Leseprobe "Der Kallenboel"

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Der

Achim Gandras

Leseprobe

Kallenboel

Ein sauerländisches Abenteuer im Dreißigjährigen Krieg



Achim Gandras

Der

Kallenboel

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Le e h flic

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Hochheimer Straße 59 99094 Erfurt www.suttonverlag.de www.sutton-belletristik.de Copyright © Sutton Verlag, 2013 Gestaltung und Satz: Sutton Verlag © Abbildung Kallenboel: Südsauerlandmuseum, Museum für Kunst und Kultur des Kreises Olpe in Attendorn, Inventarnummer II 120, Öl auf Leinwand, um 1700. © Abbildung Hintergrund: Hanns Ulrich Franck, Der geharnischte Reiter, Staatsgalerie Stuttgart, Inv. Nr. A 1983/6164 ISBN: 978-3-95400-138-5 Lektorat: Stefanie Höfling, Wiesbaden Druck: Aalexx Buchproduktion GmbH, Großburgwedel


Der Tote aus dem Repebach Der Sturm brauste gewaltig durch die Winternacht. Mit Geheul jagte er durch den Kamin der verschneiten Pfarrei, zerrte an den klappernden Fensterläden und drang durch alle Ritzen des Hauses. In der Kammer unter dem Dach, von deren Luke aus man weit über den angrenzenden Kirchhof blicken konnte, saß Valentin an seinem grob gehobelten Pult und beschrieb vorsichtig die erste Seite seines neuen Tagebuches. Der schmale Junge mit den blonden, schulterlangen Haaren war in eine derbe Wolldecke gehüllt, die ihn vor der bitteren Kälte in der Dachkammer schützte. Lieber hätte er in der beheizten, warmen Stube gesessen, aber Vater Casparus hatte ihn zu Bett geschickt und wähnte ihn längst friedlich schlafend auf seinem Strohsack. Stattdessen richtete Valentin seine blauen Augen im schwachen Licht des Kerzenscheins konzentriert auf das vor ihm liegende Blatt und auf das langsame Auf und Ab der Schreibfeder in seiner rechten Hand. Unvermittelt verlosch der Kerzenstummel. Valentin hatte den Docht so kurz geschnitten, dass er gerade noch die einzelnen Buchstaben auf dem dicken Papier hatte erkennen können. Draußen platschte das Tauwasser vom Dach, als plötzlich ein greller Blitz um den Kirchturm zuckte. Valentin fuhr zusammen. Ein Gewitter im Februar, noch dazu an diesem Tag, das konnte nur Unglück verheißen. Zudem rollte nun der Donner in drohenden Wogen die Berge herab, und die wenigen ihnen verbliebenen Schafe blökten ängstlich aus ihrem gut verborgenen Stall im Unterholz hinter dem Repebach. Dabei hatte der Tag ganz ruhig begonnen. Unter einem winterkalten, stahlblauen Himmel war Valentin mittags durch den hohen Schnee über den Friedhof zur Kirche gestapft, um den beiden Männern, die in der Apsis die zerstörten Bleiglasfenster

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notdürftig mit Lederhäuten wieder zusammenflickten, etwas Brot und einen Krug mit heißem Dünnbier zu bringen. Pfarrer Casparus Hengstebeck hatte den Jungen kommen sehen, war von der Leiter geklettert, hatte den Krug entgegengenommen und ihn direkt an seinen Gehilfen Bruno weitergereicht, der ihn mit beiden Händen fasste und sofort anfing, in großen Schlucken zu trinken. »Nur bitte nicht rülpsen, Bruno! Wir sind hier in der Kirche.« Der hochgewachsene, schlanke Geistliche hatte den Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als der große Bauer auch schon grunzend den Krug wieder absetzte und das Echo seines röhrenden Basstons schaurig aus dem dunklen Langhaus der Kirche zurückhallte. »War keine Absicht, Hochwürden.« Der riesige Kerl wischte sich mit dem fleckigen Ärmel über die Lippen. »Der Junge hat die Suppe aber auch ordentlich angewärmt, damit einem der lausige Frost aus den Knochen fährt.« Casparus erwiderte nichts, strich sich stattdessen eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn, brach das Brot in zwei Hälften und gab das größere Stück seinem dankbaren Helfer. Bruno drückte mit seinen schwieligen Fingern vorsichtig die dunkle Kruste. Tränen stiegen ihm in die Augen. »Das ist Roggen, keine Grütze! Ein Roggenbrot! Gelobt sei Jesus Christus.« Er schloss die Augen, biss ab und kaute langsam und bedächtig. »Bruno, heute ist der 14. Februar«, sagte der Pfarrer und blinzelte Valentin verschmitzt zu, der den großen Bauern beim Essen beobachtete. »Und das ist ein Grund zum Feiern.« Bruno warf schmatzend einen Blick auf die bunten Scherben der alten Kirchenfenster, roch an seinem Brot und schielte wieder nach der Kanne mit dem Dünnbier. »Ist aber ein seltsames Fest, Hochwürden.« Er überlegte eine Weile, bis er schließlich ausrief: »Heute ist Sankt Valentinus! Ja klar, du hast Geburtstag!« Dabei schlug er dem Jungen so kräftig mit der flachen Hand auf die Schulter, dass dieser fast zu Fall kam. Valentins neues Büchlein 6


rutschte aus seinem Wams und landete auf dem Boden. Schnell hob er es auf, doch noch bevor er es wieder einstecken konnte, hatte Bruno auch schon danach gegriffen. Er öffnete es unbeholfen. »Da ist ja gar nichts drin! Die Bücher von Hochwürden sehen ganz anders aus. Wofür brauchst du ein Buch ohne Bilder?« Casparus nahm es dem Bauern aus der Hand und gab es Valentin zurück, der es schnell wieder in sein Wams schob. »Erst muss er noch etwas hineinschreiben, Bruno, bevor es wirklich ein Buch ist. Dafür habe ich es ihm zum Geburtstag geschenkt. Wenn er tüchtig ist, soll er es in einem schönen Latein schreiben. So, wie er es bei mir gelernt hat.« Der Bauer riss die Augen auf. »Was? Du kannst schreiben? So richtig schreiben, mit Federkiel und Tinte? Hm.« Er runzelte die breite Stirn., »Und Lateinern kannst du auch? Mit Paternoster, Sancta Maria, Hokuspokus und so weiter? … Aber lesen, das kannst du nicht, oder?« »Bruno, Hoc est corpus meus, nicht Hokuspokus! Und wer schreiben kann, der kann auch lesen.« Der Geistliche lächelte und griff nach Valentins Hand. »Potzdonnerschlag! Unser Valentin ist ein weiser Mann. Ein Secretarius, oder gar ein Advocatus!« Bruno schüttelte vergnügt den Kopf, griff nach der Kanne, schlürfte den Rest, rülpste, zog den Kopf ein und entschuldigte sich. »Bruno!« Der Pfarrer machte ein ernstes Gesicht. »Ein weiser Mann … bis dahin ist es noch ein weiter Weg, so unser Herrgott will, und die Zeiten sind schlimm genug – Valentin, geh ins Haus und nimm den leeren Krug bitte wieder mit. Wir müssen die Fenster richten, ehe es Nacht wird.« Der Junge lächelte den beiden hinterher, als sie zurück auf die Leitern stiegen. Dann stapfte er über den Kirchhof und blieb kurz vor einem frischen Hügel stehen, auf dem der Schnee nur in einer dünnen Schicht lag. Das schlichte Holzkreuz trug keinen Namen. Der Fremde, der dort lag, war zwei Tage zuvor nackt bei der Gerichtslinde in Repe aus dem Bach gezogen worden. Vielleicht 7


