurt

Stuttgart

Berlin

Deutschland München

UNESCO Welterbe «Rhätische Bahn  in der Landschaft Albula / Bernina» Basel Zürich

France

in Schweiz d a ng

Genève

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Bern

Austria

Landquart

Chur

Davos Scuol

Thusis

Filisur Bergün

Müstair Meran

Samedan

St.Moritz Poschiavo

Bozen

Tirano

Bellinzona

Zermatt Lyon

Lugano

Berninagrupp

Italia

Venezia

Milano

Torino

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Marseille

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Genova

Roma

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Marseille

Firenze


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engadin r e t Un

E

N Reto Westermann und Üsé Meyer

Bahnwandern in drei Etappen Der Bahnerlebnisweg Albula von Preda über Bergün nach Filisur lässt sich am besten in drei Etappen erkunden. Der Bahnerlebnisweg zwischen Preda und Filisur ist in drei Etappen unterteilt. Etappe 1 führt von Preda mitten durchs Kehrenkarussell der Bahnstrecke hindurch nach Bergün, Etappe 2 weiter von Bergün nach Filisur und Etappe 3 schliesslich vom Bahnhof Filisur auf einem kurzen Abstecher zum berühmten Landwasserviadukt. Entlang der drei Abschnitte ­verteilt finden sich 26 Stationen mit Informationen zum Bau und Betrieb der Bahnlinie sowie zum Albulatal, zu seinen Gemeinden und seiner Kultur.

Wien

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2

Bahnerlebnisweg Albula


Allgemeine Informationen

Zeitbedarf Die bei den einzelnen Etappen angegebenen Zeiten sind reine Gehzeiten. Nimmt man sich unterwegs Zeit, um die Infostelen zu lesen, ist der Zeitbedarf mindestens doppelt so gross. Schwierigkeitsgrad Die drei Etappen gehören gemäss der Kategorisierung des Schweizer ­Alpen-Clubs alle zur Schwierigkeitsstufe T2 (Bergwandern). Bei den Bergwanderwegen der Stufe T2 sind Wandererfahrung sowie Trittsicherheit von Vorteil. Ausrüstung Teile des Bahnerlebniswegs führen über Bergwanderwege. Gute Trekkingoder Bergschuhe sind deshalb dringend empfohlen. Ebenfalls gehört ein Regenschutz in den Rucksack, da das Wetter in den Bergen schnell wechseln kann.

  Der Bahnerlebnisweg

bietet eine einmalige Symbiose aus Technik und wildromantischer Natur.

Allgemeine Informationen

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station

Hauptroute

Etappe 1: Preda – Bergün

signalisiert

Start

Hauptroute signalisiert

Preda (1789 m ü. M.)

Ziel

Bergün / Bravuogn (1373 m ü. M.)

Wanderzeit (Richtzeit)

2¼ bis 2¾ h

Aufstieg / Abstieg

ca. 60 / 480 Höhenmeter

Distanz

7,0 km

Charakteristik

(T2) Mittelschwere Bergwanderung auf gut ausgebauten,  aber teilweise schmalen Wegen. Kurzer, steiler Aufstieg im  Bereich des Rugnux Kehrtunnels.

Etappe 2: Bergün – Filisur Start

Bergün / Bravuogn (1373 m ü. M.)

Ziel

Filisur (1080 m ü. M.)

Wanderzeit (Richtzeit)

3¼ bis 3¾ h

Aufstieg / Abstieg

ca. 250 / 540 Höhenmeter

Distanz

9,0 km

Charakteristik

(T2) Mittelschwere Bergwanderung auf grösstenteils gut  ausgebauten, teilweise schmalen Wegen. Steiler Abstieg  von der Station Stuls zur Kantonsstrasse hinunter. Abschnitt Bellaluna – Filisur leichte (T2) Wanderung.

Rundwanderweg Etappe 3: Filisur – Landwasserviadukt – Filisur signalisiert

4

Start

Filisur (1080 m ü. M.)

Ziel

Filisur (1080 m ü. M.)

Wanderzeit

1 ½ h

Aufstieg / Abstieg

ca. 200 / 200 Höhenmeter

Distanz

5,0 km

Charakteristik

Einfache (T2) Wanderung auf gut ausgebauten Wegen.

Bahnerlebnisweg Albula


m ü.M.

N

Bergün/Bravuogn 1373

Preda 1789 Kunstbauten 1800 1700 1600 1500 1400 1300

2h15

0h20 1200 2h15

2h30 1000 m ü.M.

