von Gunnar Broberg
arl VON Linn
Carl von LinnĂŠ von Gunnar Broberg
Schwedisches Institut
Gunnar Broberg ist Professor für Wissenschafts- und Ideengeschichte an der Universität Lund. © 2006 Gunnar Broberg und Schwedisches Institut Für den Inhalt dieser Publikation ist allein der Autor verantwortlich. Übersetzung: Margaretha Tidén Gestaltung: BIGG, Stockholm Umschlag: Linné, Portrait von J. H. Scheffel, 1739 Papier: 250 g Tom & Otto Silk, 150 g Linné weiß Gedruckt in Schweden von AB Danagårds Grafiska, 2007 ISBN 978-91-520-0911-6
ist eine staatliche Ein richtung mit dem Auftrag, im Ausland über Schweden zu informieren sowie den Austausch mit anderen Ländern auf kulturellem Gebiet und im Hinblick auf Ausbildung, Forschung und in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens zu organisieren. Das Institut hält ein breites Sorti ment an Material über Schweden bereit. Diese Veröffent lichungen können direkt über das Institut oder über die schwedischen Botschaften und Konsulate im Ausland bestellt werden. Viele von ihnen sind auch auf der Webseite www.sweden.se zugänglich. Das Schwedische Institut (SI)
Im sweden bookshop am Slottsbacken 10 in Stockholm und im Internet unter www.swedenbookshop.com finden Sie Sachbücher, Broschüren und reich illustrierte Bild bände über Schweden in einer Vielzahl von Sprachen sowie eine breite Palette schwedischer Belletristik, Kinder bücher und Sprachkurse. Svenska institutet Box 7434 SE-103 91 Stockholm Schweden
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Inhaltsverzeichnis Einleitung Der junge Mediziner und Botaniker Ordnung in der Kate Professor in Uppsala Der Reisende Das LinnÊsche Projekt Die Apostel Das Sexualsystem und die binäre Nomenklatur Kleine Chronologie
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ARL von Linné (1707–1778) ist der berühmteste schwedische Naturforscher.
Er machte es sich zur Aufgabe, die gesamte Schöpfung zu katalogisieren und zu ordnen. Er ist nicht nur in der internationalen Wissenschaftsgeschichte von Bedeutung, sondern auch auf alltäglicher Ebene in Schweden ein gelesener und lebendiger Klassiker. Die Schweden betrachten ihn als Reisenden und Entdecker des eigenen Landes, die Ausländer als Schöpfer der modernen Klassifikation von Pflanzen und Tieren. Aber er war noch viel mehr, u.a. ein inspirierender Lehrer, der seine Schüler in die ganze Welt schickte.
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Fürst der Botaniker, „Plinius des Nordens“, „Zweiter Adam“, „L.“
Die Hauptperson dieser Schrift trägt mehrere
Namen: für die Schweden und die Deutschen heißt er Carl von Linné, das „von“ erhielt er, als er 1757 in den Adelsstand erhoben wurde. Im angelsächsischen Sprachraum wird er normalerweise Carl Linnaeus genannt, auf den Namen wurde er auch getauft. Die latinisierte Namensform (die vom Wort „lind“ = Linde stammt) deutet darauf hin, dass er zur Schar der Studenten gehörte, sonst hätte er nach dem Vornamen seines Vaters Carl Nilsson geheißen. Außerdem erhielt Linné Beinamen wie Princeps botanicorum, Fürst der Botaniker, „Plinius des Nordens“, „Zweiter Adam“ und Ähnliches. Für heutige Botaniker und Zoolo gen, die sich mit taxonomischen Fragen beschäftigen ist er einfach „L.“, der Buchstabe, der den Namengeber einer außerordentlichen Menge wichtiger Organismen anzeigt.
Geliebte Kinder haben viele Namen und die Menge lässt auf Bedeutung schließen. Es kam nicht häufig vor, dass ein Wissenschaftler und Professor in den Adelsstand erhoben wurde. Auch war es nicht vielen beschieden, mit dem großen klassischen Naturhistoriker Plinius verglichen zu werden. Linné auf eine Stufe mit dem Herrscher des Paradieses und dem ersten Benenner des Tierreichs zu stellen, war natürlich noch grandioser. Tausende Pflanzen und Tiere erinnern an ihren Namengeber, unendliche Mengen von Blumenkränzen sind zu Ehren Linnés geflochten worden. Jede schwedische Landschaft hat ihre eigene Blume; die Linnaea, die Landschaftsblume Smålands, wurde nach dem großen Sohn dieser Landschaft benannt und lässt alle Schweden an seine Person denken.
Das Familienwappen Carl von Linnés. Er wurde 1757 in den Adelsstand erhoben.
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Wiesenschlüsselblumen auf Öland. Linné be suchte die Insel im Jahr 1741 auf einer seiner berühmten Reisen.
Auf dem Hof der Familie stand eine große Linde.
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Linné machte ziemlich viel Aufhebens um seine einfache Herkunft. „Ein großer Mann kann aus einer kleinen Hütte treten“, schrieb er in einer seiner Autobiografien. Er schrieb nicht weniger als vier, was häufig als Beleg für die hohe Meinung, die er von sich selbst hatte, angeführt wird. Aber das wird ihm nicht wirklich gerecht, weil diese Autobiografien eher als Le bensläufe und Anhaltspunkte für spätere Ge denkreden zu betrachten sind. Deshalb schrieb Linné sie auch in der dritten Person und nicht aus einem subjektiven Blickwinkel. Und wenn er seine großen Werke aufzählt, so ist das in Ordnung, denn sie waren zahlreich und ihre Bedeutung unbestreitbar. Wie charmant und bescheiden er auch wirken konnte, so war doch ein ausgeprägtes Karriere streben charakteristisch für seine Persönlichkeit. Linnés Großvater väterlicherseits war Bauer, sein Vater war Pfarrer, er selbst wurde Arzt, später Professor und in den Adelsstand erhoben. Weiter konnte man kaum kommen. Die schwedische Gesellschaft war verhältnismäßig offen,
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Linné wurde bereits im Mutterleib zum Botaniker
ihre bäuerliche Bevölkerung war traditionell frei und stark. Die Kultur des Pfarrhauses bildete Jahrhunder te lang das Rückgrat der schwedischen Wissen schaft und Kultur. Dies hängt mit der engen Verbindung von Staat und Kirche im Schweden der Großmachtzeit zusammen. Die lutherische Kirche leistete als Erzieherin der Bauernbevöl kerung in Friedenszeiten und als Seelsorgerin in den großen Kriegen dem Staat unentbehrliche Dienste. Das alltägliche Leben in Ehre und Elend benötigte eine moralische Kraft. Als die Großmachtzeit 1718 mit dem Tod Karls XII. während des norwegischen Feldzugs zu Ende ging, gab es immer noch die Staatskirche als Lotsen in die friedlichere, bildungsfreundli chere Freiheitszeit. Der junge Mediziner und Botaniker Linné selbst war der Auffassung, dass seine Kindheit und Jugend in einem schönen Land strich, Småland, und mit einem an Pflanzen
interessierten Vater ihn für die Botanik prädisponierten. Die Tatsache, dass er „im allerschönsten Frühling, als der Kuckuck den Sommer ausgerufen hatte“ geboren wurde, war auch ein Vorzeichen für die bevorstehende wissenschaftliche Blütezeit. Der Vater hatte einen Garten mit vielen ungewöhnlichen Kräutern angelegt, die er eher wegen ihrer Schönheit als ihrer Nützlichkeit bewunderte. Seine Mutter hatte während der Schwangerschaft ständig diesen Garten vor Augen – Linné wurde also „bereits im Mutterleib zum Botaniker“. Spätere Biografien haben dann weiter ausgeschmückt, wie seine Mutter Christina Brodersonia (verheiratete Christina Linnaea) seine Wiege mit Blumen dekorierte. All dies sowie seine bescheidene Herkunft wurden zu einer erbaulichen nationalen Sage verwoben, in der Linné das Sinnbild für die Entwicklung der armen, erschöpften kleinen Nation zu Reife, Macht und Stärke abgab. Linnés Geschichte ist ein wichtiger Bestandteil des schwedischen Nationalmythos. carl von linné
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Portrait des 32-jährigen Linné im Gewand des Bräutigams von J. H. Scheffel, 1739.
