Heidi Bucher, Not Vital

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6 auost – 2 settember 2017


cuverta grazia a impressum artist curatur text organisatur dall’exposiziun grafica ediziun -

Heidi Bucher, Grosser Eingangsparkett Ahnenhaus, 1980 – 82 fundaziun Not Vital, Ardez, Textil und Latex, 870 x 236 cm, Bildnachweis: Letizia Bucher Mayo Bucher, Letizia Bucher 2017, fundaziun@notvital.com Heidi Bucher Not Vital Gabrielle Schaad Mayo Bucher, Giorgia Von Albertini Süsskind SGD, Layout Daniele Agostini 400


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HEIDI BUCHER

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Quista st» fa la fundaziun ad Ardez ün’exposiziun da Heidi Bucher (1926–1993). Fingia bod han sias lavurs fuorm» ün stret liom cun l’architectura. Il squitsch dal fond da la chasa da famiglia a Winterthur vegn transfuorm» in üna pittura sculpturala. Sco üna bindera pend’la jo da la chasa ad Ardez. Ses figl es mes vaschin.

NV fin da lügl 2017

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HEIDI BUCHER DIE ABHÄUTUNG DES AHNENHAUSES Von 1980  – 1982 war das Haus ‹Obermühle› in Winterthur Ort

Buchers Interieurabdrücke assoziieren die Raumhülle mit der

von, für und in Heidi Buchers Kunst. Sie bezeichnete es als

biologischen Körperhülle des Menschen, der Haut. Sie sind

Ahnenhaus, kleidete Zimmer für Zimmer, Öfen und Ofenrohre,

Ausdruck einer persönlichen Verinnerlichung, thematisieren dabei

Wände und Böden in Latex und zog sie ab.

den Raum als Funktion von Körper und Zeit beziehungsweise

Während ihrer umfangreichsten künstlerischen Intervention

der Erinnerung, d. h. Raum als Produkt gesellschaftlicher und

entstanden mehrere Haut-Räume und ca. 20 Bodenhäute.

historischer Prozesse sowie persönlicher Wahrnehmung. Wahrnehmungspsychologie und dokumentarisches Verfahren

Räume entstehen aus dem Zusammenspiel von physischen und

treffen sich in den taktilen Oberflächenbildern ihrer prozess-

metaphysischen Komponenten. Sie werden von architektonischen

haften Arbeit.

Konstruktionen abgegrenzt. Dabei verändern sie sich in der

Die Analogie von Person und Haus beschrieb Sigmund Freud in

Bewegung über die Zeit, werden von jeweiligen Bedingungen und

seiner psychologischen Deutung von Haus-Träumen. Darin setzte

Subjekten konstituiert wie produziert. Innerhalb der Wohn-

er Häuser, Zimmer und weitere Innenbeziehungsweise Hohl-

architektur entfalten sie den Alltag ihrer Bewohner. Der bewohnte

räume mit dem weiblichen Geschlechtsorgan und dem Mutterleib

Raum ist im Unterschied zur architektonischen Konstruktion

gleich. Ausgehend von dieser Interpretation war die sinnliche

kein starrer Behälter, sondern mit der Körperwelt verwoben. Die

Erfahrung des Hauses in Lygia Clarks The House as Body Ende

Architektur umschliesst und gestaltet ihn mit sinnlich wahr-

der 1960er Jahre zum Symbol eines neuen Körperbewusst-

nehmbaren Oberflächen. Diese Oberflächen sind vergleichbar

seins der Frau geworden. Wie die Ausstellung ‹Psycho-Buildings›

mit unserer Haut. Sie tragen Spuren und transportieren Stim-

in der Hayward Gallery 2008 zeigte, ist die Auseinandersetzung

mungen. Die Obermühle stand zum Zeitpunkt von Buchers

mit Architektur als psychologischem Speicher jedoch weit

künstlerischer Intervention kurz vor der Renovation. Bevor sich

über feministische Kunstpositionen der 1960er und 70er Jahre

die örtlichen Bedingungen veränderten, löste Heidi Bucher

weiterhin wirksam.

im Herstellungsprozess der Haut eine spezifisch geprägte Schicht von der historisch gewachsenen Raumhülle, in der sich ihre

Gabrielle Schaad

Ahnen einst bewegten. Sie nahm einen Abdruck des Erinnerungsraumes. Von künstlerischen Positionen seit den 1950er Jahren schlagen Buchers plastischparadoxe Raumabformungen eine Brücke zwischen Performance und Rauminstallation, feministischen und plastischen Positionen der Gegenwartskunst. In ihrer formalen Bezogenheit thematisieren sie einen spezifischen Ort im Verhältnis zu seiner Umwelt. Damit knüpfen sie an den institutionskritischen Kunstdiskurs der 1960er Jahre an, ohne sich darauf zu beziehen.

Auszug aus: Exploring The Space Between Heidi Buchers Bodenhäute aus dem Ahnenhaus. Prozess, Index und Kartographie zwischen Erinnern und Vergessen, 2009 Lizienziatsarbeit der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich.

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Heidi Bucher in der Baugrube ‹Ahnenhaus› Winterthur 1980 Bildnachweis: Jan Jedliãka -

Heidi Bucher (Adelheid Hildegard Müller), Winterthur *23.2.1926 1942–46 studierte Bucher an der Kunstgewerbeschule Zürich bei Elsie Giauque, Max Bill und Johannes Itten. 1946–56 Wohnsitz in Paris, London und New York. 1960 Heirat mit dem Künstler Carl Bucher. 1970–73 Umzug wegen diverser Nordamerikanischer Museumsausstellungen nach Montreal, Toronto und Los Angeles. 1974 Rückkehr der Familie Bucher nach Zürich. Heidi Bucher verstirbt am 13.12.1993 in Brunnen.



Film stills aus: Räume sind Hüllen, sind Häute 1981 Regie: George Reinhart, Kamera: Lukas Strebel -



Grosser Eingangsparkett, Room Nr. 4 Textil und Latex – bei der Arbeit ‹Ahnenhaus›, 1980 Bildnachweis: Vladimir Spacek -


Grosser Eingangsparkett, Room Nr. 4 Textil und Latex – bei der Arbeit ‹Ahnenhaus›, 1980 Bildnachweis: Vladimir Spacek -


Grosser Eingangsparkett, Room Nr. 4 Textil und Latex – von der Fassade hänged ‹Ahnenhaus›, 1980 Bildnachweis: H. B. 80 -



Parkettstern Textil und Latex, Villa Bleuler, 1990 -


f und a z iun

Not Vital 7546 Ardez


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