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Belegte Betten

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Vor Gericht

Vor Gericht

Schlichte Zimmer, ein gemütlicher Wohnraum für alle: jede Nacht schlafen sieben bis neun Jugendliche im Pluto in Bern.

Die Erfahrungen der Berner Notschlafstelle Pluto für junge Menschen zeigen: Es gibt mehr Minderjährige als erwartet, die draussen schlafen müssen.

Als Naomi mit 16 Jahren auf der Strasse (siehe Haupttext), wäre sie in manchen Nächten froh um eine Notschlafstelle gewesen. Sie hätte aber, sagt sie, wohl Angst gehabt, dass die Notschlafstelle dem Heim gemeldet hätte, wo sie ist. Bei Pluto, der Berner Notschlafstelle für junge Menschen, werde nichts ohne vorherige Absprache mit den Nutzer*innen getan, sagt Sozialarbeiterin Nicole Maassen. «Wenn eine Nutzerin minderjährig ist und sich wiederholt bei uns aufhält, besprechen wir mit ihr, welche Personen über den Aufenthalt informiert werden müssen.» Grundsätzlich muss bei Minderjährigen die obhutsberechtigte Person kontaktiert werden. Es reicht aber die Information, dass die Person an einem sicheren Ort ist – ohne genauer darauf einzugehen, wo dieser Ort ist.

Seit Ende Mai ergänzt Pluto das Angebot an Notschlafstellen in Bern. Im Gegensatz zum Sleeper und zum Passantenheim der Heilsarmee dürfen im Pluto auch Minderjährige übernachten. Willkommen sind alle zwischen 14 und 23 Jahren, unabhängig davon, wo sie leben und angemeldet sind. Das Pilotprojekt, das drei Jahre läuft und von Spenden, Stiftungen, der Kirche und der öffentlichen Hand finanziert wird, ist für die Nutzer*innen kostenlos. In Einer- und Zweierzimmern gibt es sieben Betten, die Couch und eine Matratze können als zwei zusätzliche Notschlafplätze genutzt werden.

In den ersten Monaten schliefen Nacht für Nacht sieben bis neun Menschen im Pluto, sagt Nicole Maassen. Dass direkt ab der Eröffnung und nicht erst nach einer Anlaufzeit so selten ein Bett frei bleibt, überrasche, sagt Maassen. «Das zeigt, wie gross die Versorgungslücke des Systems ist.»

Der Blick in andere Länder zeigt: Obdachlose Jugendliche kommen überdurchschnittlich oft aus finanziell armen Familien, erleben häufiger Vernachlässigung, körperlichen, sexuellen und emotionalen Missbrauch. Häufiger als der Durchschnitt werden sie von Schule, Ausbildung und sozialstaatlichen Systemen ausgeschlossen und haben rechtliche Aufenthaltsprobleme. Sie haben überdurchschnittlich oft Gesundheits- und Suchtprobleme und erleben Diskriminierung, etwa weil sie einer Minderheit angehören oder wegen ihrer sexuellen Orientierung.

Die Notschlafstelle Pluto zählte bis Ende August 542 Übernachtungen, verteilt auf 35 junge Menschen. Längst nicht alle stammen aus der Stadt und dem Kanton Bern, viele kommen aus den umliegenden Kantonen. Die meisten sind volljährig und männlich. «Wir wollen», sagt Maassen, «weiblich gelesene Menschen noch stärker ansprechen. Auch für sie bieten wir einen Schutzraum.» Eine professionelle Evaluation erhebt Daten wie Anzahl der Übernachtungen oder Gründe für den Besuch. So soll aufgezeigt werden, wie gross die Lücke im staatlichen Angebot für Jugendliche ist.

Im Durchschnitt, zeigt die Auswertung der ersten drei Monate, bleibt eine Person 15,5 Nächte, das Maximum wären drei Monate. Ziel ist es, dass sich die jungen Menschen im Pluto erholen können und danach – unterstützt von Fachpersonen – überlegen, wie es weitergehen soll. Etwa in einem betreuten Wohnen oder einer anderen Institution, einer eigenen Wohnung oder mit der Rückkehr nach Hause. LEA

Pluto an der Studerstrasse 44 in Bern hat von 18 bis 9 Uhr geöffnet, inklusive Abendessen und Frühstück. Weitere Infos unter pluto-bern.ch und auf Instagram, Snapchat, Tiktok und Facebook.

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