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Råshult in Småland, der Geburtsort von Linné.
Linné wurde 1707 in Råshult als ältester Sohn einer typischen schwedischen Pfarrersfamilie geboren. Er hatte drei Schwestern und einen Bruder, Samuel, der später an die Stelle seines Vaters als Pfarrer von Stenbrohult trat. Samuel ist als Autor eines Werkes über Bienenzucht bekannt, ein Thema, das dem Interesse des 18. Jahrhunderts für nützliche Naturwissenschaften entsprach. Die Laufbahn als Pfarrer verstand sich für Carl von selbst, setzte aber einige Jahre an Universitätsstudien voraus. Linné besuchte das Gymnasium im nahe gelegenen Växjö und war der Legende nach ein schlechter Schüler – die Überlieferung stützt sich wieder auf Linné selbst und seine nicht immer zuverlässigen Autobiografien. Sein Lehrer in Physik, der Mediziner Johan Rothman erkannte jedoch seine überragende Begabung und unterstützte seine Lust auf die eher nutzlose Pflanzenkunde. Den bekümmerten Eltern erklärte er, dass ihr Erstgeborener statt Theologie lieber Medizin studieren solle. So kam es dann auch, aber man sollte die Sorgen der Eltern 10 h
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nicht abwerten. Für einen Mediziner gab es in Schweden nur wenige Posten, während ein Theologe sicher eine Arbeit finden konnte. Gerüchte über die Gottlosigkeit der Medizin waren sicher auch ihnen zu Ohren gekommen. Es waren ja die Ärzte, die etwa eine Generation früher die umwälzenden kartesianischen Lehren mit an die Universitäten gebracht hatten. Vom Gymnasium in Växjö begab sich Linné an die relativ neue Universität in Lund. Linnés Fähigkeit Sponsoren zu finden kann nicht nur mit seiner außergewöhnlichen Begabung, sondern auch mit seinem Charme und seiner Hart näckigkeit erklärt werden. Dieses Mal war es der Medizinprofessor Kilian Stobaeus, der Linné mit sich nach Hause nahm. Die Frau des Hauses war freilich wenig davon erbaut, dass Linné über Nacht blieb und im Schein der Talg kerze lesend die Brandsicherheit aufs Spiel setzte. Lund genügte Linnés Zwecken für ein knappes Jahr. 1728 ging er nach Uppsala, der 1477 gegründeten, größeren und älteren Universität.
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Carl von Linné. Kupferstich von Augustin Ehrensvärd aus dem Jahr 1740.
Dort gab es zwei Medizinprofessoren im Pen sionsalter, Olof Rudbeck d. J. und Lars Roberg. Selbstverständlich schielte Linné nach ihren Posten und wollte an Ort und Stelle zeigen, wozu er taugte. Mit einigen Unterbrechungen hielt er sich sieben Jahre lang in Uppsala auf. Die Unterbrechungen bestanden aus den Reisen nach Lappland 1732 und nach Dalarna 1734. Er studierte meistens auf eigene Faust, bekam jedoch bei Olof Rudbeck d. J. eine bescheidene Anstellung. Linné diente im Rudbeckschen Haus, bis ihn Frau Rudbeckia aus unklaren Gründen vor die Tür setzte. Er gewann auch das Vertrauen des zweiten Medizinprofessors Lars Roberg. Roberg war ein interessanter Mann, ein Zyniker im philosophischen Sinn und gelehrt wie wenige andere. Er stand in dem Ruf, ein bisschen seltsam zu sein – schlecht angezogen, mit einer großen Bibliothek – aber Linné bewunderte ihn mit Recht. Die frühen medizinischen Studien, auf die wir in Linnés Aufzeichnungen aus dieser Zeit stoßen, bieten eine merkwürdige Mischung aus 12 h
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altem Volksglauben und moderner mechanistischer Medizin. Es macht zweifellos einen sonderbaren Eindruck, wenn Linné auf Besuch zu Hause in Stenbrohult seine Schwester rettet, die an fiebrigem Schüttelfrost leidet, indem er sie in den Körper eines frisch geschlachteten Schafes legt. In Vorlesungen klärt er seine Studenten darüber auf, dass ein junger Hund klein bleibt, wenn man ihn mit Branntwein bestreicht, und dass bei der Mischung von weißer Frau und schwarzem Mann ein männlicher Nachkomme einen schwarzen Penis bekommt. Berühmt ist sein hartnäckiger Glaube, dass die Schwalben nicht nach Süden ziehen, sondern auf dem Grund von Seen überwintern. Als hätten sie Kiemen und Flossen. Diese volkstümliche Vor stellung wurde damit erklärt, dass die Schwal ben ja dicht über der Wasseroberfläche fliegen, um Insekten zu jagen, aber Naturforscher sollten natürlich etwas genauer beobachten. Patzer dieser Art können peinlich wirken, aber man begreift sie besser als Spannungen in einer vielschichtigen Kultur.
Gleichzeitig war Linné, wie gesagt, überzeugt von der Richtigkeit der neuen mechanistischen Physiologie, die häufig mit dem Grundsatz „Homo machina est“, der Mensch ist eine Maschi ne, zusammengefasst wird. Von Lars Roberg beispielsweise wurde sie ziemlich drastisch ausgelegt: „Das Herz eine Pumpe, die Lunge ein Blasebalg, der Magen ein Teigkasten.“ Zusammen mit einem anderen Lieblingssatz Linnés „Homo est animal“, der Mensch ist ein Tier, bekam eine solche Auffassung vom Menschen einen häufig kühnen und modernen Ton. Grundlegend war die Idee vom „einfachen Plan der Natur“, welche die neue Physik letztlich durch Newton bestätigt hatte, nämlich dass sich der Aufbau der Schöpfung bei näherer Betrachtung auf wenige und vernünftige Gesetze gründet und nicht auf ein Durcheinander von Ausnahmen. Die Natur war auf diese Weise einfach zu verstehen, was die manchmal raschen Schlussfolgerungen, die Linné und andere zogen, entschuldigen kann. Diese bestanden im ungeheuer schnellen Auffinden von Analogien zwischen den Reichen der Natur sowie zwischen Natur und Kultur. carl von linné
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Linnés Studierkammer im Linnémuseum. Zu seinen Lebzeiten waren Haus und Garten ein internationales Zentrum für naturwissenschaftliche Forschung und Lehre.
