ENERGETISCHE SANIERUNG:

Wie weiter, Bestandseigner?
GEOTHERMIE:
Heizen durch die Tiefgarage
PROJEKTENTWICKLUNG:

Virtuelle Kooperation

ENERGETISCHE SANIERUNG:
Wie weiter, Bestandseigner?
GEOTHERMIE:
Heizen durch die Tiefgarage
PROJEKTENTWICKLUNG:
Virtuelle Kooperation
Immobilienwirtschaft – In Sachen Neuerungen gilt die Real-Estate-Branche im Vergleich zu anderen Industrien als eher träge. Ob dies zutrifft – und falls ja, warum dies so ist, ergab eine Umfrage bei Mitgliedern von Swiss Circle.
Alle reden von einem drohenden Engpass in der Energieversorgung. Wie gut ist die Schweizer Immobilienbranche Ihrer Meinung nach dafür gewappnet?
Rolf Truninger: Meiner Meinung nach kann sie gar nicht gut genug gewappnet sein. In den letzten mindestens 40 Jahren musste sich niemand ernsthaft über einen Energieengpass Gedanken machen. Generell ging jeder davon aus, Energie hat es genug und ist günstig.
Stefan Feldmann: Bei uns wurde in den letzten Jahren viel in energieeffiziente Anlagen und Gebäude investiert, aber es besteht natürlich noch weiteres Potenzial. Für den drohenden Engpass haben wir Pläne erarbeitet, wo je nach Lageentwicklung reduziert oder sogar abgeschaltet werden kann.
Manuel Frey: Energieverbrauch und Nachhaltigkeit sind schon lange ein Thema in der Bau- und Immobilienbranche, leider bisher aber nicht als wesentliches Entscheidungskriterium aufgrund mangelnden Preisdrucks oder Nutzerbedürfnis genutzt worden. Viele Bestandesgebäude und Anlagen sind nicht auf das energetische Optimum, sondern minimale Investitionskosten und möglichst reibungslosen und damit leider oftmals ineffizienten Betrieb ausgelegt. Dies könnte uns nun auf die Füsse fallen, wenn wir Einbussen bezüglich unseres
gewohnten Komforts bei gleichzeitig steigenden Betriebskosten hinnehmen müssen.
Mich stimmt jedoch positiv, dass wir mit unseren gut ausgebildeten Handwerkern und Ingenieuren sowie mit einem auf den Lebenszyklus bezogenen Ansatz die Transformation unseres Gebäudeparks mittelfristig erreichen können. Kurzfristig werden wir wohl hauptsächlich durch nichtinvasive Massnahmen und eine Anpassung unseres Nutzungsverhaltens den drohenden Engpass abfedern können.
André Nauer: Rund 80 Prozent des Gebäudebestands der Schweiz ist älter als 30 Jahre; die Dämmung entspricht grösstenteils nicht dem aktuellen Stand der Technik. Zudem werden zwei Drittel der Gebäude noch immer mit fossilen Energieträgern beheizt; sie sind in der aktuellen Situation grundsätzlich anfällig: Sie verbrauchen zu viel Energie und sind dabei abhängig von fossilen Energieträgern. Dies wird sich überproportional auf die Betriebskosten in den nächsten Monaten auswirken. Viele Eigentümer und Nutzer sind sich dieser Entwicklung noch nicht mit allen Konsequenzen bewusst – zumal die Rechnungen ja auch erst im nächsten Jahr kommen.
Viele Grossverbraucher mit einem Bezug von mehr als 100.000 kWh pro Jahr konnten in den vergangenen Jahren
von den Mechanismen des freien Strommarktes profitieren. Diese Unternehmen wird die aktuelle Volatilität am härtesten treffen. In den Medien hören wir von Strompreisentwicklungen um den Faktor 10 bis 15.
Unternehmen mit kritischer Infrastruktur verfügen in der Regel über Notfallund Blackout-Szenarien und sind für kurzfristige Engpässe eher gut vorbreitet. Was bislang kaum jemand auf dem Radar hatte, sind mittel- bis langfristige Einschränkungen, wie sie jetzt zu befürchten sind.
Welche innovativen Ansätze und Technologien aus der Immobilienwelt haben aus Ihrer Sicht das Potenzial, einen positiven Beitrag zur Energiefrage zu leisten?
Rolf Truninger: Die Technologien wären vorhanden, aber die Nachfrage und der Leidensdruck waren bislang zu klein. Für die Eigentümer ist es aber in der Tat schwierig, den Überblick zu behalten. Es gibt viele Informationen, aber für sich selber und das jeweilige Gebäude festzulegen, auf welche Technologie gesetzt
werden soll, ist nicht ganz einfach. Zum Beispiel ist in unserer Eigenverbrauchsgemeinschaft das Management des Nutzerverhaltens die Herausforderung. Es braucht dafür noch gute Speichermöglichkeiten und definitiv höhere Einspeisevergütungen des Elektrizitätswerkes. Die knapp 6 Rappen pro Kilowattstunde sind nicht zu rechtfertigen. Aktuell verfolge ich die Entwicklung von Methanol-Blockheizkraftwerken, wie etwa die Schaffhauser Firma Methanology. Damit könnten wir die Herausforderungen in der Eigenverbrauchsgemeinschaft vermutlich lösen.