war er ein hessischer Dragoner, vielleicht sogar ein bis auf’s letzte Hemd ausgeplünderter Schwede … Jedenfalls war er wohl ein protestantischer Ketzer, der im geweihten Boden eines katholischen Kirchhofes eigentlich nicht beerdigt werden durfte. Sein armseliger Leichnam war völlig vernarbt gewesen. Es hatte sich gewiss um einen langgedienten, rauen Kriegsknecht gehandelt. Casparus hatte ihn trotzdem im Schatten der Kirche beerdigt. »Gott allein weiß, was an uns wirklich gut ist und was böse«, das hatte er dazu gesagt, als er am Sonntagabend nach der Messe ins Pfarrhaus gekommen war. Valentin war in die Stube gegangen und hatte den alten Bartmann, den Bierkrug aus dem guten Frechener Steinzeug, geputzt und ihn auf das Bord des Kachelofens gestellt. Schließlich war er über die steile, finstere Stiege in seine Dachkammer hinaufgeklettert. Da saß er nun noch immer, während Blitz und Donner sich in immer rascherer Folge abwechselten. Leise erhob er sich und tastete sich vorsichtig im Dunklen nach unten in die Stube. Dort öffnete er die Klappe des Ofens und hielt einen Span in die tiefe Glut, um ihn dann mit kleiner Flamme vorsichtig wieder nach oben zu tragen und die Kerze neu zu entzünden. Auf der ersten Seite seines neuen Tagebuches schrieb Valentin dort weiter, wo er vor dem Verlöschen der Kerze aufgehört hatte. Den Dienstag in ipso St. Valentini, dem 14. Februar im Jahre des Herrn 1634, hat Pfarrer Casparus Hengstebeck, Gottesmann im Kirchspiel Helden, des Dekanates Attendorn im Herzogtum Westfalen, dem Lande unseres allergnädigsten Kurfürsten und Herrn, des Erzbischofs Ferdinand von Köln, dieses Büchlein seinem Ziehsohne Valentin zum fünfzehnten Geburtstage geschenkt. Valentin tunkte die Schreibfeder erneut in das Tintenfässchen und schrieb etwas an den Rand: »Wer bin ich?« Er murmelte dreimal diesen Satz vor sich hin, den er so zum ersten Mal geschrieben sah. »Wer bin ich?«

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Vorsichtig schloss er den braunen Ledereinband, löschte die wertvolle Kerze, betete und verkroch sich mit seiner Wolldecke auf seinen Strohsack. Lange lag er da und horchte auf das Grollen des Donners, auf das Plätschern des Tauwassers und das Rumoren der dicken Eichenbalken, die wieder lebendig wurden, wenn sie durch einen Wetterumschwung in allen Ecken mahlten und knackten. Schließlich fiel er in einen Albtraum, der ihn seit Langem verfolgte. Er sah lodernde Feuer, schwarze Männer mit breiten Kragen wie schneeweiße Mühlsteine so groß. Plötzlich packten ihn brutale Kriegsknechte und hielten ihn mit eisernem Griff, während ringsherum Kanonenschüsse dröhnten. Zwischen zwei riesigen Kerlen mit spitzen Bärten brüllte ein hagerer Mann schwerwiegende Anklagen mit heiserer Stimme über einen staubigen Platz. Auf einem blauen Stein knieten Frauen in groben Leinenlumpen, bewacht von Männern mit eisernen Masken vor dem Gesicht, die an derben Stricken ihre Hunde führten. Er verspürte schrecklichen Durst. Rostige Ketten schnürten sich um seinen Hals und raubten ihm die Luft zum Atmen. Er versuchte aufzuspringen, die Ketten in einen Teich zu werfen, auf dem verschnürte Bündel trieben. Bündel, aus denen lange, blonde Haare herausflossen und in goldenen Strähnen auf dem Wasser schwebten. Schweiß brannte ihm in den Augen. Er stemmte sich auf und schrie verzweifelt gegen die grobe Mauer mit den schweren Ringen, an die er gekettet war. Auf dem Kirchhof sah er einen fast nackten Mann vor seinem offenen Grab stehen. Wasser tropfte von ihm herab. Ein fauliges Lindenblatt klebte nass auf seiner vernarbten Wange und Raben hockten auf seinen Schultern, um nach seinen trüben Augen zu schnappen. Valentin fuhr auf. Zwei Hände hielten sein Gesicht. Durch einen dichten Nebel drang ihm dumpf etwas ans Ohr. »Valentin! Junge, du hast wieder geträumt!«

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Vor dem Rechteck der aufgerissenen Tür zuckte ein blassblauer Blitz hinter der Silhouette des Pfarrers. »Valentin! Es ist alles gut! Du musst diese schlimme Geschichte endlich vergessen.« »Wer bin ich?« Valentin fiel zurück und schlug die Hände vors Gesicht. Er schluchzte. »Schlaf, mein Junge, es ist nur der Sturm, der umgeht. Morgen ist alles überstanden.« Valentin ließ sich langsam zurücksinken und flüsterte stockend in die Dunkelheit: »Ein Gewitter zu meinem Geburtstag … das ist ein böses Zeichen, nicht wahr?« »Nein, Junge, wir haben uns doch darauf geeinigt, dass es keine bösen Vorzeichen gibt. Schlaf jetzt wieder, Valentin. Gute Nacht.« »Gute Nacht, Vater.« Ihm fielen schon wieder die Augen zu. Casparus hielt noch eine Weile am Bett des Jungen Wacht, bis sich dessen Atem beruhigt hatte und er endlich wieder in einen unruhigen Schlaf fiel. Vorsichtig zog der Pfarrer die Decke zurecht, erhob sich und ging zur Kammertür zurück, immer darauf achtend, nur dort auf die Eichendielen zu treten, wo sie auf den Balken auflagen, um ein Knarren zu vermeiden. Es donnerte wieder, und er musste unwillkürlich lächeln, denn was nützt die Vorsicht im Kleinen, wenn das Große über alles hinwegfegt? In diesen Gedanken versunken schlich er mit seinem Talglicht in der rechten Hand die steile Stiege wieder hinunter und begab sich noch einmal zurück in die Stube, um bei dieser Gelegenheit nach dem Kachelofen zu sehen. Als er die gusseiserne Klappe aufzog, fiel ein rot flackernder Lichtschein über den Tisch und die Stühle, zuckte unruhig über das Bord mit den schweren Büchern und ließ den kleinen Christus an seinem Wandkreuz zwischen den Fenstern fast lebendig erscheinen. Casparus ließ mit dem Talglicht die Kerze aufflammen, die in dem Halter aus Zinn auf dem Tisch stand. Anschließend 10