Es war die Naturgeschichte, besonders die Bo tanik, die Linné vor allem anzog. Er war ein begnadeter Botaniker, musste aber wie jeder große Wissenschaftler oder Künstler dennoch hart arbeiten, um seine Position zu erreichen. Durch verschiedene Exkursionen in die Umgebung von Uppsala und Vorlesungen im botanischen Garten der Universität, der von Olof Rudbeck d. Ä. in den 1650er Jahren angelegt worden war, gewann er Kenntnisse und Kontakte und machte sich einen Namen. Olof Rudbeck d. J., sein Arbeit geber und Gönner, zeigte ihm das berühmte Vogelbuch, das er u.a. ausgehend von Material von einer Reise nach Lappland, der ersten schwedischen wissenschaftlichen Expedition, in den 1690er Jahren gemalt hatte. In Uppsala hielt sich auch Petrus Artedi auf, ebenfalls Medizinstudent und Linnés Gesprächspartner und Rivale, was naturhistorischen Scharfsinn betraf. Gemeinsam schmiedeten sie große Pläne für eine reformierte, von Ordnung und Übersicht gekennzeichnete Wissenschaft. Zu Hause in seiner Studierstube trug Linné immer mehr Naturalien, Bücher und eigene Manuskripte zusammen. Ein Zitat: 14 h
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„Du hättest sein Museum sehen sollen, lieber Leser, das den Zuhörern offen stand, und voller Vergnügen und Bewunderung hättest du dessen Hausherrn geliebt. Die Decke hatte er mit Vogelleder, eine Wand mit einer Lappentracht und anderen Kuriositäten und eine andere Wand mit größeren Pflanzen und Schalentieren dekoriert, an den beiden restlichen befanden sich naturwissenschaftliche und medizinische Bücher, Messinstrumente und eine wohlgeordnete Stein sammlung. Die Ecken des Raumes nahmen hohe Äste ein, in denen fast dreißig von ihm darauf abgerichtete Vogelarten lebten; vor den Innen seiten der Fenster schließlich standen große, mit Erde gefüllte Tongefäße, in denen seltene Pflanzen Nahrung fanden.“ Linné bereitete sich auf sein akademisches Debüt vor, aber um einen medizinischen Doktorgrad zu erlangen, musste er ins Ausland reisen. Schweden promovierten seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit Vorliebe in den Niederlanden, die dadurch einen wichtigen Einfluss auf das schwedische Geistesleben aus-
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übten. (Gleichzeitig reiste auch Artedi dorthin, der allerdings eines dunklen Abends in einer der Grachten Amsterdams ertrank.) Die Nieder lande waren auch ein weit geeigneterer Ort für die Veröffentlichung gelehrter Schriften. Als Erfahrung war ein Auslandsaufenthalt dieser Art zudem unschätzbar und wurde gerne zeitlich und räumlich ausgedehnt. Linné sollte drei Jahre im Ausland bleiben, vor allem in den Niederlanden, aber mit kurzen Reisen nach Frankreich und England. Er wurde dadurch wohl kaum zu einem Weltmann, moderne fremde Sprachen fielen ihm zum Beispiel schwer, aber die Kontakte und Freunde, die er in diesen Jahren gewann, waren auf lange Sicht unschätzbar. Durch sie wurde er zu einer Weltberühmtheit. Nach einigen Wochen wurde Linné von der kleinen Universität in Harderwijk promoviert. Die Dissertation handelte von Schüttelfrost, der von Sand – eigentlich Lehm – im menschlichen Getriebe verursacht wird, eine wirklich moderne mechanistische Darstellung, die wie immer in Linnés medizinischen Schriften mit großer 16 h
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Wenn etwas als Linnésches Projekt bezeichnet werden kann, dann ist es diese Arbeit
Selbstsicherheit vorgebracht wird. Weiter wurden die kleine Regelsammlung Fundamenta botanica (1736) sowie größere und kleinere Arbei ten wie Bibliotheca botanica (1736), Genera plantarum (1737) und Classes plantarum (1738), das Prachtwerk Hortus Cliffortianus, (1737), das post hume Ichtyologia (1738) seines Freundes Artedis und einiges mehr gedruckt. Linné war seine eigene naturhistorische Industrie. Er hatte eine Anstellung als Vorsteher einer Gartenanlage auf dem Gut Hartecamp des reichen Bankiers Georg Clifford gefunden und konnte somit den Weg seiner Werke bis zur Veröffentlichung nicht immer verfolgen. Statt dessen ließ er dies seine Freunde machen. Natürlich wusste er seine Zeit gut zu nutzen. Linné machte sich also in den Niederlanden einen Namen und nach einigen Abstechern nach Frankreich und England hätte man sich sehr gut vorstellen können, dass er im Ausland bleiben würde, aber 1738 fuhr er nach Hause, um sein Heimatland nie mehr zu verlassen.
Ordnung in der Kate In Amsterdam schloss er Freundschaft mit einem
gleichgesinnten, wohlhabenden Naturhistoriker, Johan Burman, der versprach, ihm bei der Ver öffentlichung der Systema naturae zu helfen, die er als Manuskript aus Schweden mitgebracht hatte. Wenn etwas als Linnésches Projekt bezeichnet werden kann, dann ist es diese Arbeit. Nicht zuletzt typografisch war es eine Leistung, die großen Abbildungen einzufügen. Die Systema naturae (1735) sollte anfangs eventuell aus einer Anzahl von „Karten“ über die drei Reiche der Natur bestehen, die an die Wand genagelt werden konnten. Auf diesen Karten sollte alles dargestellt werden, die großen Einheiten und in diesen immer kleinere Einzelheiten. Häufig gab er sein System als eine Art militärische Kartografie wieder: wie die Gesell schaft bestand die Natur aus Reichen, Land schaften, Landkreisen, Dörfern, einzelnen Katen, aus denen die Soldaten rekrutiert wurden. Linné war während der großen Kriege aufgewachsen, die Analogie ergab sich also von selbst. Zwar war er kein Anhänger des alten und gestürzten politischen Systems, aber er hatte eine fast zwanghafte carl von linné
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Titelseite der ersten Ausgabe von Linnés Hortus Cliffortianus, Amsterdam 1737. Gegenüberl iegende Se i te
Der Botanische Garten in Harderwijk. Der GingkoBiloba-Baum ist der älteste in den Niederlanden und wurde vielleicht von Linné gepflanzt.