Manuel Frey: Aus meiner Sicht ist vor allem die Sektorenkopplung von Gebäudebetrieb und Mobilität in Kombination mit sinnvoll genutzter Speichertechnologie zu nennen, um die zweifelsohne vorhandenen Synergiepotenziale breiter nutzen zu können. Zudem sollten wir uns unter anderem am Maschinenbau oder an der Landwirtschaft orientieren, deren prozessintelligente Ansätze zum Aufbrechen der bei uns vorhandenen Daten- und Informationssilos übernehmen, um bessere Entscheidungen zu einem früheren Zeitpunkt und mit geringerem Aufwand als heute zu ermöglichen.
André Nauer: Die Lösungen zur Bewältigung der Energiefrage sind eigentlich schon lange bekannt und werden stetig weiterentwickelt. In jedem Gebäude besteht die Möglichkeiten der energetischen Betriebsoptimierung. Gebäude sind ständigen Nutzungsänderungen unterworfen, dabei gilt es, den Betrieb der HLKSE-Anlagen der tatsächlichen Nutzungssituation stetig anzupassen. Darüber hinaus gibt es investive Möglichkeiten, die in den letzten Jahren oft noch recht langfristige Payback-Zeiten hatten. Diese können nun alle aus der Schublade
geholt werden, weil sich mit der Vervielfachung der Energiepreise die Payback-Zeiten verkürzen und sich die Massnahmen innert kürzester Zeit auszahlen. Sie beginnen bei der Gebäudehülle und den Dämm- bzw. Isoliermöglichkeiten von Fassade, Fenstern und dem Dach. Weitere Massnahmen, die beim Verbrauch ansetzen, sind zum Beispiel die Beleuchtung, Ventilatoren und Motoren in der Gebäudesteuerung sowie eine intelligente Gebäudeautomation, die Sensoren und Aktoren intelligent miteinander in Einklang bringt. Auch in der Energiebereitstellung gibt es viel Potenzial: Moderne Technologien wie Photovoltaik, Wärmepumpen, Freecooling, Abwärmenutzung etc. reduzieren den CO 2 -Fussabdruck und sind teilweise effizienter im Primärenergieverbrauch. Die Technologien existieren und sie werden auch aufgrund der aktuellen Situation zunehmend wirtschaftlich. Letztlich ist es aber der Gebäudenutzer mit seinen Gewohnheiten und seinem Bewusstsein, der entscheidet, ob er Einfluss auf die Energiethemen eines Gebäudes nehmen und einen positiven Beitrag zur Energiefrage leisten will.
Stefan Feldmann: Je nach Strompreisentwicklung sollten Photovoltaianlagen auf geeigneten Dächern gepuscht werden, allenfalls mit einer Speicherbatterie ergänzt, um den Eigenverbrauchswert zu erhöhen.
Zur Wärmeerzeugung kann eine hocheffiziente Erdwärmepumpe die passende Lösung darstellen.
Warum braucht es immer erst eine Ausnahmesituation oder Krise, damit sich etwas bewegt? Wieso tut sich die Immobilienwelt in der Regel schwer mit der Transformation in die (digitale) Zukunft.
Rolf Truninger: Das sind, von mir aus gesehen, zwei unabhängige Fragestellungen. Leider ist die Menschheit so programmiert, dass sie erst aus der Krise lernt und sich bewegt. Dies scheint eine Konstante in der Evolution zu sein.
Die zweite Frage der schwerfälligen Transformation in die digitale Zukunft ist schon schwieriger zu beantworten. Nach meiner Beobachtung sind einfach zu viele Themen in zu kurzer Zeit auf die Immobilienwelt eingeprasselt, etwa im Vergleich zur Finanzbranche, die seit der Immobilenkrise in den 1990er-Jahren beinahe ein Viertejahrhundert Zeit hatte, ihren Hypothekarmarkt neu zu strukturieren.
Für die Immobilienbranche gab es dagegen während der letzten 20 Jahre kaum einen Grund, sich ernsthaft zu bewegen – zumal in dieser Zeit bekanntlich eine Art «Goldgräberstimmung» vorherrschte.