N

7

2

Stuls/Stugl Station 1277

Filisur 1080

0 km

S

Bergün/Bravuogn 1373

Bellaluna 1086

1400 1300

Ruine Greifenstein

1200 1100 1000 3h05

2h00 1h05

N

Alvaneu Bad/Bogn 945

1h55

9

Landwasserviadukt

0 km

Stuls/Stugl Station 1277

Filisur 1080

800 m ü.M.

3h30

5

Filisur 1080

900

1h20

S

Bergün/Bravuogn 1373

Bellaluna 1086

1400

1200

1300

Ruine Greifenstein

1100 1200 1000 1100 900 1000 800

3h05

1h30 2h25

N

9 5

0h40

2h00

0h45

700 1h05 1h55 600 m ü.M. 0 km

S

5

Preda 1789

900

1h20

800 m ü.M.

3h30

0 km

Lai Palpu 19

S

Allgemeine Informationen

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  Das Café beim Bahnhof

Filisur lädt zu einer Rast direkt an den Gleisen ein.­

Verpflegung Nur auf der Etappe von Bergün nach Filisur besteht die Möglichkeit, unter­wegs einzukehren (Restaurant Bellaluna). Auf den anderen Etappen empfiehlt es sich, Getränke und Esswaren mitzunehmen. Entlang der Routen finden sich verschiedene Rastplätze und Feuerstellen (siehe Karte). Signalisation Alle drei Etappen sind durchgehend mit gelben Wanderwegweisern sowie dem Logo des Bahnerlebniswegs markiert. Öffentlicher Verkehr Die Anfangs- und Endpunkte der Routen in Preda, Bergün und Filisur sind mit dem öffentlichen Verkehr (Rhätische Bahn) erschlossen. Unterwegs besteht keine Möglichkeit, die Wanderung abzubrechen und mit dem Zug oder Bus weiterzufahren.

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Bahnerlebnisweg Albula


Wandern mit Kindern Alle Etappen des Bahnerlebniswegs Albula können mit Kindern begangen werden. Die beiden längeren Routen (1 und 2) eignen sich aber nur für Kinder, für die Gehzeiten von bis zu drei Stunden (Erwachsenentempo)­ kein Problem sind. Kinderwagentauglich sind nur die Abschnitte von ­Filisur zum Restaurant Bellaluna sowie zum Aussichtspunkt oberhalb des Landwasserviadukts (Station 25). An jeder der 26 Stationen finden Kinder und Familien ein speziell auf sie zugeschnittenes Thema mit einem kurzen Text, einem Bild und einer Zeichnung der zwei Lausbuben Türli und Flidari.

Übrigens: Weitere Abenteuer von Türli und Flidari gibt es im Bilderbuch «Türli und Flidari auf dem Bahnerlebnisweg im Albulatal» zu entdecken (siehe Literaturverzeichnis auf Seite 133). Notfallnummern Sanität 144 Rega (Helikopter) 1414 Polizei 117 Feuerwehr 118 Allgemeiner Notruf 112