Lust an Überschaubarkeit und Ordnung. Linné ernannte sich einmal zum General über Floras Armee, ein passender Titel trotz der friedlichen Gesichtszüge der Göttin. Ausgangspunkt der linnéschen Wissenschaft war divisio et denominatio, Teilung und Benennung, welches eine Aufteilung der Natur in eine Reihe größerer oder kleinerer Schachteln bedeutete, die etikettiert und geordnet wurden. Als Aufteilungs kriterien verwendete Linné die sexuellen Merk male der Pflanzen, die Ende des 17. Jahrhunderts entdeckt, aber bei weitem noch nicht von allen akzeptiert worden waren. Nun kann man versuchen, die Faszination auszuloten, welche die allgegenwärtigen Fortpflanzungsspiele der Natur auf Linné ausübten und die nicht einmal vor den unschuldigen Blumen Halt machte. Außer der sich vielleicht anbietenden ersten Erklärung, dass Linné eine Art Voyeur der Natur war, kann man auch auf ein religiöses Motiv verweisen, nämlich dass die Natur auf Aufforderung des Schöpfers wachsen und sich vermehren soll. Für Linné war es ihre wichtigste Aufgabe, das was das Leben in 18 h
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all seiner Mannigfaltigkeit lebendig erhält. Die Begeisterung, die er für die Ähnlichkeit der Pflan zen mit dem Menschen hatte, ging auch auf Ideen vom einfachen Plan der Natur zurück. Eine weitere Inspiration stammte vielleicht von der Alchimie, die sich durch eine Art naturwissenschaftliche Hochzeitsmetaphorik auszeichnete, welche der von Linné recht ähnlich war. Auch die Pflanzen feiern Hochzeit in einer Reihe variierender Figu rationen, entweder offen wie die „Phanerogamen“ oder heimlich wie die „Kryptogamen“. Die Tiere wiederum wurden nach differenzier teren Kriterien untergliedert: die Vierbeiner, oder, wie Linné die Gruppe identifizierte und benannte, die Mammalia, wurden unter anderem nach Anzahl und Lage der Brüste/Zitzen eingeteilt. Die Mineralien oder „ Steine“ gliederte er ebenso nach äußeren Merkmalen und nicht nach chemischen Zusammensetzungen auf. Diese wie auch die Pflanzen und die Tiere wurden gemäß der Linnéschen Hierarchie vom Großen zum Kleinen aufgestellt regnum, classis, ordo, genus und species. Zu Anfang erhielten die verschiedenen Arten lange
Bezeichnungen, aber ab 1753 (Species plantarum) und 1758 (Sytema naturae 10. Auflage, Tiere) benannte Linné sie nach dem Prinzip der binären Nomenklatur, das später in der Naturforschung zum Vorbild wurde. Immer noch heißt das Buschwindröschen Anemone nemorosa und die Hauskatze Felis domestica, beide mit einem hinzu gefügten „L.“ als Zeichen für den Namengeber. Das sind Technikalien, von denen es in der linnéschen Wissenschaft viele gibt. Diese ist deshalb nicht „schwierig“, sondern kann auf ein exaktes Hobby reduziert werden. Andererseits hat sie sich als unendlich effektiv erwiesen, um die Natur in den Griff zu bekommen und damit zu beherrschen. Eine Benennung ist keine harmlose Angelegenheit. Die Systema naturae schweift in ihren späteren Auflagen über die gesamte Schöpfung, von den Sternen hinunter zu den Mikroorganismen. Zwar wird die außerirdische Welt nur erwähnt, sie ist als Rahmen aber dennoch wichtig. Die Ausführlichkeit variiert. Wie üblich dominieren
die Insekten, während die Kryptogamen nur in groben Zügen bekannt waren. In ungleichmäßigen Schritten führt also der Weg hinunter von den Sternen durch die ganze Schöpfung. Die Vielfalt war häufig überwältigend, aber dafür fehlten manchmal die richtigen Übergänge. Eigentlich gab es für Linné eine fundamentale Schwierigkeit, weil er sowohl Unterschiede als auch Zusammenhänge, sowohl „Leitern“ als auch „Ketten“ suchte. Das Erstere entsprach beispielsweise eher dem Supremat des Menschen, wie er von der traditionellen Religion betont wurde. Das Letztere entsprach mehr den Vor stellungen siener Zeit. Eine neue Epistemologie und eine Reihe naturhistorischer Neuheiten machten deutlich, dass die Grenzen der Natur philosophisch oder naturwissenschaftlich nicht aufrechtzuerhalten waren. Der Nominalismus John Lockes sowie eine Reihe beachteter Grenz organismen wie der Süßwasserpolyp, die Korallen und die Menschenaffen forderten die alte Struk tur heraus. carl von linné
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Bild rechts
Aquilegia vulgaris
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Paeonia festiva
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Bild l ink s
Aesculus pavia
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Lilium bulbiferum
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Eines der favorisierten Denkmuster des 18. Jahr hunderts war die Vorstellung von der großen Kette der Natur. Für Linné wurde diese immer wichtiger. Selbstverständlich war er der Auffas sung, dass die Schöpfung eine Hierarchie bildete, an deren oberen Ende der Mensch steht – seine aufsehenerregende Platzierung unserer Gattung auf eine Stufe mit dem Affen hat noch heute Be stand; 1758 gab er dem Menschen die Benennung Homo sapiens und bezeichnete die Stufe als Pri mates. Aber die Kette muss nach unten zusammenhalten. Linné suchte in der Literatur und durch Kollegen nach Übergangsmenschen. Er schenkte fragwürdigen Berichten über gefangene Seejungfrauen Glauben und schrieb sehnsuchtsvoll über die Möglichkeit, diese untersuchen zu dürfen. Er ließ sich auch durch anderes See mannsgarn täuschen, das Zwischenmenschen mit Schwanz oder Menschen mit Affenarmen zu bestätigen schien. Sie werden sogar in der Systema naturae unter Bezeichnungen wie Homo troglodytes (u.a. abzielend auf Albinos) und Homo lar (der Gibbonaffe) berücksichtigt.
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Diese Punkte verdeutlichen seine Ambition, der Natur als Vielfalt und als Zusammenhang gerecht zu werden, zwei Eigenschaften, die nicht nur damit übereinstimmten, was die Na turforschung zu sagen schien, sondern auch mit der Vorstellung von einem unendlich großzügigen und weisen Schöpfer. Sie sind gleichzeitig vorurteilsfrei – „vordarwinistisch“ – und vorurteilsvoll. Das Linnésche Projekt hatte begonnen. Es hatte seine Form durch die Linnéschen Regelbücher erhalten, die den Zweck hatten, die gesamte Schöpfung zu inventarisieren und zu ordnen. Die Arbeit musste nur noch organisiert werden.
Jedenfalls war ihre Liebe kein Zufall
Professor in Uppsala Linné hatte also die Niederlande verlassen. Traditionelle Biografien nennen als Grund dafür meistens das Eheversprechen, das er seiner Ver lobten Sara Lisa Moraea gegeben hatte. (Auto biografie: „reiste direkt nach Falun, um seine Liebste zu besuchen, die bald vier Jahre lang auf ihren lieben Odysseus gewartet hatte.“) Aber es ist auch vorstellbar, dass er sein Haus im wörtlicheren Sinne bestellen musste. Jedenfalls war ihre Liebe kein Zufall. Ihr Vater war Werksarzt in Falun, eine der besten Stellen, die es für einen „Mediziner“ gab und etwas, auf das man setzen konnte, wenn sich akademische Stellen nicht ergaben. Ihr Verlobter war ein vielversprechender junger Medicus, jemand bei dem man bleiben konnte. Nach den Gesetzen der großen romantischen Liebe hätte Linné früher nach Hause fahren müssen. Sie heirateten 1739, und ihre Ehe wurde keineswegs eine immer währende Roman ze. Sara Lisa war eine resolute Dame und Linné wohl eher zurückhaltend. Aber noch einmal: wir sollten die Liebe früherer Zeiten nicht romantisieren und von großen Männern nicht erwarten,
dass sie ohne Berechnung, und von ihren Frauen, dass sie deren aufopfernde Sklavinnen sein sollen. Linné war einige Jahre als Arzt in Stockholm tätig, bevor er nach vielem Hin und Her 1741 eine Medizinprofessur in Uppsala bekam. In dieser Funktion entwickelte Linné eine außerordentliche Energie, die sich nur mit der Olof Rudbeck d. Ä. vergleichen lässt. Die Stelle umfasste Vorlesungen in Diätetik, materia medica und naturalhistoria. Linné war Vorsteher des Botanischen Gartens, dessen Erfolge auf dem Hintergrund wirtschaftlicher und klimatischer Schwierigkeiten betrachtet werden müssen. Wir dürfen nicht vergessen, dass dazu auch die Betreuung einer kleinen Menagerie gehörte. Linné war für mehrere Amtszeiten Rektor der Universität Uppsala mit bis zu tausend Stu denten. Er war Präsident der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, die er und einige Gleichgesinnte 1739 gegründet hatten, und gleichzeitig Sekretär der Königlichen Gesell schaft für Wissenschaften in Uppsala. Ab und carl von linné
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Alexander Roslins Portrait von Linné aus dem Jahr 1775.