verschloss er sorgfältig die gusseiserne Klappe wieder, sodass nur noch der leichte Kerzenschimmer auf den blaugrün glasierten Kacheln des Ofens tanzte. Er seufzte und griff nach dem Krug auf der eisenbeschlagenen Truhe unter dem Kruzifix, nahm sein schönstes Nuppenglas und ließ einen guten Schluck rheinischen Weines hineinlaufen. »Auf dich, mein Junge«, flüsterte er leise. »Vielleicht ist ja doch alles gut gegangen.« Der Pfarrer ließ den Wein für einen Moment auf der Zunge zergehen und hielt das Glas vor die Flamme, sodass es wie eine blassgrüne Laterne in seiner Hand funkelte. Wieder zuckte ein Blitz. Der Donner krachte fast im selben Augenblick ums Haus, und mit einem Male übertönte der schlagartig einsetzende Platzregen das Wüten des Sturms. Casparus setzte sich an den Tisch und schlug im fahlen Kreis der Flamme ein großes in Leder gebundenes und mit zwei eisernen Schließen versehenes Buch auf. Er blätterte vorsichtig und fuhr mit dem Zeigefinger über die Zeilen, bis er die gesuchte Stelle fand. »1621«, flüsterte er, »mein Gott, das ist schon dreizehn Jahre her!« Er stand auf, ging ans Fenster, öffnete es und spähte durch das Guckloch in den massiven Holzläden. Die Heldener Kirche erhob sich dunkel vor den zuckenden Blitzen. Unter den alten Linden, an deren Ästen der Sturm zerrte, standen in Reihen die schiefen Kreuze über den Gräbern. Sein Auge suchte den frischen Hügel des Toten aus dem Repebach. In diesem Moment ertappte sich Casparus bei einem Gedanken, der ihn sofort ein Kreuz schlagen ließ. Aber dennoch … vielleicht wäre es die beste Lösung, wenn es sich bei dieser armen Seele, Gott sei ihr gnädig, um die Person handelte, die damals bei des Teufels Großmutter geschworen hatte, im unheiligen dreizehnten Jahr den Jungen wieder von ihm einzufordern! Als vor zwei Tagen nun die Bauern den fremden Soldaten im Repebach gefunden hatten, da hatte Casparus im Stillen gehofft, seine heimlichsten Gebete seien erhört worden. Von einem 11


dunkelhaarigen, vernarbten Mann von gut vierzig Jahren hatten sie ihm berichtet, dessen unheimliches Brandmal auf der Brust die Mägde in Angst und Schrecken versetzt habe. Schreiend seien sie davongelaufen. Im grellen Licht eines Blitzes konnte der Pfarrer sehen, dass sich eine der Kuhhäute von dem eingeschlagenen Kirchenfenster wieder gelöst hatte. Er hatte an den Nägeln gespart, von denen er nur noch wenige besaß und an die so schwer heranzukommen war. Hätte er an der Kirche nur Holzläden gehabt, so wie am Pfarrhaus, dann wären die schönen alten Fenster von dem hessischen Reitertrupp, der am Vortag durch den Ort geräubert war und Bauer Pultes letztes Kalb gestohlen hatte, vielleicht verschont geblieben. »Es nützt alles nichts, ich muss noch mal hinaus!« Er nahm eine Laterne vom Bord und stellte die Kerze hinein. Hierauf warf er sich den schweren Lederumhang über, steckte die letzten Nägel in sein Wams und trat mit dem Hammer und dem großen, eisernen Kirchenschlüssel vor die Tür. Von dort wollte er in schnellen Sätzen über den Platz laufen. Auf der Schwelle jedoch zögerte er noch einen Moment und trat zurück unter den Türsturz, denn es regnete noch immer in Strömen. Unter dem Dach war Valentin inzwischen wieder wach geworden. Das laute Rumpeln, das Casparus beim Öffnen der Tür verursacht hatte, als er den massiven Balken herunternahm und knirschend die beiden eisernen Riegel zurückzog, hatte ihn aufschrecken lassen. Er sprang aus dem Bett, schlich zur Luke und spähte über den Kirchhof. Was macht er da nur zwischen den Gräbern, fragte er sich, es gießt doch wie aus Kübeln. Valentin starrte angestrengt in die Finsternis und wartete auf den nächsten Blitz, als unter ihm plötzlich eine Laterne über den Platz geisterte. Jetzt erst erkannte er Vater Casparus, wie der sich an der Seitentür der Kirche zu schaffen machte. Wieder zuckte ein Blitz. »Großer Gott!« Valentin stieß einen Schrei aus. 12


Der Mann am frischen Grab hatte pechschwarzes Haar, das ihm in nassen Strähnen auf der Stirn klebte. Sein Brustharnisch schimmerte unter dem langen Reitermantel, seine linke Hand lag auf dem langen Säbel, der samt Pulverhorn am Bandelier baumelte. In seiner Rechten aber hielt er eine schwere Radschloss­ pistole, die er nun finster blickend auf Casparus richtete, der soeben den Schlüssel in die Tür zur Sakristei gesteckt hatte. Der Pfarrer drehte sich plötzlich um und starrte suchend in die Dunkelheit, denn Valentins Schrei war bis zu ihm heruntergedrungen. In diesem Augenblick krachte ein Schuss von den Gräbern herüber, und die Laterne wurde ihm wie von einer unsichtbaren Faust aus der Hand gerissen, während die Splitter der Glasbutzen um ihn herum zu Boden regneten. »Potzfickerment! Dieser verrückte Pfaff rennt zur Geisterstunde mit einer Laterne über den Kirchhof! Willst du diesen elenden Galgenschwengel hier etwa wieder auferstehen lassen?« Casparus stützte sich mit einer Hand an der Kirchenmauer ab, während er den blutenden Daumen der anderen kurz in den Mund steckte. Er keuchte. »Antonius Kallenboel! Dein haarsträubender Aberglaube ist so abscheulich wie dein Auftritt!« Der Soldat spuckte verächtlich auf das frische Grab vor seinen Füßen, trat auf den Pfarrer zu und knurrte: »Der vermaledeite Hessenketzer! Hab’s gesehen, wie er bei Rieflinghausen den Sattel geräumt hat und seine Kriegstaten beschloss! War ein sauberer Schuss auf hundert Ellen … hätte von mir sein können.« Casparus war entsetzt: »Er war ein Christenmensch … auch als Protestant …« »Der dem Pultenbauern das letzte Kalb gemaust hat, ums zusammen mit dem Teufel aufzufressen«, fiel ihm der andere ins Wort. »Das ist doch alles Unsinn! Tonies, du bist und bleibst ein Galgenwimpel. Der Leibhaftige wandelt nicht so einfach auf Erden!« 13