Allgemeine Informationen

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Bahnerlebnisweg Albula


Die Geschichte der Albulalinie

50 Jahre Diskussion, 5 Jahre Bauzeit Was die Abgesandten der Regierungen von Deutschland, Italien und der Schweiz am 15. September 1869 in Bern beschlossen, sorgte im Kanton Graubünden für Bestürzung: Die drei Länder einigten sich darauf, eine Bahnlinie über den Gotthard zu bauen. In den folgenden drei Jahren wurde­ das Papier von den drei Staaten endgültig ratifiziert, bereits im September 1882 rollte nach Abschluss der Bauarbeiten der erste Zug durch den Gotthardtunnel nach Airolo. Mit dem Entscheid für den Gotthard war das Thema einer Ostalpenbahn, das von Graubünden über Jahrzehnte favorisiert worden war, endgültig vom Tisch. Doch nicht nur das: Mit der Eröffnung der Gotthardbahn sowie der Brenner- und der Arlberglinie in Österreich verlagerte sich ein grosser Teil des alpenquerenden Güterverkehrs auf die neuen, schnellen Achsen. Die Fuhrleute und Säumer in Graubünden hatten das Nachsehen, und der Kanton erlitt empfindliche wirtschaftliche Einbussen. Noch 1858 hatte es für den Gebirgskanton gut ausgesehen: Damals wurde die normalspurige Bahnlinie vom Bodensee nach Chur eröffnet. Ihr folgte später die Verbindung von und nach Zürich. Geplant war, die normalspurige­ Bahnstrecke in absehbarer Zeit von Chur aus über die Alpen nach Italien weiterzuführen. Als mögliche Alpenquerungen standen unter anderem das Gebiet des Lukmanierpasses und das des Splügenpasses zur Wahl. Trotz des Entscheids für den Gotthard vom September 1869 gab man in Graubünden vorerst nicht auf und setzte weiter auf den Bau einer Bahnstrecke über den Splügenpass. Die eigens gegründete Gesellschaft der «Vereinigten Schweizer­bahnen» verfügte sogar über eine Konzession des Bundes­ für die Linie, die allerdings nie eingelöst werden sollte. Ein letztes Mal flackerte die Idee einer Ostalpenbahn 1878 auf, als der Bund beschloss, den Kantonen Subventionen für den Bau je einer weiteren Alpenquerung im ­Osten und im Westen der Schweiz zu zahlen. In diesem Zusammenhang wurde erstmals der Plan einer Bahn über den Albula mit einer Fortsetzung bis ins italienische Triest diskutiert. Man wälzte aber auch bescheidenere Ideen: etwa, die bestehende Bahnlinie vom Bodensee nach Chur vorerst nur in die jeweiligen Täler bis nach Thusis, Ilanz und Küblis weiterzuführen. Später sollten diese Strecken dann weitergebaut und zu alpenquerenden Linien gemacht werden. Doch auch diese Ideen wurden nicht umgesetzt, einerseits weil das Geld fehlte, andererseits weil sich die beteiligten Kantone nicht einig wurden.

Die Geschichte der Albulalinie

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Albulalinie Thusis – St. Moritz Baubeginn

1898

Betriebseröffnung Chur – Thusis

1. Juli 1896

Thusis – Celerina

1. Juli 1903

Celerina – St. Moritz

1. Juli 1904

Baukosten

28 112 000 CHF

Baukosten pro Kilometer

388 450 CHF

Elektrifizierung St. Moritz – Bever

1. Juli 1913

Bever – Filisur

20. April 1919

Filisur – Thusis

15. Oktober 1919

Chur – Thusis

1. April 1921

Stromsystem

Einphasenwechselstrom 16,7 Hz, 11 kV

Streckenlänge

61 674 m

Seehöhen min.

697 m ü. M. (Thusis)

Seehöhen max.

1823 m ü. M. (Albulatunnel)

Maximale Steigung

35 ‰

Minimaler Kurvenradius

120 m, einige Ausnahmen 100 m

Tunnels und Galerien

42

Gesamtlänge aller Tunnels und Galerien

16 545 m

Längster Tunnel

5865 m (Albulatunnel)

Brücken

144 (Spannweite ≥ 2 m)

Gesamtlänge aller Brücken

2901 m

Längste Brücke

215,50 m (Hinterrheinbrücke Thusis)

Ursprünglicher Schienentyp

25 kg / m (Filisur – St. Moritz)

Heutiger Schienentyp

54 kg / m

27 kg / m (Samedan – Pontresina)

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Ursprüngliche Schienenlänge

12 m

Heutige Schienenlänge

30 m (vorwiegend geschweisst)