zu und mit gemischten Gefühlen agierte er auch als eine Art Hofnaturforscher für das Königspaar in Stockholm. Seine Landschafts reisen führte er im Sommer durch. Aber vor allem betreute Linné große Studen tenscharen; unter seinem Vorsitz entstanden 186 Dissertationen, von denen er fast alle selber schrieb. Im Lauf der Jahre floss eine enorme naturhistorische Produktion aus seiner Feder, mit der seine Verleger ein ziemlich gutes Geschäft machten. Hinzu kommt die umfassende Korrespondenz, die nur zu einem geringen Teil in 20 Bänden veröffentlicht worden ist und einer früheren Zählung zu folge 6 000 Briefe umfassen sollte, in Wirk lichkeit aber bedeutend größer ist. Wie sich diese Effektivität erklären lässt, ist nicht leicht zu sagen, aber gönnen wir uns eine klimatologische Spekulation. Ein Kollege aus der Zeit der Romantik, der Pflanzengeograf Göran Wahlenberg, erklärte 1822: „Linné ist somit selbst samt seiner Wissenschaft ein ausge24 h
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zeichnetes Produkt der Natur des Vaterlandes“ – des kurzen und intensiven Sommers, wenn das Nordlicht das Studieren bis in den späten Abend zulässt, des kalten Winters, der die Denkfähigkeit schärft. Wahlenberg betont besonders die Kombination von Waldgegend und Ebene, die durch das Eindringen des Berg rückens Upplandsåsen in die Landschaft entsteht. Auch gilt die Einwirkung der Luft auf den Hängen als „anregend und geeignet, das sinnliche Leben in Bewegung zu versetzen“.
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Kompass, Lupe und Brieftasche mit LinnĂŠs Aufzeichnungen von der Lapplandreise 1732.
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In Schweden ist Linné vor allem wegen seiner Reiseschilderungen bekannt
Der Reisende Reiseschilderungen bekannt. Das topografische Genre ist überall populär, weil es soviel über verflossene Zeiten zu erzählen hat. Zum Reiz der Reisebeschreibungen Linnés gehört auch, dass sie auf Schwedisch und in einem Stil abgefasst sind, der frisch und mitreißend und nicht etwa schlicht ist, wie Linné mit falscher Beschei denheit sagt, wenn er bestreitet, zu „Plinii Nach tigallen“ zu gehören. Aber er schreibt schnörkelloser, als zu seiner Zeit üblich und ist außerordentlich konkret. Linnés Neugier und seine enorme Sachkenntnis lassen ihn die richtigen Worte finden. Seinen Eindrücken konnte er in einem konzisen, häufig antithetischen und wiederholenden Stil à la baroque mit Motiven aus der klassischen Mythologie Ausdruck verleihen. Die Schweden lesen seine Schilderungen immer noch gerne und nehmen sie mit auf die Reise.
war beispielsweise bereits der Statistiker Gustav Sundbärg, der 1911 eine einflussreiche Aphoris mensammlung über das schwedische Volks gemüt herausgab. Der Schwede interessiere sich im Unterschied zum Dänen nicht für Men schen, sondern für die Natur. Und diese Liebe sei durch Linné unerhört geweckt worden. Immer, wie er falsch fortfährt, gehe es um den Sommer. Sowohl der nordische Sommer als auch der nordische Winter haben bemerkenswerte Vorzüge, der letztere häufig in Verklei dung. Gerechterweise muss gesagt werden, dass das schwedische Naturgefühl zwar kräftige Wurzeln bei Linné hat, eigentlich aber erst um 1900 beim Übergang vom alten bäuerlichen Schweden zum urbanen industrialisierten Schweden frei zu wachsen beginnt. Wie auch immer, die Reisetagebücher Linnés sind schwedische Klassiker, aber leider vor allem zugänglich für Schweden.
Dass Linnés Reisetagebücher dem spezifisch schwedischen Naturgefühl zugrunde liegen, ist ein nahe liegender Gedanke. Der Auffassung
Die erste Reise wurde auf Aufforderung Olof Rudbecks d. J. von der Königlichen Gesellschaft für Wissenschaften in Uppsala finanziert und
In Schweden ist Linné vor allem wegen seiner
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Titelseite und „Maibaum“ aus dem Kräuterbuch Örtaboken (1725), das früheste bekannte Manu skript von Linné.
führte nach Lappland. Linné war ein athletischer 25-Jähriger und die Reise war voller Stra pazen. Er persönlich wird deren Dauer und die Gefahren, denen er ausgesetzt war, übertreiben, aber was in der Reiseschilderung (erst 1811 veröffentlicht) niedergeschrieben ist, reicht, um unsere Bewunderung zu erregen. Linné reiste allein die schwedische Küste entlang bis hinauf nach Luleå, wo er sich landeinwärts wandte, die Berge überquerte und an der Eismeerküste auf deren norwegische Seite gelangte. Er nahm den gleichen Weg zurück und folgte dann mit kleinen Abstechern der Küste Finnlands um den Bottnischen Meerbusen herum, um anschließend über die Ålandinseln nach Schweden überzusetzen und nach Uppsala zurückzukehren, nachdem er in fünf Monaten etwa 2 000 Kilo meter zurückgelegt hatte. Seine wissenschaftliche Ernte war reich: Flora Laponica (1737) war eine Trumpfkarte unter seinen niederländischen Publikationen. Ein unbekannter Winkel Europas war beschrieben worden.
Die Zeit, die er oben in den Bergen verbracht hatte, und das Beisammensein mit den Sami hatten Linné von den Vorzügen des einfachen Lebens gegenüber den Annehmlichkeiten der Stadt überzeugt. Wenn es sich ergab, trat Linné gerne als Propagandist für eine Art Medizinpri mitivismus und ein „grünes Evangelium“ auf. Die Lapplandreise (1732) hatte vor allem einen wissenschaftlichen Zweck (auch wenn die Fra geliste ziemlich kuriose Probleme enthielt, wie beispielsweise, ob die Arche Noah auf dem Berg Åreskutan gestrandet sei). Linné unternahm sie allein und unter großen Gefahren. Die Reise durch Dalarna 1734 erfolgte im Auftrag des Landeshauptmanns in Falun und hatte den ökonomischen Zweck, draußen auf dem Land allgemeine Gebrauchsgüter und unbekannte Naturressourcen zu erfassen sowie herauszufinden, was z.B. in den norwegischen Bergwerken in Röros vor sich ging. Linné reiste als Leiter einer kleinen Gruppe von Studenten, die ihn unterstützten und gleichzeitig von ihm Unterricht erhielten. carl von linné
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Linné in Lappentracht von Martin Hoffman, 1737. Zusammen mit dem Herbarium und dem Manuskript von Flora Laponica nahm er die Tracht mit auf die Reise in die Niederlande.