»Hör auf zu quaken, Casparus, und lass mich jetzt ins Haus! Ich bin klatschnass, komme von weit her, mir ist kalt, und ich habe, verflucht noch eins, Brand wie ein Esel.« »Ja, ja, sicher.« Der Pfarrer bückte sich, weil er endlich den Kerzenstummel aus der zerschossenen Laterne im Schneematsch entdeckt hatte, und ging darauf in Richtung Pfarrhaus. »An Schmacht und Brand, daran erkennt man euch Tagediebe immer noch am besten!« Valentin schlich sich auf die oberste Stufe der Stiege, als die beiden Männer unten durch die Tür eintraten und Casparus die schweren Riegel wieder vorschob. Er entzündete die Kerze an einem neuen Span und stellte sie zurück in den Kerzenhalter auf dem Tisch. Nach einer Weile hörte das Knistern des feuchten Dochtes auf, und die Flamme konnte sich so weit entfalten, dass der Raum in warmes Licht getaucht wurde. Der Kallenboel ging durch die Stube und erspähte natürlich sofort den Weinkrug auf der Truhe. Er zog den Stopfen und löschte in gierigen Schlucken seinen Durst. Was nicht in seinen Schlund passte, lief ihm in dünnen Rinnsalen aus den Mund­ winkeln über die Wangen und tropfte in seinen Kragen. Der Soldat setzte den Krug wieder ab und ließ ihn auf den Tisch rumpeln. »Wunderbar!« Röhrend fügte er hinzu: »Casparus, hast du keinen Braten? Keinen Fisch oder ein Pastetchen vielleicht?« Casparus schüttelte den Kopf. »Ein Stück Roggenbrot habe ich, aber das braucht der Junge morgen«, ergänzte er flüsternd. Der Kallenboel fixierte ihn mit düsterer Miene. »Ich habe es dir vor dreizehn Jahren gesagt: Ich komme und hol ihn.« Casparus zog seinen Stuhl heran. »Und was willst du mit ihm anfangen? Was wisst ihr schon voneinander. Überhaupt, niemand konnte wissen, ob du jemals wiederkehrst. Du warst einfach weg, verschwunden. Und jetzt, nach dreizehn langen Jahren, da tauchst du wieder auf und willst meinen Jungen?«

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Der Kallenboel nahm noch einen langen Hieb aus dem Krug. Dann knurrte er: »Er ist mein Sohn. Nicht deiner. Pfaff, hast du das vergessen?« Casparus fuhr entsetzt auf und lief zur Stubentür, um sie eilig zu schließen. Er zwang sich zur Ruhe und presste hervor: »Sei still, Schnapphahn! Es ist gar nicht sicher, dass du sein Vater bist! Außerdem hast du dich wahrlich nicht wie sein Vater aufgeführt!« Der Soldat griff sich den halben Laib Brot auf dem Tisch und biss ab. »Und du? Willst du sein Vater sein? Ein Pfaff als Vater? Es ist Krieg! Seit es den Jungen gibt, ist Krieg … und noch länger. Gottesmann, was willst du ihm für solche Zeiten mit auf den Weg geben?« Er verschlang den letzten Bissen und griff mit rotem Kopf erneut nach dem Weinkrug. »Du hast das ganze Brot aufgegessen.« Casparus fixierte ihn. »Das ganze Brot! Willst du so etwa für den Jungen sorgen?« »Pah! Morgen kassiere ich wieder ein Schwein von den dummen Bauern und dann gibt’s Braten und nicht so ein tristes Elend! Trockenes Brot und sauren Wein! Ist es das, was du dem Jungen bieten kannst? Dazu noch einen himmlischen Segen … von dem er auch nicht satt wird.« »Schweig! Was ist nur aus dir geworden!« Casparus war aufgesprungen und hielt sich mühsam an der Tischkante fest. »Valentin … er kann sogar … lesen und schreiben! Und er hat es von mir gelernt, mitten in diesem unseligen Krieg …« Der Pfarrer sank zurück und biss sich auf die Lippen. Der Kallenboel ließ den Krug sinken und starrte ihn gläsern an. Plötzlich hatte er ein verschlagenes Grinsen im Gesicht. »Der verfluchte Krug ist leer. Gib mir mehr! Hol noch einen. Du hast bestimmt noch was im stillen Kämmerlein, und wenn es der Messwein ist … Wir beiden haben nämlich Grund zu feiern!«

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Casparus sah ihn verständnislos an, doch plötzlich kam ihm eine Idee. »Ja sicher … also gut. Tonies … warte … ich bin gleich wieder da.« Er entzündete eine zweite Kerze, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum. In einer Ecke der Diele griff er nach einem eisernen Ring im Boden und zog eine Falltür auf. Die Stufen in den Gewölbekeller waren glitschig, und er ging langsam, um nicht auszurutschen. Als er endlich auf dem gestampften Lehmboden stand, leuchtete er das Regal an der Wand ab. Dort waren einige kleine Krüge, die sorgfältig verschlossen waren. Darunter ein Topf mit Honig und ein großes Salzfass, aus dem er nun zwei fette Streifen vom gepökelten Schinken nahm. Er ärgerte sich, aber es musste sein, denn sonst würde sein soeben gefasster Plan vielleicht nicht aufgehen. Hinter einem Brett in der Ecke zog er einen großen Tonkrug hervor, dessen Korken mit feinem rotem Siegellack verplombt war, auf dem das Stapelwappen der freien Reichsstadt Köln prangte. »Alles für diesen liederlichen Spitzbuben, der es gar nicht zu schätzen weiß«, grummelte der Pfarrer, während er schwer beladen die Steintreppe wieder hinaufstieg. Auf halbem Weg hörte er den Kallenboel schon ungeduldig werden. »Wo bleibst du denn? Behandelt man so etwa seinen alten Schwager?« Als Casparus den großen Krug auf den Tisch wuchtete, bemerkte der Kallenboel im Kerzenschein das feine Siegel. Darauf stierte er gierig auf den Schinkenspeck, den ihm Casparus daneben legte. Aber seine Fassung hatte er schnell wiedergefunden: »Na siehst du, es geht doch! Von wegen nichts als Roggenbrot, ihr Pfaffen seid doch alle gleich.« Der Kallenboel spuckte einen breiten Flatschen in die Ecke. Casparus jedoch hielt sich zurück.