Bahnerlebnisweg Albula


Bündner Schmalspurvariante Nägel mit Köpfen machte schliesslich der Davoser Kurdirektor Willem Jan Holsboer. Er wollte dem Gezerre um eine künftige normalspurige Alpen­ bahn in Graubünden nicht länger zusehen und plante den Bau einer schmalspurigen Bahnlinie von Landquart nach Davos und weiter über den Scalettapass ins Engadin. Holsboer fand Investoren, und nach nur zwei Jahren Bauzeit fuhr am 21. Juli 1890 der erste Zug in den aufstrebenden Kurort. Der Davoser Kurdirektor hatte aber bereits weitere Pläne in der Tasche. Er wollte die Linie über den Scalettapass bis ins Engadin und weiter bis nach Chiavenna in Italien verlängern. Realisiert wurde das Projekt nicht, doch Holsboers Engagement ebnete den Weg für die spätere Rhätische Bahn. Denn der Bau der schmalspurigen Bahnstrecke hatte eindrücklich gezeigt, dass sich dieses Verkehrsmittel sehr gut für das gebirgige Graubünden eignete: Dank der schmaleren Fahrzeuge und der engeren Kurvenradien konnten die Strecken einfacher und günstiger gebaut werden. Die eingesetzten Wagen und Lokomotiven erwiesen sich zudem für den harten Betrieb im Gebirge als genügend robust, und die Kapazität einer schmalspurigen Linie genügte den Anforderungen des damals dünn besiedelten Kantons vollauf. Holsboers Idee machte Schule, und noch vor Eröffnung der Davoser Linie beschloss das Bündner Volk den Bau der sogenannten «Bündner Central­ bahn». Damit war der Grundstein für eine Bahn über den Albulapass gelegt. Die Pläne, an denen auch der Muttner Rechtsanwalt Sebastian Hunger-Bener beteiligt war, sahen vor, eine Bahnstrecke von Chur über Thusis bis zum Standort des heutigen Gasthauses Bellaluna bei Filisur zu bauen. Von dort aus sollten dann Postkutschen die Fahrgäste über den Albula transportieren. Aus der Landquart-Davos-Bahn und der Centralbahn entstand 1895 die Rhätische Bahn, 1896 wurde die Strecke bis Thusis eröffnet. Die wichtigste Weichenstellung erfolgte aber im Jahr ­darauf: 1897 verabschiedete das Bündner Volk das Eisenbahngesetz. Dieses sah vor, die Rhätische Bahn zu verstaatlichen und unter Einbezug der zwei bereits gebauten Strecken von Landquart nach Davos und von Chur nach Thusis ein Schmalspurnetz zur Erschliessung des ganzen Kantons zu erstellen. Damit war auch die Albulastrecke wieder ein Thema.

Die Geschichte der Albulalinie

  Der Davoser Kurdirektor

Willem Jan Holsboer ist der Vater des Bündner Schmalspur-Bahnnetzes.

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  Im Juni 1902 waren die Bauarbeiten am Schmittentobel Viadukt unterhalb von Filisur voll im Gang.

  Knapp unterhalb

der berühmten Kirche St. Peter Mistail entstand der gleichnamige Viadukt.

   Das eindrückliche Lehrgerüst des Muttnertobelviadukts in der Schinschlucht.

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Bahnerlebnisweg Albula


Steil oder flach, hoch oder tief? Schon bevor 1898 die Arbeiten an der Strecke von Thusis nach St. Moritz­ starteten, hatten die Ideen für eine Bahnlinie über den Albula ganze ­Archive gefüllt. Nur einige wenige Projekte kamen aber überhaupt in die engere Wahl. So die Idee von Ingenieur Giovanni Gilli aus Chur. Er schlug eine Linienführung mit einer Maximalsteigung von 45 Promille und einem­ Scheiteltunnel auf 2650 Metern über Meer vor. Zum Vergleich: Der heutige Albulatunnel liegt auf nur 1820 Metern über Meer. Nicht zuletzt aufgrund des hoch gelegenen Scheiteltunnels sah Gilli keinen Winter­betrieb auf der Strecke vor. Gerade in die andere Richtung zielte das Projekt der Frankfurter Baufirma Philipp Holzmann. Sie wollte eine Strecke mit nur 25 Promille Steigung bauen. Dazu hätten die Gleise jeweils weit in die Seiten­täler hinein ausholen müssen, und die Ortschaften Tiefencastel, F­ ilisur und Bergün hätten keinen direkten Anschluss an die Bahn erhalten. Friedrich Hennings, der damalige Oberingenieur der Rhätischen Bahn, warnte vor dieser Variante, unter anderem weil er den Preis als viel zu tief kalkuliert erachtete. Nachdem die Bundesversammlung in Bern sich am 30. Juni 1898 endgültig für den Bau einer schmalspurigen Bahnlinie über den Albula entschieden hatte, ging alles ganz schnell: Im Juli 1898 startete Ober­ingenieur Friedrich Hennings mit den Planungsarbeiten. Grundlagen für das auszuführende Projekt bildeten für den Abschnitt Thusis – Filisur die ursprünglichen Pläne der «Bündnerischen Centralbahn» und für die Strecke von Filisur zum Albulatunnel ein von Oberingenieur Moser entwickelter Vorschlag einer Linie mit 35 Promille Steigung. Nur fünf Monate nach Planungs­ beginn starteten bereits die Bauarbeiten am Albulatunnel zwischen Preda und Spinas, dem Herzstück der Linie. Parallel dazu wurde die endgültige Linienführung auf den anderen Abschnitten festgelegt. Dies war keine einfache Aufgabe, mussten doch verschiedene Gebiete vor dem Bahnbau überhaupt erst durch Fusswege erschlossen werden – so beispielsweise in der Schinschlucht zwischen Thusis und Tiefencastel oder im Gebiet des Bergünersteins unterhalb von Bergün. Das Team um Friedrich Hennings scheute keinen Aufwand und schaffte es nach nur einem Jahr Vorarbeit, die Pläne für die Bahninie in allen betroffenen Gemeinden aufzulegen. Nur so und mit der Hilfe von bis zu 5300 meist in Italien angeheuerten

Die Geschichte der Albulalinie

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 Mit Hilfe von Kran-

bahnen wurde das Material für den Bau der Pfeiler des Landwasserviadukts hochgehoben.