Die Reisen, die Linné in den 1740er Jahren als Professor in Uppsala unternahm, folgen dem glei chen Muster. Die erste Reise 1741 zu den Inseln Öland und Gotland führte er durch, bevor er seinen Dienst antrat. Seine Antrittsvorlesung handelte von „der Notwendigkeit, Forschungs reisen im eigenen Land zu unternehmen“. Es waren die Stände, welche die Expeditionen in der Hoffnung bezahlten, dass diese sich in Form einer reformierten Wirtschaftspolitik auszahlen würden. Linnés Reisetagebücher sollten somit veröffentlicht werden und zwar auf Schwedisch – unterbrochen nur durch sich wiederholende lateinische Artenbeschreibungen. Andererseits hielt sich das Landvolk mit der Lektüre der Schriften von Linné wohl eher zurück. Sie fanden erst viel später ein großes Publikum. Wir reisen gemeinsam mit dem alles sehenden Auge, ein Reiter, der immer wieder vom Pferd steigt, um sich die Blumen entlang den Gräben anzusehen, der Aufzeichnungen macht und Material sammelt. Der Nützlichkeitsaspekt tritt auf der Reise nach Västergötland (1746) stark her-
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Der Hortus Cliffortianus als Buch und als Allegorie von Jacob de Wit (1738).
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vor, die Linné zu der kleinen Mustergemeinde Alingsås mit ihren vom Hutregime umhegten Industriebetrieben, die auch seinen Beifall fanden, und nach Göteborg führte, wo er die Meeresbrise von Holland spüren konnte. Häufig wird Linnés Gefühl für eine Art unverfälschte Natur hervorgehoben, aber er war auch der Stadt gegenüber positiv eingestellt, nota bene, wenn sie seiner Vorstellung eines modernen Gemeinwesens entsprach. Zwar konnte die Stadt Äußerliches und Nutzloses beinhalten, aber auch von den Hammerschlägen des Fleißes widerhallen. Die Reisen machen also nicht nur den Linné des Naturgefühls, sondern auch den Patrioten sichtbar. Am meisten interessierte er sich für die kultivierte Landschaft. Als er seine letzte Landschaftsreise unternahm, 1749 nach Skåne (Schonen), wurde er wie ein Herr im Wagen kutschiert und bei Regen und schlechter Laune erfreute ihn der ertragreiche Boden. Mit zuneh Reformfreudige politische Partei, vorherrschend in den Jahrzehnten 1740–1770, deren Hauptgegner die „Mützen“ waren.
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Bild l ink s oben
Echinops ritro Bild rechts oben
Tropaeolum majus
Bild l ink s unten
Sempervivum tectorum Bild rechts unten
Papaver orientale
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Überall in der Natur sah er den Zweck, jede Einzelheit hatte ihren Sinn und ihren Nutzen
mendem Alter wurde für ihn das kultivierte Skåne und nicht seine Heimat, das steinige Småland, zu einer Ideallandschaft. Ein wahrer Jünger Rousseaus war er also nicht. Das Linnésche Projekt Das Linnésche Projekt, um einen modernen Ausdruck zu verwenden, war eine Mischung religiöser und säkularisierter Motive. Die Pflicht des Menschen war, die Schöpfung in ihrer Viel falt zu bewundern und dem Schöpfer damit Dank für seine Großzügigkeit zu erweisen. Linné wurde nicht müde, die Gottheit zu preisen, die für ihn also ein Schöpfergott und keine Erlösergestalt war. Dahinter lag ein gewisses Maß an Taktik: der Naturwissenschaft, der Naturgeschichte bekam es gut, die Religion im Rücken zu haben. Aber in dieser Dankbarkeit lag auch das Samenkorn eines weltlichen Natur interesses, das auf den Nutzen für den Men schen ausgerichtet war. Das 18. Jahrhundert in Schweden war vor allem durch den Nützlich keitsaspekt gekennzeichnet und einer seiner
wichtigsten Anreger war Linné. Überall in der Natur sah er den Zweck, jede Einzelheit hatte ihren Sinn und ihren Nutzen und das meiste war letzten Endes für den Menschen da. Andererseits zählte Linné alle Vorteile, die der Mensch durch das göttliche Wohlwollen besitzt, nicht nur tri vial auf. Der Optimismus wird bei ihm durch Wehklagen über das Elend des Menschen und tiefe Einsicht in die Wechselwirkung der Natur ausgeglichen. Gerade der Wechselwirkung in der Natur sollte er einige Abhandlungen widmen, darunter Oeconomia naturae (1749) und Politia naturae (1760). In der Natur folgen drei Stadien aufeinander: propagatio, conservatio und destructio und dies auf eine so sinnreiche Weise, dass, grob gesagt, das Leben des einen den Tod des anderen bedeutet. Im Stadium der destructio betritt beispielsweise die Polizei der Natur, die Raubtiere, die Szene. Auch sie werden gebraucht, um die Schöpfung rein und schön zu erhalten. Eine solche Version des alten Theo dizee-Problems ist nicht originell, aber Linnés carl von linné
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Das Linnémuseum in Uppsala. Das Haus war nicht nur Linnés Institution für Medizin und Naturgeschichte, sondern auch 35 Jahre lang das Zuhause der Familie.
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Lösung ist nicht rokokohaft oberflächlich, sondern tief gefühlt und voller Blut und Schmer zen. Sie umfasst auch den Menschen, der ebenso wie alles andere in den Kreislauf der Natur einbezogen ist. Ein Zitat aus dem Tagebuch der Reise nach Västergötland – Linné steht an einem Friedhof und philosophiert heiter über ernste Dinge: „Wenn ich die Erde von den Friedhöfen nehme, nehme ich die Teile, die Menschen ausgemacht haben und zu Menschen verwandelt worden sind; streue ich sie in meinem Kohlgarten aus und setze Pflanzen hinein, erhalte ich daraus Kohlköpfe statt Menschenköpfe, aber koche ich diese /Kohl-/ köpfe und gebe sie Menschen, werden sie wieder zu Menschenköpfen oder anderen Teilen usw. verwandelt. Somit essen wir unsere Toten auf und es bekommt uns gut.“ Man kann natürlich versuchen, Linnés monomane Ordnungsleidenschaft als Folge einer inneren Unrast zu begreifen. Ganz offensichtlich war eine solche vorhanden und es wäre in der
Tat gerechtfertigt, eine stärker psychologisierende Deutungslinie einzuschlagen. Aber es gibt auch eine großschwedische Megalomanie, mit Wurzeln bei Rudbeck, Vater und Sohn, die ebenso großartige, aber undurchführbare Pläne hatten, die gesamte Natur aller Zeiten in natürlicher Größe und großem Detail darzustellen, ein für alle Mal. Erstaunlich ist, wie weit sie eigentlich in Richtung Vollendung kamen. Vor allem sollten wir auf die fruchtbare Inspiration durch die moderne Wissenschaft hinweisen, die auf dem besten Wege war, Europa bis in die letzten Winkel zu integrieren. Linné war ein Anhänger Bacons und wollte ein Newton der Lebenswissenschaften sein – den er ansonsten kaum verstand. Das Linnésche Projekt war außerordentlich erfolgreich. Es verlockte und verlockt immer noch Zahllose sich zu beteiligen. In der ganzen Welt arbeitet die Forschung daran. Aber aus einem Blickwinkel war es ein Fiasko, denn es kann nicht beendet werden. Offensichtlich glaubte Linné, dass er – der von einem Kollegen „zweiter carl von linné
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Zoologische Tafeln mit Notizen von Carl Gustaf Ekeberg, ca.1749. Die lateinischen Benennungen sollen von Linné geschrieben worden sein.