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»Der Speck war für ganz harte Zeiten, und der Wein ist ein Geschenk unseres hochwohlgeborenen Erzbischofs Ferdinand für eine Mission an den Rhein.« Der Kallenboel zog seinen schweren Katzbalger aus dem Stiefel und klopfte mit dem eisernen Knauf den harten Siegellack ab. Anschließend warf er den Dolch auf den Tisch, klemmte den Krug zwischen seine Beine und drehte den quietschenden Stopfen mit beiden Händen aus dem Hals. Die Unterseite des Korkens hatte die tiefrote Farbe von Blut. Tonies hielt erst schnuppernd die Nase über den Krug, dann blickte er auf, und Casparus erkannte entsetzt das gleiche verträumte Lächeln im Gesicht des rohen Soldaten, das er am Morgen noch bei Valentin gesehen hatte, als er ihm das Tagebuch schenkte. Das größte Glas aus seinem Schrank stellte er dem Kallenboel vor die Nase. Der nahm es und füllte den blassgrünen Römer bis an den Rand, stellte den Krug schnell ab und leerte das halbe Glas in einem Zug. Im Anschluss lehnte er sich zurück und stierte an die verrußte Holzdecke. »Aaah! Italienischer Wein! Wahrlich, Casparus, du bist ein räudiger Papist, aber heute preise sogar ich einmal die herrlichen Keller von Mutter Kirche!« Der Pfarrer lächelte gequält und hielt ihm den salzigen Speckstreifen hin, den der Kallenboel nahm und laut schmatzend verschlang. Zuletzt wischte er sich die Hände an den nassen Pluderhosen ab, leckte sich das restliche Salz von den Lippen und trank einen kräftigen Schluck aus dem Weinglas. Valentin hockte immer noch auf der Stiege, war nur ein paar Stufen nach unten gerutscht. Er fror und hörte entsetzt dem Gespräch der beiden Männer zu. Alles konnte er nicht verstehen, dafür war die Tür der Stube zu massiv. Außerdem ging der Wind noch ums Haus, zu dem das Tauwasser unregelmäßig platschte. Der unheimliche Gast wurde immer lauter, je öfter er nach dem großen Krug griff. Irgendwann zog Casparus noch den zweiten

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Schinkenstreifen hervor, der mit seinem Salz den wilden Durst des Soldaten noch mehr anfachte. Der Kallenboel rückte seinen Stuhl zurecht und kippte dabei fast mit ihm um. Unter schweren Lidern blickte er böse zu Casparus hin, der gerade dabei war, den Römer noch einmal zu füllen. Der Kopf des Soldaten schwankte schon bedrohlich vor und zurück. »Was führst du eigentlich im Schilde?«, lallte er. »Du säufst ja gar nicht mit!« Der Pfarrer erwiderte seelenruhig: »Was willst du, Tonies? Ich spendiere meinen besten Wein, und du beschwerst dich noch?« Der andere grinste schief. »Du warst schon immer ein Krachwadel! Kein Mann eben, du Schwächling … Morgen nehme ich den Bengel mit. Du machst ja sonst nur eine greinende Betschwester aus ihm. Ins Regiment geht’s. Die machen einen Schreiber draus … und einen tüchtigen Soldaten! Du, du kannst nicht einmal saufen … aber beten, ja, und lesen, das kannst du.« Er lachte meckernd. »Generalwachtmeister Bönninghausen wird zufrieden mit mir sein …« Er kippte nach vorne, das schöne Glas ging halbvoll zu Bruch, und der Kallenboel legte schwer den Kopf auf den Arm, brabbelte noch einen Fluch und begann laut und unregelmäßig zu schnarchen.

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Ausgeplündert Casparus blieb eine ganze Weile still am Tisch sitzen und beobachtete den schlafenden Wüstling. »Nur ein kurzer Schlag … es wäre nur ein Schlag! Sein Katzbalger liegt noch auf dem Tisch … und außerdem hat er auf mich geschossen … Niemand fragt noch nach einem armen Teufel mehr oder weniger, der zur Hölle fährt.« Er erschrak. »Niemals! Ich nicht! Sollen die Zeiten sein wie es unserem zürnenden Herrgott gefällt … Ich nicht!« Er schnellte empor und sammelte sich einen Augenblick, dann nahm er die Kerze vom Tisch, riss die Tür auf und eilte die Stiege hinauf, wo er auf halbem Wege fast über Valentin gestolpert wäre, der schief an der Wand lehnte und eingeschlafen war. »Wach auf, Valentin!« Der Pfarrer rüttelte an seinen Schultern. »Auf, es ist eilig! Wer weiß, wie lange er schläft … Junge, du musst fort, du musst noch heute Nacht von hier verschwinden!« Langsam kam Valentin zu sich. Casparus drängte ihn so sehr über die Stiege vor sich her, dass er stolperte. »Wer ist das? Er hat gesagt, er sei mein Vater. Ist das wahr, ist dieser Mann mein richtiger Vater?« Valentin schluckte. Casparus zog die Wolldecke vom Strohsack, rollte sie zusammen und drückte sie ihm in die Hand. »Du läufst zu Bruno! Sobald der Kerl wieder weg ist, komme ich, dich zu holen. Besser noch, du bleibst erst einmal dort. Wer weiß, was er vorhat und ob er nicht noch irgendwo in der Gegend herumlungern wird!« Valentin war entsetzt. »Vater, ich verstehe das alles nicht …« »Das musst du jetzt auch nicht, mein Junge, denn jetzt musst du schnell fort! Ich verspreche dir, ich werde dir alles erzählen. Vom Pfarrer Michael Stapirius, vom Hexenrichter Schultheiss in Arnsberg … und von deiner … Mutter.« Er sprach gequält, und 19


Valentin sah im Kerzenschimmer die Tränen in seinen Augen. »Aber jetzt läufst du zu Bruno!« Sie kletterten die Stiege hinunter und warfen einen vorsichtigen Blick in die Stube, wo dem Kallenboel der Kopf mit den strähnigen schwarzen Haaren schwer auf den Armen lag. Valentin blieb stehen, aber Casparus schob ihn weiter zur Tür und zog die schweren Riegel zurück. Schließlich standen sie auf dem Kirchhof. »Hör zu, Valentin! Du gehst durch die alten Felder, hörst du? Über den Berg und am Bildstock vorbei nach Niederhelden. Und du bleibst ab und an stehen und horchst, ja?« Valentin nahm die Decke und klemmte sie sich unter den Arm. Casparus hängte ihm den Ledermantel um und drückte den Jungen an sich. »Du kannst das, Valentin, ja? Und du weißt, die ganzen abergläubischen Geschichten sind Humbug! Du kannst also gehen … zu Bruno!« Valentin nickte und wollte noch etwas fragen, doch Casparus schüttelte nur den Kopf: »Geh! Du musst dich beeilen. Und rufe Brunos Namen, damit er weiß, dass du es bist! Und sage ihm, es ist alles in Ordnung und dass der Kallenboel da ist, dann wird er Bescheid wissen.« Schon war Valentin auf dem Weg. Er drehte sich noch einige Male um, konnte aber bald schon nicht mehr erkennen, ob der Pfarrer noch am Tor stand. Links ließ er nun den letzten Hof hinter sich. Er lief durch die Felder, auf denen im Sommer hüfthoch der Weißdorn zwischen den Hecken wucherte, weil die Bauern aus Angst die offenen Flächen nicht mehr bestellten. Sie rodeten lieber die Bergkuppen, damit die furagierenden Truppen sie nicht so leicht finden und verwüsten konnten. Der Weg teilte sich am Bildstöckchen, und Valentin bekreuzigte sich, als er das kleine Heiligenhäuschen passierte. Er blieb stehen. Huschten dort nicht ein paar schwarze Schatten über den Schnee? 20