Manuel Frey: Wir leben und arbeiten in jahrzehntelang eingeschliffenen Strukturen, starren Vergütungs- und Honorarmodellen und einer Branche, die die letzten Jahre gut gelebt hat. Dies macht naturgemäss träge und reduziert den Eigenantrieb für tiefgreifende Innovation. Darüber hinaus fehlt uns noch eine kritische Anzahl an Personen mit digitalem Mindset und fundierten Kompetenzen sowohl im Management als auch an der Basis vieler Unternehmen. Ich glaube daran, dass die in den letzten Jahren gestarteten Ausbildungsprogramme mit Schwerpunkt auf Digitalisierung und Innovation eine breite Durchdringung der Immobilienwelt mit dem dingend notwendigen Know-how und Mindset gewährleisten und somit die dringend erforderlichen Innovationen zur gesamtwirtschaftlichen Steigerung der Produktivität und Effizienz ermöglichen.
André Nauer: Ich glaube nicht, dass die Immobilienwelt per se nicht innovativ ist. Es gibt viele gute und innovative Ideen und die Proptech-Szene ist massiv am Wachsen. Jedoch ist der Produktlebenszyklus einer Immobilie im Vergleich zu vielen anderen Branchen wesentlich länger.
Ein grosser Hebel für energierelevante Innovation besteht in der Planungsphase von Neubauten, doch da der Gebäudepark Schweiz weitgehend gebaut ist, müssen Innovationen vor allem in der Betriebsphase ansetzen.
Der Gebäudebetrieb findet immer unter hohem wirtschaftlichem Druck statt, um ohnehin vergleichsweise niedrige Renditen zu erzielen. Hier braucht es weitsichtige Eigentümer und Investoren, die das Potenzial solcher energierelevanten Investitionen sehen. Dann ist auch Platz für Innovationen. Hier hilft die aktuelle Energiepreisent-
wicklung; sie hilft, Innovationen zu be
schleunigen. Energie war in den letzten Jahren zu günstig, als dass sich Innovationen gerechnet hätten.
Stefan Feldmann: Gewohnheit und Bequemlichkeit. Wenn die bestehende Situation funktioniert, besteht wenig Bewegungsdruck für die Veränderung. Leider sind die Optionen dann unter Druck meistens limitiert.
Welche Massnahmen haben Sie privat getroffen, um Energie zu sparen resp. um sich auf den kommenden Winter vorzubereiten?
Rolf Truninger: Ich habe mich seit meiner Kindheit mit Energieeffizienz auseinandergesetzt – und so verfügen wir über energiesparende Installationen mit Netzfreischaltern, kontrollierte Lüftung in den Schlafzimmern mit WRG, Wärmepumpenboiler und sind in einer Eigenverbrauchsgemeinschaft mit PV für den direkten Verbrauch und für die Mobilität. Dann habe ich das Glück, dass die ganze Familie gerne Holzfeuer hat und wir immer für genügend Brennholz und Feuerungsmöglichkeiten besorgt waren. Generell aber bin ich der Ansicht, dass wir gelassen in den kommenden Winter gehen sollten – erfrieren wird niemand. Die Kostenexplosionen belasten mich schon eher. Auf der einen Seite ist es nun wirklich gut, damit wir lernen, Energie zu sparen und zu schätzen. Auf der anderen Seite ist es offensichtlich, dass einige Konzerne gigantisch profitieren und Gewinne abschöpfen. Das muss sich wieder korrigieren.
Manuel Frey: Als ausgebildeter Gebäudetechnikinstallateur achte ich natürlich auf einen ordnungsgemässen und optimalen Betrieb unserer Heizungs -
anlage, das richtige Lüftungsverhalten und werde wohl auch die eine oder andere Minute kürzer unter der warmen Dusche stehen. Darüber hinaus werde ich konsequenter darauf achten, dass nicht mehr alle Räume wie bisher auf bis zu 22 °C, sondern nur noch auf 18–20 °C geheizt werden, was alleine schon einer Energieeinsparung von 15 bis 20 Prozent entspricht und von mir nur ein angepasstes Nutzungsverhalten abverlangt.
André Nauer: Grundsätzlich sind wir als Familie auf das Thema sensibilisiert und versuchen, wo immer möglich, sorgsam mit Ressourcen umzugehen. Sämtliche Geräte wurden schon bei der Planung unseres Hauses auf Energieeffizienz geprüft. Wir heizen unser Haus mit einer Erdsonde und planen zusätzlich die Investition in eine Solaranlage. Für den kommenden Winter werden wir die Raumtemperatur senken; auch verzichten wir auf elektrische Weihnachtsbeleuchtung. Darüber hinaus fahre ich ein Elektrofahrzeug, welches ich mit erneuerbarem Strom lade.
Stefan Feldmann: Ich habe unter anderem zwei Teenager zu Hause – etwas weniger lange unter der Dusche zu verbringen wäre bei uns im Haushalt wohl schon ein wesentlicher Beitrag. Ansonsten wohnen wir in einem MinergieGebäude, welches weniger Energie braucht als nicht nach diesem Standard errichtete Immobilien.∙