Adam“ genannt wurde – sich relativ bald, jedenfalls zu seinen Lebzeiten, einen Überblick über die Schöpfung verschafft haben würde. Sein Fleiß war enorm und ein wachsendes Kontakt netz ließ ihn nie zur Ruhe kommen. So nahmen die verschiedenen Auflagen von Systema naturae in Anzahl und Umfang zu, von den zwölf Folio seiten der ersten (1735) zu den 2 300 Seiten der zwölften (1766–1768) Auflage, die rund 15 000 Mineralien-, Pflanzen- und Tierarten umfasste. Eine solche Menge Naturalien zu klassifizieren und zu benennen war eine große Leistung, aber natürlich nur der Anfang einer Unternehmung, die nie beendet werden kann. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Anzahl der Arten auf unserer Erde auf eine Million geschätzt, während man heute von etwa 30–40 Millionen, vielleicht sogar mehr, ausgeht, von denen unzählige nie beschrieben werden. Linné muss irgendwann von Zweifeln an der Möglichkeit befallen worden sein, die Aufgabe zu Ende zu bringen, wenigstens was ihn selbst betraf. Der „bodenlose“ Reichtum der Natur 36 h
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Linnés Charisma entfaltete sich in einem inneren Kreis, unter den so genannten Aposteln
muss nicht nur Enthusiasmus, sondern auch Müdigkeit in ihm ausgelöst haben. Die Apostel Linné war ein moderner Professor, ein Pro
jektinitiator und Organisator mit ausgezeichneten Kontakten zur Gesellschaft. Er konnte seine Schüler zu Großtaten anspornen und die richtigen Fäden ziehen, um Gelder zu beschaffen. Unter den Mäzenen sind vor allem das Königspaar und die schwedische Ostindische Kompanie zu erwähnen. Linnés Charisma entfaltete sich besonders in einem inneren Kreis, unter den sog. Aposteln, die auf Forschungsreisen geschickt wurden. Dass mehrere von ihnen den Märtyrertod draußen im Feld erlitten, mit dem sie sich der Wissenschaft und deren Meister opferten, sollte nicht verschwiegen werden. Sie reisten in alle Windrichtungen: eine größere Gruppe ostwärts nach Ostindien und China. Auf dem Weg wurden Spanien und das Kap land besucht, häufig für längere Zeiträume.
Dies waren wichtige Forschungsgebiete für einige der Apostel, u.a. Anders Sparrman und Carl Peter Thunberg. Endlich in China angekommen, war dort die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Steine werfende chinesische Jungen jagten zum Beispiel Pehr Osbeck von harmlosen botanischen Exkursionen zurück zum Schiff. Ähnliche Verhältnisse galten in Japan, wohin sich Thunberg mit der niederländischen Ostindienkompanie aufgemacht hatte. Thunberg gelang es, die Schwierigkeiten mit Geduld und List zu meistern und er wurde so zum Pionier der modernen Erforschung der japanischen Flora. Zur Beschreibung von Zentral asien plante Linné, Pehr Kalm auf dem Land weg durch Russland nach China zu schicken, aber es kam nicht dazu. Nach Osten reiste stattdessen Johan Peter Falck, dessen For schungsergebnisse auch von ethnografischem Interesse sind. Der unglückliche Falck beging Selbstmord in Kazan, während der gutmütige und ständig nützliche Kalm die lange Reise nach Nordamerika antrat. Dort besuchte er Benjamin Franklin und besichtigte die Nia carl von linné
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Adler Afzelius Berlin Falck Forsskål Hasselquist Kalm Löfling Martin
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Osbeck Rolander Rothman Solander Sparrman Thunberg Torén Tärnström
Gegenüberl iegende Se i te
Linné schickte seine „Apostel“ auf botanische Entdeckungsreisen in die ganze Welt. Einige kamen nie zurück.
gara-Fälle, die er als erster wissenschaftlich beschrieb. Zum Eismeer reiste Anton Martin, der sich die Beine erfror und danach elend weiterlebte. Daniel Rolander bereiste Südamerika, kehrte aber mit verwirrtem Sinn zurück. Pehr Löfling, den Linné für seinen besten Schüler hielt, starb in Venezuela, nachdem er dort erfolgreich For schungsarbeit geleistet hatte. Fredrik Hassel quist reiste mit Unterstützung Linnés und der theologischen Fakultät in Uppsala ins Heilige Land, starb jedoch in Smyrna. Danach wurden seine Sammlungen nach einigem Hin und Her von der schwedischen Königin Lovisa Ulrika erworben. Peter Forsskål, einer der wirklich interessanten Schüler mit oppositioneller politischer Einstellung, nahm an einer dänischen Expedition nach Arabien teil, wo er und alle anderen Teilnehmer außer dem Leiter Carsten Niebuhr an Malaria starben. Die Ergebnisse dieser enormen Anstrengungen sind als relativ begrenzt zu bewerten. Pflanzen-
und Tierbeschreibungen wurden nach Hause geschickt, erstaunt über Volksleben und prangende Natur berichtet. Die Reiseschilderungen verkauften sich offensichtlich, obwohl sie haupt sächlich Artenbeschreibungen für Eingeweihte enthielten. Häufig kam man nur bis zum Schaum auf der Oberfläche. Die Bedeutung der Reisen der Apostel lag vielleicht vor allem auf symbolischer Ebene, als wissenschaftliche Abenteuer und Opfergänge. Von zukünftiger Tragweite war auch, dass der Wissenschaftler hiermit einen Platz auf den großen Reisen zu Land und zu Wasser ergattert hatte. Sparrman und Daniel Solander reisten mit Cook um die Welt, und als sich ein gutes halbes Jahrhundert später die Fregatte Beagle auf ihre Weltum segelung machte, erhielt der junge Charles Darwin einen Platz. Linné war prägend für die Wissenschaft des 18. Jahrhunderts. Das gilt nicht nur für Schweden, sondern für die gesamte westliche Welt. Die Konzentration auf das Sammeln und Klassi fizieren kann manchmal bizarr erscheinen, carl von linné
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aber offensichtlich erfüllte es eine wichtige Funktion. Die Naturgeschichte hatte den Vorsprung eingeholt, den die Physik sich während der wissenschaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts verschafft hatte, wobei sie vor allem eine Art Rationalismus und Systematik des Barock fortführte. L´ésprit de système, die Ambition die Wirklichkeit in einem umfassenden Netz einzufangen, kennzeichnet das 18. Jahrhundert Linnés. Zu diesem Zweck wurden immer spezialisiertere Handbücher und Zeit schriften veröffentlicht. Auch gab es leicht fassliche Darstellungen des Themas, die u.a. Frauen einbezogen. So schrieb Rousseau, dieser traurige Amateurbotaniker, seine Lettres sur la botanique. Die systematische Leidenschaft beschränkte sich nicht auf die drei Reiche der Naturge schichte, denen ein Kollege von Linné ein viertes, nämlich „das Wasserreich“ hinzufügen wollte. Linné verwandte einige Mühe darauf, in seiner Nosologie (Genera morborum, 1763) Krankheiten zu klassifizieren. Jeremy Bentham 40 h
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behandelte die Tugenden auf ähnliche Weise, andere klassifizierten Bücher oder die Wirt schaft nach dem Linnéschen System. Auch die Einteilung der menschlichen Rassen nimmt ihren Anfang mit Systema naturae, eine Tätig keit, die mit der Zeit häufig zu fragwürdigen Ergebnissen führen sollte. All das und mehr erlaubt es, von einem „Linnéanismus“ der Zeit zu sprechen, dessen Grenzen die Forschung heute noch nicht abgesteckt hat. Linné war also außerordentlich erfolgreich. Zu Lebzeiten wurde er in fast alle Akademien gewählt. Nach seinem Tod wurde die Linnean Society of London gegründet, die im Besitz seiner von Ehefrau Sara Lisa verkauften Samm lungen ist. Kurz danach entstand die Societé Linnéenne in Paris, die kurz nach der Revo lution 1789 eine Blütezeit erlebte. Aus verschiedenen Gründen, die in dieser kleinen Schrift nicht erschöpfend behandelt werden können, erlangte Linné internationale Bedeutung. Man brauchte ihn – nicht zuletzt wegen der Sprach reform, die er durchgeführt hat. Linné schuf
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ein Linnéanisch, das nicht gesprochen, aber immer noch geschrieben wird. Er gab der Forschung mit Systema naturae eine übergreifende Aufgabe, ein Projekt. Und in Schweden, um an einen früheren Abschnitt anzuknüpfen, schuf er auch eine Art zu Reisen und die Natur zu erleben. War Linné zufrieden? Hat der Erfolg ihn glücklich gemacht? Laudatur et alget war Linnés Wahlspruch – er wird gelobt, aber er friert. So sammelte der alternde Linné für den eigenen Gebrauch und zur Erbauung des etwas unordentlichen Sohnes Beispiele für das
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Dunkle im Menschen, eine theologia experimentalis, die er als Nemesis divina bezeichnete, die sämtliches ihm und seinen Nächsten sowie Gott und der Natur von seiner Umgebung, seinen Gegnern und Neidern zugefügtes Unrecht enthielt. Der Dolmetscher der Natur war kein wirklich glücklicher Mensch. Nach einem Schlaganfall verschwand sein zuvor so phänomenales Gedächtnis. Er bewunderte seine eigenen Schriften, verstand aber nicht mehr, dass er sie selbst geschrieben hatte. Sein Sohn Carl trat an seine Stelle, überlebte den Tod seines Vaters 1778 aber nur um wenige Jahre.