Seine Schnallenschuhe waren bereits so durchnässt, dass jeder Schritt im Wasser quatschte. Nun hielten die Schatten inne und wechselten die Richtung. Zwar war es zu dunkel, um mehr zu erkennen, aber doch sah er sie nun direkt auf sich zukommen! Das Dorf hatte er schon zu weit hinter sich gelassen, also lief er schnell zurück zur Kreuzung, kletterte auf das Bildstöckchen und sprang in eine der dicken alten Linden, die links und rechts als mächtige Wächter hinter dem Häuschen aufragten. Valentin kletterte bis in die nackte Krone und presste sich im Geäst zwischen den dicken Armen an den Stamm. Nun war etwas zu hören, aber es waren keine Wölfe, nein, es war sein Herz, das laut gegen seinen stoßenden Atem anhämmerte! Über allem anderen lag eine bleierne Stille, denn der nasse, schwere Schnee schluckte jedes Geräusch. Valentin traute sich nicht aufzuschauen, bis er ein dumpfes Trommeln hören konnte, das jetzt stetig lauter wurde. Es dauerte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, so laut, dass es jeder hören musste, da war er sich ganz sicher. Es war das Hufschlagen von Pferden, das nun dumpf durch die Felder dröhnte. Das Klingeln des Geschirrs an Sattel und Zügel wurde immer lauter. Drei Reiter tauchten sogleich aus der Senke auf. Sie zügelten ihren wilden Ritt und brachten direkt neben dem Bildstöckchen ihre mächtigen Kaltblüter zum Stehen. »Zacharias, wohin? Hier kommen wir noch den Kaiserlichen ins Gehege! Hinterm Berg ist schon Attendorn, da liegen die papistischen Ligatruppen von General Bönninghausen. Lass uns besser umkehren!« Valentin hob zitternd den Kopf und sah direkt unter sich die drei auf ihren Pferden sitzen. Der Rappe des Anführers spitzte die Ohren, aber der Dragoner bemerkte nichts von der angespannten Wachsamkeit seines Pferdes. 21


»Zacharias, es ist nur ein lausiger Bengel. Früher oder später kriegst du ihn ja doch!« Der finstere Mann in der Mitte, mit einem großen Hut samt Feder daran, zwirbelte mit einer Hand seinen langen Bart, der spitz wie zwei Nadeln links und rechts über die Wangen ­hinunterhing. Mit der anderen hielt er die Zügel so fest, dass sein Pferd mit nach hinten gerissenem Kopf nun unruhig mit den Hufen scharrte. »Dieser Satansbraten, ich werde ihn hinterm Gaul zu Tode schleifen!« Valentin klammerte sich an den Stamm der alten Linde. Sein Herz raste. Er kannte diesen Zacharias doch gar nicht! Wer war das, und was wollte er von ihm? Reichte dieser verflixte Kallenboel denn noch nicht? »Also gut«, knurrte der finstere Kerl. »Früher oder später!« Die drei Reiter rissen die Pferde herum und donnerten über den Hang wieder zurück ins Tal nach Niederhelden. Angsterfüllt blickte Valentin diesen schrecklichen Gestalten hinterher. Er überlegte, was er nun tun sollte, denn nach Niederhelden traute er sich jetzt nicht mehr, schließlich waren da ja die fremden Soldaten. Doch plötzlich schrak er auf: »Bruno!« Schon war er von der Linde gesprungen und lief durch die Felder, immer nah an den Hecken entlang, um so gut wie möglich gedeckt zu sein. Immer wieder hielt Valentin inne und lauschte, ob nicht wieder der Hufschlag zu hören war, aber schließlich rannte er, bis er endlich den Trampelpfad erreichte, der durch die Apfelwiesen hinunter zu den Höfen führte. Er schnupperte, dann sah er auch schon, dass Brunos Scheune niedergebrannt war. Die Angst überkam ihn wie eine Katze, die einem auf den Buckel springt. Auf dem Hof standen alle Fenster offen! Das große Tor in der Mitte gähnte wie eine finstere Höhle. Schränke, Truhen, Tische, selbst die Küchengeräte, alles lag verstreut und zerschlagen auf dem Platz.

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Valentin duckte sich in einer Ecke hinter die flache Mauer des Kräutergartens und horchte angestrengt in die Runde. Der Repebach rauschte, und in den letzten Resten der niedergebrannten Scheune knackte ab und an die Glut im eingestürzten Gebälk. Unvermittelt tauchten die drei finsteren Gestalten wieder auf! Dieses Mal zu Fuß, ihre Pferde hatten sie jenseits des Baches angebunden, von wo aus Valentin nun ein leises Schnauben hören konnte. »Evert, du reißt die Bodendielen raus. Ich gehe in die Kapelle und klopfe Wände und Boden ab, ob es nicht vielleicht doch irgendwo hohl klingt – Und steckt das Gerümpel hier erst an, wenn ihr was gefunden habt, ansonsten kommen wir lieber wieder zurück und probieren es noch mal.« Zacharias stand mit zusammengekniffenen Augen vor dem Tor des schönen Hofes. »Wenn uns diese kleine Kröte nicht verraten hätte, wäre uns der verfluchte Bauer nicht mit Mann und Maus in den Wald entwischt! Aber ich kriege ihn dafür … und dann zerquetsche ich ihn wie einen Müllerfloh mit dem Stiefel.« Er trat wütend gegen einen Schemel, der quer über den Platz flog. Anschließend lief er in Richtung Kapelle, während aus der Diele des Hauses das Ächzen und Krachen der splitternden Holzböden zu hören war, die Brunos Magd immer so schön blank geschrubbt hatte. Valentin wusste nun, dass Bruno in den Wald geflohen war. »Dem Herrgott sei es gedankt«, flüsterte er und bekreuzigte sich. Talabwärts, in den Felsen über der Furt von Sankt Claas, da würde Bruno in der Höhle sein, die ihm dieser im letzten Sommer gezeigt hatte. Das war ein sicheres Plätzchen, denn dorthin fanden keine Fremden, dafür war der Zugang viel zu gut verborgen. Aber wohin sollte er jetzt gehen? Leise schlich Valentin zurück, lief geduckt über den Apfelhof und machte sich auf den Weg zurück zu Casparus. Kallenboel hin oder her, er musste ihn vor den Hessen warnen, die soeben Niederhelden ausplünderten!