  Bauarbeiten an

einem Pfeilerfuss des Landwasserviadukts.

   Nach und nach wuchsen die Pfeiler nach oben, dann wurden die Kran­bahnen abgebaut…   …und die Lehrge-

rüste für das Mauern der Bogen erstellt.

   In einem eleganten Bogen überquert der  fertige Viadukt das Landwassertal und mündet direkt in den anschliessenden Tunnel.

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Bahnerlebnisweg Albula


Arbeitern war es möglich, bis im Mai 1902 den Albulatunnel zu durchschlagen und am 1. Juli 1903 die Linie zwischen Thusis und Celerina zu eröffnen. Das Reststück bis St. Moritz kam ein Jahr später dazu. Die Arbeiten hatten sich verzögert, weil längere Zeit nicht klar war, wo der Bahnhof in St. Moritz zu stehen kommen sollte. In vier Stunden nach St. Moritz Für den Bau der Albulalinie waren zahlreiche Kunstbauten nötig: Insgesamt erstellten die Erbauer 144 Brücken mit einer Gesamtlänge von 2901 Metern. Noch eindrücklicher ist die Länge der 42 Tunnels. Sie beträgt 16 545 Meter, das entspricht rund einem Viertel der Gesamtlänge der Strecke. Um möglichst wenig Materialien von weit her zu den Baustellen transportieren zu müssen, entschied sich Hennings – wo immer möglich – für lokal vorhandene Baustoffe. Bis auf zwei Ausnahmen wurden alle Brücken und Lehnenviadukte als gemauerte Gewölbe ausgeführt. Die Steine dazu beschaffte man in nahe gelegenen Steinbrüchen. Dasselbe Material kam auch für die Tunnelportale und Stützmauern zur Anwendung. Alle Hochbauten wie Bahnhöfe, Wärterhäuser oder Güterschuppen hingegen wurden nach einheitlichen Plänen aus Holz gefertigt. Insgesamt kostete der Bau der Bahnlinie von Thusis nach St. Moritz damals 25,8 Millionen Franken, 4,6 Millionen mehr als budgetiert. Verantwortlich für die Mehrkosten waren vor allem Schwierigkeiten beim Bau des Albula-­ und des Rugnuxtunnels. Um im Juli 1903 den Betrieb aufnehmen zu können, musste auch rechtzeitig das passende Rollmaterial bestellt werden. Benötigt wurden für den Start zwölf Lokomotiven, 64 Personenwagen, acht Gepäckwagen und 129 Güterwagen sowie zwei Schneepflüge. Das schnell steigende Verkehrsaufkommen machte dann schon bald die Beschaffung weiterer Lokomotiven und Wagen nötig. Die Fahrzeit der ersten Züge betrug für die Gesamtstrecke von Chur bis St. Moritz zwischen drei und dreidreiviertel Stunden. Eine kurze Zeit im Vergleich zu den zwölf bis 14 Stunden, die man zuvor mit der Postkutsche benötigt hatte.

Die Geschichte der Albulalinie

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  Bauzug unterwegs

oberhalb des Rugnux Spiraltunnels, dessen Einfahrt weiter unten gut erkennbar ist.

  Eingriffe in die Land-

schaft für den Bahnbau zwischen Preda und Muot.    Aushub des Tuors-

Einschnitts oberhalb von Bergün.

  Vermessungsarbeiter

unterwegs im Gelände.