Das Sexualsystem und die binäre Nomenklatur Linné veröffentlichte sein Sexualsystem zuerst 1735 in Systema naturae und wandte es später in Species plantarum (erste Ausgabe 1753), das größtenteils auf Material aus seinem Garten basierte, auf jede damals bekannte Art an. Das Sexualsystem gilt heute nicht mehr als Klassifikation, die den tatsächlichen Beziehungen zwischen Pflanzen entspricht und wurde deshalb aufgegeben. Zu Linnés Zeit jedoch stellte es eine Methode der Definition und Klassifikation dar, die alles vorher Be kannte weit übertraf. Linné war sich der theoretischen Schwächen und des künstlichen Charakters des Sexualsystems bewusst, aber er blieb bis zum Ende seines Lebens zu Recht von dessen praktischem Nutzen überzeugt. Das Sexualsystem teilt das Pflanzenreich zunächst nach der Anzahl der Staub gefäße (I Monandria, II Diandria usw.) oder, ab Nr. XII, nach der Anordnung der Staubgefäße oder der geschlechtlichen Ausbreitung zwischen den Blumen in 24 Klassen ein. Klasse XXIV stellt die Kryptogamen mit „verborgenen“ Sexualorganen dar. Im Garten wird sie durch die Farne exemplifiziert. Die Nummer der Klasse wird in römischen Ziffern angegeben. Die Klassen sind nach der Anzahl der Griffel oder Stempel in den Blumen in Ordnungen eingeteilt. Die Bezeichnungen der Ordnungen sind von Klasse zu Klasse gleichartig. Monogynia (mit 1 Griffel oder Stempel), Digynia (mit 2 Griffeln oder Stempeln) usw. bis zu Polygynia (viele Griffel oder Stempel). Die Zahl der Ordnung wird in arabischen Ziffern angegeben. Die Ordnungen sind in Gattungen eingeteilt, viele davon stimmen mit denen überein, die heute gelten (Linnaea, Betula), obwohl andere seit Linné unterteilt oder wieder verbunden worden sind. Somit gleichen Linnés Gattungsbezeich nungen nicht immer denen, die wir heute verwenden. Die Gattungen schließlich sind in Arten eingeteilt, die Doppelnamen haben (das von Linné eingeführte System der binären Nomenklatur) z.B. Linnaea borealis, Betula nana. Linnés Artenklassifikationen haben im Großen und Ganzen überlebt, obwohl viele ihrer Namen aus unterschiedlichen Gründen geändert werden mussten.
Originalzeichnung von Georg Dionysus Ehret (1736), die Linnés Sexualsystem illustriert.
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Kleine Chronologie 1707 1727 1728 1732 1734 1735–1738 1735 1736 1737 1739 1741 1744 1745 1746 1749 1751 1753 1757 1758 1766–1768 1778 1783 1784
Linné wird in Råshult, Småland geboren Student in Lund Student in Uppsala Lapplandreise Reise nach Dalarna Reisen nach Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, England und Frankreich Doktor der Medizin in Harderwijk, Niederlande Erste Ausgabe von Systema naturae Fundamenta botanica Flora Laponica Arzt in Stockholm Einer der Gründer der Königlichen Akademie der Wissenschaften und deren erster Präsident Heirat mit Sara Lisa Moraea Professor der Medizin in Uppsala Reisen nach Öland und Gotland Sekretär der Königlichen Gesellschaft für Wissenschaften in Uppsala Flora Suecica Reise nach Västergötland Fauna suecica Reise nach Skåne Philosophia botanica Species plantarum In den Adelstand erhoben Kauf des Gutes Hammarby Zehnte Ausgabe von Systema naturae Letzte Ausgabe von Systema naturae Linné stirbt in Uppsala Carl von Linné d. J. stirbt Die Linnéschen Sammlungen werden nach England verkauft
Bildquellen Umschlagbild und Seite 8 Foto: © Teddy Thörnlund, Kunstsammlung der Universität Uppsala Seite 2, 20, 21 und 32 © Edvard Koinberg Seite 4 und 6 © Johnér Seite 7 © Riddarhuset Seite 11 Foto: Carina Glanshagen © Gemeinde Älmhult Seite 13 und 36 © Zentrum für Wissenschaftsgeschichte, Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften Seite 15 © Olle Norling, Upplandsmuseet Seite 16 © Milieucentrum de Hortus, Harderwijk Seite 17 © Gemäldesammlungen der Akademie Åbo, Finnland Seite 18 und 19 ©Tiofoto Seite 25 © Nationalmuseum, Stockholm Seite 26 und 30 © Sören Hallgren und Linnémuseum Seite 28 Foto: Universitätsbibliothek in Lund, © Stadtbibliothek in Växjö Seite 31 © Teddy Thörnlund und Linnémuseum Seite 34 © Anders Damberg und Linnémuseum Seite 38 © Stig Söderlind Seite 41 © Helena Bergengren, TioFoto Seite 43 Foto © Universitätsbibliothek Uppsala
CARL VON LINNÉ (1707–1778) ist der berühmteste schwedische Naturforscher. Er machte es sich zur Aufgabe, die gesamte Schöpfung zu katalogisieren und zu ordnen. Er ist nicht nur in der internationalen Wissenschaftsgeschichte von Bedeutung, sondern auch auf alltäglicher Ebene in Schweden ein gelesener und lebendiger Klassiker. Die Schweden betrachten ihn als Reisenden und Entdecker des eigenen Landes, die Ausländer als Schöpfer der modernen Klassifikation von Pflanzen und Tieren. Aber er war noch viel mehr, u.a. ein inspirierender Lehrer, der seine Schüler in die ganze Welt schickte. 2007 jährt sich der Geburtstag dieses großen Wissenschaftlers, dessen Vermächtnis bis in unsere Zeit lebendig ist, zum 300. Mal.