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Er ließ den ersten kleinen Hügel hinter sich und lief hinaus auf die Felder, die nun weiß und vom schwarzen Netz der dichten Hecken überzogen, wie Flickwerk im gedämpften Licht lagen. Valentin lief so schnell er konnte, vorbei an den großen Eschen neben einer eingefallenen Feldscheune. Er schaute sich um, aber da war alles frei. Rechts sah er weit bis auf den Anger des Kirchdorfes Dünschede, anschließend nach links, wo unten am Bach die kleine Kapelle stand, aus der nun eine Gestalt herausgelaufen kam. Valentin hielt an, stützte die Hände auf die Knie und rang nach Luft. Mit einem Mal hörte er aus dem Tal das Geschrei des furchtbaren Zacharias: »Da! Da läuft er! Beeilt euch, zum Teufel, ihr Bärenhäuter! Ich muss ihn haben!« Valentin spürte, wie eine kalte Klaue nach seinem Herzen griff, und seine Knie begannen zu zittern. Er begann so schnell zu laufen, wie er noch nie zuvor gelaufen war. Seine wertvolle Decke fiel ihm in den Schnee, er stockte und drehte sich um, um sie wieder aufzuheben … da! Unter den Eschen tauchte der erste Reiter auf und donnerte heraus auf das verschneite Feld. Valentin lief. Keuchend warf er einen Blick über die Schulter, und nun waren es alle drei, die soeben im Galopp durch die ersten Hecken brachen. Er konnte sie schon hören, und er lief! Das Bildstöckchen war bereits zu sehen, aber es war noch so weit weg! Und Valentin lief um sein Leben, aber die Beine wurden immer schwerer, die kalte Luft stach in der Brust, und der Weg wurde immer steiler. Die schweren Hufe dröhnten hinter ihm. Er hastete weiter, doch schon hatten sie ihn eingeholt. Valentin stolperte mit letzter Kraft, und als er den Kopf herumwarf, kam ein finsterer Schatten über ihn und es fauchte etwas hinunter und riss ihn mit einem dumpfen Schlag von den Beinen. Er glitt im Schneematsch aus und blieb keuchend auf der Seite liegen.

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»Ich hab ihn!«, johlte der lange Joss, »Zacharias, ich hab ihn!« Valentin rollte auf den Rücken und wunderte sich, dass er den nassen Matsch noch im Nacken spüren konnte. Joss sprang von seinem Pferd und stieß Valentin so roh mit dem Stiefel in die Seite, dass sich der Junge stöhnend krümmte. »Er ist noch ganz gut beisammen, hab ihm nur den Ladestock zwischen die Beine gehauen, hat einen Purzelbaum geschlagen wie ein Possenreißer auf dem Jahrmarkt, haha!« Gefährlich nah tänzelte der dampfende Rappe neben dem Jungen, und die schwer beschlagenen Hufe ließen den Boden erbeben. Valentin glaubte, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Der grimmige Zacharias sprang aus dem Sattel, beugte sich vor, griff nach Valentins Kragen und riss ihn vom Boden hoch. Seine stechenden Augen standen für einen unendlichen Moment direkt vor dem Gesicht des Jungen. Schlechter Atem schlug ihm entgegen. Die Bartspitzen des Hessen zitterten vor Erregung. Plötzlich brüllte er: »Pest und Blattern! Zur Hölle, das ist er nicht!« Er warf ihn zurück auf die Erde. Evert, der Dritte im Bunde, beugte sich vor und betrachtete das Häuflein, das zähneklappernd vor ihm im Schneematsch kauerte. »Und wenn er dem Bauern gehört? Vielleicht weiß er ja was …« Evert sprang vom Pferd und griff mit seinem derben Handschuh nach Valentins Kragen. »Wo wolltest du hin, hä?« Er schüttelte ihn durch. »Na los, red schon, du Hungerhaken, oder ich zieh dir das Fell über die Ohren!«

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Wie der Schwarze Tod persönlich Valentin schlotterte vor Angst. »Ich gehöre nicht in das Dorf, ich …« Zacharias fiel ihm ins Wort: »So? Wo wolltest du denn hin? Und wo kommst du her, wenn du nicht in dieses Dorf gehörst?« Er zog seinen langen, schartigen Degen und hielt ihn Valentin direkt vor die Nase. »Du redest! Oder …« Er setzte die Spitze dem Jungen auf die Brust. Valentin schloss die Augen und weinte, bis es schließlich aus ihm herausbrach: »Mit mir können die Herren Dragoner gar nichts anfangen, ich gehöre zu Pfarrer Casparus Hengstebeck aus Helden, ich …« Zacharias lachte böse auf: »Dem Pfaffen von dort oben?« Er fuchtelte mit dem Degen in Richtung Helden. »Ja, aber das ist ja ganz großartig! Da wollen wir doch mal sehen, was du ihm wert bist, du kleine, kümmerliche Jammerwachtel!« Ein Wink und der lange Joss warf den Jungen bäuchlings vor sich auf sein Pferd. Die unheilvolle Schwadron donnerte bergauf am Bildstöckchen vorbei, preschte auf der anderen Seite hinunter und kam erst wieder zum Stehen, als sie mit Getöse auf dem Heldener Kirchhof eintraf. »Pfaff!«, brüllte Zacharias, während er mit dem Degen in der Faust auf die Holzläden der Pfarrei eindrosch. »Heute Nacht wirst du uns öffnen, denn diesmal haben wir einen ganz besonderen Schlüssel mitgebracht!« Joss verdrehte Valentin den Arm auf dem Rücken, bis dieser laut aufschrie. Er lachte höhnisch. »Pfaff, was ist, willst du wirklich noch warten, bis er uns kopfüber vom Pferd fällt? Mach schon auf, oder …«, er hämmerte mit aller Kraft gegen die Fensterläden. Pfarrer Hengstebeck, der am Tisch neben dem Kallenboel saß, um den Soldaten am Morgen aufhalten zu können, wenn dieser 26


den Jungen suchen würde, schreckte auf. Es rumpelte immer lauter an den Fenstern. Er hörte undeutlich die höhnischen Stimmen der hessischen Landsknechte auf dem Platz. Vorsichtig ging er an den massiven Holzladen und spähte durch das Guckloch. Er riss die Augen vor Entsetzen auf, drehte sich auf dem Absatz um und lief durch die Tür in den Flur. In der Dunkelheit rempelte er den Kallenboel an, der daraufhin schwer ächzend mitsamt seinem Stuhl umkippte. Er hatte kaum die Riegel zurückgeschoben, da wurde die Tür schon mit einem Ruck aufgestemmt, und ein Kanonenstiefel mit schwerem Sporn drang über die Schwelle. Joss und Evert drückten die Tür auf, während Zacharias, der Valentin inzwischen übernommen hatte, mit seinem Rappen direkt davor in Stellung ging. »Holla! Pfaffe, schau nur, was wir hier Schönes haben! Heute ist dein Kirchensilber fällig, oder wir ersäufen den Balg im Brunnen!« In der Stube lag der Kallenboel auf dem Rücken und stöhnte. Diese Kopfschmerzen! Ihm war übel, und er war aschfahl im Gesicht wie eine gekalkte Wand. Langsam öffnete er die geschwollenen Augen und horchte auf den Lärm an der Tür. Zacharias lachte unverschämt und kniff den Jungen so fest, dass dieser laut über den Kirchhof schrie. »Was ist jetzt? Muss ihn erst der Teufel holen?« Doch plötzlich riss der lange Joss die Augen auf und zeigte aufgeregt auf die offene Tür, wo hinter dem Pfarrer nun eine leichenblasse Gestalt aus dem dunklen Hausflur herangewankt kam. »Kallenboel, verschwinde, ich habe hier Ärger genug«, zischte Casparus, und schlagartig erstarrten die drei Reiter wie auf ein Kommando. »Kallenboel?« Everts Stimme bebte. »Der Kallenboel, der von den Toten wieder auferstanden ist?« Das kreidebleiche Gesicht im Türrahmen grinste verschlagen, plötzlich krachte ein Schuss, und der lange Joss fiel kopfüber aus dem Sattel. 27