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Bahnerlebnisweg Albula


Tunnels, Konkurrenz und UNESCO Welterbe Auch wenn sich bei der Albulalinie auf den ersten Blick an der ursprünglichen Linienführung und Bauweise scheinbar wenig geändert hat, wurde die Infrastruktur in den über hundert Jahren Betrieb laufend den neuen Anforderungen angepasst. Ein Quantensprung war die Elektrifizierung der Strecke im Jahr 1919 und die darauffolgende Beschaffung der Lokomotiven vom Typ Ge 6 / 6 I – im Volksmund wegen ihrer Form «Krokodil» genannt. Der Wechsel vom Dampf- zum Elektrobetrieb ermöglichte den Einsatz längerer, schwererer Züge und verbesserte die Arbeitsbedingungen für das Lokomotivpersonal massiv. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stieg das Verkehrsaufkommen weiter an, und die Rhätische Bahn musste das Fahrplanangebot ausbauen. Aufgrund der immer grösseren Zugdichte und aus Sicherheitsgründen entschloss man sich in den 1960er-Jahren zur Einrichtung eines Zug­ sicherungssystems. Dieses unterteilt die Strecke in sogenannte Blockabschnitte, die mit Signalen so abgesichert sind, dass jeweils nur ein Zug im gleichen Abschnitt unterwegs sein kann. Durch diese Massnahme konnten die Kapazität und die Sicherheit stark erhöht werden. Die Einführung des Streckenblocks mit Signalen, die von einem zentralen Stellwerk aus gesteuert werden, ermöglichte es zudem, einen Teil der Zwischenstationen zu automatisieren und Personal einzusparen. Trotz der Modernisierung in den späten Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts genügte die Kapazität der Albulalinie längerfristig nicht mehr der Nachfrage. Deshalb und auch um die wintersichere Erschlies­sung des Engadins zu verbessern, entschlossen sich Graubünden und die Schweizerische Eidgenossenschaft 1985 zum Bau des Vereinatunnels von Klosters im Prättigau nach Sagliains im Unterengadin. Die Eröffnung des neuen Tunnels im Jahr 1999 entlastete die Albulalinie von einem Teil des Güter­ verkehrs und verkürzte die Reisezeit mit dem öffentlichen Verkehr ins Unterengadin massiv. Durch den Vereinatunnel büsste die Albulastrecke­ aber nichts an Attraktivität ein. Dazu trug sicher auch die Aufnahme ins UNESCO Welterbe im Jahr 2008 bei (siehe Seite 21). Parallel zum Bau der Vereinalinie investierte die Rhätische Bahn weiter­ in den massvollen Ausbau der Strecke und wird dies auch künftig tun. Ziel ist es vor allem, die Fahrplanstabilität auf der einspurigen Strecke zu

Die Geschichte der Albulalinie

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erhöhen.­ Kurze Doppelspurabschnitte bei Thusis, unterhalb von Filisur­ und bei Preda ermöglichen heute bereits fliegende Kreuzungen, und zusätzliche Blockabschnitte verkürzen die Zeitabstände zwischen den ­Zügen. Einen Ausbau erfuhren in den letzten Jahren auch die Bahnhöfe­ von Thusis, Tiefencastel, Filisur und Bergün, die nun eine einfachere ­Abfertigung der Züge erlauben. Und seit 2005 werden die Signale auf der ganzen Nordseite vom Rail Control Center in Landquart aus ferngesteuert, seit 2012 gilt dies für die gesamte Albulastrecke. Viel investiert werden musste in den letzten Jahren auch in die bestehende Infrastruktur; weitere Arbeiten in diesem Bereich stehen noch an. Das Augenmerk liegt dabei vor allem auf den Steinbogenviadukten und den Tunnels. So wurde etwa der weltberühmte Landwasserviadukt 2009 saniert (siehe Seite 114). Der grösste Eingriff steht der Albulalinie aber erst noch bevor: Ab dem Jahr 2014 wird parallel zum bestehenden Albulatunnel eine neue Röhre entstehen. Der alte Tunnel wird danach zum Rettungsstollen (siehe Seite 36). Auch nach mehr als hundert Jahren ist die Geschichte der Albulalinie also noch nicht fertiggeschrieben. Und rückblickend kann gesagt werden, dass der Entscheid von 1869, eine normalspurige Bahnlinie über den Gotthard zu bauen, für Graubünden weise war. Ohne den Bau der Gotthardlinie hätte der Gebirgskanton nie ein so ausgedehntes und leistungsfähiges Schmalspurnetz mit der Albulalinie als Herzstück erhalten, sondern nur eine Transitstrecke über den Lukmanier oder den Splügen – ohne langfristige Vorteile für die Region.

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Bahnerlebnisweg Albula


B  Während der

Sanierungsarbeiten im Jahr 2009 war der Landwasserviadukt mit 6200 Quadratmetern rotem Stoff eingepackt. B  Eindrückliche

Berglandschaft bei Preda. Während die Bahn im Albula­tunnel v­ erschwindet, führt die Strasse über den Pass (im Bild halbrechts oben).

Die Geschichte der Albulalinie

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