Zacharias wollte die Reiterpistole ziehen, aber Evert hatte schon in Panik sein Pferd gewendet. Jammernd rief er: »Den Erzhexer hat die Pest dahingerafft, doch nach einer Nacht im Grabe ist er wieder auferstanden! Zacharias, lass uns verschwinden, oder uns holt der leibhaftige Luzifer!« Während er vom Platz preschte, lallte der Kallenboel in unheilvollem Ton hinter ihm her: »Jawohl, der Schwarze Tod! Ich bin’s persönlich, beim Heiligen Rochus und Sankt Vitus! Und jetzt komme ich, euch zu holen, ihr erzdepperten Galgen­ schwengel!« Nun riss auch Zacharias seinen Rappen herum und jagte mit Valentin auf den Knien vom Kirchhof, das nackte, kalte Grausen im Nacken. Der Kallenboel brach in ein schauriges Gelächter aus und schleppte sich zurück an den Tisch, warf den Kopf auf den Unterarm und schlief auf der Stelle wieder ein. Casparus stand unbeweglich in der Tür und starrte auf den zweiten toten Soldaten in dieser Woche, der lang und dünn neben seinem seelenruhig wartenden Pferd im Schneematsch lag. Der Geistliche bekreuzigte sich, holte er den Schlüssel und packte den Toten mit beiden Händen unter den Armen, um ihn hinüber in die Kirche zu schleifen, wo er für seine letzte Nacht auf Erden aufgebahrt werden sollte. Er war verzweifelt. Valentin ist von diesen beiden Schnapphähnen verschleppt worden, und der Kallenboel hat wie immer einfach alles falsch gemacht. So wie früher schon. Sie kannten sich seit Kindertagen, als noch in Friedenszeiten der gestrenge Landdrost Kaspar von Fürstenberg der Herr im Land gewesen war. Zacharias zügelte derweil den Rappen am Bildstöckchen unter den alten Linden, wo der zitternde Evert schon auf ihn wartete. »Zeter und Mordio, Heulen und Zähneklappern, das war knapp! Wo bleibt Joss?«

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»Der ist hin«, presste Zacharias knapp hervor. Er räusperte sich: »Was war denn das für ein schauriges Gespenst?« »Kennst du nicht die Moritat vom Kallenboel?« Evert durchfuhr erneut ein Schauder, und er musste nach der Mähne seines Zossen greifen, um nicht herunterzufallen. »Der Kallenboel ist anno 1613 in Attendorn von der Pest dahingerafft worden. Auf dem Kirchhof haben sie ihn schnell verscharrt. Und als am nächsten Morgen ein Pfaff zwischen den Gräbern herumstolperte, hörte der den Wiederauferstandenen unter der Erde rumoren. Soll ein echtes Wunder gewesen sein, aber wenn du mich fragst, war’s der Teufel. Du hast ihn ja eben gehört … Und wie er ausgesehen hat … wie der Leibhaftige persönlich!« Die beiden Kriegsknechte spornten ihre Pferde und galoppierten über die Felder hinunter nach Sankt Claas. Dort durchquerten sie die Furt und stiegen über den Hang, um zur großen Kreuzung an der Förder Lennebrücke zu gelangen. Valentin lag nach wie vor über dem Rücken des Rappen und wurde so sehr durchgeschüttelt, dass ihm fast die Sinne schwanden. Auf dem Berg bei Burg Borghausen zügelten die beiden endlich ihre Pferde. Sie wollten rasten, aber sie hatten ja noch den Jungen. Zacharias nahm einen Strick und gab ihn an Evert weiter, der Valentin damit für den Rest der Nacht an einen Baum fesseln sollte. Evert schob den stolpernden Jungen vor sich her. »Bist du etwa der sündige Sohn dieses allersündigsten Pfaffen? Oder warum wohnst du ausgerechnet im Pfarrhaus, hä?« Valentin blickte ihn zunächst aus müden Augen an. Dann kam ihm plötzlich eine geniale Idee. »Nein, nein«, gähnte er, »bei Pfarrer Hengstebeck habe ich zwar seit dreizehn Jahren gewohnt, aber mein Vater ist der Kallen­boel, der heute Nacht gekommen ist, um mich zu holen.« Evert blieb ruckartig stehen und stierte ihn blöde an. »Nach ausgerechnet dreizehn Elendsjahren kommt ausgerechnet der Kallenboel, um ausgerechnet dich zu holen?«

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Valentin nickte geheimnisvoll. »Er ist ein großer Meister des vermaledeiten Veneficiums, ich sage noch mehr, der allerschröcklichsten Zauberey!« Evert riss die glasigen Schweinsäuglein auf. Valentin erwiderte den Blick so gleichmütig wie möglich, obgleich ihm das Herz bis zum Halse schlug. »Er wird mich suchen … Er muss! Denn er braucht mich für einen Pakt hinter dem Kirchhof. Ich würde an eurer Stelle vielleicht besser keine Pause machen … Er wird es blitzen lassen, wenn es finster ist, und er hat den schwarzen Schmer … damit wird er dich finden, und ich weiß nicht … na, jedenfalls sollten wir besser weiterreiten, sonst verkocht er noch deinen Schmalz zu wüsten Spezereien … Joss, äh, nein, Evert natürlich, oder ist es doch Joss, jedenfalls einer von euch ist ja schon … Lasst uns lieber weiterreiten.« Evert starrte ihn an. Die blassen, aufgesprungenen Lippen schob er nervös hin und her, drehte den Kopf und lauschte angestrengt in Richtung Zacharias. Nach einer Weile ließ er den Strick fallen und zischte: »Hau ab! Zacharias wird mir zwar ordentlich das Wams vollklopfen, aber das ist mir allemal lieber, als wenn der Leibhaftige daselbst über mich kommt. Lauf! Und sei leise, verflucht noch eins!«

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A

n seinem 15. Geburtstag im Februar 1634 ist die Welt für Valentin noch in Ordnung. Der Pflegesohn des Heldener Pfarrers hat Lesen und Schreiben gelernt und der große Krieg, der seit 16 Jahren im Lande tobt, ist bisher weitgehend am südlichen Westfalen vorbeigezogen. Doch als der geheimnisvolle Kallenboel auftaucht, den alle für einen Hexenmeister halten, ist es mit dem gewohnten Leben vorbei. Das soll Valentins Vater sein? Plötzlich verheeren auch noch hessische Landsknechte die katholischen Dörfer und die abergläubischen Bauern halten Valentin für ein Kind des Teufels. Von allen gejagt bleibt Valentin nur noch die Flucht, auf der er den zwei Jahre jüngeren Witek trifft. Vom Krieg aus Böhmen vertrieben zieht der protestantische Junge ganz allein durchs Reich. Mit Mutterwitz und Dreistigkeit versuchen die beiden Außenseiter, sich kreuz und quer durch das zusehends umkämpfte Sauerland zu schlagen und am Leben zu bleiben. Doch der Weg zwischen den Fronten hindurch wird von Tag zu Tag gefährlicher.

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